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sien des Lateins, wie supellex -lectilis, femur -inis, iter -ineris, verweist, so ist es für die sprachgeschichtliche Forschung damit nicht getan. Jede derartige Verbindung von Formen aus verschiedenartigen Stämmen zu einem Formensystem hat ihren besonderen Anlaß gehabt, und man hat diesem Anlaß nachzuspüren. Bei den Neutra wie femur, jecur, iter, umbr. utur, gr. doo, лαQ, die einen schon seit uridg. Zeit bestehenden dithematischen Typus vertreten, ist den Motiven der Erscheinung wohl kaum mehr nachzukommen. Unser Fall dagegen war weit jüngeren Ursprungs, ebenso wie z. B. supellex -lectilis oder wie die häufige Mischung von i-Stamm und konsonantischem Stamm (nav-i-s, Gen. nāv-is, can-i-s, Gen. can-is etc.). Da darf man hoffen, daß sich die Ratio der Entstehung noch finden lasse. Die folgende Deutung der Stammmischung senex senis wird nun zwar immer nur eine Hypothese bleiben, weil es sich um einen Vorgang handelt, der einer vorgeschichtlichen Vergangenheit angehört, und unsere Hypothese wird manchem vielleicht auch recht kühn erscheinen. Aber sie entbehrt, denke ich, nicht der inneren Wahrscheinlichkeit.

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Auch senex erkläre ich durch das Oppositum iuvenis. Der Nom. Sing. iuvenis war, wenn auch eine andere Gestaltung dieses Kasus als diese nicht überliefert ist, verhältnismäßig jung, und zwar war er Ersatz für iuvõ ai. yúvā, vgl. carn-i-s für caro, can-i-s, nav-i-s, bov-i-s für bos, su-i-s für sus u. dgl. In der Zeit, da die Umgestaltung von *seno-s nach dem Vorbild der Kasus von iuven- iun- begonnen hatte, war *iuvo nach am Leben. Nach dem Muster dieser Nominativform aber hätte sich als Nominativus zu Gen. sen-is etc. nur ein so ergeben können, ein etwas unheimliches Gebilde, unheimlich darum, weil es sonst im Lateinischen keinen Nom. auf -o gab, der einer Wurzelsilbe entbehrte; mit diesem so hätte man die beim Gen. Plur. begonnene flexivische Umkleidung des Wortes gewissermaßen ad absurdum geführt. In solchen durch sich fortpflanzende Analogiewirkung geschaffenen Notlagen weiß sich die Sprache immer irgendwie zu helfen und sich zu angemessenen Verhältnissen durchzuarbeiten. In unserm Fall bot sich die Form senex als brauchbarer Ersatz dar. Die Kasus des Stammes senec- waren damals noch in vollem Kampf ums Dasein mit den Kasus des gleichbedeutenden Stammes sen-. In der Hauptsache siegte das durch iuren- gestützte sen-, und auch der Nom. senex hätte schließlich den Schauplatz verlassen, wenn *so als Gegenpart von *iuro angängig gewesen

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wäre. So aber war senex aus seiner Position nicht zu verdrängen. Als später im iuven-Paradigma *iuvo der Neubildung iuvenis erlag, hatte sich das Kasussystem senex senis etc. bereits befestigt, und so hatte für dieses System der Übergang von *iuvō zu iuvenis keine Folgen mehr. Es gilt ja nicht nur der Satz: Andere Zeiten, andere Lautgesetze, sondern auch: Andere Zeiten, andere Arten und andere Stärke der Ausgleichungstendenzen. Etlichen Anhalt hatte der Nom. senex übrigens immer noch außerhalb seines Paradigmas an senectus, senecta, senectus, senecio.

Aber nicht nur *seno- ist unter die Einwirkung von iuvengeraten, sondern auch der Stamm senec-. Von den beiden Formenpaaren senecta iuventa und senectus: iuventus war nämlich nur je die zweite Form aus voritalischer Zeit überkommen. inventa ist das got. junda „Jugend" urgerm. *iuuundó, uridg. *iunn-tá, iuventus das ir. ōitiu (Dat. ōitid),,Jugend" aus uririschem *[i]ouintu[t]-s, uridg. St. *iuun-tūt(i)-. Für die erst auf römischem Boden geschaffenen senecta, senectus aber können nur inventa, iuventus das Vorbild gewesen sein.*)

Soweit hat bei den Angleichungsvorgängen, die sich zwischen senex und iuvenis abgespielt haben, iuvenis die Rolle des Führenden und Gebenden gehabt. Aber in einer Beziehung sicher, vielleicht in zwei Beziehungen, hat auch senex auf iuvenis formal hinübergewirkt.

Sicher war das e von iuvenis, iuvenalis, iuvenīlis, iuvenor, iuvenesco dem e der ersten Silbe von senex senis nachgesprochen. Nach dem Lautgesetz nämlich, dessen Wirksamkeit aus vielen Dutzenden von Wörtern, wie sanguin-is (aus älterem *sanguen-es) sanguineus sanguinare, unguin-is, nomin-is, femina, zu erkennen ist, wäre bei ungestörter Entwickelung ein urlat. *iuvenis zu * iuvinis geworden. Zur Erklärung des e des historischen iuvenis beruft man sich auf die Formen iuventa, iuventas, iuventus, die regelrecht e in geschlossener Silbe hatten, als seien sie mit ihrem e für iuvenis etc. vorbildlich gewesen (Stolz, Histor. Gramm. 1, 134). Aber warum unguinis unguinosus trotz unguentum und auch trotz unguen, sẽminis sẽminālis semināre trotz sementis und

*) Eine Umbildung von iuventa war iuventus, nach der Art von honestās, venustās, aestās etc. Bei Varro Sat. Men. p. 229, 6 Riese liest Bücheler (Petron. Sat.1 p. 221) mit cod. Guelferb. iuvenitas für iuvenilitas. iuvenitus wäre direkt von iuvenis aus geschaffen nach der Weise von virginitas, libidinitas, capacitas, hereditas etc.

auch trotz sẽmen etc.? Soll denn zwischen iuvenis und inventa ein intimerer Rapport gewesen sein als z. B. zwischen unguinis und unguen unguentum? Auch iuvencus ist nicht lautgesetzlich: nach quinque aus quenque, attingo aus *attengo u. a. wäre iuvincus zu erwarten. iuven- verdankt also sein e dem Stamm sen-, und dem Zusammenwirken von iuven- und iuventa iuventās iuventus wird iuvencus zuzuschreiben sein.

Der andere Fall ist der Komparativ zu iuvenis. Die Form iunior blieb in der Zeit der Republik alleinherrschend. Alsdann stellte sich die Neubildung iuvenior daneben (Belege bei NeueWagener 23 S. 242). Wenn nun jemand allein die Form des Positivs iuvenis Anlaß zu dieser Neubildung gewesen sein läßt, so ist er nicht zu widerlegen. Durch die neueren sprachpsychologischen Untersuchungen haben wir jedoch gelernt, daß man sich das Spiel der psychischen Assoziationen bei Neubildungen kaum zu kompliziert vorstellen kann, und mich dünkt, daß iuvenior nicht bloß durch den Positiv iuvenis erzeugt worden ist, sondern zugleich und vielleicht in demselben Maß wie durch iuvenis durch das Oppositum senior, mit dem iunior sich oft in éinem Gedanken zusammenfand: vgl. z. B. Seneca ep. 66, 34 sed habent differentias aetatis: alius senior est, alius iuvenior.

In diesen beiden Fällen der Einwirkung von sen- auf iuvenwäre also die Lautung einer Anfangssilbe vorbildlich gewesen für die Lautung einer zweiten Wortsilbe. Diese Wirkungsart darf getrost zugestanden werden. Die Herstellung des e von iuven- nach dem e von sen- gehörte dem Zeitalter der urlatein. Anfangsbetonung an, die von dem Dreisilbengesetz noch unabhängig war. Damals wurde auch z. B. supremus nach der Analogie von demus (dēmum) oder quadrimus nach der Analogie von bimus trimus (= *bi-himos tri-himos) geschaffen (vgl. IF. 12, 150 ff. und 14, 14 f., wo ähnliches auch aus andern Sprachzweigen zusammengestellt ist). Niemand wird diese Art von Neubildungen auffallend finden, der sich klar gemacht hat, daß sich alle Neuerungen an den Formen im Satzzusammenhang vollziehen. diesem Zusammenhang ist auch bei prinzipiell durchgeführter Haupttonigkeit der ersten Wortsilbe diese Silbe doch keineswegs immer akzentuell dominierend, wie ja überhaupt im Satzganzen der Gegensatz von Anfangs- und Binnensilbe des Einzelwortes eines guten Teiles derjenigen Bedeutung entbehrt, die er bei der Betrachtung der isolierten Wörter zu haben scheint. Was aber

In

anderseits die Neuerung iuvenior für iunior betrifft, die erst im Anfang der Kaiserzeit unter der Herrschaft der auf dem Dreisilbengesetz beruhenden Betonung aufgekommen ist, und für die wir das Oppositum senior mit verantwortlich gemacht haben, so kann verwiesen werden auf die ebenfalls erst in der Periode der Dreisilbengesetz-Betonung ins Leben getretenen Bildungen quadriangulus, multiangulus, aequiangulus u. a., für welche tri-angulus das Modell gewesen ist (IF. 9, 354 f.), und auf spätlat. senexter nach dexter. Bei dieser Neuschöpfung iuvenior ist in den meisten Kasus der Tonsitz unverändert derselbe geblieben und war auch von vornherein Übereinstimmung mit dem Tonsitz der Musterform senior vorhanden, z. B. iuveniórem wie iuniorem und wie seniorem.

Ich kann nicht wissen, ob von dieser Darstellung in der lat. Sprache vollzogener formaler Verschmelzung der Gegensätze Alt und Jugendlich Sie, verehrter Herr Jubilar, und wer sonst sie lesen wird, den Eindruck bekommen werden, sie sei im großen ganzen oder gar in allem zutreffend, und es sei das Paar senex iuvenis ein gutes Beispiel für die im Sprachleben so oft zu beobachtende Angleichung durch Kontrast der Begriffe. Nur wünschen kann ich's mir und erhoffen. Um so gewisser aber bin ich dessen, daß für reale Vereinigung und Durchdringung von senecta mit iuventa und für sieghafte Behauptung der letzteren in der ersteren wir in Ihnen ein unanfechtbares Beispiel besitzen. Ich wünsche Ihnen zu Ihrem Ehrentage von Herzen, daß dem so noch auf lange hinaus sein möge.

Leipzig.

Karl Brugmann.

Die Sprache des Claudius Quadrigarius.

Als Gellius mit Freunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen das erste Buch des Claudius Quadrigarius gelesen hatte, gab er sich die Mühe hinterher aufzuzeichnen, was ihm als sprachlich bemerkenswert, nach der Seite des Lobes wie des Tadels, erschienen war, und so lautet denn die Überschrift von 17, 2: verba quaedam ex Q. Claudi annalium primo cursim in legendo notata. Wenn er nun auch in andern Büchern und Kapiteln Stellen aus den übrigen Teilen der Annalen zitiert, so ist doch dieses Probestudium des ersten Buches lehrreich für die Arbeits-, beziehungsweise Exzerptionsmethode der alten Grammatiker, weiß man doch, daß aus dem ersten Buche der Historien Sallusts viel mehr Fragmente zitiert worden sind als aus dem fünften. Ja wenn man erwägt, wie viele griechische wie lateinische Dichter und Prosaiker ein angehender Redner nach Quintilian lib. 10, 1 gelesen haben mußte, so wird man von selbst auf die Vermutung geführt, es könne sich in den meisten Fällen (§ 58 et elegiam vacabit in manus sumere) nur um eine Auswahl gehandelt haben. So hat auch Gellius in dem ersten Buche Beispiele für alles gefunden, von Vulgarismen, Graecismen und Archaismen, von Neubildungen oder neuen Bedeutungen und von poetischen Anklängen. Freilich entziehen uns solche diffuse Beobachtungen die Möglichkeit von einem einheitlichen Gepräge der Latinität zu sprechen, und wir werden uns eine genaue Nachprüfung nicht ersparen können, um herauszufinden, was die Hauptsache sei und was die Nebensache. Vielleicht werden wir auch auf wichtige sprachliche Erscheinungen stoßen, welche Gellius gar nicht beobachtet hat.

1. Am wenigsten überzeugend scheint mir, was Gellius über vermeintliche Graecismen gesagt hat; denn daß Q. überhaupt ein Kenner des Griechischen gewesen sei, hat er uns durch keine Fremdwörter verraten. Wohl lesen wir frg. 10b) 'pugnae facta

Wir zitieren nach der Ausgabe von Herm. Peter 1870.

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