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dass die abfälligen Colonen ohne Zweifel Einheimische jener ursprünglich Volskischen Städte waren, die bei Ausführung der Römischen Colonen dahin diesen unter Mittheilung des minderen Bürgerrechts zugesellt waren 178). Da solche nun staatsrechtlich noch als Fremde zu behandeln waren, so ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, dass den Präfecten der Römischen Besatzung gegen sie in der lex coloniae für gewisse Fälle, namentlich den der Empörung, auch volle Criminalgewalt eingeräumt worden sei. Diese Ausnahme würde denn aber die Regel für das gewöhnliche Verhältniss der Römischen Städte und Stadtmagistrate zu ihren Bürgern mit vollem Römischen Bürgerrecht nur bestätigen.

War nun dies die Regel, dass den Römischen Städten und deren Magistraten nur das Multrecht gegen ihre Bürger zustand, so bezieht sich auch der bekannte Satz in der Lex Iulia municipalis von iudicia publica in den Municipien oder Colonien 179), der zugleich bezeugt, dass sie nur gegen deren Angehörige zulässig waren, ohne Zweifel eben auf die multae irrogationes der dortigen Aedilen. Uebrigens ist kein Grund zu bezweifeln, dass ihnen dieses Strafmittel auch in derselben Unbestimmtheit wegen der Verletzung irgend eines Municipalinteresses zugestanden habe, wie den Römischen wegen Verletzung eines Staatsinteresses. Auch wird dieses Recht der Römischen Freistädte bis tief in die Kaiserzeit fortgedauert haben. Eine Stelle des Dio, nach der Octavian schon bald nach der Schlacht bei Actium den Städten die Gewalt nahm, welche ihre Gemeine versammlungen bis dahin noch über ihre Angehörigen gehabt hatten, scheint sich nach dem Zusammenhange auf thatsächlich unterworfene, bisher aber noch halbfreie, peregrinische Städte zu beziehen 180).

II. Die Vergehen,

welche von den Tribunen oder Aedilen theils mit perduellio, theils mit Multen geahndet wurden, lassen sich durchaus nicht auf bestimmte Rubriken zurückführen. Nach dem schon entwickelten

178) Dass Circeji eine solche doppelte, jede zum Stadtregiment für die Ihrigen berechtigte Bevölkerung hatte, sagt Dionys. 8, 14. ausdrücklich. Von Veliträ (Liv. 2, 31.) versteht es sich bei dessen wiederholten Abfällen von Rom von selbst, und vgl, meine Osk. Spr. S. 265. Ausserdem ist über die staatsrechtlichen Verhältnisse dieser ältesten Colonien, welche nach Sic. Flacc. p. 135, 21. ad ipsos priores municipiorum populos coercendos ausgesandt waren, Madvig opusc. acad. p. 225 seq. nachzusehen.

179) v.: 118. queive in eo municipio, colonia, praefectura, foro, conciliabulo, quoius erat, iudicio publico condemnatus est, erit. Zu dem cuius erit, dessen Missverständniss auch Mommsen später aufgegeben hat, vgl. v. 145.

180) Dio 51, 2. Vgl. L. 7. §. 2. D. de captiv. (49, 15). Ausnahmen, wie für den Areopag in Athen (Tacit. A. 2, 55.), würden nur die Regel bestätigen.

Begriff der perduellio, von dem man hier allerdings ausgehen muss, gehörten dahin Staatsverbrechen jeder Art 181) von dem offenbaren Umsturz der Verfassung bis zu jedem Unrecht herab, welches dem Volk unmittelbar oder mittelbar in irgend einem öffentlichen Verhältnisse geschah und ein so grosses Aergerniss erregte, dass dafür eine öffentliche Sühne nothwendig schien oder auch nur im Interesse der Tribunen oder Aedilen lag. Aeltere Fälle bis zu den zwölf Tafeln sind schon erwähnt worden.. Aus späterer Zeit führen wir nur beispielsweise an: s. g. Streben nach dem Königthum 182), Behalten des Amts über die Amtszeit hinaus 183), Amtsvergehen jeder Art, als Fahrlässigkeit (oft nur Unglück) der Feldherrn in der Kriegführung 184), Kriegführung ohne Geheiss des Senats 15), Unregelmässigkeiten bei der Vertheilung der Beute, Peculat, unzeitige Entlassung oder Verwendung der Soldaten zu Privatzwecken, Anmassung eines nicht bewilligten Triumphs 186), Versäumniss der Amtsobliegenheiten 187), Führung des Amts gegen den Willen des Volks oder eigentlich der Tribunen 185), Missachtung der tribunicischen Gewalt 189), Missbrauch der Amtsgewalt oder Gesandtenwürde gegen Römische Bürger oder fremde Völker oder Provincialen 190), Missbrauch der tribunicischen Intercession 191) oder

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181) Dionys. 7, 56. charakterisiert sie bei den Verhandlungen über die Zulassung der Tribunen zu dieser Gerichtsbarkeit so: outo xai tov δικαστηρίων μεταδίδοτε, καὶ μάλιστα ὑπὲρ ὧν ἄν τις αἰτίαν ἔχῃ τὴν πόλιν ἀδικεῖν, στάσιν εἰσάγων, ἢ τυραννίδα σκευαζόμενος, ἢ περὶ προδοσίας τοῖς πολεμίοις διαλεγόμενος, ἢ τοιοῦτόν τι κακὸν ἐπιχειρῶν AQάTTEIV. Zusammenstellungen der Volksprocesse dieser Art bis zum Untergange der Republik haben versucht Sigon. de iudic. 3, 2. Platner quaest. hist. de iure crim. p. 12... 19. und mit beabsichtigter Vollständigkeit Rein Crim.-Recht S. 481...498. Zumpt cit. I. 2. S. 305...323. 338...356., letzterer mit Unterscheidung der Processe in Tribut- und Centuriatcomitien; für die multae irrogationes Lange Röm. Alt. II. S. 495...510. Doch sind diese Verzeichnisse theils nicht vollständig, theils nicht kritisch, indem auch ganz anderartige Rogationen, wie wegen Entziehung des Imperium, oder auf besonderen Gesetzen beruhende Volksprocesse eingemischt werden, oder indem für Capitalprocess ausgegeben wird, was Multprocess war.

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182) Liv. 6, 19. 20.

183) Cic. de offic. 3, 31, 112. Valer. Max. 5, 4, 3.

184) Liv. 4, 41. 44. 5, 11. 26, 2. Valer. Max. 6, 5, 2. Ascon. in Cornel. p. 80. Schol. Bobiens, in orat. in Cur. et Clod. p. 337. Orell. Dio fragm. 36. Dass man aus diesem Grunde nicht über eine Mult hinausgegangen sei, bemerkt Liv, 8, 33.

185) Ascon. in Cornel. p. 80. Orell.

186) Liv. 5, 32. 27, 34. 30, 39. 37, 57. 38, 50. 51. 4, 1. §. 45. Aurel. Vict. de vir. ill. 50. Valer. Max. 4, 3. Dio fragm, 28, 2. Plutarch, Camill. 12. Zonar. 7, 22. Tom. IV. p. 2335 R.

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Liv. ep. 11.

187) Valer. Max. 8, 1. damn. 5. 6.

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188) Liv. 6, 38. 7, 3. Cic. de offic. 3, 31. Plut. Camill. 39.
189) Liv. 43, 16.

190) Liv. 43, 7. 8. Cic. pro Mil. 14. Liv. 6, 1. (Plutarch. Num. 12. Camill. 17. 18.) Cic. Brut. 23. Valer. Max. 9, 6. Liv. ep. 47. 191) Liv. 5, 29. Appian, de b. c. 1, 33.

HUSCHKE, multa u. sacramentum.

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der Censur 192), Beleidigungen des Volks durch übermüthige Aeusserungen 193), schändliche Behandlung anvertrauter Gefangener oder fremder Gesandten 194), Vergehen gegen die Religion oder die Priester 195), thätliche Beleidigung von Magistraten 196), Aufruhr 197), Zauberei 198), Stuprum und andere Fleischesverbrechen 199), Wucher 200), Dardanariat 201), Betrug der Publicanen gegen den Staat 202), Umgehung des Weidegeldes 203). Auch reichte ein Conat z. B. des Stuprum hin 204).

Die Unterstellung so verschiedenartiger, in Wahrheit unendlich verschiedenartiger Vergehen unter Eine und dieselbe Kategorie des Verbrechens und der strafrechtlichen Behandlung pflegt der modernen Auffassung, die den Stolz unseres heutigen Criminalrechts besonders auch in der sorgfältigen Unterscheidung der verschiedenen verbrecherischen Handlungen findet, als eine grosse Rohheit zu erscheinen, die auch innerhalb des Römischen Rechts mit der gleichzeitigen feinen Gliederung des Römischen Privatrechts, namentlich des so verwandten Contractssystems einen auffallenden Contrast bilde. Sie wäre es auch entschieden, wenn die Art der Auffassung Recht hätte, welche den Verbrecher dem strafenden Staate gegenüber sich gleichsam als einen Contrahenten denkt, der billiger Weise zum Voraus wissen müsse, was für eine Strafe er von der andern Seite her für die Handlung, die er seinerseits zu begehen im Begriff steht, zu gewärtigen habe. Ja sie würde dann dem Römischen Recht zum um so grösseren Vorwurfe gereichen, als dieser Gegensatz offenbar ein bewusster ist, selbst in einer Zeit, wo die Römer eine grosse Menge verschiedener Verbrechen auch mit besonderen Namen bezeichneten. Denn selbst noch bei den grossen Juristen und selbst für die Privatdelicte, die man doch von älterer Zeit her z. B. in furtum, bona rapta, damnum iniuria datum, iniuriae unterschied, begegnen wir nach An

192) Darauf scheint Gell. 3, 4. zu gehen.

193) Gell. 10, 6.

194) Diodor. 24, 19. 36, p. 172. Arg.

195) Schol. Bobiens. 1. c. Ascon. in Scaur. p. 21. Orell.

196) Gell. 4, 14.

197) Liv. 25, 4.

198) Plin. N. H. 18, 6 (8).

199) Liv. 8, 22. 28. 10, 31. 25, 2. Cic. pro Rabir. perduell. 3. Valer. Max. 6, 1, 7. 8, 11. Plutarch. Marc. 2. Quaest. Rom. p. 77. Reisk. Dionys. fragm. Tom. IV. p. 2336 seq. Suid. v. Taïos Aαitoplos.

200) Liv. 7, 28. 10, 23. 35, 41. Plin. N. H. 33, 1. 6.

201) Liv. 38, 35.

202) Liv. 25, 3.

203) Liv. 10, 23. 47. 33, 42. 35, 10. Ovid. Fast. 5, 283... 288. Unächt ist das angebliche Bruchstück aus den acta diurna z. B. bei Reines. Syut. inscript. el. IV. n. 3., wo auch eine ädilitische Mult gegen Fleischer vorkommt.

204) Valer. Max. 6, 1, 8. Nach allgemeiner Römischer Anschauung. Serv. ad Virgil. Aen. 6, 624.

gabe dieser Beispiele dem Satze 205): quarum omnium rerum uno genere consistit obligatio, cum ex contractu obligationes in IIII genera deducantur. In der That ist aber der Tadel unbegründet und die Auffassung, worauf er beruht, eine unrichtige. Nur die rechtmässigen Handlungen ergreifen die lebendigen Interessen, in denen allein wahrhafte Unterschiede liegen, auf lebendige Weise und gestalten sie daher auch durch sich selbst in ihren Rechtsfolgen wahrhaft unterschiedlich. Das Vergehen ist als solches blosse ethische Negation, es hat in sich selbst keine rechtlichen Unterschiede, da non entis sunt nulla praedicata, und ist insofern auch der Stoische Grundsatz omnia peccata aequalia esse durchaus richtig. Die Unterschiede können hier nur von aussen her bei der allein auch in sich wieder rechtlichen Reaction gegen das Verbrechen, d. h. in dem Strafverfahren und der Strafe hervortreten, die sich vor Allem nach dem verletzten und reagierenden Subject · und ausserdem in Art und Umfang der objectiven Reaction nach dem Princip poena noxiae par esto richtet. So unterschied denn auch das Römische Criminalrecht vor Allem crimina, d. h. nicht eigentlich Verbrechen sondern Anklagen oder Gerichte, in publica und privata, und bei den ersteren, wie wir gesehen haben, je nachdem das im Staat verletzte und reagierende Subject näher die die irdischen Ordnungen schützenden Götter unmittelbar, der verfasste Populus als solcher oder dessen Einzelbestandtheile sind, deo sacrum esse, perduellio und paricidium, wie die privatlichen ähnlich, je nachdem das in der familia verletzte Subject näher die Person unmittelbar, das Dispositionsrecht oder die Einzelbestandtheile waren, in Injurien, furtum und rupitia 206), und es liegt in

205) Gai. 3, 182. Aehnlich in seinen res quotidianae L. 4. D. de obl. et act. (44, 7). Und dieselbe Auffassung findet sich bei Ulpian L. 25. §. 1. D. eod. und bei Modestin L. 52. pr. §. 8. D. eod.

206) Das wirkliche Entsprechen dieser drei crimina privata mit den publica erfordert und verdient eine besondere Ausführung. Vorläufig wird das Entsprechen des crimen iniuriarum mit dem sacrum esse, das auch Verletzung des eigentlichen geistigen Selbst in der gottesabbildlichen Staats- und Familiengenossenschaft voraussetzt (Anm. 104) und dagegen mit unmittelbarer talio beziehungsweise poena (= consecratio bonorum) reagiert, sowie des damnum iuiuria datum, selbst noch nach der Lex Aquilia, mit dem parricidium einschliesslich des unvorsätzlichen Todtschlags, wohl schon von selbst einigermassen einleuchten, und so werde nur wegen des furtum bemerkt, dass dieses offenbar auf privatrechtlichem Gebiet ebenso in der eigenmächtigen gleichsam verfassungswidrigen und daher meist im Dunkel (furvo, woher furtum) geschehenen Anmassung des legitimen Dispositionsrechts des paterfamilias über die ihm unterworfenen Personen und Sachen und also dem Gegentheil von Verkaufen, Vertauschen, Vermiethen u. s. w. besteht, wie die perduellio in der Anmassung dessen, was der legitimen Staatsgewalt in irgend einem öffentlichen Interesse zusteht, und dass auch die Strafreaction bei den schwereren, die Person des paterfamilias unmittelbar in Gefahr setzenden Arten des furtum (si telo se defendit, si nox furtum facit, f. manifestum) capital ist, bei den leichteren (f. nec manifestum) nur auf damnum decidere oportere geht, wie die multae irrogatio.

der Natur der zweiten Art der crimina publica, dass sie in unendlich verschiedenen verbrecherischen Handlungen begangen werden kann, wonach man sie auch crimina publica im engern Sinne nennen könnte. Zugleich können sie auch in unendlicher Abstufung theils schwererer theils leichterer Art sein, was bei der Art und dem Umfang der objectiven Reaction hervortreten muss. Gerade nach dieser Seite entsprach aber auch das Recht dieser Art von crimina publica allen Anforderungen der Gerechtigkeit, indem perduellionis iudicatio selbst und der multae irrogatio auch eine unendliche Abstufung der Strafe zuliess und war so auch auf dem Gebiete des Criminalrechts finis iuris aequi, wie Tacitus das ganze 12-Tafelrecht nennt. Allerdings war es auch vielfachem Missbrauch ausgesetzt, nach welcher Seite hin später eine schon durch die gesetzlichen festen Multen angebahnte, übrigens aber nicht hierher gehörige Weiterentwickelung aus dem Gesichtspunkt der utilitas publica erfolgte. Dieser Missbrauch gereicht aber nicht ihm selbst zum Vorwurf.

III. Der Gegenstand.

Dieser war für die perduellio selbst die Capitalstrafe, von deren Art später selbständig die Rede sein soll, für die multac irrogatio nur eine Geldstrafe. Ob aber die eine oder die andere verhängt werden sollte, hing natürlich an sich von der verschiedenen Schwere des Verbrechens nach dem Befinden der Tribunen oder Aedilen, jedoch als Organe der öffentlichen Meinung und daher materiell zugleich des Senats und des Volks 207), nebenher zugleich, wie schon früher bemerkt worden, von anderen Umständen, die auch bei schweren Fällen zur Begnügung mit einer Geldsühne riethen, ab. Die Höhe der beantragten Mult konnte eine sehr verschiedene sein. Die geringste Mult, welche in den uns aufbewahrten Beispielen von Multprocessen vorkommt, ist die zugleich älteste von 2000 Assen 208), die grösste eine Million Asse 209). Zwischen beiden Summen liegen folgende in der Mitte: 10,000210), 15,000 211), 25,000212), 100,000 213), 120,000 214), 200,000 215),

207) So gehen die Tribunen, nachdem die Schwere des Vergehens mehr zum Bewusstsein gekommen, auf Auctorität des Senats in dem Falle bei Liv. 25, 4., auf Verlangen des Volks in dem Falle bei Liv. 26, 3. von einer Mult zur Capitalanklage über. In der Regel wird aber das Volk seinen vom Antrage abweichenden Willen, wie in dem eben gedachten Falle, nur am Gerichtstage, wo allein es eigentlich als Richter fungierte, ausgesprochen haben. So wenigstens in dem Falle bei Livius. 208) Liv. 2, 52. Dionys. 9, 27. im J. 277. 209) Liv. 43, 7. 8. im J. 584.

Liv. 4, 41. (vom

Liv. 4, 44. im J. 332.

210) Liv. 3, 31. Dionys. 10, 48. 49. im J. 300. J. 331). - 5, 11. 12. (vom J. 353) 29 (vom J. 361). 211) Liv. 3, 31, Dionys. 10, 49. im J. 300. Zonar. 7, 22. Liv. 5, 32. Valer. Max. 5, 3, 2. im J. 363. 212) Gell. 10, 6. gegen die Claudia 508.

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