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Lepturgus, chirurgus u. ä. bei Fronto.

Bei meiner Besprechung der kunstgeschichtlich interessanten Frontostelle (S. 113, 10 ff. Naber) in den Mitteilungen des k. deutschen archäologischen Instituts, römische Abteilung XIX, 317 #f. habe ich zwei wunde Punkte nur gestreift, weil ihre Behandlung. auf das sprachliche, und zwar das lexikalische Gebiet führt, das dem „Archiv“ und dem hochgeschätzten Jubilar weit näher liegt.

Den ersten Anstoß bereiten die Worte, die auf den einleitenden Satz Quid? si quis postularet, ut Phidias ludicra a<u>t Canachus deum (simulacra fingeret? unmittelbar folgen: aut Calamis Turena aut Polyc<letus Etrusca? So lauten sie nämlich nach Mais und Du Rieus Angabe auch bei Naber; nur wird Turina als Verbesserung der zweiten Hand angegeben. Studemund aber, der dieser Palimpsestseite nur kurze Zeit gewidmet hatte, las diese Zeilen so: aut Calamis | ut Turena*) aut ut Polycle tus Etrusca. Auch Brakman (Frontoniana I 26) wollte nach Calamis die Wörter ut Turena (Turina: m.1) aut ut Polycletus ersehen haben.

Diese doppelte Setzung von ut unmittelbar nacheinander, zuerst nach dem einen, dann vor dem anderen Namen der gegenübergestellten Bildhauer muß schon deshalb befremden, weil im nächsten ganz ähnlich über die Maler handelnden Satze die Konjunktion si nur ein einzigesmal erscheint, obwohl er doppelt so viel Glieder umfaßt.**) Auch kann das Paar Synonymen Tur(r)ena und Etrusca hier, wo man nach dem ganzen Zusammenhange und der Fassung der übrigen Glieder Gegensätze erwarten muß, gewiß nicht die Hand Frontos wiedergeben. An Turena hatte übrigens schon R. Ellis im Cambridge Journal of philology 1868, S. 18 (wiederholt in The correspondence of Fronto and M. Aurelius, London 1904,

*) Statt e schien ihm auch o denkbar.

**) Nur kurz sei gleich hier bemerkt, daß mir das zweite vor Polycletus tatsächlich geschriebene ut korrigiert zu sein scheint; ich betrachte es als Dittographie der letzten Zeichen des gerade vorhergehenden aut.

S. 26) Anstoß genommen und dafür das wenigstens mir nicht verständlichere Turintina*) vermutet. R. Schöll dachte an Corinthia zwar inhaltlich bestechend, aber ganz gegen die Züge des Palimpsestes. Denn dieser bietet, wie ich nach wiederholter Einsicht behaupten kann, statt der sechs Buchstaben Mais deren zehn. Ich lese lepturgata, dessen e wohl schon die erste Hand in i geändert hat; nur das zum größeren Teil durch eine Lücke verlorene u, das abgeschürfte g und die Schlußsilbe sind mir nicht ganz sicher. Das sonst im Latein unbelegte Wort ist natürlich nach dem griechischen λɛлtovoɣɛiv gebildet. Dieses Verbum findet sich für feine Kunstarbeiten z. B. bei Plutarch vit. Aemilii Pauli c. 37 Αλέξανδρον, εὐφυᾷ μὲν ἐν τῷ τορεύειν καὶ λεπτουργεῖν γενέσθαι φασίν, ἐκμαθόντα δὲ τὰ Ῥωμαικὰ γράμματα, so auch bei Eustath. vom Spinnengewebe (vgl. Hom. 9 280 ǹúť' ágáɣvia λextá) und übertragen von der feinen, spitzfindigen Rede Eur. Hippol. 923, für das subtile Teilen und Unterscheiden bei Plato Politik. 262 B. Ebenso gebraucht schon Homer κ 223 λεπτά (τε καὶ χαρίεντα ἔργα (vgl. Theokr. 15, 79 λεπτὰ καὶ ὡς χαρίεντα von feinen Arbeiten; ferner steht so dɛntós vom Stil (fein, gefeilt, sorgfältig) z. B. bei Dion. Halic. Пɛgì uu. 5 (p. 435). Für den Musterbildner Polyklet (Plin. N. H. 34, 55) paßt dieser Begriff der feinen, bis ins einzelne genauen, völlig ausgeglichenen Arbeit (Cic. Brut. 70, Plut. Moral. p. 86 A) sehr gut; die noch wenig feine Technik des Kalamis steht dazu in passendem Gegensatz. An der Bildung des Wortes ist kein Anstoß zu nehmen, da ja bei den aus dem Griechischen entlehnten Zeitwörtern die Form auf -are regelmäßig ist; so lauten z. B. von weit mehr als hundert Verben auf -gav die latinisierten Formen auf issare oder -izare aus.**) Wie sehr überhaupt die Formen auf -are bei griechischen Fremd- und Lehnwörtern überwiegen, kann man aus den vielen Beispielen bei Rönsch (Itala und Vulgata, S. 154-215), die sich zudem leicht ergänzen lassen (z. B. durch paedagogare αidaywyεiv Pacuv. 192), ersehen. Griechische

Seine Begründung lautet: Polycletus was an Argive.

**) Eingehend hat über diese A. Funck in dieser Zeitschrift III, 398 ff. und IV, 317 ff. gehandelt. Um von den älteren Intransitiven, wie comissari, cyathissare, rhetorissare, und von den zahlreichen medizinischen und kirchlichen Ausdrücken (wie euangelizare, baptizare, thesaurizare) abzusehen, möchte ich nur kurz auf Transitiva, wie gargarissare, das nach Fronto p. 69, 14 f. aus Novius stammt, auf malacissare, weiter auf die musiktechnischen Ausdrücke, wie citharizare, cymbalissare und thymbanizare hinweisen.

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Komposita finden sich aber auch sonst bei Fronto zuerst belegt, so p. 31,5 encomiographos, 54, 12 in epidicticis, 43, 21 negotio pannychio, 176, 1 philostorgus u. a. Es scheint daher an der Form lepturgata selbst kein Anstoß zu nehmen. Nahe liegt es aber, da die Schlußsilbe ta, wie schon oben angedeutet, minder klar und vielleicht von m. getilgt ist, an das Adj. lepturga zu denken, das dem entgegengestellten Etrusca, das aber wohl nur Lesung der zweiten Hand ist, auch hinsichtlich der Silbenzahl besser entspräche. Auf lepturgus machte bei einer Besprechung der Stelle im Eranos Vindobonensis' Landesschulinspektor Scheindler zuerst aufmerksam. Bezüglich der Form verweise ich einerseits auf Hom. Hym. 31, 14 καλὸν δὲ περὶ χροῒ λάμπεται ἔσθος | λεπτουργές, andrerseits auf denτovoyós, substantivisch gebraucht, bei Diod. 17, 115, 1, die Verbindung im Edict. Diocl. 7, 3 (λε)лτovoy tεxνείτῃ und λεπτουργικά Dittenberger 932, 56. Für die Erklärung des m. E. von m. dem lepturga gegenübergestellten Etrusca kann ich mich am besten der Worte O. Benndorfs in seinem den 20. Juni 1879 an Studemund gerichteten Briefe bedienen: „Mit Etrusca ist ein noch altertümlicher Stil gemeint (Müller, Etrusker ed. Deecke II, p. 275 f.), den man bei Kalamis noch finden konnte, obwohl Quint. 12, 10, 7 sagt: duriora et Tuscanicis proxima Callon atque Hegesias, iam minus rigida Calamis etc.*) Dem müßte dann bei Polyklet als Gegensatz entsprechen ein Wort, das auf die Proportionen, die Symmetrie, den Dekor, das Kanonische etc. Bezug hätte. Urbana, was mir zunächst einfiel, ist es gewiß nicht. Ob Etrusca nicht Glossem für Tyrrhena ist und die Verderbnis tiefer steckt?" Es hatte also schon Benndorf an der Richtigkeit von Etrusca gezweifelt, obwohl ihm die Unsicherheit der Lesung dieses Wortes und seines Gegensatzes unbekannt gewesen war. Was die Schreibung der ersten Hand anlangt, so scheint mir m. die Zunge des unzialen e und das Köpfchen des t (in Etrusca) dem ursprünglichen ci hinzugefügt zu haben; das Weitere deutet auf rorga von m., also cirorga, womit offenbar chirurga gemeint war. Ich glaube, daß dies in formeller und wohl auch in sachlicher Hinsicht dem lepturga besser entspricht als Etrusca. Bei zɛtoovorós, χειρουργία, χειρουργικός, χειροτέχνης usw. fällt nämlich der Nachdruck ohne Zweifel auf das Manuelle und Handwerksmäßige.

* Vgl. Cic. Brut. 70 Calamidis (signa) dura illa quidem, sed tamen molliora quam Canachi.

Abgesehen von der auch uns geläufigen medizinischen Anwendung (vgl. übertragen bei Cic. Att. 4, 3, 3: Ipse occidi potuit, sed ego diaeta curare incipio, chirurgiae taedet von gewaltsamen, gröberen Mitteln) verweise ich auf Aristot. Pol. 8, 6 xɛgovoyizñs ¿xiótýuns von der Fertigkeit, Musikinstrumente mit der Hand zu schlagen; Pollux 2, 148 bezeichnet das Wort zugovoròs als evτedés; in üblem Sinne steht das Zeitwort übertragen bei Antipho p. 113, 34, Cass. Dio 57, 22, Philo I p. 615, 3, obszön bei Diog. Laert. 6, 46. Wenngleich die abträgliche Bedeutung gelegentlich (so bei Aelian. Hist. an. 4, 27) zurücktritt, so bleibt sie im Gegensatz wie hier ungeschwächt erhalten. Ist das Ausgeführte richtig, so wird der Thesaurus diese neue Gebrauchsweise von chirurgus und lepturgus (m.1 corr.: lipt.) zu verzeichnen haben.

Nach der von mir schon in den Mitteilungen des k. deutschen archäolog. Institutes a. O. gegebenen Behandlung des folgenden über die griechischen Maler Parrhasios, Apelles, Nealkes, Protogenes, Nikias und Dionysios handelnden Satzes erübrigt nur dessen fragwürdiger Schluß aut lascivia Euphranorem aut Pausiam <p>roe

ia. So schreibt Mai; dazu will aber schon seine eigene Bemerkung nicht stimmen: 'Carie exesa est tum hoc tum aliis locis membrana huius paginae. Et quidem heic quatuor aut quinque litterae amissae videbantur in lacuna, praeter incertas duas quas uncis inclusi. Scripsi autem proelia propter Euphranoris tabulam proelii equestris, quam celebrat Plinius 35, 11 cum Pausania 1, 3.' Ebensowenig entspricht die von Brakman (a. O. I p. 26) gegebene Ergänzung amplifica seiner eigenen Angabe bezüglich der Lücke.*) Daß zu lascivia (denn so ist sicher und ohne Korrektur überliefert) amplifica (großmächtig) keinen Gegensatz bildet, ist nicht

Er gibt zunächst in einer Nachzeichnung der Stelle den Rest eines a, dann eine Lücke von drei Buchstaben, ferner vier gerade Hasten und la als vorhanden an, indem er l und die zwei davorstehenden Striche als fraglich bezeichnet. Dazu fügt er folgende Erläuterung: Post Pausiam in fissura perierunt tres quattuorve litterae, quarum primam fuisse a etiamnunc in codice me demonstrare posse confido. Statim post fissuram li exaratum est, tum sequuntur 4 litterae incertiores, ultima certe est a. Quid plura? Fuit amplifica (nisi omnia me fallunt), quod egregie ad sensum quadrat. Conferri potest 150 : 4 Tibi .... sublime et excelsum et amplificum ingenium ab dis datum est.' Daß Widersprüche zwischen der Nachzeichnung, der Erklärung und der angeblich daraus sich ergebenden Konjektur vorliegen, brauche ich nicht eigens auszuführen. R. Klussmann hatte an grandia gedacht.

minder klar. Studemund hat sich über diese Stelle keine nähere Notiz gemacht. Ich selbst habe bei mehrfacher Einsicht in den Palimpsest und unter Zuhilfenahme einer gelungenen Photographie ein (sicher eine entsprechende gerade Hasta, die in ein nicht ganz klares s verbessert erscheint) bemerkt, dann von unsicheren Resten des zweiten und dritten Buchstabens abgesehen als Überbleibsel des weiterhin nur mehr vorhandenen siebenten (bezw. achten) die rechte Seite von a, weiter sicher sa, endlich nur teilweise leserlich wahrscheinlicher tura als das wohl auch mögliche llita. Der Raum ist durch die vom Korrektor, wie gewöhnlich, zum Satzschluß gesetzte Interpunktion (die Virgula über der Zeile) abgegrenzt und dadurch wird anderes, z. B. -turata als zu lang ausgeschlossen. Die mir glaublichste Lesung satura erergibt zudem eine formell und inhaltlich passende Fassung. Danach werden wir lascivia in Verbindung mit dem schon bei Plaut. Poenul. Prol. 8 (saturi fite fabulis) so konstruierten satur als Ablativ fassen und in den nach Pausiam erhaltenen kümmerlichen Resten t.......a den Gegensatz dazu suchen müssen. Wie dem Pausias und seinen Werken übersprudelnde Lebenslust, so wird dem 'Malerprofessor' Euphranor großes Behagen an würdevoll strengen, ernsten, ja traurigen Szenen und Gestalten*) zugeschrieben werden können. Es wird der lascivia sonach die tristitia entgegenstehen, wie z. B. Sall. Cat. 31, 1 und Plin. N. H. 9, 34; für tristitia als Synonymum von severitas und gravitas, vgl. Cic. Lael. 66, Off. I 108, Nep. Epam. 2, 2. Die wohl von m.2 herrührende Änderung des anlautenden t in s führt zunächst auf saevitia, das aber für Euphranor viel weniger charakteristisch wäre, obwohl es formell mit satura alliterierte; vgl. auch Livius 2, 29, 2: lascivire magis plebem quam saevire. Das den Raum gleichfalls deckende segnitia**) scheint für den Genannten geradezu unpassend (Plin. N. H. 35, 128). An der Verbindung lasciviā (tristitiā) satura wird aber kein Anstoß zu nehmen sein. Denn satur steht bekanntlich gern von satter Farbe oder farbensatten Gegenständen, wie

* Man denke an seine Götter- und Heroenbilder, die verfolgte Latona, den wahnsinnigen Ulixes, die Schlacht bei Mantinea, die Statue der betenden Matrone, die Gemälde palliati cogitantes und dux gladium condens (Plin. N. H. 35, 129).

**) Das sachlich entsprechende symmetria überschritte den Raum und würde ebenso wie sollertia keinen entsprechenden Gegensatz zu lascivia bilden.

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