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Möglich, daß an die Götter als Empfänger des supplicium gedacht ist; jedenfalls aber ist klar, daß poenae hier die konkret gedachte, auferlegte Strafe, supplicium allgemein die zur Verzeihung führende Buße ist. In dieser Zeit aber, in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, hat sich der Gebrauch von supplicium als „Buße" im Sinne von „Strafe" ausgedehnt und befestigt; in der Rhetorik an Herennius finden wir ihn in vollem Schwange. Freilich, technisch-juristische Bedeutung hat das Wort weder damals, noch, soviel ich sehe, überhaupt je erlangt; Cicero braucht in den Büchern de inventione supplicium fast ebenso oft wie poena, und oft so, daß sich beides vertauschen ließe; aber in Sätzen wie iurisdicialis (constitutio) est, in qua aequi et recti natura aut praemii aut poenae ratio quaeritur (I 1, 14, vgl. I 8, 10; II 23, 69; 36, 109), oder cum actio trauslationis aut commutationis indigere videtur, quod non aut is agit, quem oportet, aut ... apud quos, qua lege, qua poena, quo crimine, quo tempore oportet (II 19, 57) in solchen streng juristischen Ausführungen würde Cicero schwerlich supplicium je an Stelle von poena gesetzt haben.*) Es ist eben das Gefühl dafür nicht ganz verloren, daß supplicium im Grunde mit Recht und Gericht nichts zu tun hat. Nähere Untersuchung wird ferner, glaube ich, bei Cicero festzustellen vermögen, daß er bei supplicium mehr an die Person des Gestraften, bei poena mehr an die gestrafte Tat denkt **): daher er denn wohl Wendungen wie supplicium civium Romanorum (Verr. V 58, 150) häufig braucht, aber kaum, wie poena maleficii, so auch supplicium maleficii sagt: die Tat büßt nicht.***)

In Wendungen wie supplicium sumere, supplicio adficere u. ä. meint nun oft genug das Wort nicht eine beliebige Buße, sondern prägnant die Todesstrafe; ausschließlich in dieser engeren Bedeutung ist es zu keiner Zeit in Gebrauch gewesen. Noch bei der Verhandlung über die gefangenen Catilinarier hat der Konsul D. Junius Silanus, ' der beantragt hatte de eis supplicium sumundum (Sall. Cat. 50), nachträglich erklären können, er habe damit nicht den Tod, sondern

Bezeichnend de inv. II 27, 82 esse indignum eum qui ne de damnata quidem poenas sumere ipse potuisset, de ea supplicium sumpsisse, quae ne adducta quidem sit in iudicium.

**) Daher sagt z. B. Cicero in de invent. von der Person stets supplicio, nicht poena dignus: II 15, 48; 31, 95; 97; 35, 107; 38, 113.

*** Supplicium est poena peccati Cic. in Pis. 19, 43.

Einkerkerung gemeint*): was noch auffallender wäre, wenn er statt des einfachen supplicium das ultimum oder summum supplicium beantragt hätte (wie Plutarchs Gewährsmann erzählt zu haben scheint), denn dies, auch maximum supplicium, ist bekanntlich die Bezeichnung der Todesstrafe da geworden, wo jede Zweideutigkeit ausgeschlossen sein sollte **), während das einfache supplicium sich bis in späteste Zeit die allgemeine Bedeutung Strafe bewahrt hat.***) Auch als poena kann die Todesstrafe selbstverständlich bezeichnet werden; aber von prägnanter Bedeutung kann man hier freilich nicht reden. Der Vorrang von supplicium schreibt sich keineswegs unmittelbar aus der Grundbedeutung des Wortes her; im Gegenteil muß man sagen, daß dieser Gebrauch der Grundbedeutung eigentlich stracks widerspricht, insofern ja das supplicium ursprünglich gerade der Abwendung des Todes dient. Das war vergessen, als man anfing für „hinrichten" zu sagen supplicium de aliquo sumere, euphemistisch, indem man die harte propria vox vermied: eine Scheu, die noch deutlicher hervortritt, wenn für die gleiche Sache das harmlose animadvertere, für die Hinrichtung animadversio gebraucht wird (Mommsen Str. 911, 1), oder wenn die sizilischen Griechen sagten ¿dizaió

бav und damit meinten supplicio adfecti ac necati sunt (Cic. in Verr. V 57, 148), oder wenn später der Magistrat die zum Tode Verurteilten duci iubebat (Mommsen 924, 1). Wie ist aber die Sprache gerade auf dies supplicium de aliquo sumere verfallen? Es scheint nämlich, daß in eben dieser Wendung sich jene prägnante Bedeutung von supplicium zuerst festgesetzt hat.†) Wir

* Plut. Cic. 21 ὥςτε καὶ τὸν Σιλανὸν αὖθις μεταβαλλόμενον παραιτεῖσθαι καὶ λέγειν, ὡς οὐδ ̓ αὐτὸς εἴποι θανατικὴν γνώμην· ἐσχάτην γὰρ ἀνδρὶ βουλευτῇ Ῥωμαίων εἶναι δίκην τὸ δεσμωτήριον (vorher Σ. εἶπε τὴν ἐσχάτην δίκην δοῦναι προσήκειν ἀχθέντας εἰς τὸ δεσμωτήριον).

**) Eum qui parentem necarit maximo supplicio esse dignum Cic. de inv. II 15, 48; vgl. für die Sprache späterer Juristen Mommsen Strafr. 908, 1. ***) Mommsen zitiert (aber irrtümlich als charakteristisch für den abgeblaßten Gebrauch späterer Zeit) 916, 5 Cod. Theod. XII, 1, 108, wo von der zwangsweisen Einstellung in den Gemeinderat loco supplicii die Rede ist; vgl. z. B. Cic. pro Rosc. Am. 16, 46, wo die Rede davon ist, daß der Vater seinen Sohn supplicii causa aufs Land verwiesen haben soll.

†) Sie findet sich beim auctor ad Her. nur I 13 de illo supplicium sumitur und I 14 qui de eo servo qui dominum occiderat supplicium sumpsit; in Ciceros Büchern de inv. findet sich der prägnante Gebrauch eigentlich nur II 50, 149 de illo post supplicium sumitur (wo freilich auch die Bedeutung durch das Vorhergehende außer Zweifel gestellt ist), bei Sallust,

müssen vor allem diese Wendung scharf scheiden von dem supplicium sumere oder accipere ab aliquo: dies heißt, von jemand eine Bußgabe annehmen; jenes, an jemandem Sühne nehmen, wobei der Betreffende nicht als Geber, sondern als unfreiwilliges Objekt der Bestrafung gedacht ist; vergleichbar ist z. B. de improbis viris auferri praemium et praedam decet Pseud. 1225. Solange also supplicium seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt, ist ausgeschlossen, daß es de aliquo sumitur, und in der Tat fanden wir die Wendung erst bei Terenz (oben S. 100), wo die Züchtigung eines Sklaven gemeint ist (von früherem steht dabitur pol supplicium mihi de tergo vostro u. ä. nahe): hierfür ist der Ausdruck auch ganz besonders bezeichnend.*) Möglich, daß gerade von solchen Fällen die prägnante Anwendung auf die Todesstrafe ihren Ausgang genommen hat: wird doch der freie Mann zu der Zeit, die uns angeht, von rechtswegen nur dann körperlich gezüchtigt, wenn er zum Tode verurteilt und dem Henker überantwortet ist: das ist das oft erwähnte verberari et necari, das als supplicium more maiorum sumptum anerkannte virgis ad necem caedi.**)

Ich kehre zu der Frage zurück, von der ich ausging: sie kann durch das bisher Gesagte als beantwortet gelten. Von der erzürnten Gottheit wird pax und venia erfleht nicht anders als von dem beleidigten Mitmenschen, in dessen Gewalt man sich weiß: hier wie dort dient das supplicium dazu, der Rache vorzubeugen. Wer sich einer Versündigung gegen die Gottheit bewußt ist, oder wer durch Prodigien erfährt, daß sie Sühne heischt, der beeilt

der im Gebrauch des Wortes besonders stark archaisiert, findet sich unter 9 Fällen, die hierher gehören, 7 mal supplicium de aliquo sumere (Cat. 50, 4; 51, 39 [summum s.]; 52, 36 [more maiorum s. s.]; 57, 1; Jug. 33, 3 [more maiorum s. s.]; 35, 9; or. Ceth. 8; außerdem ,,Hinrichtung" Cat. 49, 2; 55, 1;,,Strafe" Jug. 85, 35; or. Lep. 6. or. Ceth. 3).

*) Daß Körperstrafen gern supplicium, statt poena, genannt werden, ist hiernach begreiflich; begreiflich auch, daß das Wort schon bei Cicero die neue Bedeutung der körperlichen Qualen oder Leiden gewinnt, wobei der Gedanke an ,,Bestrafung" ganz zurücktreten kann: eum regem, qui legatum p. R. consularem vinculis ac verberibus atque omni supplicio excruciatum necavit pro imp. Pomp. 5, 11 u. ö.; noch freier: quae suo ductu et imperio cruento illo atque funesto supplicia neque a sociorum moenibus prohibere neque hostium urbibus inferre potuerunt, excidium, inflammationem e. q. s. de har. resp. 2, 3.

**) Suet. Nero 49; vgl. Mommsen Str. 920, 5; 938.

sich, ihren Zorn zu besänftigen; wenn der Feind sich mit den Worten satis supplici habeo für versöhnt erklärt, so tut das die Gottheit durch gnädige Annahme des Opfers, und solange diese litatio nicht erreicht ist, dauert die ira des Gottes und des Sterblichen Furcht vor Strafe. Die Vorstellung, die dem sakralen supplicium zugrunde liegt, spricht sich in Plautus' Versen aus dem Rudensprolog deutlich aus (21):

atque hoc scelesti si in animum inducunt suom,
lovem se placare posse donis, hostiis,

et operam et sumptum perdunt; id eo fit quia
nil ei acceptumst a periuris supplici.

Der Dialog zwischen dem periurus und dem Gott würde also lauten, wie in der Cistellaria der zwischen Jüngling und Mädchen (455): supplicium polliceri volo. at mihi abs te accipere non lubet. Aber freilich, der Unterschied besteht, daß man seine Beziehungen zu den Mitmenschen deutlich genug übersieht, um genau zu wissen, wann ein supplicium angebracht ist; die pax deorum wird sich der Gottesfürchtige auch ohne drohende Vorzeichen dauernd und regelmäßig sichern: darum gelangt supplicium, wie uns außer den Grammatikern (oben S. 89) die Archaisten lehren, zu der allgemeinen Bedeutung Opfer und Gebet, supplicare zu der allgemeinen „opfern": ea mihi cottidie aut ture aut vino aut aliqui semper supplicat sagt der Lar von der frommen Haustochter Aulul. 24*), und im Rudensprolog fährt Plautus nach den oben zitierten Versen, um zu seiner an die Zuhörer gerichteten Mahnung überzuleiten, fort:

facilius si qui pius est a dis supplicans

quam qui scelestust inveniet veniam sibi.

Ja selbst das Dankopfer darbringen heißt supplicare: quando bene gessi rem, volo hic in fano supplicare Curc. 527, und supplicatum cras eat heißt es Persa 447 von der soeben Freigelassenen. Als man zur Prokuration von Prodigien, ungewiß wann, nach griechischem Ritus öffentliche Opfer- und Bittfeste einführte, wird man diese zunächst gleichfalls supplicia genannt haben; später heißen sie supplicationes das Wort tritt für uns zuerst als Titel einer togata des Atta auf, und sup

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*) (Vilica) kalendis, idibus, nonis, festus dies cum erit coronam in focum indat, per eosdemque dies lari familiari pro copia supplicet Cato de agricult. 143, 2.

plicium kommt überhaupt, seit es im Bereich irdischer Dinge die Bedeutung Strafe angenommen hat, auf sakralem Gebiete ab; Nonius zitiert es (p. 398, 20) je einmal aus Accius (nunc pergam ut suppliciis placans caelitum aras expleam 298) und Afranius (nullam profecto accessi ad aram, quin deos suppliciis sumptu votis donis precibus plorans obsecrans nequiquam defetigarem 170). Viel später haben Freunde altertümlicher Rede die verschollene Bedeutung wieder hervorgesucht; Varro spricht von Leuten, die gewisse Rinder ad victimas faciunt atque ad deorum servant supplicia (r. r. II 5, 10), und Sallust, als wollte er alle möglichen Bedeutungen des Wortes erschöpfen, fügt zu den zahlreichen, die wir besprochen haben, auch die sakralen; Opfer: in suppliciis deorum magnifici, domi parci Cat. 9, 2; Opfer- und Bittfeste: senatus ob ea feliciter acta dis immortalibus supplicia decernere Jug. 55, und Gebete schlechthin: non votis neque suppliciis muliebribus auxilia deorum parantur Cat. 52, 29.

Königsberg i. Pr.

Richard Heinze.

Deforare.

'Hunc catapiratem puer eodem deferat unctum' fragment de Lucilius (1191 Marx) cité par Isidore. Les variantes defore, deforet montrent qu'il faut lire de forat (ou deforet au subjonctif). Le puer jette la sonde de dessus le pont du navire, les fori. Le verbe deforare est tiré de fori comme de-pontare de pons pontis. Il est d'un type rare, mais encore vivant pour la conscience linguistique des peuples modernes (la défenestration de Prague).

Paris.

Louis Havet.

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