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Beilage IV.

Ergebnisse der Lex coloniae Iuliae Genetivae urbanorum sive Ursonis vom J. d. St. 710.

Diese Beilage ist ebenso wie die in der Ueberschrift gedachte Lex selbst, die erst bei weit fortgeschrittenem Druck meiner Schrift in Deutschland bekannt gemacht wurde1), in dieser nirgends erwähnt. Und doch wird jeder, der von jener Lex auch nur eine oberflächliche Notiz genommen hat, fragen, wie sich diese neu entdeckte Rechtsquelle zu dem Gegenstande der vorstehenden Untersuchung verhalte. Auf diese Frage soll noch nachträglich in diesem unangemeldeten Excurse Antwort gegeben werden.

Vom sacramentum und dem in sacrum iudicare ist in dieser von Cäsar für die von ihm ausgeführte Colonie gegebenen Lex überhaupt nicht, von den multae mit diesem Worte nur ein einziges Mal (cap. 96. I. 3, 2-12) und da in Gleichstellung mit poenae, gesetzlichen Strafen mit bestimmtem Geldbetrage, die Rede, und selbstverständlich beziehen sich beide nur auf städtische Multen und Geldstrafen nach diesem Gesetz (oben Cap. III. S. 276). Jene Stelle lautet:

Si quis decurio eius colon(iae) ab II vir(o) praef(ecto)ve postulabit, uti ad decuriones referatur, de pecunia publica deque multis poenisque deque locis agris aedificis publicis quo [p]acto qu[a]eri iudicarive oporteat: tum II vi[r] qui[v]e iure dicundo praerit d(e) e(a) r(e) primo quoque die decuriones consulito decurionumque consultum facito fiat, cum non minus m(aior) p(ars) decurionum atsit, cum ea re[s] consuletur. Uti maior) (pars) decurionum, qui tum aderint, censuer(int), ita ius ratum

que esto.

In den erhaltenen Capiteln des Gesetzes kommen elfmal (1, 16. 25. 3, 21. 5, 17. 6, 25. 44. 7, 27. 36. 49. 8, 11. 31) Verfügun

1) Von Th. Mommsen mit dessen Commentar in der Ephemeris epigraph. II. p. 105-148.

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gen von Geldstrafen vor dem Betrage nach die kleinste von 1000, die grösste von 100,000 Sestertien sämmtlich (zur Bestätigung des oben S. 185. Anm. 106 Gesagten) als poenae mit der Form colonis coloniae Iuliae Genetivae... dare damnas esto 2), niemals als multae angeordnet. Ist nun in obiger Stelle von der geforderten Relation an die Decurionen im Falle einer ihnen obliegenden processualen Wahrnehmung (quo pacto quaeri iudicarive oporteat) unter den übrigen Gegenständen der städtischen Finanzverwaltung ausstehenden städtischen Capitalien und Grundstücken aller Art auch von Geldstrafen und hier von multae neben poenae die Rede, so können jene nur von multae dictae der städtischen Beamten verstanden werden, über welche die Decurionen auf Relation des Vorsitzenden zu erkennen hatten (iustas vel iniustas iudicare. Lex Flav. Malac. 66. oben S. 40), was denn auch die Unterscheidung von quaeri und iudicari bestätigt, denn bei den übrigen Gegenständen jener Finanzverwaltung handelte es sich nur um den Beschluss über einen vor anderen Richtern zn führenden Process (tit. D. quod cuiusque univ. 3, 4. besonders L. 6), von dem und dessen Kläger quaerere namentlich in Anwendung auf einzuziehende poenae in unserem Gesetz auch 2, 6. 36 gebraucht wird. Hinsichtlich der multae bestätigt also das letztere, dass das aus der Lex Malacitana bekannte Verfahren aus dem Römischen Recht und wenigstens schon aus den Anfängen der Kaiserzeit stammte (S. 112 flg.) und wir sehen daraus nur, dass der Multierte, um die Relation an die Decurionen zu erzwingen, sich auch an jeden Decurio wenden konnte.

Belangreicher ist, was wir aus dem neu aufgefundenen Gesetz über die processuale Behandlung der von ihm verfügten öffentlichen Geldstrafen erfahren. Unser Nachweis aus den früher bekannten Quellen, dass gegen Ende der Republik die rasche Rechtshülfe durch Recuperatorengerichte immer mehr auf diese Art von Strafen durch die Gesetzgebung ausgedehnt, dabei durch Anheimgabe derselben an die Gemeinwesen selbst zum eigenen Schutz ihrer Interessen gegen Uebertretungen und durch besondere Festsetzungen über das Verfahren noch wirksamer gemacht und seit Anfang der Kaiserzeit fast die einzige wurde, so wie die eigenthümliche mehr dem öffentlich- als dem privatrechtlichen Processe angehörige Stellung dieser Gerichte erhält dadurch eine erwünschte Bestätigung für die Römischen Colonien.

Merkwürdiger Weise finden sich für die Vorschrift über die processuale Beitreibung der Geldstrafen nach den vorhin mitgetheilten Worten der Strafverfügung selbst zwei verschiedene Fassungen. In den erhaltenen früheren Theilen der Lex 1, 18. 26. 3, 21. 5, 18 also bis c. 104 und auf Tab. I. II. heisst es:

2) Man vergleiche hierzu hinsichtlich des colonis coloniae u. s. w. oben S. 260.

eiusque pecuniae qui volet petitio persecutioque esto (nur einmal 3, 21 eiusque pecuniae colonorum eius coloniae qui volet petitio esto).

Später dagegen 6, 27. 45. 7, 29. 37. 50. 8, 12. 31. also von c. 125 an und auf Tab. III. constant mit nur unwesentlichen Abweichungen:

eiusque pecuniae qui eorum (welches eorum 7, 46 wohl nur zufällig fehlt) volet reciperatorio iudicio aput II virum praefectumve3) actio petitio persecutioque ex hac (oder blos hac) lege ius potestasque esto.

Es ist mir unverständlich, wenn Mommsen (p. 121. 140) diese letztere Fassung und namentlich die von ihm als unächt bezeichneten Worte ius potestasque) auf eine Interpolation' zurückführt. Wer, in welcher Absicht, bei welcher Veranlassung sollte eine solche öffentliche Gesetzesurkunde und nur auf Tab. III. haben interpolieren wollen und können? Wir haben offenbar ursprünglich verschiedene Fassungen, eine kürzere und eine sorgfältigere der übrigens sachlich (wie auch Mommsen zugibt) nicht verschieden gemeinten Vorschrift vor uns, die sich dadurch am natürlichsten erklären, dass der Dictator bei der gewohnten Rapidität, mit der er seine Staatsactionen durchführte (vgl. mein Röm. Jahr S. 115), sich auch des Mittels der Arbeitstheilung bediente und so auch dieses sehr umfängliche Stadtrecht durch Commissarien herstellen liess, welche die eilfertig und darum auch ziemlich plan- und systemlos entworfenen Capitelmaterien unter sich zur Ausarbeitung vertheilten, ohne bei der Zusammenstellung ihrer Arbeiten andere als handgreifliche und sachlich wesentliche Abweichungen oder

3) Wenn 7, 50 zwischen II virum und praefectum noch hinzugefügt wird interregem, so hängt dieses gewiss mit der dort verfügten ausnahmsweise sehr hohen, für die Colonialjustiz vermuthlich höchsten, Geldstrafe von 100,000 Sestertien und der hochpolitischen Natur des dadurch zu ahndenden Vergehens zusammen. Ein Römischer Senator oder dessen Sohn soll nicht anders zum Patron der Colonie gewählt werden, als mit der Stimmen aller Decurionen bei heimlicher Abstimmung und nur wenn er in Italien ohne Imperium lebt d. h. nur wenn nicht Parteiungen den Römischen Staat zerreissen, in deren Dienst, so besorgt der Gesetzgeber, anderartige Wahlen eines Römischen Grossen geschehen möchten. Da solche Parteiungen in den Römischen Städten zugleich es leicht herbeiführen könnten, dass die regelmässigen Stadtobrigkeiten nicht besetzt wären, so wird bei dieser Strafe, damit sie nicht unverfolgt oder verschoben bleibe, auch des Interregnum gedacht. Doch ist bei der Conception dieses Capitels 130 der Widerspruch unbeachtet geblieben, dass nach c. 91 kein Anderer in der Colonie Jurisdiction haben soll, als der IIvir, der Präfect und der Aedil ein Beweis, dass beide nicht von demselben Concipienten herrühren.

auch

4) Der grammatische Anstoss an der Zusammenstellung zweier Substantive actio... ius potestas statt agendi ius potestas hat keine Berechtigung gegen die ältere Sprache, aus der auch noch usus capio statt utendo capio allgemein bekannt ist. Ueber Aehnliches vgl. meine Iguv. Tafeln S. 454.

Widersprüche auszugleichen. Der Concipient des ersten Theils des Gesetzes wird nun bei den einzelnen Strafbestimmungen sich hinsichtlich des Processualen kürzer gefasst haben, weil in seinen Theil die processualen Bestimmungen überhaupt fielen, namentlich auch über die Recuperatorengerichte (c. 94. 95. 96. 102) und es muss hier schon vorher auch ein Capitel, welches aber verloren gegangen ist, solche Gerichte und deren Ernennungsart für alle Geldstrafen dieses Gesetzes vorgeschrieben haben (vgl. S. 266. 541). Der Concipient des folgenden Theils, der um diese Bestimmungen von vornherein nicht wusste, fasste deshalb die Strafbestimmungen selbst hinsichtlich des Processualen genauer, indem er theils den Kläger (qui eorum volet nur ein Colone) die Art des Processes und Gerichts (recip. iudicio), die competente Jurisdiction (aput IIvirum u. s. w.), und das Klagrecht (actio pet. persecutio), theils auch — weil die aus dem auswärtigen Staatsrecht und dem Imperium stammenden Recuperatorengerichte an sich den städtischen Magistraten nicht zustanden 5) auch das angab, dass der Kläger zu einer gültigen Klage vor solchem Gericht durch dieses Gesetz berechtigt sein solle (ex h. 1. ius potestas esto).

dass

Als Abbild der in Capitel III (besonders S. 261...265. 286 flg.) sowohl für Rom als für die Provincialverwaltung dargestellten, vielmehr publicistischen als privatrechtlichen recuperatorischen Gerichte über gesetzliche Multen und ähnliche an das Römische Aerar fallende Geldstrafen erweisen sich die in unserem Gesetze vorkommenden ) in folgenden Stücken. Nach c. 95 soll 1) der Duumvir selbst bei eigener Verantwortlichkeit dafür sorgen, die Recuperatoren, welche am anfänglich befohlenen Tage nicht judiciert haben, innerhalb 20 Tagen von ihrer Ernennung an gerechnet, das Urtheil sprechen, und deshalb sie selbst und den Angeklagten für einen bestimmten Tag, von wo an sie bis zum Urtheil bleiben müssen, vorladen. Eben so muss er selbst auch für das Erscheinen und eidliche Aussagen der vom Kläger oder Ankläger (qui quaeret) verlangten Zeugen in dieser Sache und Zeit, jedoch höchstens 20, durch gestattete Denuntiation Sorge tragen.

5) Dem widerspricht nicht, dass, wie wir aus unserem Gesetze erfahren, ein gewisses abgeleitetes und freilich sehr beschränktes Kriegsimperium auch den (vielleicht nur den kaiserlichen, also militärischen Colonial-) städtischen Magistraten verliehen war, nehmlich die Organisierung eines mit dem Recht eines Militärtribunen zu commandierenden Landsturms zur Vertheidigung der Gränze (c. 103), wonach denn auch imperium und potestas von ihrer amtlichen Befugniss gebraucht wird. 1, 29. 6, 13. 16. 7, 16.

6) Mommsen, der auch nicht erkannt zu haben scheint, dass schon vor c. 95, wie oben bemerkt, ein Recuperatorengericht und dessen Ernennungsart für diese öffentlichen Geldstrafen angeordnet worden sein muss, hält irrig diese Gerichte mit ihren popularen Anklagen für privata, wenn irgend ein Stadtbürger, und nur dann für publica, wenn ein Magistrat anklagt.

Beides in einem Privatprocess unmögliche Bestimmungen. Selbst auch die Zahlen betragen hier das Doppelte der in Privatrechtsfällen geltenden ). 2) Erscheint der Kläger und zwar ein für die Stadt auftretender Duumvir oder Präfect (zu der Zeit, wo das Recuperatorengericht für eine solche petitio bestellt oder von ihm geurtheilt werden soll) nicht) wegen irgend eines gesetzlichen Abhaltungsgrundes, so soll nur die Bestellung des Gerichts oder dessen Urtheilsfällung in seiner Abwesenheit nicht. Statt finden; einen klagenden Privatus aber, der in diesem Falle ohne gesetzliche Excusation ausbleibt, der Nachtheil treffen, dass er (als ein der Scheinanklage Verdächtiger) für die Zukunft das Klagrecht wegen irgend einer Strafforderung aus diesem Gesetz (earum rerum quarum ex hac lege quaestio erit) verliert und in der gegenwärtigen es so angesehen wird, als wenn keine Bestellung des Gerichts Statt gefunden hätte (quasi si neque iudices reiecti") neque reci

7) In Privatrechtsfällen gelten nehmlich 10 Tage für die Judicatur, indem nun Dionys. 6, 95. (vgl. oben S. 265) gegen meine im Röm. Jahr S. 328. Anm. 250 ihm Schuld gegebene Verwechselung der Zeit der Urtheilsfällung der Recuperatoren mit der ihrer Ernennung, die nach der lex agraria allerdings innerhalb 10 Tagen geschehen musste, nun zu Ehren kommt; eben so 10 Zeugen nach Valer. Prob. 5. p. 73 der iurispr. antei. ed. 2. und Cic. pro Caec. 10., woraus hervorgeht, dass auch der Beklagte das Recht zu so viel Zeugen hatte. In der lex Mamil. c. 55. p. 265, 10. wird man aber nun auch mit näherem Anschluss an die Handschr. XX statt X schreiben müssen, da dort auch von Recuperatoren in öffentlicher Sache die Rede ist.

8) Mommsen vermuthet, es sei hier nach non aderit ausgefallen: cum de ea re iudicium fieri oportebit, eo absente de eo cui is negotium facesset, reciperatores sortiuntor reiciuntor res iudicator: si non aderit. Nicht unwahrscheinlich: so dass das gesetzliche Präjudiz für des klagenden Magistrats unentschuldigte Abwesenheit war, dass ungeachtet derselben der Process seinen Fortgang haben sollte und dieses nur bei einer entschuldigten nicht eintrat. Allenfalls kann aber das cum... oportebit als aus den bisherigen selbstverständlich entbehrt und bei Weglassung des Uebrigen die Erwähnung der gesetzlichen Entschuldigungsgründe so gefasst werden, dass es sich von dem Duumvir oder Präfect, der ja immer auf dem Forum sein muss, nicht anders erwarten lasse, als dass er blos aus den gesetzlichen Gründen nicht anwesend sei. Hiernach habe ich das obige Referat der Lex gefasst. Ich entscheide mich jedoch auch für Mommsen's Vermuthung. Jenes Präjudiz wäre nun aber damals in einer Privatsache des ordentlichen Verfahrens auch noch nicht möglich gewesen: in einer öffentlichen konnte der vorsitzende Magistrat einiger Massen die Stelle des abwesenden Collegen als Klägers mit vertreten.

9) So lese ich in Uebereinstimmung mit 2, 27, statt des relicti der Tafel, wenn dieses auch allenfalls sich auf die nach der reiectio der Parteien übergebliebenen iudices (d. h. aus der decuria iudicum), welche dann der Magistrat zu Recuperatoren bestellte, beziehen lässt. Jedenfalls unzulässig ist das von Mommsen gesetzte delecti. Nach allen Nachrichten über die Recuperatorenbestellung, auch nach unserer Lex 2, 27., geschah sie so, dass der Magistrat aus den Fähigen die grössere Zahl, von welcher die Parteien dann, jede gleich viele, rejicierten, nicht wählte, sondern loste.

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