Immagini della pagina
PDF
ePub

alt-römischen Religionen geliefert; in den fünf Abtheilungen, jede zu drei Büchern, nebst einem einleitenden Buche hatte Varro von den Priestern, von den heiligen Stätten, von den Zeiten der gottesdienstlichen Feier und den damit verknüpften Festen, von den verschiedenen Opfern, und endlich von den Göttern selbst, nach ihren verschiedenen Classen gehandelt und damit ein Werk geliefert, das mit der Darstellung der alt-italischen Culte in ihren Verzweigungen, der daran sich knüpfenden Mythen und deren Deutung, überhaupt mit der Gesammtauffassung dieser Religionen und Culte und allem, was dazu gehörte, Gebräuche, Opfer, Tempel u. dgl. auch praktische Zwecke in so fern, wie es scheint, zu vereinigen suchte, als es zugleich dem schon damals immer mehr einreissenden Atheismus wie dem durch Einführung fremder Culte beförderten Verfall und Sinken der alt-väterischen Religion entgegenarbeiten sollte 6). Varro hatte bei Abfassung dieser Schrift nicht blos den Zweck einer historisch-antiquarischen Darstellung des alt-italisch-römischen Religionswesens, sondern er trat auch als Philosoph und Theolog näher in den Gegenstand selbst ein, um auf eine lautere und bessere Gottesverehrung und Gotteserkenntniss zu führen, wesshalb er auch eine dreifache Religion unterschied, eine mythologische der Dichter, eine natürliche der Philosophen und eine bürgerliche oder positive des Volks, die er für das Leben und für den Staat als nothwendig ansah, daher er auch, während er als Eklektiker in seiner physikalisch-theologischen Anschauung dem stoischen Pantheismus folgte, auf treues Festhalten an der Religion der Väter, im Gegensatz zu dem in Rom damals eingedrungenen fremdländischen Cultus drang. Es fällt die Abfassung dieses Werkes in die spätere Lebensperiode des rastlos thätigen Mannes, um 707-708 u. c.7); Ovidius hat es in seinen Fasten (§. 128) vielfach benützt; insbesondere hat aber Augustinus in seinem grossen und berühmten Werke De civitate Dei (s. Supplem. II. §. 118 seq.), in welchem er Varro's Ansichten und sein System der heidnischen Naturreligion, wie es in dieser Schrift entwickelt war, von christlichem Standpunkt aus allerdings bestreitet und widerlegt, im Uebrigen aber dem Verdienste des Varro die grösseste Anerkennung zollt 8), grössere Bruchstücke daraus mitgetheilt,

welche den Verlust des Ganzen doppelt fühlbar machen 9): dieser mag wohl bald nach der Zeit des Augustinus eingetreten sein und wird nicht sowohl aus christlichen Gegensätzen herzuleiten sein, sondern findet in den allgemeinen, der Literatur ungünstigen Verhältnissen, so wie selbst in der grossen Ausdehnung des Werkes seine natürliche Erklärung. Ausser diesem grösseren Werke wird noch eine besondere Schrift De cultu deorum von Augustinus 10) ebenfalls angeführt, in welcher Varro seine Ansicht von Gott und Gottesverehrung nach stoischen Grundsätzen entwickelt hatte; es gehört dieselbe unter die Logistorici (Curio s. de cultu deorum) und fällt, der Abfassung nach, jedenfalls vor die Antiquitates, etwa um 687-693 u. c.

Diesem grösseren Werke steht zur Seite noch eine Anzahl minder umfangreicher Schriften, welche demselben Kreis der auf Rom und das römische Volk gerichteten antiquarischhistorischen Forschung angehören und wohl auch gleiche Tendenzen verfolgten: Manches, was in dem grösseren Werke minder Berücksichtigung gefunden, mochte in denselben ausführlicher behandelt worden sein neben Anderem, was in jenes keinen Eingang gefunden hatte: leider sind wir bei der geringen Anzahl von Bruchstücken, welche von den meisten dieser Schriften, die wir immerhin als selbstständige zu betrachten haben, noch vorhanden sind, nicht im Stande, ihren Inhalt und damit auch ihr Verhältniss zu den Antiquitates näher anzugeben 11). Es gehört dahin die bald nach den Antiquitates abgefasste Schrift De vita populi Romani 12), welche an Atticus gerichtet, jedenfalls aus wenigstens vier Büchern bestand; es scheint dieselbe nach dem Vorbild eines ähnlichen Werkes des Dicäarchus über Griechenland ausgearbeitet worden zu sein und mit der Darstellung der Sitten und Gebräuche des römischen Volkes, zunächst seines häuslichen Lebens, ebenfalls praktische Zwecke verbunden zu haben, um durch eine Schilderung der besseren Zustände einer früheren Zeit dem steigenden Verfall der Sitten entgegenzuwirken. Weiter ist zu nennen die Schrift De gente populi Romani 13), ebenfalls in vier Büchern, in streng chronologischer Anordnung: der Inhalt ist uns durch die Benutzung, welche Augustinus im achtzehnten Buch seines oben genannten Werkes

von dieser Schrift gemacht hat, in so weit etwas näher bekannt, als wir daraus ersehen, dass Varro in seiner geschichtlichen, wie es scheint, mit Erschaffung der Welt beginnenden Darstellung, in den beiden ersten Büchern bis zum trojanischen Krieg gekommen, im dritten Buche dann zu den Lateinern und den Anfängen Rom's gelangt war, im vierten aber die Geschichte der Könige behandelt hatte; die Zeit der Abfassung fällt jedenfalls nach den Antiquitates, um 711, oder, und wohl richtiger, um 714 u. c. In diesen Kreis gehören Iweiter die ihrem Inhalt nach nicht näher bekannten Tres libri rerum Romanarum, eine eigentliche Stadtgeschichte oder Stadtchronik, wie man vermuthet 14), mit einer vorwiegenden topographischen Tendenz; ferner die auch kaum dem Titel nach bekannte Schrift De familiis Trojanis, vielleicht bezüglich auf das zu Varro's Zeit hervortretende Bestreben der alten Geschlechter Rom's, ihre Abkunft von Troja und damit ihr Alter zu beweisen 15); eben so wenig wissen wir Näheres von der Schrift Liber Tribuum, wie von der Schrift De gradibus (über die Verwandtschaftsgrade), wenn sie anders überhaupt hierher gehört; einen kurzen chronologischen Abriss der Geschichte gaben die Tres libri Annalium, etwa in der Weise, wie die ähnliche Schrift des Pomponius Atticus (s. §. 219) oder die des Cornelius Nepos (s. §. 228). Auf römische Sitte und deren Ursachen bezogen sich wahrscheinlich auch die Aetia (Airta), vielleicht nach dem Vorbild des Callimachus 16). Ueber die eigenen Lebensereignisse hatte sich Varro in der leider zu wenig uns bekannten Schrift De vita sua verbreitet. Eben so völlig verschwunden ist die Schrift De Pompejo in drei Büchern, wahrscheinlich mehr politischen als geschichtlichen Inhalts, und die damit wohl in Verbindung zu bringenden Tres libri legationum, welche sich wohl auf die drei Legationen Varro's im Piratenkrieg, im mithridatischen und hispanischen Krieg bezogen 17). Aber der an Pompejus gerichtete Eloayoyixós) wird eben so wenig wie die beiden Ephemerides 19) hierher zu beziehen sein, die navalis, welche eine Anleitung für den Seemann, und die rustica, welche eine gleiche für den Landmann hinsichtlich der Witterung lieferte, also eine Art von Schifffahrtskalender und Landwirthschaftskalender: verschieden davon aber erscheinen die unter der Auf

schrift De ora maritima oder Litoralia, und De aestuariis angeführten, sonst aber nicht weiter bekannten Schriften 20).

1) L. H. Krahner Specimen commentat. de M. Terentii Varronis Antiqq. Rerr. humm. et divinn. Halae. 1834. 8. S. besonders p. 13 ff. nebst C. H. J. Francken Diss. exhibens fragmenta Terentii Varronis, quae inveniuntur in libris S. Augustini de civitate Dei. Lugd. Batav. 1836. 8. Nägele Studien über alt-ital. u. röm. Staatsleben S. 363 ff. Gaston Boissier a. a. Ó. p. 172 ff. 193 ff.

2) Insbesondere gibt Augustinus De civit. dei VI. 3 Anlage und Eintheilung des ganzen Werkes an; vier Abtheilungen der ersten Hälfte handelten: De hominibus, De locis (hier wohl eine Beschreibung von Rom wie von den Städten Italiens), De temporibus (hier insbesondere von der Chronologie) und De rebus (hier wohl von der gesammten römischen Staatsverfassung mit Einschluss des Kriegswesens); über die Eintheilung der andern Hälfte s. not. 11. Es ergibt sich daraus, dass die Zahl von fünfundvierzig Büchern, woraus das Ganze nach dem §. 220 besprochenen Verzeichniss des Hieronymus bestanden, auf einem Irrthum oder Schreibfehler beruht. Mit den vier und fünf Abtheilungen des Ganzen scheint der in diesem Verzeichniss erwähnte Auszug von neun Büchern gleichen Schritt gehalten zu haben.

3) Auch Plutarch hat, namentlich in der Schrift: Quaestiones Romanae, dieses Werk des Varro vielfach benutzt; s. Guil. Lagus: Plutarchus Varronis studiosus (Helsingfors. 1847. 4.) p. 6 ff. 32. G. Thilo: De Varrone Plu

tarchi Quaest. Romm. auctore praecipuo. Bonn. 1853. 8.

4) Vergl. Krahner p. 23 ff. Laurent Fasti Capitolin. p. 109. Ideler: Lehrb. d. Chronolog. p. 331 ff. 337 ff. Uebrigens war auch in der Schrift Le gente populi Romani die ältere Chronologie näher behandelt worden.

5) Nach Augustinus a. a. O. handelte die erste Abtheilung De hominibus, und zwar im ersten Buch De pontificibus, im zweiten De auguribus, im dritten De Quindecim viris sacrorum; die zweite Abtheilung De locis handelte im ersten Buch De sacellis, im zweiten De sacris aedibus, im dritten De locis religiosis; die dritte De temporibus im ersten De feriis, im zweiten De ludis Circensibus, im dritten De ludis scenicis; die vierte De sacris gab im ersten Consecrationes, im zweiten die sacra privata und im dritten die sacra publica; in der fünften Abtheilung folgten die Götter selbst, und zwar im ersten Buch Dii certi, im zweiten Dii incerti, im dritten und letzten des Ganzen Dii praecipui atque selecti. Ueber das zehnte Buch s. Krahner in d. Zeitschr. f. Alterthumswiss. 1852. Nr. 49 f. p. 385 ff.; die Fragmente der Rerr. divinn. hat Merkel zusammengestellt in Prolegg. ad Ovid. Fast. p. CVI-CCXLVII; dass die von Arnobius VI. 6 erwähnte Polyandria nur von diesem Werke des Varro (nicht von den Imagines) verstanden werden kann, ist p. CLXXXIX gezeigt; eben so Oehler De Sat. Varr. p. 68–69.

6) Ueber die Tendenz Varro's und die Zwecke seines Werks s. insbesondere Augustin. De civit. dei IV, 31 und daselbst unter andern die Varro's Standpunkt bezeichnenden Worte: ,,acceptam ab antiquis nominum et cognominum historiam (de diis) tenere, ut tradita est, debere se dicit (Varro), et ad eum finem illa scribere ac perscrutari, ut potius eos (deos) magis colere quam despicere vulgus velit." Ein Mehreres darüber, wie überhaupt über Varro's religiöse Ansichten s. bei Hartung Relig. d. Röm. I. p. 261 ff. 224 ff. Preller Römisch. Mytholog. p. 30 ff. 62 ff. Krahner: Ueber d. Verfall d. rom. Staatsrelig. p. 50 ff. Lüttgert: Theologumena Varroniana a S. Augustino in judicium vocata. P. I et II. Sorau 1858 und 1859. 4.

7) Vergl. Merkel a. a. O. p. CX.

8) Man vergl. nur Augustin. de civit. dei VI. 2: Quis M. Varrone

curiosius ista quaesivit? quis invenit doctius, quis consideravit attentius? quis distinxit acutius? quis diligentius pleniusque conscripsit? qui tametsi minus est suavis eloquio, doctrina tamen atque sententiis ita refertus est, ut in omni eruditione, quam nos saecularem, illi autem liberalem vocant, studiosum rerum tantum esse doceat, quantum studiosum verborum Cicero delectat." Vergl. auch andere §. 221 not. 6 angeführte Stellen. Der Vorwurf eines Mangels an Umsicht der Forschung und Gediegenheit in der Darstellung (bei Blum Einleitung in Rom's Gesch. p. 121) fällt in sich selbst zurück; eben so der ungerechte Ausfall von Ross Archäolog. Aufs. II. p. 375.

9) Priscian ist der letzte Schriftsteller, welcher den Varro citirt; Johann von Salisbury hat eben so wenig wie Petrarca (Ep. V ad virr. illustr.) dieses Werk des Varro noch gelesen: s. Mai Praef. zu Cicer. de Rep. §. VII p. XIX. Krahner Spec. etc. p. 30 ff. Mercklin Quaest. Varr. p. 21.

10) De Civ. Dei VII. 9, 34. S. nun die Schrift von L. Krahner: M. T. V. Curio de cultu deorum. Friedland 1851. 4., insbes. p. 10 ff. Ritschl im Ind. Lectt. Bonn. 1845/6. 4. p. XI.

11) Dass diese Schriften geradezu als Ergänzungen der Antiquitates, und zwar der ersten, weltlichen Hälfte zu betrachten seien (Ritschl Rhein. Mus. N. F. VI. p. 506 ff.), wird sich kaum erweisen lassen.

12) S. Krahner Specim. p. 9, 10. Hulleman. Diatrib. de Pompon. Attico p. 128. Ritschl a. a. O. p. 512. Gaston Boissier p. 188 ff. und jetzt insbesondere H. Kettner: M. T. V. de vita populi Romani libri IV quae exstant. (Halis Sax. 1863. 8.) p. 4 ff. und die Fragmente p. 19 ff.

13) S. H. Kettner: Varronische Studien (Halle 1865. 8.) S. 38 ff., und die Fragmente p. 63 ff. Vergl. auch Francken a. a. O. S. 124-150. Gaston Boissier p. 181 ff. und Ritschl a. a. O. S. 508. Mommsen: röm. Chronolog. S. 143 ff. Eine eigene Schrift Varro's: De initiis urbis Romae, blos auf Quintilian Inst. Or. I. 6, 12 hin, anzunehmen, geht nicht an und lässt sich nicht erweisen aus dieser Stelle.

14) S. Ritschl a. a. O. S. 510 ff. Verschieden davon waren die in dem Catalog des Hieronymus genannten libri III rerum urbanarum, die nur noch aus einem Citat (Varro de rebus urbanis III) bei Charisius I. p. 108 Putsch. p. 133 K. bekannt sind; über ihren Inhalt s. eine Vermuthung von O. Jahn im Hermes II. p. 235.

15) Vergl. Ritschl a. a. O. S. 507. Ueber die Annales s. ebendaselbst S. 508 ff.

16) Diess lässt sich nach Servius zu Virgil's Aen. I. 408 vermuthen: ,,cujus rei rò aitiov i. e. causam Varro Callimachum secutus exposuit", wenn diess anders in weiterem Sinn zu nehmen und nicht blos auf einen einzelnen vorliegenden Fall zu beziehen ist. Im Uebrigen s. Ritschl a, a. O. S. 512 und 556. Mercklin im Philolog. III. p. 267 ff.

17) S. bei Ritschl a. a. O. p. 498 ff.

18) S. bei Gellius N. A. XIV. 7 und vergl. Ritschl a. a. O. S. 532. 19) Nach Bergk im Rhein. Mus. N. F. I. p. 367 ff., dem Ritschl a. a. O. S. 533 folgt.

20) Ritschl a. a. O. p. 534 gegen Krahner Spec. p. 18 ff., welcher in diesen Schriften Theile oder Abschnitte der libri navales erkennen will.

§. 223.

Neben der antiquarisch-historischen Forschung tritt aber auch bei Varro, und wie es scheint, selbst in einem gewissen

« IndietroContinua »