Immagini della pagina
PDF
ePub

Capitel XV. Beredsamkeit.

§. 286.

Wir haben bereits oben (§. 213) bemerkt, dass die Beredsamkeit neben der Geschichte es ist, in welcher Rom besonders von seiner ausgezeichneten Seite sich uns darstellt. Die Beredsamkeit ist es, die des Römers ganzes politisches wie wissenschaftliches Leben durchdringt, und allen Geistesproducten Rom's einen eigenthümlichen Charakter eingeprägt hat (vergl. §. 18). Der Redner war in dieser Beziehung der einflussreichste Mann in Rom, sowohl in Absicht auf die Leitung der politischen Angelegenheiten, als auch durch die Art und Weise, wie er, um diesen politischen Einfluss zu gewinnen und zu erhalten, auf die allgemeine Bildung einwirkte, und Eifer für Wissenschaft zu entzünden und zu verbreiten suchte; wobei er freilich selbst alle Bildung seiner und der früheren Zeit in sich vereinigen musste1). So bildete die Beredsamkeit den Mittelpunkt aller höheren Bildung und Wissenschaft, und wir sehen das Bild eines solchen Redners in Cicero 2), dessen ungemeiner Einfluss auf die Nation und deren Bildung und Sinn für die Wissenschaft eine Folge seiner eigenen rednerischen Bildung ist, deren Wirksamkeit und Einfluss bald über alle Zweige der Literatur sich verbreitete, ihnen eine entschiedene Richtung gab, und so gewissermassen den ganzen Zeitgeist bestimmte. Von dieser hohen Bedeutung des Redners zeugen die Schriften des Cicero an unzähligen Stellen und der Verfasser des Dialogs über die Ursachen des Verfalls der römischen Beredsamkeit hat in seiner Schilderung der Beredsamkeit in der blühenden Periode des römischen Freistaates sie mit Recht hervorgehoben 3). Inzwischen erscheint die Beredsamkeit, als eine Wissenschaft kunstmässig gepflegt, in Rom doch erst um die Zeit, in welcher überhaupt in den höheren Ständen Rom's, in Folge der Ausbreitung der römischen Herrschaft und des dadurch hervorgerufenen Verkehrs mit Staaten und Völkern, welche auf eine hohe Stufe wissenschaftlicher Bildung gelangt waren, ein Sinn für höhere geistige Bildung durch Wissenschaft und Literatur zu erwachen begann; lange Zeit, während der fünf

ersten Jahrhunderte Rom's, war die Beredsamkeit wohl nur betrachtet als eine Gabe der Natur, verbunden mit politischer Einsicht und reicher Lebenserfahrung. So mochte sie sich in den Leichenreden ") darstellen, deren Ursprung in diese frühere Periode fällt, ja bis in die ersten Zeiten der Republik zurückgeht, wenn, wie Dionysius und Plutarch 5) berichten, schon Valerius Publicola zu Ehren seines im Kampfe gefallenen Collegen Brutus, des Gründers der römischen Republik, eine solche Leichenrede hielt (245 u. c.) und Aehnliches bei dem Tode des Appius Claudius (284 u. c.) berichtet wird, eben so wie kurz zuvor (274 u. c.) von M. Fabius Vibulanus 6), welcher nach dem blutigen Sieg über die Vejenter seinem in diesem Kampfe gefallenen Bruder, so wie dem ebenfalls umgekommenen andern Consul zu Ehren eine Leichenrede hielt. Weiter gehört dahin die Leichenrede, die Q. Metellus 7) auf seinen Vater L. Caecilius Metellus (533 u. c.) und Q. Fabius Maximus ) auf seinen bald nach der Führung des Consulats (541 u. c.) gestorbenen Sohn gehalten, und es mag für die Verbreitung dieser Sitte noch der Umstand sprechen, dass dieselbe nach den Angaben des Livius") und Plutarch sogar auf ausgezeichnete Frauen ausgedehnt ward, und zwar schon frühzeitig, wenn auch gleich in der genauen Bestimmung der Zeit die Angaben auseinandergehen. Es mögen diese Reden, entsprechend unseren sogenannten Personalien, eine mehr historische Seite gehabt haben, wie diess schon oben (§. 210 not. 7, 8) berührt worden, und darin liegt, wie es scheint, auch ihre Bedeutung, da von einer kunstmässig gepflegten und geübten Beredsamkeit in so frühen Zeiten zu Rom kaum die Rede sein kann, diese vielmehr erst später sich entwickelte 10), in Folge der aus Griechenland eingeführten und auf die römischen Verhältnisse in gleicher Weise angewendeten Rhetorik. Und nicht anders im Ganzen war wohl auch der Charakter der Reden von Staatsmännern 11), welche aus dieser früheren Periode erwähnt werden, und selbst die Beredsamkeit eines Appius Caecus, dessen Rede gegen den mit Pyrrhus abzuschliessenden Vertrag (474 u. c.), noch zu Cicero's Zeiten vorhanden, sogar gerühmt ward 12), dürfte schwerlich anderer Art gewesen sein, da die geringe Bildung der Sprache selbst, die erst in der folgenden Zeit zu

II. Band.

21

mündlichem wie schriftlichem Vortrag weiter gebildet erscheint, kaum eine andere Annahme erlaubt. Daher finden wir noch keine Spur einer kunstgemässen Behandlung und eines eigentlichen Studiums der Beredsamkeit, bevor man mit griechischen Rhetoren und griechischer Philosophie näher bekannt geworden war; überhaupt, bevor der Staat grössere Ausdehnung, insbesondere ausserhalb Italien, gewonnen, und die Form der Verfassung angenommen hatte, welche Redekunst und Dialektik für das äussere Leben den höheren Ständen, in deren Kreis sich die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten wie die Führung der Heere bewegte, unentbehrlich machte, indem durch sie allein der Weg zu Ehren, Ansehen und Einfluss im Staate gebahnt wurde. Es kann daher auch nicht befremden, dass die Römer bei der Einführung der griechischen Rhetorik und deren Verpflanzung auf römischen Boden auch die dreifache Eintheilung der Rede, wie sie durch Aristoteles festgestellt war13) (genus demonstrativum, deliberativum, judiciale), zugleich mit allen andern schon in der griechischen Rhetorik festgesetzten Bestimmungen über die Bildung der Rede, den Stoff, dessen Behandlung u. dgl. annahmen, und auch der Unterricht nach diesen drei Gattungen der Rede noch späterhin ertheilt wurde 14). Denn die Rede wirkte entscheidend auf die Berathungen des Senats wie auf den Willen des Volks und das Urtheil der Gerichte; und desshalb wandte sich der Römer der sorgfältigen Pflege einer Kunst zu, die für ihn nicht blos eine Sache der feineren Bildung, sondern des höchsten Nutzens und somit ein Bedürfniss geworden war. Auch erkannte man bald, wie die philosophische Bildung innig mit der rhetorischen verbunden, dem Welt- und Staatsmann unerlässlich sei15), wie solches auch bei den Griechen der Fall war; in welcher Beziehung eben so wohl der Aufenthalt der Römer in Griechenland und der stete Verkehr mit gebildeten Männern dieser Nation, als der Einfluss griechischer Sophisten und Rhetoren, welche in Folge dieses innigeren Verkehrs frühe schon nach Rom gekommen waren, nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Von besonderem Einfluss war auch wohl der Aufenthalt des berühmten Krates aus Mallus in Rom 16), wohin er als Gesandter des Attalus (585 u. c.) gekommen war, nament

lich um die Bildung der Sprache, als der nothwendigen Bedingung einer weiteren Förderung und Entwickelung der Beredsamkeit, und die so berühmt gewordene Gesandtschaft der drei attischen Philosophen (589 u. c., s. unten cap. XVIII) wirkte gewiss auch in diesem Sinne für eine eifrige Pflege der rednerischen Kunst, namentlich unter der jüngeren Generation, so dass weder der patriotische Parteieifer eines Cato Censorius und anderer ihm gleichgesinnten Römer, welche in dieser Beschäftigung mit griechischer Rhetorik und Sophistik eine Gefahr für die physische und moralische Kraft der Nation und des Staats erblickten, noch der daraus hervorgegangene Senatsbeschluss (593 u. c.), welcher die Entfernung dieser Rhetoren und Sophisten aus Rom veranlassen sollte, von einigem Erfolg begleitet war; daher auch die spätere Erneuerung dieser Massregel gegen die lateinischen Rhetoren und ihre neu angelegten Schulen (662 u. c.) eben so erfolglos blieb 17). Denn fortwährend strömten griechische Rhetoren nach Rom, fanden dort als Lehrer günstige Aufnahme und überall Eingang in die Häuser der Grossen, deren Jugend sie unterrichteten. Ihnen folgte L. Plotius Gallus, der noch bis an das Ende des siebenten Jahrhunderts lebte, als der erste lateinische Rhetor 18), mit einer Schule der lateinischen Rhetorik um 666 u. c., und M. Antonius Gnipho 19), der in Gallien geboren, in Alexandria erzogen, dann in Rom lehrte, und bei seinen Vorträgen selbst den Cicero, als dieser bereits zur Prätur gelangt war, zum Zuhörer hatte, auch durch Schriften sich bekannt machte, von denen jedoch Nichts mehr auf uns gekommen ist. Diese und andere Lehrer der Beredsamkeit werden nun als Rhetores unterschieden von den Oratores, den eigentlichen Rednern und dieser Unterschied lässt sich durch die ganze frühere und classische Periode der römischen Beredsamkeit verfolgen, und es bleibt der Ausdruck Oratores auch späterhin noch zur Bezeichnung der Redner der früheren Zeit, während die der späteren Zeit, zunächst die gerichtlichen Redner, als Patroni, Causidici, Advocati bezeichnet werden 20). Und damit scheint selbst in einem Zusammenhang zu stehen eine gewisse Missachtung, die auf dem Stand und Beruf der Rhetores längere Zeit lastete, in so fern sie meist aus der Classe der Libertinen hervorgegangen waren;

:

daher Seneca, der Rhetor, ausdrücklich in Blandus denjenigen Rhetor bezeichnet, der zuerst aus dem Ritterstande zu Rom in der Beredsamkeit unterrichtet habe 21).

1) Unter den vielen Stellen nur die eine im Dialog. de causs. corr. eloq. 32: oratorem non posse aliter existere nec exstitisse unquam confirmo nisi eum, qui tanquam in aciem omnibus armis instructus, sic in forum omnibus artibus armatus exierit."

2) Vergl. Dial. de causs. corr. eloq. 22.

3) S. z. B. cap. 45 und daselbst unter Andern die Worte: (eloquentiae) studium, quo non aliud in civitate nostra vel ad utilitatem fructuosius, vel ad dignitatem amplius, vel ad urbis famam pulchrius, vel ad totius imperii atque omnium gentium notitiam illustrius excogitari potest etc. etc."; ebendaselbst cap. 6, 32 u. s. w.

4) Ueber die Leichenreden (Laudationes funebres) s. Cicer. Brut. 16, De orat. II. 84, De legg. II. 25 und daselbst Creuzer p. 261, vergl. mit Hoffa zu Cicer. Epist. ad Quint. III. 8 p. 150. Döring: De laudationibus funebrr. apud vett. in Dessen Opuscc. p. 100 ff. C. A. Cadenbach De Romann. laudatt. funebrr. Essen 1832. 4. Zell römische Elogien p. 13 ff. H. Graff. De Romann. laudatt. Dorpat 1863. 8., insbesondere cap. III. p. 38 ff. und die Zusammenstellung der noch vorhandenen Reste cp. IV. p. 76 ff. Ueber den Begriff und die Bedeutung des Wortes laudatio s. ebendaselbst cp. I. p. 9 ff., vergl. mit Escher De testium ratione etc. (Tubing. 1842. 8.) p. 15 ff. 5) Public. 9. Dionys. Halicarn. Antiqq. V. 17, IX. 54, vergl. mit Polyb. VI. 51 ff. Liv. II. 61.

6) Livius II. 47 fin.

7) S. Plinius Hist. Nat. VII. 43, vergl. Meyer Oratt. Romm. fragmm. p. 10 ff.

8) S. Plutarch Vit. Fab. 1, 24. Cicero De senect. 4. Nach Plutarch (cp. 24) hätte Fabius die Rede niedergeschrieben und dann veröffentlicht, und cp. 1 lässt vermuthen, dass zu Plutarch's Zeit die Rede noch vorhanden gewesen (διασώζεται γὰρ αὐτοῦ λόγος etc.).

9) Livius V. 50 führt die Einführung dieser Sitte zurück auf die Matronen, welche ihren Schmuck zu dem Tribut an die Gallier beigesteuert, um 387 u. c., während nach Plutarch (Camill. 8) diess nach der Eroberung von Veji 358 geschah. Nach Cicero aber (De orat. II. 11) war Popilia, die Mutter des Catulus, des Collegen des Marius und Besiegers der Cimbern (652 u. c.), die erste Frau, der diese Ehre zu Theil ward.

10) Von den Leichenreden, die dieser späteren Zeit angehören, haben sich leider nur geringe Reste erhalten, wie die Fragmente der Rede auf die Murdia, von ihrem Sohne gehalten, auf einer Marmortafel bei Orelli Inscr. Coll. 4860. Zell Epigraphik I. Nr. 1179, und einer andern, aus dem augusteischen Zeitalter (jedenfalls nach 726 u. c.) auf zwei marmornen Tafeln, bei Fabretti Inscriptt. p. 168, 323, Orelli Nr. 4859, beide bei Egger Lat. Serm. vetust. Reliqq. p. 318 ff. und bei Graff p. 88 ff. Zwei andere Reden der Art aus der Zeit des Augustus und Hadrianus s. bei Mommsen in d. Abhandll. d. Berl. Akad. von 1863 p. 455 ff.

11) Vergl. Cic. Brut. 14.

12) S. die Hauptstellen des Cicer. Brut. 16, De Senect. 6, nebst den dort von den Auslegern gegebenen weiteren Nachweisungen, und die Rede, welche ihm bei Plutarch (Vit. Pyrrh. 19, vergl. Appian. De reb. Samnit. III. fr.

« IndietroContinua »