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Zum Thesaurus Glossarum emendatarum von

G. Goetz.

Corp. V 560, 8: a[c]cucula vel cicicula qua utuntur mulieres ad ornatum capitis. Ich lese acicula.

Corp. II 237, 7: άnoxévoбis exinanitas. Zahlreiche Belege für diese Bildung s. bei Paucker, Suppl. Lexic. Lat. s. v.

Corp. V 649, 33: concorporare interficere (cf. Non. 20, 17, ubi corporare). Concor- ist wohl als eine Art Dittographie für einfaches cor- zu betrachten.

Corp. V 567, 32: disserasset disserenasset (cf. Liv. XXXIX 46, 4). Diese Unform ist wohl am besten als compendium scripturae (etwa disserasset) anstatt des richtigen, im Interpretamentum gegebenen disseren asset aufzufassen. Vgl. einen ähnlichen Fall Corp. V 496, 53: dicius dilicius. Hruschka, Untersuchungen auf dem Gebiete der latein. Wortbildungslehre (russisch, Moskau 1900, S. 190) leitet disserasset unmittelbar von einem prähistorischen adjektivischen Stamm *sero ab, der serēnus und seres co zugrunde liegt; mir scheint eine derartige Herleitung übereilt zu sein.

Thesaur. I 437: fascinat gravat, fascinant gravant (Goetz: farcinat?), I 435: fascinatus oneratus, carrecatus (Goetz: sarcinatus?). Ich lese ohne Bedenken farcinare, farcinatus. Vgl. Rönsch, Coll. 237.

Corp. V 358, 9: ebilantur mutilantur. Goetz: evirantur? hebetantur? Ich lese evirantur angesichts der Glosse des verwandten*),,Abavus" IV 337, 35: evirantur evacuantur mutilantur. Die Korruptel kann etwa durch die Orthographie *ebi

* Überhaupt ist die Verwandtschaft der Glossaria Amploniana mit dem Glossarium ,,Affatim" und den beiden ,,Abavus" nicht außer Acht zu lassen. Vgl. z. T. meine,,Materialien zur historischen Grammatik der lateinischen Sprache" (russisch, Moskau 1898), 200 ff.

rantur entstanden sein; nachher bekam wohl dies etymologisch undeutlich gewordene Wort sein von dem Interpretamentum mutilantur. Ich beachte diese Glosse deswegen, weil sie schon zwei Gelehrte verführt hat, dieses ebilantur mit debilis (freilich mit Bedenken) zusammenzustellen. (Hruschka, o. c. 265, Walde, Latein. etym. Wörterb. unter ebilantur).

Corp. V 569, 52: gluttus id est gulosus, a gula. Vielleicht gluttosus, das in den Scholien der Codices P und P5 der Rätsel von Aldhelm direkt belegt ist (LXIX 7: lurcones glutosi.*)

Diese Scholien sind zum ersten Male in der (russischen) Philologischen Rundschau XXI von A. Malein herausgegeben und z. T. erörtert. Vgl. jetzt von demselben Verfasser „Die handschriftliche Überlieferung der Rätsel Aldhelms" (Petersburg 1905). Bei dieser Gelegenheit gestatte ich mir aus dieser Schrift ein paar Details zu zitieren, die in lexikographischer Hinsicht interessant sein können. Corp. Gl. IV 21, 36 arsis evatio liest Bücheler elatio, Goetz elevatio (zumal da elatus selbst durch elevatus glossiert wird). Richtiger ist das letztere: vgl. bei Malein 129 aus epist. ad Acirc. 274: arsis interpretatur elevatio Schol. P2 u. a. zu LVII 5 (s. 129, 211). Fast in allen Handschriften Aldhelms findet sich crepacula (XXXI 3), das von seinen Scholiasten durch tremulos sonos oder sonitus übersetzt wird; nur der Codex Br. I hat crepicula (aber wie Malein zeigt, gibt derselbe Codex XXXIV 1 laudibilis für laudabilis). Für crepacula zitiert der Verf. noch Euseb. aenig. LVI 2 und die angelsächsischen (freilich von Goetz angezweifelten) Glossen aus den Glossaria Amploniana Corp. 282, 28 und 351, 52.

=

Die besten Handschriften Aldhelms (LXVII) geben die sonst nicht belegte Form cribellus (Malein 131). Das scheint eine volkstümliche Form zu sein vgl. Placidus Corp. Gl. V 10, 6 59, 25 cribrum non ciribrum (cribrus Deuerling cum Maio) neutro genere magis dicimus quam masculino.

Interessant ist die Lesart des Cod. P2 LXXVII 5 feritur für fertur wohl eine volkstümliche Konjugation; vgl. Rönsch Itala 294, Neue-Wagener III 617 (hinzuzufügen wären Belege aus Glossarien, z. B. IV 146, 36; 147, 30 u. a. s. Thesaurus s procrastinat differ[e]t oder differ[i]t . . .; II 20, 45 anteferit, IV 329, 26 u. 503, ferit u. a.).

5 pro

In der Glosse Ampl. sec. V 311, 33: momentum stilus in quo (mo)mentana ex(a)equatur; nam ideo momentana vocabulum sumpsit, quia cito et admodicum inclinatur, si aequaliter non pensetur schlug Landgraf Arch. IX 396 anstatt ad modicum ad momentum vor. Die Scholien S und P2 zu XXIII (Malein 121) geben gerade folgende Glosse: trutina] libra (omiss. P2), quae mom(en) tana dicitur eo q(uo)d ad mom(en)tu(m) inclinata vergit.

Im Cod. Royal 15 A. XVI (L) hat Verf. (S. 196) eine sehr interessante angelsächsische Glosse gefunden (zu C. 66), die als Ergänzung zu den ähn

Corp. V 305, 15: . . . . . ammos enim arenari g. Goetz (unter Iovis Ammon), arena graece, ich: arenam graece (ri anstatt m). Vgl. syntaktisch aus demselben Glossar V 263, 59: Agamus sine nupti(i)s. Graecus a pro non ponit; gamus nuptias.

Corp. II 272, 37: diauαoτvoоua pertestor. Ich lese entschieden protestor vgl. Rönsch, It. u. Vulg. 197, wo protestari diauaotúọɛóðαι sehr gut bezeugt ist. Vgl. in demselben Codex Harleianus folgende charakteristischen Schwankungen zwischen per und pro Π 271, 41: διακεχυμένος perfusus und daneben N 42 richtiger diazexvμévos profuse; 346, 51: xatoφερές declivum perclivum, aber 50: κατωφερής τόπος proclivus u. dgl. mehr. (S. „Materialien" 248 ff.)

Corp. IV 400, 4 (Abavus Minus): ubertit [h]abundat, exubera<t). Mit Goetz, aber unabhängig von ihm, bin ich geneigt uberat zu lesen. Für das paläographische Schwanken von ti (te) und a vgl. Abavus Maius IV 594, 51: buleuta decurio sentitor (sc. senator) und umgekehrt ibid. V 626, 6: ancipias (sc. ancipites) inritas. Diese Glosse erwähne ich deshalb, weil sie bei Georges ohne Bedenken angeführt ist, was für linguistische Konstruktionen nicht ungefährlich sein kann (vgl. z. B. Hruschka o. c. 268).

Corp. V 559, 6: abrogatus aufertus. Sehr treffend stellt Goetz diese Glosse mit IV 3, 21 abrogatur aufertur zusammen. Angesichts dessen ist es wohl erlaubt, ebenso die Glosse von Mai (Thesaurus Gloss. s. manditus) manditus manducatus zu betrachten (d. h. manditur manducatur), aus der Georges, Lex. d. Wortf. s. mando Part. Perf. Pass. manditus entlehnt.

V 130, 22: peculium proprie minitiarum personarum et (Goetz: ut) servorum et pastorum. Goetz liest minimarum, ich ziehe minutarum vor. Vgl. den schon alten Gebrauch von minutus etwa im Sinne von minor (z. B. di minores: di minuti bei Plaut. Cas. 332 u. 336), der sich im späteren Latein

lichen Glossen bei Goetz, Thesaurus s. briensis (?) gelten kann: verme] i. e. briensis, hond veorm.

Meinerseits bemerke ich, daß die Glosse der Scholien S (Malein 125) zu XLIII 3 bibulis buccis] bibentibus oris (sic) sich mit Corp. Gl. V 347, 26 (Amplon.!) V 404, 6 (Cantabrig.!) buccis oris merkwürdigerweise deckt. Übrigens hat der Verf. selbst viel dazu beigetragen, die Verwandtschaft der von ihm herausgegebenen Scholien mit den Glossarien von Goetz und mit Isidor festzustellen.

erhalten hat (z. B. Petron. 44: populus minutus laborat: nam isti maiores maxillae semper Saturnalia agunt) und nachher in die romanischen Sprachen übergegangen ist (z. B. le menu peuple, le menu officier).

Corp. V 326, 42: quaestio disputatio vel interpellatio ist eine evidente Kontamination von quaestio disputatio und questio interpellatio; vgl. in demselben Glossar 326, 45: queritur interpellat und außerdem noch folgende Belege für den semasiologischen Zusammenhang von queri mit interpellare interpellat xarηyoqɛĩ (II 90, 27), interpellatio naτnyogía (II 90, 18), queritur aitiătai (III 415, 51; 461, 75), queritur accusat (IV 158, 5) u. dgl. mehr.

Praeverbia de-, dis- in den Glossarien.

Das Schwanken zwischen de- und dis- ist bekanntlich sehr charakteristisch für das Spätlatein, ebenso wie für die romanischen Sprachen, die z. B. anstatt dedignari, decolorare, deformare, depretiare vorzugsweise dis dignare etc. haben. Aus den Glossarien möchte ich, außer dem von mir Arch. XI 358 dismirando erwähnten, noch folgendes anführen: vzolvo wird gewöhnlich durch discalcio (oder excalcio) glossiert, aber vgl. II 466, 55: vñоlúo decalcio; neben den gewöhnlichen Part. und Subst. discinctus (άnóswois u. dgl.) vgl. II 236, 52. ¿zo§ovvýo decingo; deadpoun wird entweder durch discursio (was richtig ist vgl. II 275, 16: diatoέvo discurro) oder durch decursio, decursus (Thesaur. s. v.) übersetzt; decoriare wird neben discoriare gebraucht; ἀποχώρησις und ἀναχώρησις sind durch decessus et discessus glossiert II 38, 6; discessus entspricht sogar zaráßαois II 488, 18 u. dgl. mehr.

IV 371, 1 (Abavus Min.): obstenatu rogatu vor der benachbarten Glosse N2 obstenatus (oder obstinatus). Goetz (unter obstinatus): obtestatu? Das ist ja ganz evident wegen obtestatu rogatu in demselben Glossar 371, 17 und in dem Abavus Maius V 630, 20. Charakteristisch ist, daß in der Haupthandschrift des Abavus Minus 371, 17 obtestatu belegt ist, woraus das irrtümliche obstenatu entstanden sein kann. Nebenbei sei bemerkt, daß das Schwanken zwischen ob- und obssehr üblich ist, z. B. obstrivit (anstatt obtrivit) Abav. Min.

371, 16 und Amplon. sec. (verwandt!) V 315, 16, obstruncat (= obtruncat) V 315, 17, obsterris (= obteris) IV 129, 54 und V 471, 1; obsculatur (osculatur) IV 118, 49 und sogar obscuratur V 330, 20, obscines (oscines) V 376, 44 u. dgl.

Nun kommen wir aber auf eine Tatsache, die für die lexikographische Kritik der Glossarien von großem Belang ist. Es ergibt sich nämlich, daß eine und dieselbe Glosse in einem und demselben Glossar zweimal vorliegen kann, sowohl in der richtigen wie in der verderbten Form; mit anderen Worten, die mittelalterlichen Lexikographen konnten die von Abschreibern verderbten Wörter für neue und dazu originelle halten.*) Vgl. aus dem oben erwähnten Abav. Min. 371, 18: obtrivit peremit, aber 16: obstriit (abde: obtriit) tremit (vgl. in der erwähnten Glosse des verwandten Amplon. II premit); oder aus dem Liber Glossarum V 212, 48: intercapedo interiectum temporibu]s neben der unrichtigen Glosse 213, 1: intercapetio interiectio temporum; V 211, 13: infinitabilis negabilis und daneben (14) ganz richtig infitiabilis negabilis und dgl. mehr.

Mit dieser Tatsache muß man besonders in den Fällen rechnen, wo in den Glossarien solche unica vorkommen, die beim ersten Anblick einen gewissen Wert zu haben scheinen.

Ohne zur Zeit über erschöpfende Materialiensammlungen zu verfügen, finde ich es dennoch ratsam, über das alte, sehr wich

*) Ebenso verfuhren auch die mittelalterlichen Scholiasten, indem sie evidente Schreibfehler, Compendia scripturae u. dgl. als beachtenswerte Lesarten empfahlen. Ich erlaube mir ein paar Beispiele aus den von Malein o. c. herausgegebenen Scholien zu Aldhelms Rätseln anzuführen. Schol. P1 u. P3 zu VIII 4: tenebris] (ve)l terris (terris ist ein evidentes compendium scripturae und wirft gewissermaßen Licht auf das oben erörterte disserasset anstatt disseren asset). XVIII 5: fungar] (ve)l fingar; XXXVI 7: thoros] (ve)l choros; XLII 5: teretes] rotunditates P1 u. P3, (ve)l veteres P'; XCI 3: regum] (ve)l rerum. Schol. V zu XII 2: setigeris] <vel setegenis (vgl. Codex K, XX 2: florigenis für florigeris). Schol. A Prol. 29: verbi] alias servi; LXX 2: nigrescens] vel rigescens; XCIV 2: dum] al(ias) nam u. dgl.

Noch frappanter ist der Mißbrauch des ,,glossematischen" Lateins bei den gelehrtesten Latinisten des Mittelalters. Z. B. zeigte Abbo von St. Germain eine besondere Vorliebe für solche « Wörter », wie appodix (sc. appendix), aprilax (sc. apricitas) usw. S. Goetz, Über Dunkelund Geheimsprachen im späten und mittelalterlichen Latein (Berichte der sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Phil.-Hist. Cl. I, 1896, S. 72).

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