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ZUGLEICH IN IHREM GRUNDLEGLICHEN ZUSAMMENHANGE MIT
DEM RÖMISCHEN CRIMINAL- UND CIVIL-PROCESSE

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OCT 2 5 1921

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Vorrede.

Wenn ich eine vor etwa dreissig Jahren fast vollendete und auch schon öffentlich angekündigte Arbeit über einen speciellen Gegenstand in einem Alter, welches sich lieber allgemeinen wissenschaftlichen Abschlüssen zugewandt hätte, nach gereifteren Einsichten wieder aufgenommen habe und nunmehr dem Publicum wirklich vorlege, so ist dieses theils aus subjectiven theils aus objectiven Gründen geschehen.

Die ersteren eignen sich grossentheils nicht zur öffentlichen Mittheilung. Doch darf ich das anführen, dass ich die Frucht von in einander greifenden Studien theils philologischer theils rechtsgeschichtlicher Art, die, weil die ersteren abgelegene und nur von Wenigen beachtete Quellen betreffen, vielleicht so bald nicht wieder vereint von Jemandem betrieben werden möchten, nicht gern umkommen lassen wollte.

In objectiver Hinsicht behandelt aber diese Schrift einen Gegenstand, der, wie ich glaube, zum grossen Nachtheile der Wissenschaft noch niemals in seiner Bedeutung für die Gesammtwissenschaft des Römischen Rechts in ihren verschiedenen Theilen und er schlägt fast in alle ein selbständig eingehend und mit erstrebter Vollständigkeit behandelt worden ist. Einer oberflächlichen Betrachtung scheint er freilich eine solche Behandlung gar nicht zu verdienen. Sie sieht in der Multa und dem Sacramentum nur das Abstractum einer öffentlichen Geldstrafe, die als solche nur eine sehr untergeordnete Rolle zur Sanction für irgend welche lebendige Interessen im Staat spielen kann, und so

werden sie in unsern Rechtsgeschichten und Systemen fast ausnahmslos auch nur ganz beiläufig erwähnt. In der That haben sie aber eine specifische, die Natur der Institute, bei denen sie zur Anwendung kommen, mit bedingende Bedeutung, so dass diese Institute selbst nicht richtig erkannt werden können, wenn man ihre eigene Natur nicht erkannt hat. Ganz besonders gilt dieses von ihrer Anwendung im ältern Civil- und Criminalprocess nebst Criminalrecht.

Beide Disciplinen beschäftigen den dermaligen wissenschaftlichen Geist noch immer auf das lebhafteste. Es ist aber schwerlich zu läugnen, dass die Forschung auf beiden Gebieten schon seit längerer Zeit im Grossen und Ganzen in denselben Geleisen hergebrachter Anschauungen sich bewegt, die theils durch das Mass der allein dabei benutzten Quellen theils durch die übliche Benutzungsweise derselben selbst bestimmt sind, so dass ein namhafter Fortschritt kaum bemerkbar ist. Das trifft nun zwar am empfindlichsten das alte Römische Criminalrecht, dessen Erkenntniss noch kaum über eine höchstens in modernem Geiste versuchte Zusammenstellung in sich zusammenhangsloser und eben so sehr einer consequenten zeitlichen Fortentwickelung entbehrender Notizen sich erhoben hat: weshalb das mehr noch stillschweigende als ausgesprochene Einverständniss, dass den Römern ihre unbezweifelte eminente Begabung für das Civilrecht und den Civilprocess keineswegs in demselben Masse für das Criminal-Recht und -Verfahren beigewohnt habe, immer mehr sich zu befestigen droht. Aber auch unsere Wissenschaft des alten Römischen Civilprocesses leidet noch an vielen empfindlichen Lücken und wenn der Spruch der alten Weisen, den Gaius zur Rechtfertigung des Anhebens seiner Zwölftafelerklärung ab urbis initiis auch auf die Geschichte des Römischen Rechts anwendet, dass cuiusque rei potissima pars principium est, oder wie Göthe ihn näher bestimmt, dass man ein Ding nicht versteht, von dem man

nicht weiss, wie es entstanden ist, doch unläugbar wahr ist, so müssen wir zugestehen, dass mit der Kenntniss der ältesten Gestalt des Römischen Civilprocesses und seiner Grundideen uns auch noch diese potissima pars abgeht.

Hiermit wird es sich rechtfertigen, dass ich die rechtsgeschichtliche Darstellung zweier ursprünglicher Strafarten des Römischen Rechts in Folge ihres unbestreitbaren innigen Zusammenhangs mit dem alten Römischen Civil- und Criminal process dazu benutzt habe, diese selbst in einem grössern Umfange in den Kreis der Untersuchung hineinzuziehn, als es vielleicht die blosse Erkenntniss der eigenen Natur von multa und sacramentum erfordert hätte, was denn freilich eine mir selbst unerwünschte Ausdehnung dieser Schrift herbeigeführt hat. Selbst wenn man die blos nebensächliche Bedeutung jener Strafarten betonen wollte, wird man den Versuch nicht tadeln können, in die bisherige innere Stagnation der behandelten Hauptmaterien dadurch eine neue Bewegung zu bringen, dass man sie einmal gleichsam von der Seite her ansieht.

Die einschlagende Literatur habe ich in grösserem Umfange durchgesehen als speciell angeführt. Die für mein letztes Capitel wichtige Schrift von Karlowa 'der Römische Civilprocess zur Zeit der Legis Actionen' 1872 kam mir jedoch erst nach Vollendung der meinigen zu Gesicht und ist deshalb überhaupt nicht angeführt worden. Indem ich nun Anderes der Beurtheilung des Lesers nach Vergleichung beider Schriften anheimgeben muss, bemerke ich hier nur, dass ein neuer Grundgedanke Karlowas, die Annahme eines Processes durch iurgium in chronologischem Nebeneinanderbestehen mit dem durch legis actio und die Parallelisierung von iuris dictio und prätorischer legis actio mit jenem angeblichen Processgegensatze - ein Gedanke, der wahrscheinlich ohne Kenntniss, wenigstens ohne Erwähnung meiner Ausführung über iure lege, iustus et legitimus, iure und lege

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