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sie pupae. Dagegen ist gut bezeugt, daß man unter mania ein Fratzengesicht verstand, und daß die Ammen den widerspenstigen Kindern mit der Mania drohten. Das macht doch den Eindruck großer Altertümlichkeit. Sollte der Grund lediglich ein gelehrtes oder volkstümliches Mißverständnis sein, weil man in einer gewissen Zeit vergessen hatte, daß die an der Kompitalkapelle und an den Haustüren aufgehängten Puppen in Wirklichkeit nur Kinderspielzeug waren? Ich vermag das nicht zu glauben.

Welcher Art waren die Wesen, die man als maniae in Puppenform darstellte? Ihre charakteristische Häßlichkeit weist sie unbedingt in den Kreis der unheimlichen, gespenstigen Kreaturen, wie die laruae es waren, deren Name ebenfalls zur Bezeichnung eines Fratzengesichtes verwendet worden ist. Dann muß ihr Name aber mit dem der manes zusammenhängen, und so tut sich plötzlich die Einsicht auf, daß die manes mit den Lares in enger Verbindung gestanden haben müssen, daß das Wesen der letzteren von dem der ersteren nicht prinzipiell verschieden gewesen sein kann. Und jetzt wird es auch erlaubt sein, das nächtliche Aufhängen der Puppen, trotz Wissowas Einspruch (Arch. f. Religionswiss. VII S. 55) in diesem Sinne zu verstehen. Leider gibt uns unsere Überlieferung keinen brauchbaren Wink darüber, was man sich ursprünglich dabei dachte, wenn man die maniae den Laren aufhing. Denn die Behauptung, jede mania sei als ein stellvertretendes Opfer für einen lebenden Menschen aufgehängt worden, gehört zum festen Bestand der in den allermeisten Fällen sicherlich falschen gelehrten Spekulation der Alten, die wir uns hüten sollten, immer wieder nachzusprechen. Jedoch sehe ich nach all diesem keinen Grund, mit Wissowa dem Zeugnis Varros (de ling. lat. 9, 61; vgl. Macrob. sat. 1, 7, 35), daß Mania ein Name für die mater Larum gewesen sei, zu mißtrauen, wenn auch die Arvalakten (vgl. Henzen p. 145) ihn nicht nennen. Varros Bemerkung macht gar nicht den Eindruck, auf gelehrter Spekulation zu beruhen, und mag auch ursprünglich die mater Larum ohne weiteren Namen so bezeichnet worden sein, wie wir sie in den Arvalakten finden, so ist damit noch nicht erwiesen, daß ein später hinzugetretener zweiter Name, nämlich Mania, ihrem Charakter nicht entsprochen hätte, sondern gelehrter Kombination sein Dasein verdankte.

Die Überlieferung scheint also zu verlangen, daß wir die Lares dem Kreise der Unterirdischen zurechnen. In früheren

Zeiten schien dieser Zusammenhang evident schon im Namen ausgedrückt zu sein, der so sehr an die Unterwelts- bezw. Totengöttinnen Larenta und Larunda erinnert. Die Sicherheit dieser Überzeugung hat Mommsen Röm. Forsch. II S. 3 nachhaltig erschüttert durch den Hinweis auf die verschiedene Quantität der a in Lăres einer- und Larenta, Larunda andrerseits. Wissowa schloß sich an und hat zuletzt (Archiv f. Religionswiss. VII S. 51) den sehr unmethodischen Versuch Samters (Familienfeste S. 115 ff.), der unbequemen Verschiedenheit der Quantität durch Annahme dichterischer Lizenz in der Messung auszuweichen, gebührend zurückgewiesen. Ist denn aber damit die Sache wirklich erledigt? Sollen wir der Quantität der Wurzelsilbe wegen Worte für unbedingt verschiedenartig halten, die sonst so große lautliche Ähnlichkeit zeigen und deren Begriffe möglicherweise nahe miteinander verwandt sind? Soll die bekannte Vokalabstufung in der Wurzelsilbe hier garnicht in Betracht gezogen werden dürfen? Kennen wir nicht, um ein triviales Beispiel zu wählen, ǎgo-ambages, ja lautet nicht der Nominativ Lar neben Genetiv Lăris, wie māsmăris, pār-păris, vas-vădis?*) Wenn irgendwelche andere Überlegungen es nahelegen, die Laren in den Bereich der Unterweltsgottheiten hineinzuziehen, so wird, meine ich, die Möglichkeit einer Verwandtschaft zwischen den Namen Lares und Larenta, Lārunda zur hohen Wahrscheinlichkeit.

Die hauptsächlichste öffentliche Verehrungsstätte der Lares ist das Compitum, der Kreuzweg. Dort stand ihre Kapelle, die so viele Eingänge hatte, als Grundstücke dort zusammenstießen, und vor jedem der Eingänge stand auf jedem der Grundstücke ein Altar, so daß der Eigentümer auf eigenem Boden vor der offenen Kapelle den Laren opfern konnte (vgl. Wissowa, Archiv f. Religionswiss. VII S. 48). Wissowa meint nun dies so auffassen zu müssen, daß in dem Kompitalheiligtum so viele Lares verehrt worden seien, als es Öffnungen hatte, d. h. als Grundstücke dort zusammenstießen. Diese drei oder vier Lares seien die Beschützer der einzelnen Felder gewesen und dort von den Anwohnern gemeinsam verehrt worden. So viel ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Verehrung der Laren am Kreuzweg für sich allein betrachtet nichts mit dem am Kreuzweg konzentrierten Seelenglauben

*) So richtig auch De-Marchi, Il culto privato di Roma antica I S. 36 Anm. 1.

anderer Völker (vgl. Samter a. a. O. S. 120 f.) zu tun zu haben braucht. Hätten wir nicht von gewissen anderen Arten der Verehrung der Laren Kunde, so müßten wir Wissowa zustimmen, wenn er den Lar familiaris, der im Hause waltet, für denselben Lar erklärt, der ursprünglich mit den Lares der benachbarten Güter usammen am compitum verehrt worden sei. Allein es gab nicht bloß Lares compitales, sondern auch Lares viales, semitales, viatorii (vgl. Wissowa, Rel. u. Kultus S. 150). Die Lares waren also Gottheiten der Wege überhaupt. Charinus, der in die Fremde zieht, bittet die Lares viales um ihren Schutz auf die Reise (Plaut. Merc. 865). Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß das compitum als der Kreuzpunkt mehrerer Wege die hauptsächlichste Kultstätte der Laren in der Öffentlichkeit war, und nicht als die gemeinsame Grenze mehrerer Grundstücke. Ja sogar der Seeweg stand unter dem Schutze von Lares permarini (Wissowa a. a. O.). Unter diesen Umständen fällt es schwer, den Gedanken an einen Vergleich mit Unterwelts- und Totengottheiten, wie Hekate und Hermes, den Gottheiten der Wege, fernzuhalten.

Als Fruchtbarkeitsgottheiten wird man sich ja doch die Lares am liebsten denken, wenn man sie in dem uralten Liede der Arvalbruderschaft an erster Stelle anrufen hört. Als Erzeuger begegnet uns der Lar familiaris in der berühmten Geburtslegende des Servius Tullius (darüber Wissowa in Roschers Lexikon II S. 1887). Ein Phallos richtet sich aus der Herdasche auf und befruchtet die bräutlich geschmückte Mutter des Servius Tullius. Der Grieche Promathion erzählte des Romulus Erzeugung ganz ähnlich (Plut. Rom. 2). Das gibt uns aber noch kein Recht, die Sage für griechische Erfindung zu halten. In beiden Fällen spielt der Vorgang in einer nahezu gleichnamigen etruskischen Familie: in Rom im Hause des Tarquinius, in Alba in dem des Tarchetius. Die bräutlich geschmückte Geliebte der Herdgottheit erinnert an einen echt römischen Brauch, mit dem jene Legende im Zusammenhang zu stehen scheint. Im cubiculum war ein göttlicher Phallos, Mutunus Tutunus genannt, auf den die Braut sich setzen mußte, ehe sie sich dem Manne ergab (Preller-Jordan, Röm. Myth. II S. 218; Agahd, Fleckeisens Jahrbb. Suppl. 24 S. 175; Wissowa, Relig. u. Kultus S. 195). Mutunus Tutunus besaß zwar ein eigenes Heiligtum auf der Velia (Wissowa a. a. O.); es muß aber gefragt werden, ob es sich in unserem Falle nicht vielleicht um eine Form des Lar familiaris handelt. Man darf nicht vergessen, daß

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ein göttlicher Phallos zusammen mit der Herdgöttin Vesta verehrt wurde (Plin. nat. hist. 28, 39 fascinus . . . deus inter sacra Romana Vestalibus colitur). Der Lar familiaris dürfte also doch seine Stätte im Hause, am Herde schon in sehr alter Zeit eingenommen haben, und nicht erst nachträglich vom Compitum dorthin gewandert sein. Samter bemerkt treffend (a. a. O. S. 120), daß auch Hekate sowohl am Kreuzweg, wie in der Tiefe des Herdes hause. Andere Züge des Larenkultes, deren Erklärung eine verschiedenartige sein kann, beiseite lassend, will ich schließlich noch einen Blick auf die künstlerische Darstellungsform der Laren werfen. Ihre charakteristische Haltung ist der Tanz. So malte man sie schon zurzeit des Naevius (frg. com. 99 ff. Ribbeck Wissowa in Roschers Lexikon II S. 1891 ff.). Ein dionysischer Typus wurde zu ihrer Darstellung von den Griechen entlehnt. Haben Tanzschritt, Trinkhorn und Schale (beim ruhig stehenden Lar auch Füllhorn; s. die Abbildungen bei Wissowa a. a. O.) mit dem eigentlichen Wesen der Laren wirklich so garnichts zu tun, daß nur die Lustigkeit der Kompitalienfeier (uncta Compitalia, Verg. catal. 13, 27) die Veranlassung gegeben haben könnte, sie so darzustellen (Wissowa, Gesammelte Abhandlungen S. 289 f.)? Sind die Laren Dämonen der Fruchtbarkeit gewesen, woran ich nicht zweifle, so ist nichts natürlicher, als ihr Tanz. So tanzen die Nymphen, so die Chariten mit Hermes (Harrison, Proleg. to the Study of Greek Religion 286 ff.). Über den Tanz der Fruchtbarkeitsgottheiten von Griechenland bis Mexiko hat uns kürzlich Th. Preuß reiche Belehrung zuteil werden lassen (Archiv f. Anthropologie 1904 S. 164 ff., Globus 86 S. 377 ff.). Vielleicht wird man doch wieder auf Jordans Vermutung (s. Wissowa in Roschers Lexikon II S. 1869) zurückkommen, daß der Name der Lases mit lascivus verwandt ist. Der neuerdings wieder von Walde, Latein. etymolog. Wörterbuch S. 325 empfohlene Vergleich mit dem althochdeutschen lari (,,Wohnung“) in Gōz-lāri faßt den Begriff der Laren nicht in seinem ganzen Umfang.

Unsere Überlieferung ist zu dürftig, um weitergehende Vermutungen über die ursprüngliche Vorstellung von den Laren zu rechtfertigen. Doch wird sich nach den vorangegangenen Ausführungen schwerlich bestreiten lassen, daß eine Verbindung zwischen den Laren und den Gottheiten der Erde und der Toten bestanden hat, daß sie als seelische Wesen gelten müssen. Ahnenseelen der Familien, in denen sie als Lares familiares, als Beschützer

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Walter F. Otto: Mania und Lares.

der bäuerlichen Familie samt dem Gesinde, verehrt werden, sind sie jedoch nicht, denn kein Zug der Überlieferung deutet dies an. Sie haften am Boden, oder schweifen auf den Wegen.

Zum Schluß noch eine Einzelheit. Die Lares hostilii erklärt Wissowa, Rel. u. Kult. S. 150 für die Beschützer in Feindesland, und glaubt an sie denken zu müssen, wenn in der Devotion des P. Decius Mus auch die Lares angerufen werden. Die einzige Stelle, der wir die Kunde von ihnen verdanken (Paul. p. 101), behauptet allerdings diesen Zusammenhang mit den hostes; allein das ist nichts als eine schlechte Konjektur eines Mannes, der ebenso wenig wirkliches Wissen besaß, wie wir heute. Der Beiname hostili ist gewiß identisch mit dem Gentilnamen Hostilius, und die Lares Hostilii sind die Lares der Hostilier*), genau wie Janus Curiatus der Janus der Curiatier. Das Verständnis dieser und ähnlicher Benennungen verdanken wir Wilhelm Schulze (Zur Geschichte latein. Eigennamen S. 200 und 355). Auf demselben Wege finden noch eine ganze Reihe römischer Götternamen eine befriedigende Erklärung, wie ich an anderem Orte zu zeigen hoffe.

*) Den Zusammenhang der Lares hostilii mit der gens Hostilia hat auch E. Pais, Storia di Roma 1, 1 S. 300 geahnt, aber durch Vermutungen begründet, die schwerlich einleuchten dürften.

München.

Walter F. Otto.

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