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nern Kämpfe Griechenlands und hören erst mit dem Untergang seiner politischen Unabhängigkeit auf. Ich behaupte nichts neues, wenn ich auf die Aehnlichkeit dieser Zerrüttungskämpfe mit den internationalen Kämpfen Deutschlands, wie sie seit der Reformation geführt worden und vielleicht wieder im Schoosse der nahen Zukunft liegen, hinweise. Nur an den Buchstaben darf man sich bei solch comparativer Geschichtsbetrachtung nicht anklammern, sondern man muss den Geist und das Wesen von dem Stoflichen, Chronologischen, dem Detail überhaupt zu trennen wissen. Man hat namentlich den dreissigjährigen Krieg mit dem peloponnesischen verglichen. Nicht ganz mit Unrecht, doch fehlte dem letztern das mitbewegende Motiv des erstern, die Gewalt der religiösen Trennung, die in der griechischen Geschichte niemals ein Grund politischer Kämpfe wurde und nicht werden konnte, weil das antike Heidenthum unmöglich die ganze Persönlichkeit des Einzelnen oder die Individualität der Nation mit solcher Allgewalt wie das Christenthum erfassen konnte. Uebrigens waren auch in den seitherigen deutschen Kämpfen die Gegensätze der beiden Hauptmächte noch nicht so scharf entwickelt, so schroff auf die Spitze getrieben wie zur Zeit des peloponnesischen Kriegs, wo die Unverträglichkeit der dualistischen Richtungen und Bestrebungen Athens und Spartas auf einen Punkt gediehen war, wo alle Verhältnisse nach einer Entscheidung verlangten. Vielleicht ist es uns Deutschen noch vorbehalten, ganz analoge Schicksale zu erleben! Hier wie dort zieht der innere Zwist die Einmischung

derselben Fremden herbei, die man kurz vorher noch als Todfeinde gemeinschaftlich bekämpft hatte und die ihrer Lage wie ihren offenbaren Intentionen nach in der That als solche gelten musten. Hier wie dort dient die Feindschaft und gegenseitige Erbitterung der Stände und Classen der Bevölkerung in den einzelnen Staaten dazu, die Kluft nach aussen zu erweitern, den Ausbruch der Kämpfe zu beschleunigen. Nur in Deutschland, wie gesagt, alle Verhältnisse verwickelter, schwieriger, in Hellas einfach und klar! Aber gerade diese grössere Einfachheit zeigt alles schärfer, bestimmter und macht die Erfahrung lehrreicher, einleuchtender. Nachdem in Griechenland die innern Zwiste nach Beendigung des peloponnesischen Kriegs noch ein halbes Jahrhundert fortgedauert und das Volk auf das tiefste demoralisiert, den Sinn für das Ganze, für die gemeinsamen Interessen abgestumpft und zerstört hatten: da sprach der auswärtige Feind, der Makedonier, das Todesurtheil über die sittlich schon erstorbne Nation aus. Nichts lehrreicher als die Politik Philipps von Makedonien, wie wir sie auf das lebendigste und gegenwärtigste aus den Demosthenischen Reden kennen lernen. Man sieht mit innerm Bangen und Grauen Schritt für Schritt das Verderben herannahn, die Tragoedie sich entwickeln, man ahnt und kennt das Ende schon bei der Betrachtung des Verlaufs, und auf ein tieferes Gefühl muss es einen tragischen Eindruck machen, wie alle Gegenstrebungen der wenigen edlen Männer, die wie Demosthenes inmitten der sittlichen Verkommenheit die althellenische Tugend und Energie

bewahrt haben, nicht im Stande sind, den König daran zu hindern, dass er sich wie ein Geier auf seine fast wehrlose Beute stürze. Wol namentlich im Hinblick auf diese Ereignisse hat Niebuhr das obige Wort gesprochen. Ob er dabei an Frankreich als den gefährlichsten und dem Makedonierkönig ähnlichsten Gegner der deutschen Freiheit dachte ich weiss es

nicht. Unsre Vergangenheit zeigt Analogien genug auch für diesen Vergleich. Indes ist es wahrscheinlicher und wol auch begründet, dass er Russland im Auge hatte. Und verfolgen wir die Entwicklung dieser Macht seit ihrem ersten Auftreten auf dem Feld der Universalgeschichte bis in die Gegenwart, die Art ihrer politischen Propaganda nach Westen hin und die Mittel, deren sie sich dabei bediente, so finden sich unverkennbare Vergleichungspunkte mit dem fortschreitenden Einfluss des Makedoniers. Und der politische Einfluss geht hier wie dort den reellen Gebietserweiterungen und Eroberungen voraus. Wie Philipp zuerst Thessalien, die wenn auch nicht gerade schützende Vormauer des eigentlichen Hellas, durch List und Gewalt sich unterwarf, eh er den südlichern Ländern näher rückte, so war für Russland das ebenfalls (wie Thessalien) durch aristokratische Anarchie zerrüttete Polen zu überwinden, eh es directer auf den germanischen Westen einwirken konnte. Wer die Geschichte namentlich der zweiten Theilung Polens genauer kennt, der wird darin nur ein erweitertes Bild der makedonischen Politik gegenüber Thessalien und Griechenland wiederfinden. Was die Gegenwart über diese Fragen lehrt

und zeigt, ist jedem bekannt; was die Zukunft birgt, können wir höchstens ahnen und aus dem Anfang auf das Ende zu schliessen suchen. Aber wie auch die am Horizont drohende Wolke sich entladen möge, ein Unterschied liegt darin, dass Griechenlands gesetzliche Verfassung die Demokratie war, die, ein Zeichen ihres innern Verfalls, in eine ausländische Monarchie übergieng, während in Deutschland die ewige Wahrheit der Monarchie lebt, die trotz vorübergehender Entstellungen stets einer Zurückführung auf ihr Urbild fähig ist; ein anderer und grösserer darin, dass das deutsche Volk der Gegenwart seiner ethischen Natur nach nicht dasselbe ist wie das griechische vor dem Tag von Chaeronea, dass die ihm inwohnende sittliche Kraft und die daraus quellende Widerstandsfähigkeit im Bunde mit religiöser Erhebung ungleich grösser und nachhaltiger ist.

Aber trotzdem liegt in den besprochnen Vorgängen der griechischen Geschichte ein Spiegel auch für uns, der uns gleichsam wie typisch die Physiognomie unsrer einstigen Gefahren und Schicksale wiederstrahlt. Aus dieser Gleichartigkeit aber erklärt es sich schon, dass dem Deutschen das Verständnis der griechischen Geschichte leichter ist und näher liegt als irgend einem Volke des jetzigen Europa, eben weil es nicht blosses objectiv - historisches Interesse sein kann, das ihn in jene Gegenden und Zeiten hinführt, sondern ein innerer Zug und Antheil des Herzens, eine gewisse Sympathie für das so vielfach gleichgeartete und gleichgeführte Volk. Ist es doch etwas ähnliches, was uns das leb

hafte Interesse für die Italiener, zum Theil ein ähnliches, was manchem Deutschen die Theilnahme für Polen einflösst, ein Vorgefühl, Gott wolle ein ungegründetes, eigner gleicher Bestimmung. Ja, Griechenland ist das Deutschland des Alterthums.

XV.

Und doch ist das nur der Rahmen gleichsam oder die äusseren Contouren sind es, in welchen sich das Leben beider Völker und ihrer Geschichte bewegt, wenn auch ähnliche Schicksale immerhin wieder auf eine Aehnlichkeit auch des Naturells schliessen lassen und äussere politische Ereignisse nur die Kehrseite innerer Bewegungen zeigen. Um aber vollständig den Parallelismus Deutschlands und Griechenlands zu erfassen, müsten wir auch die reingeistigen Aeusserungen in Literatur, Kunst, Wissenschaft näher beleuchten und mit den unsrigen vergleichen. Denn tiefer freilich und reiner spricht sich das Eigenthümliche und Gleichartige wie zweier Individuen so zweier Nationen in dem geheimen Getriebe dieser innersten Zeugnisse des Geistes und Herzens aus, wenngleich neben der Einheit auch die Verschiedenheiten in solchen Zeugnissen, eben weil sie die individuellste Färbung tragen, am schnellsten und stärksten hervortreten. Aber so gewis es ist, dass auch diese Seite zu unsrer vorliegenden Aufgabe gehört, so wenig würde man derselben in

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