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s ist eigentlich unhöflich, an einem Tage des holdesten Wahnes, wie es ein Hochzeitsfest ist, von falschen Dingen zu reden: allein haben wir, mein vortrefflicher Freund Pietro Fedele und ich selbst, nicht unser Leben lang uns mit solchen Sachen abgegeben? Ist es am Ende nicht nur der Wissenschaft, sondern auch des Lebens überhaupt letzte Aufgabe, durch das Gestrüpp der Fälschungen zur Wahrheit vorzudringen? Sollten gerade junge Eheleute nicht täglich sich dessen bewusst sein?

Die Jaffé-Loewenfeldschen Regesten verzeichnen unter Nr. 6555 und 6556 zwei Urkunden Paschals II vom gleichen. Jahr und Tag, nämlich vom 20 April 1117, mit demselben Incipit « Divinis praeceptis » und mit merkwürdig verwandtem Inhalt, indem in der einen der Propst Antonius, in der andern der Abt Amicus als jüngst kreierte Kardinäle der römischen Kirche bezeichnet werden; auch sollen beide Klöster, das eine, S. Pietro in Valle Tritana, das andere, S. Salvatore delle Castelle, von Paschal II selbst geweiht worden sein. Das ist wohl auch der Grund

gewesen, der Loewenfelds Mistrauen hervorgerufen hat. Von JL.6555 urteilt er «Nec vitiis nec lacunis caret », von JL. 6556 « Aut falsa bulla aut interpolata ». Aber dass zwischen beiden ein Zusammenhang besteht, hat er nicht bemerkt.

Beginnen wir mit dem Privileg für S. Pietro all' Oratorio oder in Valle Tritana (JL.6555).

Diese Urkunde kannte bereits Ughelli. Er zitierte sie in der Italia sacra2 IX, 506 (exemplar apud me) (1). Danach registrierte sie Jaffé in der ersten Auflage der Regesta Pontificum Romanorum unter Nr. 4811. Neuerdings gab sie J. v. PFLUGK- HARTTUNG (Acta, II, 216, n. 260) aus dem Cod. Vat. lat. 7157 heraus. Aber er irrte nicht nur, indem er das Kloster nach Calabrien in die Diözese Isola verlegte, sondern er wählte auch die allerschlechteste Abschrift. Der Text im Cod. Vat. lat. 7157 f. 69 (vgl. Gött. Nachr. 1903, S. 21) ist eine Kopie des 18. Jahrhunderts aus dem grossen Sammelwerk des Abtes CORNELIUS MARGARINI, t. III, f. 70, das unter dem Titel Thesaurus historicus sacrae et politicae veritatis im Vatikanischen Archiv Arm. LIV, t. 1-13 aufbewahrt wird (vgl. Gött. Nachr. 1900, S. 377). Aber auch Margarini's Text ist unbrauchbar; es fehlt dort eine ganze Seite und damit die halbe Urkunde von « fuisse confirmata. «Praeterea quaecumque » bis « Cunctis autem eidem mo<< nasterio iusta ».

Margarini's Quelle war eine vom Abt Wilhelm von S. Vincenzo beglaubigte Kopie vom 15 September 1360. Sie kannte auch Ughelli, der sie in seiner Sammlung Privilegia ms. pontificum et imperatorum, jetzt Cod.Vat. Barb. 3214 (XL, 11, olim 3632; vgl. Gött. Nachr. 1903, S. 94), vollständiger kopierte. Sie befand sich damals im Archiv von SS. Vincenzo ed Anastasio ad Aquas Salvias bei Rom, dessen

(1) Ebenso CIACCONIUS, Vitae pontif. I, 914.

Urkunden leider zum grössten Teil verloren gegangen sind (vgl. Italia pontificia, I, 171 sq.). Aus Ughelli's handschriftlichem Nachlass gebe ich (unter Nr. II) den vollständigen Text der Urkunde.

Sie ist gerichtet an den Propst Antonius des Klosters S. Petri iuxta fluuium Tritanum in comitatu Valuensi und bestätigt dem von seinen Vorgängern Gerard und Benedikt wiederhergestellten und von ihm, Paschal II selbst, geweihten Kloster die Abhängigkeit, nicht von dem h. Stuhle, wie man annehmen sollte, sondern von dem Kloster S. Vincenzo. Ferner bestätigt sie dem vom Papste zum Kardinalpriester konsekrierten Propst Antonius alle Dependenzen in Valle Tritensi, im (Territorium von) Penne, in den Grafschaften Aquila und Valva, das Recht der Abtswahl, die freie Wahl eines katholischen Bischofs für die bischöflichen Funktionen, verbietet den Bischöfen, den Propst oder einen Mönch oder Priester des Klosters zur Synode zu zitieren oder zu exkommunizieren; die Messe dürfen sie im Kloster nur auf Einladung des Propstes zelebrieren. Die Mönche sollen das Vorrecht haben, die kanonischen Stunden sowohl am Tage wie bei Nacht anzuzeigen. Ausserdem verleiht der Papst zu Ehren des Apostels Petrus, dessen Reliquien er selbst im Kloster deponiert habe, dem Propste das Recht, die Mitra, den Ring, die Sandalen und den Bischofsstab an den grossen Feiertagen bei der Messe und auf dem Konzil zu tragen.

Wer mit den gewöhnlichen Hülfsmitteln der Diplomatik an diese Urkunde herangeht, wird zunächst durch die Richtigkeit der Formeln zu einem günstigen Urteil verführt werden. Das Protokoll ist in tadelloser Ordnung; die Superscriptio sowohl wie die Unterschriften und die Datierung bieten, wenn man von den kleinen Defekten der Kopie absieht, nicht die geringste Blösse. Auch der Kontext selbst ist im Grossen und Ganzen korrekt. Die Arenga und die

einzelnen Formeln der Narratio, der Dispositio und der Sanctio könnten nicht besser sein.

Sieht man indessen näher zu, so stösst man auf sehr merkwürdige, ja unmögliche Dinge. Das Kloster S. Pietro war eine alte Dependenz von S. Vincenzo: unter dem Namen « S. Petri in loco Trite territorio Balbense» finden wir es bereits in den alten Diplomen und Privilegien des Vulturnusklosters. Dass dieses abhängige Kloster ein so grosses und umfassendes Privileg erhalten haben soll, muss an sich schon Wunder nehmen. Gleich im Anfang ist desshalb, wie schon bemerkt, die alte Formel « soli semper sedi apo<< stolicae subditum sub eius perpetua protectione seruetur >> geändert worden in « semper subiectum monasterio sancti <«< Vincentii » etc. Dass der Propst Antonius dieses abhängigen Klosters gar zum Kardinalpriester der römischen Kirche erhoben wird, ist gegen alle Ordnung. Dann werden die Besitzungen bestätigt, darunter auch die «< in comitatu Aqui<«< lae », was doch eine starke chronologische Antizipation ist. Das Kloster erhält auch das freie Wahlrecht seines Abtes, während an seiner Spitze doch nur ein von S. Vincenzo abhängiger, also auch von dessen Abt einzusetzender Propst stand. Genug, alle diese Bestimmungen kollidieren mit einander, und vergeblich hat sie der Diktator mit der Bestimmung auszugleichen versucht, dass das Kloster mit allem Zubehör «libere et quiete sub sedis apostolicae protectione <«<et sancti Vincentii seruetur». Man kann nicht zugleich unabhängig und unterworfen sein. Wird da nicht auch die Erzählung von der Weihe des Klosters durch Paschal II und von der Deposition von Reliquien des Apostelfürsten die stärksten Bedenken erregen? Und ist endlich die Verleihung von Mitra, Ring, Sandalen und Inful an einen abhängigen Propst nicht eine innere Unmöglichkeit?

Erwägt man alle diese Momente, so drängt sich fast von selbst die Einsicht auf, dass ein echtes Privileg Paschals II

vorgelegen hat, dessen in allem Formelhaften untadeliger Wortlaut sowohl zu Gunsten des Petersklosters wie des Vulturnusklosters verfälscht ist. Denn die ausdrückliche Erwähnung der Abhängigkeit von S. Vincenzo schliesst aus, dass die Fälschung sich gegen dieses richtete, wie ja auch die Kopie von 1360 von dem Abte von S. Vincenzo selbst beglaubigt war. Wie aber das echte Privileg lautete und vor allem für wen es ausgestellt war, das habe ich vergebens zu erraten versucht. Ein glücklicher Fund erst hat mir den Schlüssel zu diesem Rätsel verschafft.

Dieser merkwürdige Fall wird aber noch merkwürdiger durch die Verwandtschaft unsrer Fälschung mit der, wie wir sehen werden, gleichfalls gefälschten Urkunde Paschals II JL.6556.

Diese Urkunde ist uns nur bekannt durch D. Matthaeus LAURETUS. Ueber seine Persönlichkeit und über seine Schriften berichtet GATTULA, Hist. abb. Cassin., p. 750.769. Mönch von S. Maria in Monserrato in Catalonien, empfing er vom Marchese della Valle Siciliana die Abtei S. Salvatore delle Castelle, zog sich dann nach Monte Cassino zurück und starb 1622 in S. Liberatore al Monte Majella. Der damalige Abt von Monte Cassino, D. Bernardinus, rühmt ihn in der Vorrede zu seinem Buch De vera existentia corporis S. Benedicti in sacro Cassino als « Vir iustus, simplex et rectus <«<et in sua conversatione semper pius, devotus et religio<< sus». Angelo de Noce war, wie wir noch hören werden, allerdings ganz anderer Meinung.

Dieser Spanier gab 1616 die Chronik von Monte Cassino heraus unter dem Titel Chronicon antiquum sacri monasterii Cassinensis, olim a LEONE cardinali et episcopo OSTIENSI conscriptum, nunc vero a Rev. P. D. MATTHAEO LAURETO Hispano Cassinensi monacho et abbate s. Salvatoris de Castellis recognitum et pristinae integritati restitutum ac pluribus adnotationibus illustratum et auctum, Neapoli 1616. Unter diesen

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