Immagini della pagina
PDF
ePub

scheinende Angaben vorlagen. Unter den Schriftstellern der früheren Zeit wird neben Sisenna und Cäsar auch Livius und der ältere Plinius einigemal angeführt; aus der späteren Periode Vipsanius Messala, Fabius Rusticus, Cluvius Rufus und andere nicht näher bezeichnete Zeitgenossen desselben; auch werden Memoiren der Agrippina und Anderer, Acta, und zwar sowohl Acta senatus wie Acta diurna, publica (s. §. 251), Reden, Briefe, Fasten mehrmals genannt, übrigens stets die eigene Ansicht des Schriftstellers von der Erzählung des Thatbestandes und den Quellen derselben unterschieden 9). Ohne Hass und ohne Zuneigung zu schreiben, wodurch die Erforschung der Wahrheit erschwert und die Darstellung verfälscht wird, das war die Anforderung, das die Aufgabe, die Tacitus an sich selbst vor Allem stellen zu müssen glaubte 10). In der unverkennbaren Theilnahme, die sich in Allem ausspricht, was zur Verherrlichung Rom's dienen kann, und die, wie man behauptet, selbst hie und da den Geschichtschreiber zu einiger Parteilichkeit für Rom verleitet haben soll 11), zeigt sich ein ächt patriotisches Gemüth; in Absicht auf Politik 12) aber neben einer tiefen Kenntniss derselben zugleich ein hohes Gefühl für Tugend, die ihm in der Ehre begründet ist, so dass an Tiefe, Weisheit und eindringender, ausgebreiteter Kenntniss Tacitus seine Vorgänger übertrifft, eben so wie an Scharfsinn und grossartiger Gediegenheit der Darstellung. Sein ernster Sinn hat ihn mit Hass erfüllt bei der Betrachtung eines in Laster versunkenen Zeitalters und eines gräuelvollen Despotismus tyrannischer Herrscher; daraus ist jene Stimmung des Unmuths und Unwillens hervorgegangen, die den Geschichtschreiber unwillkürlich ergreift, wenn er in Betrachtung einer verachtungswürdigen Gegenwart uns das Andenken früherer Zeiten zurückruft 13); hier zeigt sich uns in dem Charakter des Mannes ein düsterer Ernst, mit Bitterkeit gemischt, der auf den Ton seines Werkes und die ganze Darstellungsweise einen entschiedenen Einfluss geäussert, ihm selber aber ungerechten Tadel und Vorwürfe (s. §. 262) zugezogen hat: wie diess insbesondere noch in neuester Zeit hinsichtlich der Art und Weise, wie Tacitus den Tiberius aufgefasst und dargestellt hat 14), geschehen ist. Es zeigen die oft bitteren und wehmüthigen Betrachtungen

zwar nicht mehr den reinen und unbefangenen Geist der älteren Historie, aber wir erkennen darin den Charakter einer Zeit, in welcher ein edler, kräftiger Geist nur auf diese Weise den verworfenen Zeitgenossen sich entgegenstellen konnte. So erst erklärt sich aus diesem bittern Gegensatz seines innern Wesens mit dem, was er darstellt, seine historische Darstellungsweise, die in uns immerhin einen tiefen Eindruck hinterlässt, und uns mit Bewunderung und Staunen erfüllt 15). Was im Besonderen die politischen Ansichten und Grundsätze des Tacitus betrifft, so war er wohl von der Nothwendigkeit des Principats und einer Alleinherrschaft für sein entartetes Zeitalter 16), in welchem eben so wenig eine frei republikanische als eine aus republikanischen und monarchischen Bestandtheilen gemischte Verfassung nach seiner Meinung mehr bestehen konnte 17), überzeugt, und spricht sich daher mit Schmerz über den Untergang der Freiheit aus 18), da unbegrenzte Machtvollkommenheit und absolute Herrschergewalt eines Einzigen ihm durchaus nicht zusagt 19), ja das Streben nach einer solchen Gewalt als die stärkste aller Leidenschaften erscheint; aber auf der andern Seite zeigt er auch gegen eine Herrschaft der Volksmassen, die ihm geistig und politisch für Nichts gelten 20), eine entschiedene Abneigung, die ihn, vermöge seiner altrömischen Denkweise, mehr der altrömischen, republikanischen Verfassung zuführt. Mit den Grundsätzen der verschiedenen philosophischen 21) Systeme seiner Zeit bekannt, huldigt er keineswegs einem bestimmten System, und lässt sich eben so wenig in seiner Lebensbetrachtung und in seiner Darstellung durch die Lehren der einen oder der andern Schule bestimmen; er ist weder Epicureer noch Stoiker zu nennen, wenn auch schon Lehren und Grundsätze der einen wie der andern Schule sich bei ihm vorfinden; dass er aber im Ganzen der stoischen Philosophie, der auch die edelsten Römer seiner Zeit huldigten, mehr ergeben ist 22), erklärt sich hinreichend aus dem eigenen Charakter des Tacitus, namentlich in Bezug auf die stoische Moral 23). Was die religiösen Ansichten des Tacitus 24) betrifft, so erkennt Tacitus in der Geschichte nicht bloss eine Reihe natürlicher Ursachen und Wirkungen, sondern das Walten einer höheren Macht über menschliche Angelegenheiten und menschliches Treiben;

als Römer theilt er den Glauben an die vaterländischen Götter mit der römischen Welt seiner Zeit und zeigt selbst eine gewisse Achtung vor der Volksreligion und dem Staatscultus, die auch seine Auffassung des Judenthums und Christenthums bestimmt hat; dabei nimmt er eine Weltvorsehung und Weltregierung an, die sich besonders in der strafenden Gerechtigkeit kundgibt, und steht in dieser Beziehung selbst der Divination, die bei ihm in verschiedenen Arten vorkommt, nicht ferne. So zeigt die Vorstellung, die er von dieser höhern Macht sich bildet, zwar stoische Grundzüge, in Folge der eben bemerkten Neigung zur stoischen Lehre, namentlich in der Moral; aber sie verräth auch unverkennbar ein gewisses Schwanken und Zweifeln 25), was den Tacitus bald in den Ruf des Epicureismus 26), bald in den des Atheismus und der Impietät 27) gebracht hat, so wenig es auch wahrscheinlich scheint, dass Tacitus nicht an das Dasein Eines Gottes geglaubt habe 28). Allerdings herrscht bei ihm in der Weltauffassung das sittliche Element vor dem religiösen vor, indem letzteres ohne Einfluss erscheint, und von der Tugend, d. i. von der Ehre abhängig gemacht ist; das Göttliche tritt vor dem Menschlichen und Natürlichen zurück, seine Wirksamkeit und sein Einfluss auf die Welt, auf das Leben und Treiben der Menschen wird in Zweifel gestellt 29). Daher ein Schwanken bemerklich ist, so wie eine Hinneigung zum Fatalismus und zu einer Schicksalsmacht, welcher Alles unabänderlich unterworfen ist, die aber dann eben so wieder als Zufall 30) gefasst und ganz unbestimmt gelassen wird: woraus sich ergibt, dass Tacitus zu keiner festen und sichern, in sich abgeschlossenen Ueberzeugung gelangt ist, durch welche diese Widersprüche gehoben worden wären. Es zeigt sich diess auch in den öfteren Erzählungen von Wundern und ausserordentlichen, übernatürlichen Ereignissen, worin Tacitus mit einer gleichen Genauigkeit wie Livius (s. §. 244) verfährt, wegen des Zusammenhangs dieser Dinge mit dem ganzen Staatswesen und des dadurch hervorgerufenen Einflusses auf die Ereignisse selbst 31). Während sich auf der einen Seite Manches findet, was den Unglauben des Tacitus an solche Ereignisse beurkundet, finden sich wieder andere Stellen, aus welchen eine Anerkennung derselben in ihrer Beziehung auf etwas Höheres

hervorgeht, indem die Wunder keineswegs als bloss zufällige Erscheinungen, ohne alle Beziehung auf etwas Höheres, Göttliches sich ihm darstellen 32). Nach der Ansicht eines neueren Forschers 33) wäre der Grundgedanke der ganzen sittlich-religiösen Weltansicht des Tacitus die Römer-Ehre, welche ihm den Maassstab abgibt, wornach er das menschliche Leben lobt oder tadelt, und die Auswahl der in seine Geschichte aufzunehmenden Thatsachen bestimmt, so dass das Ziel, das Tacitus in den Annalen wie in den Historien zu erreichen gesucht, kein anderes sei, als das, die Würde oder Entwürdigung des römischen Volks in einer bestimmten Zeit treu nach der Wahrheit darzustellen. Dass die Geschichtschreibung des Tacitus sich selbst als Zweck gesetzt hat, ausgegangen und bearbeitet nach einer ihm vorschwebenden Idee und darum frei von bestimmten didaktischen oder anderen Zwecken 34), darf wohl mit Grund angenommen werden.

1) S. Hoffmeister (Weltanschauung des Tacit.) S. 15 ff. 212 ff.

ut non

2) Vergl. Tacit. Hist. I. 4 und das. die Worte: „Caeterum antequam destinata componam, repetendum videtur, qualis status Urbis etc. modo casus eventusque rerum, qui plerumque fortuiti sunt, sed ratio etiam causaeque noscantur." Ein Mehreres bei Hoffmeister a. a. O. §. 4 ff. S. 5 ff. 9 ff.

3) Die näheren Belege dazu gibt ausführlich Hoffmeister a. a. O. S. 134 ff., 190, 191 ff. Vergl. auch Ruperti p. XLV sq. So schreibt z. B. Tacitus in Bezug auf die menschliche Natur Hist. IV. 74: „vitia erunt, donec homines." Oder Hist. II. 20: „insita mortalibus natura recentem aliorum felicitatem acribus oculis introspicere modumque fortunae a nullis magis exigere quam quos in aequo viderunt." Hist. IV. 3: „tanto proclivius est injuriae quam beneficio vicem exsolvere, quia gratia oneri, ultio in quaestu habetur.“ Oder die Schilderung Ann. III. 26.

4) S. besonders Hoffmeister a. a. O. §. 24, 25 S. 59 ff. 62 ff. Tacitus selbst schreibt Annall. III. 65: „Exsequi sententias haud institui nisi insignes per honestum aut notabili dedecore, quod praecipuum munus annalium reor, ne virtutes sileantur, utque pravis dictis factisque ex posteritate et infamia metus sit."

5) S. die nähere Auseinandersetzung dieser Begriffe und der von Tacitus zu deren Bezeichnung angewandten Ausdrücke, bei Hoffmeister S. 20 ff. Daher Hist. IV. 17 die virtus als proprium hominum bonum“ bezeichnet wird.

6) Vergl. Hoffmeister a. a. O. S. 3 und des Tacitus eigene Aeusserungen am Eingang der Historien, wo er auf den nachtheiligen Einfluss hinweist, welchen seit dem Kampfe bei Actium und seit der nöthig gewordenen Gründung einer absoluten Monarchie Unkunde so gut wie Schmeichelei oder persönliche Abneigung auf die Darstellung der Wahrheit in der Geschichte ausgeübt, und in Bezug auf seine Person die Worte folgen lässt: sed incorruptam fidem professis nec cum amore quisquam et sine odio dicendus est."

7) Vergl. J. H. L. Meierotto De fontibb. quos Tacitus de tradendis rebus ante gestis videatur secutus. Lips. et Berolin. 1795. fol. De fide

Taciti scriptio I. auct. H. Justo. Zittav. 1827. 8. p. 15, 17 ff., 21 ff., 34. Vergl. auch Prutz a, o. a. O. p. 33 seqq. Einiges auch in K. Th. Pabst: Observatt. in Tacitum. Programm zu Arnstadt 1837. 4. Eine kritische Untersuchung der Berichte des Tacitus über den Ursprung der Juden von J. G. Müller zu Basel in den theolog. Studien und Kritiken von Ullmann und Umbreit 1843. p. 893 ff., s. bes. p. 898; nebst Leonhard: Ueber den Bericht des T. über die Juden, Ellwangen 1852. 4.; eben so über die Berichte über des Germanicus Kriegführung in den beiden ersten Büchern der Annalen, von A. F. M. Anton in dem Programm von Rossleben 1850. 4. Zu der Stelle (Ann. XV. 44) von den Christen s. das Programm von L. S. Obbarius, Rudolstadt 1845. 4.

8) Bötticher Prolegg. (Lexic. Tacit.) p. XIX und daselbst die Belege im Einzelnen über die hier angeführten Schriftsteller; über Sisenna s. Hist. III. 51. Vergl. auch Ruperti p. XXXV ff. Die Commentarii Agrippinae filiae s. Histor. IV. 53. Eine Benutzung griechischer Geschichtschreiber, als Quellen, finden wir nicht, und scheint Tacitus sogar nicht viel in dieser Beziehung auf die Griechen zu halten, da er Hist. II. 4 schreibt: quaeque alia laetum antiquitatibus Graecorum genus incertae vetustati adfingit.“

rum

"

9) So z. B. Ann. III. 16 nach Anführung verschiedener Angaben: quoneutrum adseveraverim: neque tamen occulere debui narratum ab iis, qui nostram in juventam duraverunt." In ähnlicher Weise Hist. II. 37, vergl. V. 7, III. 22, 28, 54, 78.

10) S. Annall. I. 1 (vergl. mit Hist. I. 1) und daselbst die Worte: „inde consilium mihi, pauca de Augusto et extrema tradere, mox Tiberii principatum et cetera; sine ira et studio, quorum causas procul habeo." Vergl. dazu die Bemerkk. von Hoffmeister §. 3 S. 4 ff.

11) S. Süvern a. o. a. O. S. 82 und daselbst Hegewisch a. a. O. S. 77. Daher Unglücksfälle, von welchen Rom betroffen wird, auf den Zorn der Götter zurückgeführt werden, wie Annall. IV. 1, XVI. 16. Hist. II. 38 oder I. 3.

12) Die zahlreichen Schriften, in welchen früherhin dieser Gegenstand erörtert wurde, verzeichnet Fabric. Bibl. Lat. III. p. 401 ff., und daselbst besonders Gordon Disputt. histt. et politice. super Tacit. Amstelod. 1742. II. Voll. 8.; s. dazu Herder: Brief. z. Beförd. d. Humanit. Bd. XI. p. 53 oder p. 67, Carlsruh. Ausg. Vergl. auch Ast Grundriss der Philol. S. 501. Hoffmeister a. a. O. §. 20 p. 47 ff. Ernesti Praef. ad Tacit. p. LXV seq. ed. Oberl. und: Zell Ferienschr. III. p. 67 ff.: „Tacitus, als Staatsmann in seinem praktischen Leben.“ Daunou Cours étud. d'hist. XIX. p. 579. H. J. Kirschbaum: Quid T. de rebus publicis senserit. Jenac 1857. 8. Merkwürdig ist, wie z. B. in Bezug auf Kriegführung Tacitus gleich Montecuculi Geld für den Nerv des Krieges hält; Hist. II. 84: nihil aeque fatigabat quam pecuniarum conquisitio, eos esse belli civilis nervos dictitans Mucianus" etc. Nicht anders Hist. II. 32.

13) Conz: Ueber die hist. Kunst d. Alten (Museum für griech. und röm. Literatur. Zürich. 1795. II.) S. 151 ff. L. Bischoff: Ueber die Vorrede des Agricola (Programm von Wesel 1824. 8.) S. 5 ff.

14) Dem in neuester Zeit hervorgetretenen Bestreben, die Regierung des Tiberius in einem günstigen Lichte darzustellen und in ihm selbst eine ausgezeichnete Persönlichkeit eines Regenten zu erkennen, musste, wie zu erwarten, das düstere Bild, das Tacitus von Tiberius entworfen hat, im Wege stehen, und darum der Geschichtschreiber einer schiefen Auffassung und Darstellung, die durch rhetorische Zwecke bestimmt sei, ja selbst einer absichtlichen Entstellung der Wahrheit, aristokratischer Vorurtheile u. dgl. beschuldigt werden, so fern auch Derartiges dem Charakter des Mannes und seiner ganzen Geschichtschreibung liegt, und so wenig auch bei näherer Betrachtung und Prü

« IndietroContinua »