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der Uebersetzung scheint, nach den häufigen Citaten zu schliessen, Odissia gewesen zu sein. Ganz haltlos ist die Vermutung L. Müllers (Der saturnische Vers, Leipz. 1885, p. 163), dass der Titel Ulixis carmen gewesen sei, da auf solchen kein einziges Citat führt. y) Es fragt sich, ob die Uebersetzung, wie das Original, in Bücher eingeteilt war; ein sicheres Citat ist Priscian. Gramm. lat. 2 p. 321, 7: Livius Andronicus in I Odissiae; denn Fragm. 43 B. wird zwar von Priscian (Gramm. lat. 2 p. 151, 19) ein Citat eingeführt mit: Livius in VI (VII in wenigen Handschriften); allein in diesen Büchern des Originals kann die übersetzte Stelle nicht nachgewiesen werden; vgl. de Mirmont p. 125. E. Baehrens setzt daher das Fragment als ein zweifelhaftes an. An einer anderen Stelle wird eine Buchzahl durch Konjektur gewonnen: Priscian. Gramm. lat. 2 p. 231, 11 wird, nachdem eine Stelle aus der lateinischen Odyssee ausgehoben ist, fortgefahren: idem alibi: Puerarum manibus confectum pulcherrime. J. Tolkiehn (Wochenschr. für klass. Philol. 1900 Sp. 558) schreibt für alibi, da eine solche Citierweise Priscian fremd sei, in libro VII und identifiziert die Uebersetzung mit Od. 7, 96 f. Allein die Identifizierung ist doch fraglich. Da das Citat sich nur auf das erste Buch beschränkt, liegt die Vermutung nahe, dass die Buchzahl von Priscian hinzugefügt wurde. Die zahlreichen Citate ohne Buchzahl scheinen darauf zu deuten, dass die Odyssee des Livius nicht nach Büchern gegliedert war. d) Ueber das Verhältnis der Uebersetzung zum Original handeln F. Leo, Plaut. Forsch., Berl. 1895, p. 80; de Mirmont p. 95 (vgl. auch dessen zusammenfassendes Urteil p. 134); J. Tolkiehn, Homer und die röm. Poesie, Leipz. 1900, p. 82 (vgl. dazu dessen Abh.: De Livii Andronici Odyssia et de Cn. Matii Iliade latina in der Festschr. für O. Schade, Königsberg i. Pr. 1896, p. 289); vgl. noch F. Kunz, Die älteste röm. Epik in ihrem Verhältnis zu Homer, Progr. Unter-Meidling bei Wien 1890. e) Horat. epist. 2, 1, 69 non equidem insector delendave carmina Livi | esse reor, memini quae plagosum mihi parvo | Orbilium dictare. Die Odyssee des Livius als Schulbuch entfernt R. Bentley, indem er Laevi statt Livi schreibt. Auch B. Kruczkiewicz (Eos 9 (1903) p. 153) erkennt die Odyssee als Schulbuch nicht an, will aber durch Erklärung helfen, indem er dictare als 'einprägen' fasst und den Relativsatz auf das ganze Kolon delendave carmina Livi esse beziehen will. Diese Interpretation erachte ich für unmöglich; vgl. auch O. Weissenfels, Wochenschr. für klass. Philol. 1904 Sp. 628. 5) Cic. Brutus 18, 71 et Odyssia Latina est sic tamquam opus aliquod Daedali et Livianae fabulae non satis dignae, quae iterum legantur. 7) Fr. 26 B. ist von Priscian. Gramm. lat. 2 p. 96, 7 als Hexameter gegeben: Inferus an superus tibi fert deus funera, Ulixes? vgl. auch Fr. 36. Mit Rücksicht darauf scheint O. Ribbeck (Gesch. der röm. Dichtung 12 p. 16) die Meinung zu äussern: „Uebrigens scheint es, dass man zu irgend welcher Zeit den Versuch gemacht hat, die ungefügen Saturnier wenigstens in fliessendere Hexameter umzusetzen und so geniessbarer zu machen." Für die Beseitigung der Hexameter H. Düntzer, Philol. 48 (1889) p. 755.

Die Fragmente sind gesammelt bei L. Havet, De saturnio Latinorum versu, Paris 1880, p. 425; L. Müller, Der saturn. Vers, Leipz. 1885, p. 124, bei E. Baehrens, Fragm. poet. Rom. p. 37, bei C. Zander, Vers. Ital. antiqu., Lund 1890, p. 83 und bei anderen.

24. Das griechische Drama in Rom. Dramatische Elemente waren in Rom vorhanden, sie versprachen auch eine erfreuliche Blüte; allein ihre Entwicklung wurde gestört durch ein Ereignis des Jahres 240. In diesem Jahre wurde an den ludi Romani von Andronicus eine griechische Tragödie und Komödie in lateinischer Bearbeitung auf die Bühne gebracht. Schon in formeller Beziehung war dies eine ganz bedeutende Tat. Das alte saturnische Mass, dies war klar, konnte hier nicht zur Anwendung gelangen; auch war eine grössere Mannigfaltigkeit von Massen geboten. Andronicus stand also vor dem Problem, wie die griechischen Metra auf die römische Sprache zu übertragen seien. Dies erforderte vor allem genaueres Eingehen auf die Quantität der Silben. Aber auch für das metrische Schema mussten bestimmte Normen aufgestellt werden; diese Normen sind grundlegend für die römische Verskunst geworden.1) Bezüglich der Aufführung seiner Stücke erhalten wir einen merkwürdigen Bericht von Livius. Andronicus habe selbst die Hauptrolle übernommen;

1) Vgl. F. Leo, Der saturnische Vers (Abh. der Gött. Ges. der Wissensch. Philol.-hist. Kl. N. F. Bd. 8 Nr. 5, Berl. 1905, p. 5).

da er die Gesänge (Monodien) infolge des Dacaporufens öfters habe wiederholen müssen, hätte seine Stimme versagt; um sich zu schonen, habe er die Erlaubnis erbeten und erhalten, durch einen Knaben die Arie singen zu lassen, während er nur die entsprechenden Gesten dazu machte. Wir haben Grund, diese Erzählung anzuzweifeln; der ganze Bericht des Livius trägt einen unverkennbar ätiologischen Charakter an sich; die Erzählung wird daher nur ein Versuch sein, die Tatsache, dass später die Schauspieler die Monodien öfters nicht mehr selbst sangen, aus dem Ursprung des römischen Dramas heraus zu erklären. Von den Dramen, die Andronicus übersetzte, sind nur wenige Fragmente erhalten; von den Komödien haben wir nicht viel mehr als einige Titel. Im Gladiolus erschien zuerst die Figur eines aufschneiderischen Soldaten.1) Die von Andronicus bearbeiteten Tragödien sind, soweit wir sie kennen, folgende: Achilles, Aiax mastigophorus, Equos Troianus, Aegisthus, Hermiona, Andromeda, Danae (welches Stück L. Müller p. 6 dem Naevius zuteilt), Ino, Tereus. Auch über diese Stücke fällte die spätere gebildete Zeit ein hartes Urteil; Cicero (Brut. 18, 71) meint, sie verdienten nicht wieder gelesen zu werden. Allein trotzdem haben diese Versuche eine grosse und nicht bloss formale Bedeutung: sie haben der römischen Welt ein hochbedeutsames Stück der griechischen Litteratur zugänglich gemacht.

Die Zeit der ersten Aufführung eines griechischen Dramas in Rom. Es standen sich zwei Ansichten gegenüber, die Varros und die des Dichters Accius. «) Die varronische Ansicht wird uns Cic. Brut. 18, 72 mitgeteilt: Livius primus fabulam C. Claudio Caeci filio et M. Tuditano consulibus docuit anno ipso ante, quam natus est Ennius, post Romam conditam autem quartodecimo et quingentesimo (= 240 v. Chr.), ut hic (Atticus) ait, quem nos sequimur. Cicero folgt in dem Ansatz dem liber annalis des Atticus, der kurz vorher erschienen war (vgl. § 116). Dass aber die chronologische Fixierung auf Varro zurückgeht, erhellt aus Gellius 17, 21, 42: consulibus Claudio Centhone, Appii Caeci filio, et M. Sempronio Tuditano, primus omnium L. Livius poeta fabulas docere Romae coepit Claudium et Tuditanum consules secuntur Q. Valerius et C. Mamilius (Reginensis 1646: Manlius), quibus natum esse Q. Ennium poetam M. Varro in primo de poetis libro scripsit. Für den varronischen Ansatz tritt Cicero auch an anderen Stellen ein; so nennt er Tusc. 1, 1, 3 unser Konsulnpaar für die erste Aufführung des Livius; auch Cato maior 14, 50 wird das Datum festgehalten: vidi (sagt der alte Cato, geboren 234 v. Chr.) etiam senem Livium; qui, cum sex annis ante quam ego natus sum fabulam docuisset Centone Tuditanoque consulibus, usque ad adulescentiam meam processit aetate. Diesem durch Cicero bezeugten Datum gegenüber kann der Ansatz in Cassiodors Chronik (p. 128 Mommsen) aufs Jahr 239: C. Manlius et Q. Valerius: ludis Romanis primum tragoedia et comoedia a L. Livio ad scaenam data nicht in Betracht kommen. Dagegen erfahren wir aus dem Berichte des Cassiodor zwei neue Tatsachen: 1. dass die dramatische Aufführung des Livius Andronicus an den ludi Romani statt hatte und 2. dass sie sowohl eine Komödie als eine Tragödie umfasste. p) Die accianische Ansicht wird von Cicero (Brut. 18, 72) also dargelegt: Accius a Q. Maximo quintum consule (209 v. Chr.) captum Tarento scripsit Livium annis XXX post, quam eum fabulam docuisse et Atticus scribit et nos in antiquis commentariis invenimus: docuisse autem fabulam annis post XI C. Cornelio Q. Minucio consulibus (197 v. Chr.) ludis Juventatis, quos Salinator Senensi proelio voverat. Diese Ansicht des Accius fand Anklang. Die bekannten Verse des Porcius Licinus (vgl. unten p. 60), welche den Anfang der römischen Kunstlitteratur in den zweiten punischen Krieg setzen, gehen allem Anschein nach von der Ansicht aus, dass Livius Andronicus 209, also im zweiten punischen Kriege, nach Rom kam; vgl. F. Leo, Plautin. Forsch. p. 58. Wenn Hieronymus die Blüte des Livius ins Jahr 187 setzt, so ist auch diese Angabe vom Standpunkt der accianischen Chronologie aus verständlich; vgl. C. F. Hermann, Disputatio de scriptoribus illustr., quorum tempora Hieronymus ad Eusebii chronica annotavit, Progr. Göttingen 1848, p. 3. Auch Horaz (epist. 2, 1, 162) et post Punica bella quietus quaerere coepit | quid Sophocles et Thespis et

1) Terenz (Eun. 426) legt seinem Thraso einen Witz aus dem Stück in den Mund;

vgl. O. R bbeck, Gesch. der röm. Dicht. 12 Anm. zu S. 18.

Aeschylus utile ferrent (vgl. p. 23) steht auf dem Standpunkt des Accius; vgl. G. L. Hendrickson, A pre-Varronian chapter of Roman literary history (American Journal of philol. 19 (1898) p. 295). Die Ansicht des Accius wurde von Cicero verworfen: in quo tantus error Accii fuit, ut his consulibus XL annos natus Ennius fuerit: cui si aequalis fuerit Livius, minor fuit aliquanto is, qui primus fabulam dedit, quam ii, qui multas docuerant ante hos consules, et Plautus et Naevius. Dass diese Widerlegung auch auf Varro zurückgeht, ist zweifellos. Der Weg der Forschung war klar vorgezeichnet; aus amtlichen Quellen musste das Jahr festgestellt werden, in welchem Livius Andronicus zum erstenmal mit einem übersetzten griechischen Drama auftrat. Dass dies Varro getan, scheint aus dem in commentariis hervorzugehen. Aus der Bekämpfung der accianischen Chronologie erfahren wir, dass Andronicus bei einer Eroberung Tarents nach Rom kam. Welche der beiden Eroberungen dies war, wusste man offenbar nicht sicher. Steht aber das Jahr 240 für die erste dramatische Aufführung des Livius Andronicus fest, so muss der Dichter bei der ersten Eroberung Tarents im Jahre 272 als Kriegsgefangener nach Rom gelangt sein. Fand aber die erste dramatische Aufführung im Jahre 197 statt, so ergibt sich mit Notwendigkeit, dass Andronicus bei der zweiten Eroberung durch Q. Fabius im Jahre 209 nach Rom gebracht wurde. Accius' Irrtum wird dadurch entstanden sein, dass er annahm, der als Patron des Dichters angegebene Livius Salinator sei der berühmte Sieger von Sena M. Livius Salinator. Für die erste dramatische Aufführung des Livius Andronicus glaubte er die passende Gelegenheit in den ludi Juventatis, die M. Livius Salinator in der Schlacht von Sena gelobt hatte, gefunden zu haben (vgl. auch Leo p. 57). Die Ausrichtung dieser Spiele setzt er ins Jahr 197, während Livius (36, 36, 5) sie ins Jahr 191 setzt.

Livius Andronicus als Darsteller seiner Stücke. Liv. 7, 2, 8 Livius post aliquot annis, qui ab saturis ausus est primus argumento fabulam serere, idem scilicet, id quod omnes tum erant, suorum carminum actor, dicitur, cum saepius revocatur, vocem obtudisse et, venia petita puerum ad canendum ante tibicinem cum statuisset, canticum egisse aliquanto magis vigente motu, quia nihil vocis usus impediebat. inde ad manum cantari histrionibus coeptum diverbiaque tantum ipsorum voci relicta. Ueber den ätiologischen Charakter des livianischen Berichts vgl. F. Leo, Varro und die Satire (Hermes 24 (1889) p. 77); vgl. auch oben p. 21. Ein Beispiel von Trennung des Gesangs und der Aktion aus der modernen Zeit teilt O. Ribbeck (Die röm. Tragödie p. 634 Anm. 4) mit. Glossae Salomonis: tragoedias comoediasque primus egit idemque etiam composuit Livius Andronicus, duplici toga involutus; vgl. darüber H. Usener, Rhein. Mus. 28 (1873) p. 419. Toga duplex ist das Schleppgewand, das Könige und Heroen trugen; vgl. Usener, Rhein. Mus. 23 (1868) p. 676; Ribbeck 1. c. p. 23.

Die einzelnen Tragödien des Livius Andronicus sind auf Grund der Fragmente analysiert von O. Ribbeck, Die röm. Tragödie im Zeitalter der Republik, Leipz. 1875, p. 25; H. de la Ville de Mirmont, Études sur l'ancienne poésie lat., Paris 1903, p. 143. Ueber das Vorbild des Equos Troianus vgl. R. Lallier, Mélanges Graux, Paris 1884, p. 103; J. Tolkiehn, Fleckeis. Jahrb. 155 (1897) p. 861. Ueber das Original der Hermiona vgl. Tolkiehn p. 862. Zu Ino vgl. K. Schenkl, Wien. Stud. 16 (1894) p. 159.

Die einzelnen Komödien des Livius Andronicus sind auf Grund der Fragmente analysiert von de Mirmont p. 183.

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Ausg. der Fragmente der Tragödien bei O. Ribbeck, Tragicorum Romanorum fragmenta, Leipz. 1897, p. 1; der Komödien bei Ribbeck, Comicorum Romanorum fragmenta, Leipz.3 1898, p. 3. Livi Andronici et Cn. Naevi fabularum reliquiae emend. et adnot. L. Müller, Berl. 1885. Ueber die Ueberlieferung der Dramen vgl. F. Leo, Plaut. Forsch. p. 80 Anm. 1.

25. Das Parthenion und die römische Dichterzunft. Im Jahre 207 stellten sich sehr traurige Vorzeichen ein; da beschlossen die Pontifices, dass dreimal neun Jungfrauen durch die Stadt ziehen und ein Lied singen sollten. Das Lied wurde von Andronicus verfasst. Als die Jungfrauen im Tempel des Juppiter Stator es einübten, schlug der Blitz in den Tempel der Juno Regina auf dem Aventin ein. Dieses Prodigium deuteten die Haruspices auf die Matronen und verlangten für die Göttin eine Sühne. Zu einem Geschenk, das der Juno dargebracht wurde, kam noch die mit ganz besonderer Feierlichkeit ausgestattete Prozession, die uns Livius beschrieben hat. Bei derselben wurde das von Andronicus gedichtete Lied von den 27 Jungfrauen gesungen. Auch Tanzbewegungen waren mit dem Gesang verbunden. Der Historiker fällt über das Lied kein günstiges Ur

teil; für die damalige Zeit, die noch keine Kultur entwickelt hatte, sei es vielleicht annehmbar gewesen, jetzt müsse es dem Leser abstossend und holperig erscheinen. An dieses Lied knüpft sich ein für die Litteratur nicht unwichtiges Ereignis. Zur Belohnung des Dichters wurde den Dichtern und Schauspielern (scribis histrionibusque) der Tempel der Minerva auf dem Aventin angewiesen, in dem sie zu gemeinsamem Gottesdienst und zur gemeinsamen Beratung zusammentreten" (consistere) konnten. Damit hatte der Stand der Dichter offizielle Anerkennung gefunden.

Zeugnisse über das Parthenion. Liv. 27, 37, 7 decrevere pontifices (zur Abwehr von Prodigien), ut virgines ter novenae per urbem euntes carmen canerent. id cum in Iovis Statoris aede discerent conditum ab Livio poeta carmen, tacta de caelo aedis in Aventino Junonis Reginae. Ueber die Prozession sagt Livius von den Jungfrauen: tum septem et viginti virgines, longam indutae vestem, carmen in Junonem reginam canentes ibant, illa tempestate forsitan laudabile rudibus ingeniis, nunc abhorrens et inconditum, si referatur und weiterhin: in foro pompa constitit, et per manus reste data virgines sonum vocis pulsu pedum modulantes incesserunt. B. Kruczkiewicz, De Liviani carminis in Junonem reginam memoria (Eos vol. 1 fasc. 2 (1894) p. 127).

Das collegium scribarum histrionumque. Festus p. 333 0. M. cum Livius Andronicus bello Punico secundo scripsisset carmen quod a virginibus est cantatum, quia prosperius resp. (res M. Hertz) populi Romani geri coepta est, publice adtributa est ei in Aventino aedis Minervae, in qua liceret scribis histrionibusque consistere ac dona ponere, in honorem Livi, quia is et scribebat fabulas et agebat. Die Worte quia · coepta est können auf das Vorhergehende und auch auf das Nachfolgende bezogen werden. Im ersten Fall erhalten wir neben dem Bittgesang ein zweites Carmen, ein Danklied. Allein von einem zweiten Carmen haben wir keine Kunde; Livius spricht nur von dem Bittlied, und es ist nicht wahrscheinlich, dass er das Dankgebet unerwähnt gelassen hätte, wenn ein solches vorhanden war. Die Worte quia coepta est sind daher auf das Nachfolgende zu beziehen; vgl. H. Diels, Sibyll. Blätter, Berl. 1890, p. 90 Anm. 3; de Mirmont p. 50 Anm. 2. Möglicherweise sind auch die beiden Sätze mit quia Interpolation. Dieses Kollegium hat noch in späterer Zeit bestanden; vgl. Valer. Max. 3, 7, 11: is (Accius) Julio Caesari, amplissimo ac florentissimo viro, in conlegium poetarum venienti numquam adsurrexit.__ Ueber das Kollegium vgl. O. Jahn, Ber. der sächs. Ges. der Wissensch. 1856 p. 294; E. Kornemann, Pauly-Wissowas Realencycl. Bd. 4 Sp. 397; E. G. Sihler, American Journal of philol. 26 (1905) p. 1. Ueber den technischen Ausdruck consistere vgl. Th. Mommsen, Hermes 7 (1873) p. 309; H. C. Maué, Philol. 47 (1889) p. 494.

25 a. Rückblick. Fassen wir die Tätigkeit des Livius zusammen, so sehen wir, dass er in drei Gebieten sich versuchte: im epischen durch seine Odyssee, im dramatischen durch seine Tragödien und Komödien, endlich im lyrischen durch seinen Jungfrauenchor. Zu allen drei Gattungen wurde er durch praktische Bedürfnisse geführt: zur Odyssee durch den Mangel an lateinischen Lehrmitteln, zu den Dramen und dem Jungfrauenchor durch das Streben, die öffentliche Feier durch das Festspiel und das Festgedicht zu erhöhen. Als Schulmeister und als Maître de plaisir, um mit Mommsen zu reden, hat Livius die römische Kunstlitteratur begründet. Welche hohe Bedeutung Livius für das römische Geistesleben hatte, war den Gelehrten Roms nicht entgangen. Ihn hatte zweifellos der Dichter Porcius Licinus im Auge, als er sang:

Poenico bello secundo Musa pinnato gradu
Intulit se bellicosam in Romuli gentem feram.

Ueber die Chronologie des Livius war, wie man sieht, Verwirrung eingetreten; dem Forschungseifer Varros verdanken wir es, dass wir die Anfänge der römischen Kunstlitteratur richtig datieren können.

Die Verse des Porcius Licinus sind überliefert von Gellius 17, 21, 45. Das Richtige hat hier zuerst F. Leo (Plaut. Forsch., Berl. 1895, p. 58) gefunden. Ich habe das leider übersehen, als ich im Rhein. Mus. 54 (1899) über dieselbe Sache schrieb. Die Einwendungen,

die R. Büttner, Porcius Licinus über den Anfang der röm. Kunstdichtung (Rhein. Mus. 55 (1900) p. 121) gegen unsere Aufstellungen erhebt, sind nicht beweiskräftig.

In die Zeit des Livius fallen zwei anonyme Gedichte, von denen uns nur Fragmente erhalten sind: a) Carmen Priami. Das einzige Fragment, das uns erhalten ist, bietet einen regelrechten Saturnier dar: Varro de lingua lat. 7, 28 in carmine Priami quod est: veteres Casmenas cascam rem volo profari. Es folgen darauf die Worte et primum, die J. Scaliger ändert in et Priamum. Mit Recht will aber F. Marx (Zeitschr. für österr. Gymn. 48 (1897) p. 221) dieselben Varro zuteilen. Veteres Casmenas erklärt Marx als „alte Lieder". E. Baehrens, Fragm. poet. Rom. p. 52; H. Jordan, Kritische Beitr. zur Gesch. der lat. Sprache, Berl. 1879, p. 132. ) Carmen Nelei. Charis. Gramm. lat. 1 p. 84, 6 ut in Odyssia vetere . et in Nelei carmine aeque prisco (eaque prisco die Hss.; aeque prisco H. Keil). O. Müller (Ausg. des Festus p. 388) wies zuerst darauf hin, dass der Dichter denselben Stoff behandelte, welcher der Tragödie des Sophokles Tyro" zu Grunde lag. Die Fragmente sind uns von Charisius und Festus überliefert. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir es mit einer Tragödie zu tun, die in der Tyro des Sophokles ihr Original hat. Auch jambische Senare, die in den Fragmenten erscheinen, deuten auf dramatische Gestaltung hin. Auch Mirmont (Études sur l'ancienne poésie latine p. 218) vertritt diese Ansicht; er bemerkt u. a.: La ressemblance entre les légendes de Nélée et de Romulus était un élément d'intérêt suffisant pour les Romains qui ne possédaient pas encore la praetexta; ils se contentaient de la tragédie à allusion .... dans l'imagination des contemporains de Livius Andronicus, le Carmen Nelei devenait le Carmen Romuli.“ Die Fragmente bei E. Baehrens, Fragm. poet. Rom. p. 53; O. Ribbeck, Tragicorum Rom. fragm., Leipz. 1897, p. 270. Eine Analyse der Fragmente bei O. Ribbeck, Die röm. Tragödie, Leipz. 1875, p. 629; Mirmont p. 215.

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2. Cn. Naevius.

25b. Biographisches. Eine merkwürdige Erscheinung ist die zweite Persönlichkeit, die uns in der römischen Litteratur begegnet, Cn. Naevius. Er war ein Lateiner aus Campanien und machte als Soldat den ersten punischen Krieg mit. Nach Beendigung des Krieges gab er von 235 an dramatische Aufführungen an den Festspielen. Als origineller und selbstbewusster Geist benutzte er diese Aufführungen, um der römischen Aristokratie zu Leibe zu gehen. Besonders waren es die Meteller, die er scharf angriff. Ueber die Fehde des Dichters mit den Metellern zirkulierte ein kleines Schimpfduett, in dem man Naevius die Worte in den Mund legte, dass in Rom den Metellern das Schicksal zum Konsulat verhelfe, der Gegenpartei aber die Worte lieh, dass die Meteller es den Dichter Naevius büssen lassen werden. Die Drohung ist zur Wahrheit geworden. Allem Anscheine nach im Jahre 206, als Q. Caecilius Metellus Konsul und ein M. Caecilius Metellus, wahrscheinlich ein Bruder des genannten Quintus, Prätor war, wurde Naevius von der Polizei eingekerkert. Auf die harte Behandlung, die der Dichter im Gefängnis erfuhr, spielt Plautus in dem damals aufgeführten Miles gloriosus an. Der Berichterstatter, dem wir die Kunde von diesem Vorfall verdanken, fügt noch bei, dass Naevius durch die Bemühungen der Volkstribunen seine Freiheit wieder erhielt, nachdem er in zwei Stücken, die er im Kerker gedichtet hatte, Hariolus und Leon, seine Angriffe gegen die römische Aristokratie wieder gut gemacht hatte. Die Nachricht klingt sehr unwahrscheinlich; vermutlich liegt ihr eine falsche Schlussfolgerung zu Grund. Die römischen Gelehrten fanden in manchen Stücken heftige Angriffe gegen die römische vornehme Welt, in anderen, wie z. B. im Hariolus und Leon, auch lobende Aeusserungen über dieselbe. Naevius war eben keine schmähsüchtige Natur, sondern lobte, was zu loben, und tadelte,

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