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Sechstes Capitel.

Von dem sacramentum und dem in sacrum iudicare.

Wenn wir erst, nachdem das Recht der multa in allen seinen Ausbildungen dargestellt worden ist, dessen Seitenstück, das sacramentum folgen lassen, so rechtfertigt sich diese Anordnung nicht blos dadurch, dass nach unserer Ueberzeugung das erstere Institut in der That das ältere und gleichsam grundlegliche ist, sondern auch durch den Zustand unserer Quellen, welche für die sacramenta und das in sacrum iudicare so spärlich fliessen und so vereinzelte Notizen ergeben, dass nur durch Hülfe einer auf das Recht der multae stets zurückblickenden Combination gehofft werden darf, ein einigermassen befriedigendes Resultat der Untersuchung zu gewinnen. Von der Literatur dürfen wir hierbei kaum mehr unterstützt zu werden hoffen, als bei dem Multrecht. Die einzige besondere Abhandlung, welche diesem Gegenstande gewidmet worden ist, von Schreiter1), ist zwar eine fleissige Arbeit, fällt aber vor den neuen Aufschwung, welchen die Rechtsgeschichte in unseren Tagen genommen hat. Seitdem ist zwar über das sacramentum zur Erklärung der legis actio sacramento ausserordentlich viel und zum Theil sehr Scharfsinniges geschrieben worden 2), und verdienen darunter besonders die Arbeiten von

1) Jo. Frid. Schreiter Diss. I. II. Sacramentorum in veteris Romae judiciis solemnium Antiquitates. Lips. 1740, 4.

2) Die hieher gehörige ältere Literatur wird grossentheils angeführt von Haubold Instit. jur. Rom. hist. dogm. ed. Otto. p. 455. 456. Eine Uebersicht über die neuere gibt, mit Classificierung der verschiedenen Ansichten Danz in der Zeitschr. f. Rechtsgesch VI. S. 339...345. Die bedeutendsten Abhandlungen oder gelegentlich geäusserten Ansichten sind von Gust. Asverus über die legis actio sacramenti 1837 (von mir recensiert in Richters und Schneiders krit. Jahrb. f. D. RW. III. S. 665....686). Puchta Instit. II. § 161. Ihering Geist des R. R. I. § 18. S. 265 (2. Aufl. S. 298). R. Stintzing über das Verhältniss der legis actio sacramenti zu dem Verf. durch sponsio praejud. 1853 besonders § 2. Becker Consumtion 1853. S. 59. Danz, der sacrale Schutz 1857 besonHUSCHKE, multa u. sacramentum.

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Danz hervorgehoben zu werden, weil durch sie eine Menge von ganz unbefriedigenden Ansichten über die Natur des sacramentum gründlich widerlegt und die allein haltbare, welche es auf einen Eid mit Selbstheiligung im Falle seiner Unwahrheit zurückführt, überzeugend begründet worden ist. Aber theils bedarf auch diese noch der Berichtigung in vielen Einzelnen, theils tritt in allen diesen Behandlungen des Gegenstandes die allgemeine Bedeutung des sacramentum im Römischen Straf- und Processrecht namentlich in Verbindung mit dem in sacrum iudicare und gegenüber der multa in ihren verschiedenen Begründungsarten zu sehr zurück, worauf es uns doch vornehmlich ankommen muss.

Um für unsere ganze Untersuchung eine feste Grundlage zu gewinnen, müssen folgende Hauptsätze, von denen sie ausgehen wird, bewiesen werden: 1) das sacramentum und das in sacrum iudicare gehören einem und demselben Institut an, und 2) dieses Institut ist dem der multa gleichsam geschwisterlich verwandt, so dass beide als Arten pecuniärer Bestrafung eines ungerechtfertigten Gebahrens sich ähnlich zu einander verhalten wie auf anderen Gebieten z. B. die actiones und interdicta, die Legate und die Fideicommisse u. s. w. Beide Sätze lassen sich nur in Verbindung mit einander so weit beweisen, als es bei Gegenständen dieser Art überhaupt gefordert werden kann.

Das in sacrum iudicare kommt nur zweimal, und zwar in folgenden Sanctionen von Gesetzen vor, die wir hier mit den schon früher vorgeschlagenen Verbesserungen oder Ergänzungen wiederholen. Nach der lex Silia de ponderibus publicis (Fest. v. Pond. publica p. 246) soll, wenn ein Magistrat dem Gesetze zuwider falsche Gewichte oder Gemässe machen lassen würde,

eum quis volet magistratus multare q(uantam) (olet) p(ecuniam), dum minore parti familias taxat, liceto; sive quis in sacrum iudicare voluerit, liceto.

Und in der lex de inferiis (oben S. 256. 259) heisst es (mit weiterer Ergänzung):

si quis quid adversus hanc rogationem egerit, fecerit sciens d(olo) m(alo), multa esto HS. IXI eiusq(ue) pecuni(ac) minus dimidium familias qui volet magistratus petitio esto, eamque pecuniam vel populi iudicio petere vel in sacrum iudicare liceto.

In beiden Stellen erscheint die in sacrum iudicatio in Verbindung mit einer multa, aber in ganz verschiedener Weise: in der ersten ders S. 151, 172, 240. u. im Jahrb. des gem. Rechts V. S. 88 und in der Zeitschr. f. R. Gesch. VI. S. 339. A. Schmidt de orig. leg. act. 1857. p. 40. v. Keller Röm. Civilpr. §. 13. S. 48 (der 2. Ausg.). Muther Sequestration S. 132. Rudorff gromat. Inst. S. 79. Rechtsgesch. II. §. 21. S. 77. vgl. auch S. 332. v. Bethmann-Hollweg Civilproc. des gem. Rechts I. §. 37. S. 120. Rein Art. multa in Pauly's Realencyclop. S. 193. 197. Mommsen Stadtrechte S. 443. Die neueste Schrift von Bekker die Aktionen des Röm. Privatrechts Bd. 1. (1871) spricht bei den Legisaktionen auch vom sacramentum in Cap. III.

nehmlich als ein der multae inrogatio materiell äquivalentes Strafverfahren, wodurch also Jemand von einem Magistrat eben so wie durch die multae inrogatio überhaupt erst einer Strafe unterworfen wurde; in der zweiten in Beziehung auf eine schon gesetzlich geschuldete feste Mult (die also, wie es scheint, auch ein anderer Volksanspruch sein könnte) als eine dem populi iudicio petere was, wie oben (Cap. III. S. 269 flg.) gezeigt, an sich durch legis actio sacramento geschah gleichstehende blosse Art des Verfahrens. Da dieses nun auch nur eine legis actio sein konnte und es ausser dem agere sacramento keine andere allgemeine legis actio, die als solche namentlich für den Fall eines Strafanspruchs gepasst hätte, gab, so muss auch dieses agere sacramento mit dem in sacrum iudicare bezeichnet sein. Auch kann dieses sprachlich nicht auffallen, da wir wissen, dass das agere sacramento schliesslich in das iniustum oder iustum sacramentum iudicare ausging.

Dasselbe Verhältniss wie zwischen der multae inrogatio und dem in sacrum iudicare nach der Lex Silia geht aber auch für die multa dicta im Verhältniss zu sacramentum hervor theils aus der Bezeichnung des Gegenstandes der Lex Aternia Tarpeia: de multae (oder multa et) sacramento bei Cic. de rep. 2, 35., theils aus dem früher gelieferten Nachweise, dass eben so in Interdicten durch multae dictio, wie in der allgemeinen strengen legis actio durch sacramentum verfahren wurde. Hierzu kommt aber noch auch als Argument für unsere beiden obigen Sätze, dass, während wir von der multa wissen, dass sie (auch die inrogata wenigstens unmittelbar) in das aerarium populi fiel, das sacramentum doch ursprünglich ohne Zweifel von seiner unmittelbaren Beziehung zum Heiligen so hiess, wenn es auch später in das gewöhnliche Aerar gezogen wurde3), der Ausdruck in sacrum iudicare aber, welcher einerseits mit in sacrum dedicare 1), andererseits mit in publicum redigere, referre, committi, publico cedere und ähnlichen Redensarten) zu vergleichen ist, auch nichts Anderes bedeuten kann, als

3) Varr. de L. L. 5, 36, 180. Ea pecunia, quae in iudicium venit in litibus, sacramentum a sacro. Quí petebat et qui inficiabatur, de aliis rebus utrique quingenos aeris ad pontem deponebant, de aliis rebus item certo(m) alio(m) legitimo(m) numero m) assum. qui iudicio vicerat, suum sacramentum e sacro auferebat, victi ad aerarium redibat. Fest. p. 344 b. Sacramentum aes significat, quod poenae nomine penditur, sive eo quis interrogatur, sive contenditur. id in aliis rebus quinquaginta assium est, in alis rebus quingentorum inter eos, qui iudicio inter se contenderent, qua de re lege L. Papiri Tr. pl. sanctum est his verbis sacramenti autem nomine id aes dici coeptum est, quod et propter aerari inopiam et sacrorum publicorum multitudinem consumebatur id in rebus divinis. Gai. 4, 16 sagt davon: cedebat in publicum.

4) L. 3. D. de litig. (44, 6) Gaius lib. 6. ad legem 12 tab. Rem, de qua controversia est, prohibemur in sacrum dedicare: alioquin dupli poenam patimur.

5) Liv. 4, 15. Nep. Timoth. 1. Plin. ep. 9, 13. Cic. Verr. 3, 44. Man

durch Richterspruch (eine Person oder Sache) ins Heilige bringen, das heisst nicht, es geradezu heilig machen dieses kann nicht durch Richterspruch, sondern nur durch sacratio oder consecratio geschehen sondern herbeiführen, dass etwas heilig gemacht werde; denn auch das der Privatpartei im Process verbotene in sacrum dedicare heisst nicht, es durch Dedication zum sacrum machen, was ein Privatus nicht kann, sondern es durch veranlasste Dedication indem eine Partei nach erlangter Staatsgenehmigung auf eine solche an die Gottheit antrug dazu bringen, dass es (von der Obrigkeit beziehungsweise einem Priester) consecriert werde"), gleichwie das ganz entsprechende in censum dedicare etwas (durch Angabe beim Censor) dazu bringen oder bestimmen, dass es vom Censor censiert werde. Es wird sich aber später zeigen, dass das unmittelbare Heiligen, worauf sich aber das in sacrum iudicare bezog, nur durch sacramentum möglich war. So kann also der Unterschied zwischen sacramentum und in sacrum iudicare im Wesentlichen und im Allgemeinen nur der sein, dass sacramentum die Strafverpflichtung oder das Strafgeld ist, wozu man durch in sacrum iudicatio verurtheilt wird.

Unter den Beweisthümern für die Zusammengehörigkeit des sacramentum mit der multa dicta wurde eben auch die Stelle des Cic. de rep. 2, 35. de multae sacramento Sp. Tarpeius et A. Aternius consules comitiis centuriatis tulerunt angeführt. Es wird schon hier der Ort sein, vorweg zu bemerken, dass die Madvig'sche jetzt auch wohl von den Meisten gebilligte Correctur de multa et sacramento, in der e nur als Sigle von et gelesen wird, durchaus nothwendig ist. Denn jedenfalls ist doch die Mult nicht eine Art von sacramentum und wird auch nicht durch ein solches begründet. Wollte man aber die Verbindung im Genitiv davon verstehen, dass ein bei der multa d. h. deren Einklagung in Anwendung kommendes sacramentum gedacht werden sollte, so würde so der Gegenstand der Lex auf ganz unzulässige Weise bezeichnet werden, der doch jedenfalls die magistratuale multa dicta selbst, die ohnehin nie sacramento eingeklagt wurde, nach mehrfachen anderen rechtlichen Beziehungen war. Mit jener Zusammenstellung de multa et sacramento tritt aber die innerliche gleichsam geschwisterliche Zusammengehörigkeit beider Institute erst recht hervor.

Andererseits müssen wir, wenn der multa das sacramentum und die in sacrum iudicatio zusammen gegenübergestellt wurden,

kann dabei mitunter wohl aerario verstehen, aber eigentlich ist es das Oeffentliche, das den Staat Angehende an sich. Ebenso ist es mit sacrum, wozu man noch vergleichen kann Cic. de legg. 2, 9. Sacrum sacrove commendatum qui clepserit etc. und in der oben (Anm. 3) angeführten Stelle des Varro suum sacramentum e sacro auferebat.

6) Dieses bezeichnet auch der abgekürzte Ausdruck des Valens von einem Erben L. 15. D. ut in poss. leg. (36, 4)... aut quid publice consecraverit permissu scilicet imperatoris.

auch gleich hier unsere Bemerkung noch mehr betonen, dass aus den angeführten beiden Gesetzesfragmenten eine Zusammengehörigkeit der in sacrum iudicatio nur mit der multae irrogatio und der von dieser abgeleiteten legitimae multae populi iudicio petitio sich ergibt, sowie andererseits der Ausdruck sacramentum nur in Correspondenz mit der multae dictio vorkommt. Dass dieses nehmlich nicht zufällig sei, zeigen noch deutlicher folgende Stellen: Fest. p. 344 b. v. Sacramentum aes, quod poenae nomine penditur, sive eo quis interrogatur sive contenditur u. s. w. (Anm. 3) Fest. ep. p. 345 v. Sacramentum dicitur, quod iurisiurandi sacratione interposita geritur.

wonach O. Müller wieder die hierzu gehörige Stelle des Festus selbst p. 344 a, grösstentheils Scaliger folgend, so ergänzt hat: Sacramento dicitur, quod iurisiurandi sacrat-ione interposita actum est. unde quis sacramen-to dicitur interrogari, quia iusiurandum interponitur. Cato in Q. Thermum de X hominibus: 'Atque etiam ad-erant, ne mala fide appareret scelera nefaria fie-ri, poscentes, ut sacrame-nto traderentur, lege (a)est-imarentur.'

Im Ganzen ist diese Restitution nicht ungeschickt und dem Zusammenhang gemäss. Doch leuchtet ein, dass traderentur aus interrogarentur corrumpiert sein muss was, wenn man inter durch die bekannte, dem t sehr ähnliche Sigle geschrieben und so mit einem t verwechselt sich denkt, sehr leicht möglich war nicht blos weil sacramento tradi ein überhaupt nicht antik gedachter figürlicher Ausdruck wäre, in welchem obendrein sacramento im Dativ stehen würde, während das damit zu erklärende gleichsam adverbiale sacramento Ablativ ist, sondern auch weil sonst die Stelle des Cato nicht zum Beleg für das voraufgegangene unde quis sacramento dicitur interrogari angeführt werden konnte. Alsdann muss man aber auch, um ein richtiges Subject für interrogarentur zu erhalten, die Ergänzung etwa so verändern: Ipsi etiam postulav-erant, ne mala tot facinora a se et scelera nefaria fie-ri viderentur, ut sacrame-nto interrogarentur, lege aesti-marentur). Nimmt man nun diese Stellen mit den oben angeführten zusammen, so erhellt, dass zu unterscheiden ist I. das in sacrum iudicare; II. das Verfahren sacramento, welches wieder zerfällt in 1) das sacramento interrogari und 2) das sacramento contendere 8):

7) Ich nehme also als an sich wahrscheinlicher an, dass Cato in der Anklage gegen Thermus zur Vertheidigung der zehn, die jener auf falsche Beschuldigung hin irgendwie obrigkeitlich misshandelt haben mochte, jene Forderung eines förmlichen Verfahrens gegen sie ihnen selbst in den Mund gelegt hatte, und dass, da es fieri, nicht facta esse heisst, von gewissen fortgesetzten gleichsam gewohnheitlichen Vergehen derselben z. B. als Publicanen gegen die Zollpflichtigen, die Rede war. Doch kommt darauf für unsere Untersuchung nicht viel an.

8) Wenn Neuere wie Bethmann-Hollweg Civilpr. I. S. 123 des ganzen sacramento interrogari sich mit der Bemerkung zu entledigen suchen,

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