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Viertes Buch.

Der Kampf um die Herrschaft im Westen.

Kapitel 1.

Karthago.

Gegenüber den reichgegliederten, tieseingeschnittenen Küften Südeuropas mit ihren inselvollen Meeren lagert sich in langgestreckter, einförmiger Linie die steinige Küste Africas, des abgeschlossenften Theiles der alten so wie auch der neuen Welt. Kein schrofferer Gegensay ist auf dem Erdball in unmittelbarer Nachbarschaft zu finden, als die Continente, welche die Hauptwohnsiße der schwarzen und der weißen Menschenrasse find. Während in der compacten Masse des heißen Südlandes der Ursiz der nie gemilderten Barbarei bis auf den heutigen Tag gegen das Eindringen edlerer Menschensitte verschlossen geblieben ist, hat Europa früh den Samen der Bildung empfangen und zu immer reicherer Blüthe entwickelt. Zwar lös't sich von dem Kerne des africanischen Festlandes im Often das schmale Flußthal des Nil ab und im Norden begrenzt die trostlose Wüste des Innern einen bald breiteren, bald engeren Küstenstrich kulturfähigen Landes, aber auch diese Gegenden sind wesentlich verschieden von den meerumflossenen Inseln und Halbinseln Europas, wo eine mildere Sonne und mannichfaltigere Bodenbildung sanftere Sitten und reichere Formen der Gesellschaft und des Staats gezeitigt haben.

Das Mittelmeer, an dem der Strom der Menschenwanderung von Often nach Westen sich brach und spaltete, hat dem Nordrande Africas die semitischen, den Europäischen Ländern die indogermanischen Völker zugeführt, und, obgleich es den feindlichen Zusammenstoß und das Her

Ihne, Röm. Gesch. II.

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über- und Hinübergreifen der beiden grundverschiedenen Rassen nicht immer hat verhindern können, so hat es doch im Laufe der Zeit die unverrückbare Scheidewand aufrecht erhalten, und trennt noch immer die Kulturländer des christlichen Europa von den in Barbarei zurückgesunkenen muhamedanischen Barbaresken.

Ueber die Urbevölkerung der Länder, die von Aegypten bis ans atlantische Meer und von der Küste des mittelländischen bis zur Wüste sich hinziehen, haben wir nur unsichere Kunde. Ein einziger Volksstamm, die Libyer, in mehrere Zweige gespalten, von denen die Numidier, Mauretanier und Gätuler die hauptsächlichsten sind, hatte jene Gegenden von den ältesten Zeiten an in Besiz und hat sich troz aller Einwanderungen und Mischungen bis auf den heutigen Tag in den Berbern als die echte einheimische Bevölkerung erhalten. Die Natur des Bodens und die dadurch bedingte Lebensweise brachte unter dieser Urbevölkerung bedeutende Verschiedenheiten hervor. In den fruchtbaren Gegenden, die der Meeresküste nahe liegen, lebten die Libyer als fleißige Ackerbauer; in den Steppen streiften die Hirtenstämme der Numidier und Mauretanier umher; in den Schluchten des Atlas fristeten die Gåtuler ein fümmerliches Leben. In sich selbst fand keine dieser Völkerschaften die Elemente höherer Kultur. Sie erhielten dieselbe von Außen. Während eines Zeitraumes von vielen Jahrhunderten war die Küste von Nordafrika das Ziel der Seefahrten und der Niederlassungen der vielgewandten, unternehmungsluftigen Phönizier. Der Zug dieser ältesten Ländererforscher und Städtegründer im Mittelmeer ging anfänglich, wie es scheint, mehr nach Norden. Sie trafen aber an den Küsten und Inseln des ägäischen Meeres mit den Griechen zusammen und zogen sich vor der stärkeren Energie dieses Volkes zurück; um an der Küste Africas und in den westlichen Theilen des Mittelmeeres ein ungestörteres Gebiet zur Entwickelung ihrer Handels- und Colonialpolitik zu finden. So entstanden zahlreiche phönizische Niederlaffungen an der Nordküste von Africa, in Spanien und auf vielen Inseln des Westens.

Im Wesentlichen waren die phönizischen Colonien nicht verschieden von den griechischen. Sie entstanden nicht wie die römischen durch Beschluß des Mutterstaates, um deffen politischen Zwecken zu dienen, seine Herrschaft auszudehnen und zu befestigen und in der Abhängigkeit von demselben zu bleiben. Im Gegentheil, sie verdankten ihre Entstehung dem Unternehmungsgeist der Auswanderer, inneren Streitigkeiten in der

Die Gründung Karthagos.

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Heimath, oder Handelszwecken und nur ein lockeres Band der Pietät oder des Interesses verknüpfte sie unter einander und mit dem Mutterlande. Aber die einzelnen, ursprünglich unabhängigen phönizischen Städte in Westen wuchsen allmählich zusammen zu einem mächtigen, einheitlichen Staate, durch dessen concentrirte und geschickt geführte Macht das kleine semitische Volk in den Stand gesezt wurde, Jahrhunderte lang über zahlreiche, stammfremde Völkerschaften zu herrschen und denselben einen Stempel aufzudrücken, der noch viele Menschenalter nach dem Untergang der phönizischen Herrschaft erkennbar war.

Diese Einigung der zerstreuten phönizischen Gemeinden zu einem Staate war das Werk Karthagos. Durch welche glücklichen Umstände, durch welche politische oder militärische Ueberlegenheit der Karthager, durch welche Staatsmänner und Feldherren diese Vereinigung zerstreuter Elemente bewerkstelligt wurde, das hat uns kein einheimischer und kein fremder Geschichtschreiber überliefert. Die ältere Geschichte Karthagos ist noch mehr verschollen, als die ihrer großen Nebenbuhlerin Rom und an ihrer Stelle finden wir eitel Fabeln und Sagen. Die tyrische Königstochter Dido, oder Elissa, welche angeblich im neunten Jahrhundert vor Christo an der Spize einer Anzahl von unzufriedenen Adelsgeschlechtern aus Tyrus auswanderte und Byrsa, die Burg von Karthago, gründete, erweis't sich im Lichte der historischen Forschung als eine Göttin. Die Erzählungen von dem Ankauf der Grundfläche für die neue Stadt, von der in Riemen geschnittenen Ochsenhaut, von dem Bodenzins, der lange Jahre einheimischen Fürsten gezahlt werden mußte, sind Sagen ähnlichen Werthes wie die vom römischen Asyl und vom Raub der Sabinerinnen. Karthago war ebensowenig wie Rom von Anfang an eine bedeutende Stadt, deren Gründung und Urgeschichte die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen hätte erregen können. Es war nur eine der vielen phönizischen Colonien, und nicht einmal die älteste an der africanischen Küste. Aber die günstige Lage Karthagos scheint früh der größeren Entwickelung der Stadt förderlich gewesen zu sein. Sie erhob ihr Haupt über die Schwesterstädte, und stellte sich an die Spiße der sämmtlichen dem phönizischen Stamme angehörigen Ansiedelungen, machte Eroberungen und gründete Colonien und erlangte durch ihren commerciellen Einfluß und ihre kriegerische Macht die Herrschaft über die westlichen Meere und Küsten.

Das farthagische Reich war in seiner Zusammenseßung dem römi

schen nicht unähnlich. Beide waren ausgegangen von einer Stadt als Mittelpunkt; beide herrschten über stammverwandte und fremde Bundesgenoffen; beide hatten zahlreiche Colonien ausgesandt und durch dieselben ihre Nationalität ausgedehnt. Aber bei aller Aehnlichkeit waren Ursachen vorhanden, welche den beiden Staaten tiefgreifende Eigenthümlichkeiten aufdrückten und ihre Geschicke verschieden bestimmten.

Ob Rom reicher war als Karthago an politischer Weisheit und kriegerischem Muthe, wagen wir nicht zu entscheiden. Beide Eigenschaften zeichneten beide Völker im höchsten Grade aus, führten beide auf eine hohe Stufe nationaler Entwickelung, und machten den Kampf zwischen ihnen zu dem längsten und schwankendsten, den die alte Geschichte kennt. Selbst wir, die wie die Karthager nur aus den getrübten Quellen griechischer und römischer Schreiber kennen, sind im Stande, darüber zu vollster Gewißheit zu gelangen, daß sie den Römern wenigstens ebenbürtig waren. Die Entscheidung in dem großen Wettkampfe war nicht bedingt durch Vorzüge des Muthes und des Geistes. Kein römisches Heer hat je ruhmvoller gekämpft als das des Hamilkar Barkas auf dem Berge Eryr, oder als die Besazung von Lilybäum, oder endlich als das karthagische Volk in seinem leßten Verzweiflungskampfe gegen Scipio, den Zerstörer. Die Weisheit des römischen Senates, die wir kaum hoch genug anschlagen können, hat nicht mehr zu Stande gebracht, als der Senat Karthagos, der an 600 Jahre lang ohne erschütternde Umwälzung den größten Handelsstaat der alten Welt leitete. Was war das entscheidende Moment, das in dem langen Hin- und Herschwanken der Wage zwischen Rom und Karthago den Ausschlag gab? Es war die Gleichartigkeit des Stoffes, aus dem der römische Staat zusammengefügt war, verglichen mit der Ungleichartigkeit des karthagischen1. Die Römer waren Italiker, desselben Blutes wie die Sabiner, die Samniter, Lucaner, Campaner und wie sie alle heißen, die den Grundstock der Bevölkerung in Italien bildeten. Selbst mit ihren griechischen Verbündeten waren sie stammverwandt und sogar mit den Etruskern stimmten sie in Lebensart, politischem Denken und religiöser Sitte in großem Maße überein. Die Karthager aber waren und blieben Fremdlinge in Africa. Der

1) Schon Polybius (I, 65. §. 7) trifft das Rechte, wenn er die 9ŋ ovμμixta καὶ βάρβαρα δεr farthager entgegenfelt benen, δίε ἐν παιδείαις καὶ νόμοις καὶ πολιτικοῖς ἔθεσιν ἐκτεθραμμένα μηδ.

Die Schwächen des karthagischen Staates.

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spröde, starre Boden Africas brachte ein ungeschmeidiges Geschlecht hervor und die semitischen Phönizier waren von Natur nicht weniger abstoßend gegen Fremde. Troß vielhundertjährigen Zusammenlebens von Puniern und Libyern war in Africa der Unterschied zwischen den beiden Völkern nie verschwunden. Die Römer konnten nicht anders; sie mußten mit ihren Unterthanen zu einem Volke verschmelzen. Die Punier vermochten das nicht wegen der Fremdartigkeit ihres Ursprungs. Wären sie zahlreich genug gewesen, die Libyer zu absorbiren, so hätte dieses weniger geschadet. Aber ihr Mutterland Phönizien war zu klein, um auf Jahrhunderte kräftigen Nachschub zu leisten. Die Wurzeln ihrer Macht schlugen also nicht tief genug ein in den Boden der neuen Heimath, und der gewaltige Sturm, der in den Römerkriegen heranbraus'te, riß sie aus.

Zu diesem nationalen Element der Schwäche gesellte sich ein zweites, das geographischer Natur war.

Italien bildet einen compacten, abgeschlossenen Ländercompler, groß genug für ein zahlreiches Volk, weder durch Gebirge, noch tief einschneidende Meeresarme wie Griechenland zerrissen, noch sich anlehnend an Nachbarländer und so nach verschiedenen Richtungen der Gefahr des Auseinanderfallens ausgesezt. Vergleichen wir das Gebiet von Karthago, so finden wir in der langen Ausdehnung desselben von Cyrene bis an den Ocean, in den schwankenden Grenzen nach dem Innern des africanischen Continents, in den zerstreuten überseeischen Besizungen in Sicilien, Sardinien, Malta, den Balearen und in Spanien eine sehr unsichere Unterlage für ein kräftiges, einiges Staatsgebäude.

Dies sind die Schwächen des karthagischen Staates. Man hat wohl gesagt, die Karthager seien ein bloßes Handelsvolk gewesen, auf Gewinn erpicht, nicht von kriegerischem Geiste beseelt und darum hätten sie im Kampfe mit Rom unterliegen müssen 2. Diese Behauptung ist unwahr und die Folgerung trifft nicht zu. Die Karthager waren keineswegs ausschließlich Kaufleute und Gewerbtreibende. Sie waren Ackerbauer nicht

2) Vgl. dagegen die richtigen Bemerkungen über die kriegerische Tüchtigkeit von Handelsstaaten Vincke's (der zweite punische Krieg 1841. S. 94) der damit schließt: „Die Kaufleute Karthago's waren ebenso wenig Krämer als jene Kaufleute an der Zuydersee und der Themse, welche die Herrschaft Indiens an sich rissen.“ Er hätte hinzufügen sollen: „und welche mit den größten Militärmächten des Continents mit Spanien unter Philipp II. und mit Frankreich unter Napoleon siegreich kämpften“.

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