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seiner ganzen furchtbaren Ausdehnung und in seinen tiefen Gründen den Zeitgenossen vor Augen treten, zur Erkenntnis und Warnung; und dazu wählte er mit richtigem Urteil ein schlagendes Beispiel, die Verschwörung des Catilina, das Ereignis, in welchem jenes Verderben am grofsartigsten und offenbarsten erschienen, in welchem es wie ein lange im stillen gewachsenes böses Geschwür endlich zum Ausbruch gekommen war. Wir erkennen den leitenden Gesichtspunkt in dem ganzen Verlauf der Darstellung und vor allem in den Reden des Cäsar und Cato vor dem Senat, welche man wohl mit Recht als den Kern des gesamten Gemäldes ansieht. Die äufsere Begebenheit aber, welche jene Fülle von Übeln in ihrem Schofse getragen und zur allmählich reifenden Frucht gehabt hatte, war der erste Bürgerkrieg mit seiner blinden Verfolgungswut und allen seinen das Staatsleben zerrüttenden Greueln gewesen; dessen erste verborgene Keime lagen nach der von Sallusts Standpunkt aus natürlichen Anschauung in den Thatsachen, welche auf die Unterdrückung der Gracchischen Unruhen folgten, und namentlich in den Verhältnissen, wie sie während des Jugurthinischen Krieges in Rom bestanden. Dies, sowie die Bedeutsamkeit des Krieges selbst, ferner der Umstand, dafs in der Art seiner Beendigung der erste Anstofs zur folgenschweren Feindschaft zwischen Marius und Sulla gegeben war, und endlich auch die eigene Bekanntschaft Sallusts mit Land und Volk von Numidien führte ihn zur Wahl des Stoffes für sein zweites Werk, das wir somit als eine vortreffliche Einleitung zur Geschichte des Bürgerkrieges betrachten können. Als nun endlich die Kräfte des Schriftstellers immer mehr gewachsen waren, unternahm er die dritte Arbeit von etwas gröfserem Umfang und breiterer Anlage. Davon aber ist uns leider aufser etlichen darin eingeflochtenen Reden und Briefen nur eine allerdings nicht ganz geringe Zahl von Fragmenten übrig geblieben, welche in einigen Zusammenhang zu bringen den Bemühungen der gelehrten Forscher erst neuerdings gelungen ist (namentlich Kritz in zwei Ausgaben, der gröfseren die frühere Gesamtausgabe des Sallust abschliefsenden, 1853, und der kleineren, 1856; desgl. Dietsch, 1859). Hier nur soviel: den Anfang der Historien machte das Todesjahr des Sulla, das Ende fiel in die Zeit, in welcher die dem Sallust verhafste Macht des Pompejus sich zu entfalten begann; ebenso hatte der Jugurthinische Krieg mit der Erhebung des Marius geschlossen.

Bald nach der Vollendung dieser Schrift starb Sallust, nach

der gewöhnlichen Annahme am 13. Mai 719 (35), nach einer andern Meinung erst an demselben Tage des folgenden Jahres, und erlebte somit nicht die endliche Lösung der Wirren seiner Zeit in dem Sieg des Octavianus und der neuen durch ihn eintretenden Ordnung der Dinge.

Die Denk- und Handlungsweise eines Autors in Verbindung mit seinen Lebensverhältnissen steht in genauer Beziehung zu seinen Schriften; und zwar gilt dies für das Altertum noch mehr als für die neuere Zeit, und für Sallust vielleicht mehr als für viele andere. Wir haben gesehen, dafs er sich längere Zeit in keiner Weise über den allgemeinen Charakter seines Volkes und seiner Zeit zu erheben schien. Ruhmbegierig und ehrgeizig liefs er sich auf das Feld hintreiben, wo von jeher dem Römer Ruhm und Ehre erwuchsen; die herrschenden Laster verachtete er vielleicht, aber er entging ihren Verlockungen ebenso wenig, wie fast alle andern; die herrschenden Klassen hafste er mit demselben Recht und demselben Unrecht wie die andern es thaten. Diese Fehler trübten seinen Charakter; aber sie brachten ihm nicht den sittlichen Untergang. Vielmehr wurde ihm Zeit gewährt sich aus dem Strudel des Verderbens herauszureissen; und nicht blofs Zeit, sondern auch eine wesentliche Hülfe, dadurch dafs er an sich selbst erfuhr, wie das bisherige Treiben teils ohne Erfolg bleiben, teils von sehr schlimmem Erfolg für seinen Ruf bei Mit- und Nachwelt werden musste. Denn seine hochfliegenden Pläne auf dem Felde der politischen Ehren verwirklichten sich nur in geringem Mafse und stürzten ihn in Leiden und Gefahren; seinen bösen Begierden durfte er nicht unbemerkt nachgehen, wie viele andere, sondern mufste empfindliche Schmach und Strafe deshalb leiden. Nur seinen Reichtum rettete er aus dem Schiffbruch der vergänglichen Güter und genofs ihn in Mufse. So wurde ihm das Verlassen des bisherigen Weges ebenso durch seine eignen Schicksale, wie durch den gewaltigen Sturz seines grofsen Gönners erleichtert, und bei dem Nachdenken über diesen Wechsel in seinem Zustande, welcher mit dem des Staates und Volkes so viel Verwandtes hatte, bei dem Siege, den sein besseres Teil in ihm erringen wollte, mufste mit dem Entschlufs der Geschichtschreibung und der Wahl seines Gegenstandes zugleich auch die ganze Auffassungsweise desselben und der Ton, in welchem er ihn behandeln sollte, von selbst kommen. Und wie sich ihm, dem früher Bemerkten gemäfs durchaus natürlich, die Vergleichung der damaligen Zustände mit den früheren besseren, das Wesen und fortschreitende

Walten der Kräfte, die zu solcher Veränderung gewirkt hatten, als Objekt der Behandlung ergab, so sollten die Früchte der neu ergriffenen Thätigkeit auch in ihrer Form im stande sein, einigen zur Strafe, andern zur Warnung, ihm selbst aber zur Beruhigung zu dienen, welche er darin suchte, dafs er neben dem Nutzen für andere auch sein altes Ideal, die Unsterblichkeit seines Namens, im Auge behielt und dies auf eine edlere Weise als früher, durch Thaten des Geistes, zu erreichen strebte. Diesen Zwecken aber zu genügen und namentlich den beabsichtigten starken Eindruck auf die Gemüter der Leser zu machen, dazu war wohl kein Ton und Ausdruck geeigneter und überdies keiner der Stimmung des Schriftstellers angemessener, als der, dessen wesentlichste Eigenschaft wir am kürzesten durch Schärfe' bezeichnen können. Scharf einschneidend, gewissenhaft prüfend und genau abwägend, dann bestimmt und entschieden richtend, treffend charakterisierend, nirgends verschwimmend und überfliefsend, so sind die Gedanken und so ist die Rede Sallusts.

Warum aber hat er bei solcher Strenge und Schärfe im Gericht über andere sich selbst, wo es die Gelegenheit bot, so gelind behandelt? Wie konnte er, wenn es ihm nicht an Selbsterkenntnis oder an Wahrheitsliebe gebrach, im Prooemium des Catilina sein Inneres als insolens malarum artium bezeichnen und nur die ambitio als Urheberin seines übeln Rufes vorschieben? Diese Schonung gegen sich im Vergleich mit der scharfen Gerechtigkeit im Urteil über andere hat ihm die bittersten Vorwürfe zugezogen, und viele mögen damals dem Grammatiker Lenaeus beigestimmt haben, als dieser, ein Freigelassener des Pompejus, wegen einer vermutlich in den Historien vorgekommenen tadelnden Äufserung Sallusts über Pompejus eine Schmähschrift voll Gift und Galle gegen ihn verfafste. Jetzt aber kann man, mit den tiefer liegenden Beweggründen unbekannt, Sallusts Verfahren weder genügend entschuldigen noch unbedingt verdammen: einerseits ist ihm billigerweise soviel Urteil zuzutrauen, dafs er wufste, warum er nicht lieber von seiner Jugend ganz schweigen als einen durchsichtigen Schleier darüber hängen wollte; andererseits bleibt es für uns und selbst für jeden um seinen persönlichen Charakter wenig bekümmerten Leser seiner Schriften zu bedauern, dafs er den Dingen seiner Zeit nicht ganz rein und unbefangen gegenüber stand, und bei Beendigung der Arbeit nicht von sich sagen konnte, was er dem Cato in den Mund legt (C. 52, 8) qui mihi atque animo meo nullius umquam delicti gratiam fecissem, haud facile allerius lubidini

male facta condonabam. Denn dieser Mangel ist nicht ohne Einflufs auf die Darstellungsweise geblieben. Es spricht sich darin neben der oben gerühmten Schärfe nicht immer die dem reinen Gemüt eigene ruhige Würde aus, sondern oft etwas Gewaltsames und Hartes, öfter weniger natürliche Derbheit und Lebhaftigkeit des Gefühls als berechnete Nachdrücklichkeit, weniger sittliche Entrüstung als Gereiztheit. Wollte man aber etwa meinen, dafs Sallust prahlerisch und heuchlerisch geredet habe, dafs der Zweck seines Tadels die Verherrlichung seiner Tugend gewesen sei und dafs er deshalb die Farben mit absichtlicher Überlegung so stark aufgetragen habe, so findet sich davon bei ihm durchaus keine Spur. Vielmehr haben weder die Alten noch die Neueren das scharf Zutreffende seiner Urteile an sich selbst und seine Wahrhaftigkeit in der Angabe und Beurteilung der Sachen und Personen in Zweifel gezogen, und wenn man jene aus der Gemütsverfassung hervorgehende Färbung wegdenkt, so bleibt eine so grofse Fülle von objektiver kernhafter Wahrheit darin übrig, dafs jeder, der die sorgfältig erwogenen Ausdrücke gehörig nachwägt, über die bewundernswürdige Tiefe und Richtigkeit der Beobachtung erstaunt. Diese Fähigkeit hätte sich unmöglich in solcher Kraft erhalten können, wenn durch den Sturm der Leidenschaft die Blüte seines Geistes und Herzens zerknickt worden wäre. Sicherlich stählte sich sein sittlicher Wille mit den Jahren; er sank nicht herab, sondern erhob sich. Wir aber haben den Mann der Vergangenheit nicht nach dem zu richten, was er einmal gewesen, sondern nach dem, was er geworden war.

In der historischen Litteratur der Römer unterscheiden wir vor Cäsar und Sallust wesentlich zwei Stufen. Auf der ersten stehen die eigentlichen Annalen, Staats- und Familienaufzeichnungen, in der trockensten Form und ohne Anstrich von Kunst nur die Thatsachen enthaltend. Sie bildeten den Ausgangspunkt und zum teil die Quellen für die Annalisten und Geschichtschreiber der zweiten Stufe, welche es versuchten, durch Zusammenfügung und Bildung des gegebenen Stoffes etwas Lesbares zu liefern, während zu gleicher Zeit die epische Dichtung sich desselben nationalen Stoffes bemächtigte und besonders durch Ennius zu einer nicht unbedeutenden aber kurzen Vorblüte gelangte. Die Berührung der Römer mit den Griechen hatte sowohl auf diese als überhaupt auf die bisher schlummernde wissenschaftliche Seite des römischen Geistes Einflufs gewonnen, jedoch zunächst nur in dem Kreise der staatsmännisch sich bildenden Vornehmen.

Letztere waren es auch, die sich, meist mit besonderer Rücksicht auf ihre übrige praktische Bildung, mit der geschichtlichen Forschung und Darstellung beschäftigten, und dafs sie auf ein ebenso gebildetes, folglich nicht grofses Publikum rechneten, geht daraus hervor, dafs mehrere unter ihnen, wie auch der älteste, Q. Fabius Pictor, ihre Werke in griechischer Sprache abfafsten. Die Gegenwirkung blieb nicht aus, und namentlich suchte der alte M. Porcius Cato in der Vorahnung, dafs mit der griechischen Bildung das Verderben über Rom kommen werde, das echt römische Element auch in der Sprache zur Geltung zu bringen. Aber sein Ausdruck schien der damaligen Lesewelt und natürlich noch mehr den folgenden Geschlechtern zu rauh, zu antiquiert, und daher gewann er weniger Einfluss auf die Form der gesamten Litteratur, als Ansehen bei den Geschichtsforschern und späteren Kennern, namentlich auch bei Sallust. Der Konflikt zwischen römischer Einfachheit und griechischer Eleganz währte noch längere Zeit fort, und zu einer Kunst der Geschichtschreibung, welche die gerechten Ansprüche der wirklichen Bildung hätte befriedigen können, brachten es die zahlreichen Autoren dieser zweiten Stufe nicht; selbst der lesbarste unter ihnen, M. Cornelius Sisenna (s. Jug. 95, 2; Anm.) that dem geläuterten Geschmack nicht genug. Auch blieb bei allem Ansehen, in welchem diese Studien neben der Rechtskunde und der Beredsamkeit bei den Vornehmen standen, doch ihr Einfluss auf die Masse des Volks sehr unbedeutend; sie fanden hier ebenso spärlichen Eingang wie die guten Früchte der griechischen Bildung überhaupt, während deren nachteilige Folgen längst auch sie ergriffen hatten. An dem Urteile des Cato oder soll man es ein Vorurteil nennen? festhaltend hegte man, wie gegen die Griechen selbst, so auch gegen die in der Form ihnen nacheifernde Litteratur ein so grofses Mistrauen, dafs z. B. Lucullus, um populär zu bleiben, in seinen griechisch geschriebenen historischen Büchern absichtlich grobe Sprachverstöfse beging. Und wenn auch diese Abneigung allmählich abnahm und die eingewanderte Bildung immer tiefer nach unten drang, so mochte doch Sallust, welcher wünschen musste gerade in diesem Kreise auf die Gebildeteren zu wirken, es mit Recht nicht für überflüssig halten in seinen Prooemien die Nützlichkeit und Vortrefflichkeit dieser Bestrebungen teils der rein praktischen Thätigkeit, teils dem geisttötenden Materialismus gegenüber hervorzuheben.

Kurz vor der Herausgabe seiner Schriften waren die Kommentare Cäsars, das erste geschichtliche Werk der Römer von

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