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läßt, so bestimmt darf man doch wohl behaupten, daß diese Beschränkung nicht von jeher bestanden, sondern daß die Sitte einst ein sehr viel ausgedehnteres Gebiet beherrscht hat. Ich sehe, um es kurz zu sagen, in der Sitte des supplicium ein Überbleibsel, das letzte lebendige, eines ältesten, vorkriminalistischen Zustandes, eines rein privaten Strafverfahrens, das kein Eingreifen der Gemeinde, sondern nur die Rache des Verletzten, oder, falls beide Teile friedlichen Ausgleich vorziehen, die Ablösung der Rache durch vereinbarte Buße kennt. Und zwar hat ursprünglich gewiß nicht das Lösegeld selbst supplicium geheißen, sondern die Bitte des von der Rache Bedrohten um Frieden und Versöhnung, deren notwendige Ergänzung und eigentlicher Rückhalt eben die Bußgabe ist: der Zusammenhang von supplicium mit supplicare und supplicem esse ist so klar, daß er keines Worts der Erläuterung weiter bedarf.*) Als dann allmählich die Privatrache ausgeschaltet ward und das Gesetz die Summe normierte, um die der Verletzte die Rache sich abkaufen lassen mußte, und die der Schädiger zahlen mußte wir können bekanntlich im römischen Recht noch einzelne Stadien dieser Entwickelung

*Supplicare und supplicem esse hat die zu supponierende ältere Bedeutung,,um Frieden und Versöhnung bitten" bei Plautus noch vielfach: te ego ulciscar, te ego ut digna es perdam. . at scelesta viden ut ne id quidem, me dignum esse existumat quem adeat, quem conloquatur quoique irato supplicet? As. 148. id adeo te oratum advenio ut animo aequo ignoscas mihi. . quin tibi ultro supplicatum venio ob stultitiam meam Aul. 739, 752. ut qui deliquit supplex est ultro omnibus Bacch. 1024. nec tibi supplico (um Verzeihung) Epid. 682. Daher sagt, wer dem Gegner Trotz bietet ne me supplicare censeas u. ä., Curc. 539; Bacch. 904; Pers. 270. Daneben steht die andere Bedeutung,,um Hilfe, Unterstützung bitten": As. 246, 467, 682; Pseud. 311, 1319; Cist. 32. vestro subveniatis supplici Poen. 1390: am Anfang dieser Bedeutungsentwicklung steht das supplicium des inéτns, der nicht den Feind um sein Leben, sondern einen andern um Schutz seines Lebens bittet. Abgeblaßt ist dies,,um Hilfe bitten" in der formelhaften Äußerung dessen, der keiner fremden Hilfe bedarf: nec cuiquam homini supplicare nunc certum est mihi Capt. 772, ähnlich Bacch. 225; Pseud. 507; Mil. 193. id quod domist, numquam ulli supplicabo Rud. 1335 (danach zu verstehn Cic. de fin. V 75 si tui nobis potestas saepius fieret, non multum Graecis supplicandum putarem). Einfaches Synonymum von oro atque obsecro ist supplico nur Merc. 171. Bei Terenz liegt die Bedeutung,,um Versöhnung bitten" vor Eun. 811 und wohl auch Hec. 500, die allgemeine And. 312; Phorm. 887. Das Substantivum supplicium hat in der Bedeutung Hilfegesuch, die für alte Zeit vorauszusetzen ist, nur Sallust: Vagenses. . fatigati regis suppliciis Jug. 66, 2.

verfolgen, da hat man für diese nunmehr von Gemeindewegen auferlegte Zwangsbuße das alte Wort, dessen Grundbedeutung noch zu deutlich empfunden wurde, fallen lassen und das fremde Wort poenae angenommen*); supplicium hat sich erhalten für die Fälle, in denen die alte Sitte fortbestand bis in die Zeiten des voll ausgebildeten Strafrechts.

In ältester Zeit steht der persönliche Feind, der durch irgend eine Kränkung sich außer Frieden mit dem Gekränkten gesetzt hat, auf gleicher Stufe mit dem Volksfeinde. Seinen letzten Sinn erschließt uns, meine ich, das Wort supplex erst, wenn wir darunter

Damnum war schwerlich je im Rechtsgebrauch speziell „deliktisches Lösegeld" oder „Buße" als die vom Beklagten dem Kläger zur Sühne dargebotene,,Gabe" (Mommsen Strafr. 12f.; Mitteis Zeitschr. d. Sav. Stift. R. A. XXXV 112): es wäre bei dieser Grundbedeutung kaum erklärlich, warum damnum sprachlich nirgends als etwas erscheint, das gegeben, stets als etwas, das erlitten wird: damnum dare einen Verlust zufügen, capere oder facere erleiden. Also wohl ursprünglich, und im Grunde stets, (Vermögens) Verlust, speziell auch der selbstverschuldete, also der als Verlust empfundene, d. h. das Vermögen schädigende Aufwand; daher damnosus der an Geld Geschädigte, sei es durch andere (Epid. 319), sei es durch eigene Verschwendung (Curc. 472; Pseud. 415); damnare aliquem einen am Vermögen schädigen (so ganz allgemein wohl noch Trin. 829 pauperibus te parcere solitum, dites damnare atque domare), aliqua re einen einer Sache verlustig machen, früh beschränkt auf die Rechtssprache und hier gebraucht sowohl vom obsiegenden Kläger wie vom verurteilenden Richter (wie auch vom Erblasser, der dem Erben ein Legat auflegt, also einen Teil des Erbes wieder entzieht), auf das strafrechtliche Verurteilen vermutlich erst übertragen von der Entscheidung vermögensrechtlicher Kontroversen, bei der die unterliegende Partei der lis verlustig geht, und zwar übertragen zunächst auf die Fälle, wo der Verurteilte einen Vermögensverlust erlitt. Das Substantiv hat diese Verengerung der Bedeutung nicht mitgemacht. Ein damnum kann also auch eine Strafe sein, gerade so wie mors, exilium, vincula (womit es Cicero zusammenstellt Off. III 5, 23); darum ist es aber noch kein technisch-juristischer Ausdruck für „Lösegeld“ oder „Buße“, sc wenig wie malum je juristischer terminus geworden ist, obwohl z. B. Plautus sagt famigeratori res sit cum damno et malo (Trin. 219) und mit beiden Ausdrücken öffentliche Strafen meint. In der Formel der XII t. (XII 4) fructus duplione damnum decidere und der beim furtum üblich gebliebenen pro fure damnum decidere wird damnum nicht als „Lösegeld“, das schwerlich deciditur, sondern als der zugefügte Vermögensverlust zu fassen sein, der durch Zahlung der Strafsumme „abgemacht" wird. Unannehmbar ist auch Mommsens Erklärung von damnum iniuria als ,,Leistung wegen Unrechts" (ebd. 826); iudicium damni iniuria dinn Bláẞns, damnum duplione decidere oder praestare vergleichbar διπλοῦν τὸ βλάβος ἐκτίνειν Demosth. 21, 43.

Archiv für lat. Lexikogr. XV. Heft 1.

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verstehen den besiegten Feind, der sich dem Sieger zu Füßen wirft und mit erhobenen Händen um sein Leben fleht.*) Von diesem urältesten supplicium her haben noch in viel späterer Zeit, als anstelle des einzelnen um sein Leben flehenden Kriegers das besiegte Volk getreten ist, das durch Gesandte den Frieden erfleht, die von diesen Gesandten getragenen Symbole der bittenden Unterwerfung den Namen supplicia behalten: darauf führt die Erwähnung der verbenae in Festus' supplicium-Glosse**), und der Archaist Sallust zieht auch diese antiquierte Bedeutung des Wortes wieder hervor, wenn er erzählt, daß Jugurtha legatos ad consulem cum suppliciis mittit, qui tantummodo ipsi liberisque vitam peterent, alia omnia dederent populo Romano (Jug. 64, 2), mag man nun unter den supplicia hier die Binden und Zweige des ixétηs, oder Gaben verstehen, die ein Symbol alles dessen sind, was der König bereit ist dem Sieger als Preis für sein Leben zu zahlen. Irre ich nicht, so ist aber bei Plautus noch das Gefühl dafür lebendig, daß das supplicium, die Bitte um pax, in letzter Linie auf den wirklichen Kampf zurückgeht. Nur aus dieser Vorstellung heraus ist doch wohl die aufgeblasene Rede des Pagen Pinacium im Stichus zu verstehen, der zu stolz ist, um seine frohe Botschaft aus freien Stücken der Herrin zu überbringen (290):

*) An dem etymologischen Zusammenhang von supplex mit plicare und demnach der ursprünglichen Bedeutung des sich ,,Beugenden, Unterwerfenden" würde man kaum je gezweifelt haben ohne die Festusglosse (p. 309) sub vos placo in precibus fere cum dicitur significat id quod supplico, die vielmehr den Zusammenhang mit placare an die Hand zu geben schien. Die grammatischen Bedenken, die nach anderen auch Mommsen dagegen erhebt, sind nicht völlig durchschlagend; schwerer wiegt mir, daß in placare nichts von der Selbsterniedrigung liegt, die supplex etc. stets enthält, was wohl kaum bloß auf der Präposition beruht; sodann aber möchte man doch von supplicare, dem „,Schutz suchend sich unterwerfen", ungern trennen applicare, das,,Schutz suchend sich anlehnen (arce et urbe orba sum: quo accedam, quo applicem? Enn. Andr. 88 V.)", besonders wenn man an das ius applicationis und seinen Zusammenhang mit der deditio denkt (Mommsen R. F. I 361 f.). Aber ich weiß mich mit der Festusglosse nicht befriedigend abzufinden. Übrigens würde auch die Ableitung von placare zu der von mir angenommenen Bedeutungsentwicklung gut passen.

**) Supplicia autem sunt, quae caduceato)res portent: (ea sumebantur ex) verbena felicis arboris): so ergänzt Scaliger, dem Sinne nach wohl annähernd richtig. Verbenas tragen die schutzflehenden Priester von Henna, Cic. Verr. IV 50, 110.

aequiust eram mi esse supplicem atque oratores mittere ad me donaque ex auro et quadrigas, qui vehar, nam pedibus ire non queo. ergo iam revortar. ad me adiri et supplicari egomet mihi aequom censeo; und aus der gleichen Vorstellung heraus, weil er sich und den Sohn als kriegführende Mächte denkt, sagt wohl der Vater in der Mostellaria zu dem Freund des Sohnes, der für diesen um Verzeihung bittet und reichliche Sühngaben anbietet (1162):

non potuit venire orator magis ad me impetrabilis

quam tu; neque iam illi sum iratus neque quicquam sus

censeo.

si hoc pudet, fecisse sumptum, supplici habeo satis. Ein Nachklang des alten Brauchs findet sich aber vielleicht noch viel später, im letzten Gedichte unserer Catullsammlung. „Oft habe ich danach getrachtet" so redet der Dichter seinen früheren Freund, den jetzt verfeindeten Gellius an -- ,,dir eine Gabe senden zu können, um dich zu versöhnen, damit du von deinen Versuchen abließest, mich tödlich zu treffen":

hunc video mihi nunc frustra sumptum esse laborem,

Gelli, nec nostras huc valuisse preces.

contra nos tela ista tua evitamus amictu,

at fixus nostris tu dabis supplicium.

Also der Angegriffene, der vergebens gebeten hat, den Frieden erkaufen zu dürfen, geht nun selbst zum Angriff über, und seine Geschosse treffen sicherer und tiefer; bald wird der bisher unversöhnliche Gegner schwer verwundet doch wohl nicht „gestraft werden", sondern seinerseits mit Sühnegaben um Frieden bitten müssen“*): nur bei dieser Erklärung schließen Eingang und Ausgang des kleinen Gedichts völlig befriedigend zusammen.

Daß nun aus der bisher besprochenen Bedeutung von supplici

*) Supplicium dare, der alten Sprache ganz geläufig, ist später in der Bedeutung „Strafe erdulden", soviel ich sehe, sehr selten: satis supplicii dederit auct. ad Her. IV 10, 15; als Gegensatz zu s. sumere Cic. de inv. II 28, 85; es fehlt (nach Merguet) in Ciceros Reden und philosophischen Schriften, sowie bei Caesar; Cornelius Nep. Ages. 5, 2 illa multitudine ... Persas supplicium dare potuisse meint Strafe für die einst zerstörten Heiligtümer (Schäfer, Demosth.1 III 51). Hat vielleicht die Umgangssprache in der drohenden Formel dabis supplicium den alten Sinn des Wortes bewahrt? Dann würde es sich gut erklären, warum Catull gerade an dieser einen Stelle sich erlaubt, das schließende s verklingen zu lassen.

um sich im Laufe der Zeit die der „Strafe" oder besser der,,Zwangsbuße" entwickelt hat, kann nicht wunder nehmen; es genügt, an die Bedeutungsentwickelung von noivαí zu erinnern. Ausscheidet das Moment, daß die Buße einer bestimmten Person, eben dem Verletzten, und daß sie freiwillig, um Schlimmerem zu entgehen, geleistet wird. Den Übergang können einige Terenzstellen am besten veranschaulichen. Auch bei ihm ist, wie wir fanden, die alte Bedeutung noch nicht abgestorben, und es ist hübsch zu sehen, wie sich ihm der εavròv tiμwooúuevos, der ipse se poeniens (Cic. Tusc. III 27, 65), in einen verwandelt, qui filio supplicium dat (138): interea usque illi de me supplicium dabo laborans, parcens, quaerens, illi serviens:

wobei das supplicium doch schließlich eine Bußgabe, eine Vermehrung des Vermögens ist. Hier schwebt in Gedanken der Sohn als Empfänger des supplicium noch vor; dies Moment fehlt ganz bei den Worten des Simo in der Andria (886):

sed quid ego? quor me excrucio? quor me macero?
quor meam senectutem huius sollicito amentia?

an ut pro huius peccatis ego supplicium sufferam? Andererseits fehlt das Moment der Freiwilligkeit ganz, wenn der durch seinen Sklaven getäuschte junge Herr entrüstet zu ihm sagt (And. 623):

ei mihi, quom non habeo spatium, ut de te sumam supplicium, ut volo.

namque hoc tempus praecavere mihi me, haud te ulcisci sinit. Das klingt freilich an die plautinischen Wendungen an nisi mihi supplicium stimuleum de te datur u. dergl. m.; aber bei Terenz spricht nicht der Fremde, der vom Herrn des Sklaven dessen Züchtigung als Buße empfängt, sondern der Herr selbst, der sich die Buße nimmt, d. h. den Sklaven züchtigt. In einer wenige Jahre nach Terenz' Tode, um 154, gehaltenen Rede (de Ptolemaeo minore contra L. Thermum, X 1 Jord.) hat Cato gesagt: sed si omnia dolo fecit, omnia avaritiae atque pecuniae causa fecit, eiusmodi scelera nefaria, quae neque fando neque legendo audivimus, supplicium pro factis dare oportet, muß er für seine Taten büßen". Die Fragmente der nächstfolgenden Literatur bieten nur einen Fall, Accius 657 R.:

quinam Tantalidarum internecioni modus.

paratur? aut quaenam umquam ob mortem Myrtili
poenis luendis dabitur satias supplici?

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