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allgemeinen Umrissen genügen können. Wir müssen deshalb fürs erste darauf verzichten, hier den aprioristischen Beweis für die Verwandtschaft der griechischen und deutschen Geistesbildung zu liefern, und uns darauf beschränken, auf die oben berührte Congenialität der idealen Natur beider Völker zu verweisen. Denn ist eine solche wirklich vorhanden, so können auch ihre Wirkungen nicht ohne eine gewisse Gemeinschaft sein. Wir haben aber schon oben darauf hingewiesen, dass man sich bei einem Vergleich den tiefen Einfluss des Christenthums und den Unterschied der transcendentalen Natur der Deutschen und der plastischen der Hellenen möglichst wegdenken oder vielmehr die Zeiten und Erscheinungen vorzüglich ins Auge fassen müsse, in denen das Trennende in dem Charakter der beiden Nationen weniger fest und historisch ausgeprägt hervortritt. Also die weltliche Seite der Bildung müste man allein berücksichtigen und dann die Form, die individuelle Art der Behandlung von dem Gehalt abzuziehn versuchen. Dieser Gehalt nun an Ideen, Anschauungen, Traditionen, innern und äussern Erlebnissen, der als Gemeingut in der Nation lebt, ist an sich wenigstens für den Blick des geschichtlichen Beobachters nur eine chaotische und gestaltlose Masse und gewinnt erst dadurch, dass er kraft der vermittelnden Thätigkeit des persönlichen Geistes, des Autors, sich im Moment des Schaffens concentriert, eine einheitliche und in sichtbaren Formen sich bewegende Gestalt. Nun fragt es sich, in welche Zeit dieser literarische Process, wo hohe Geister das 'in

schwankender Erscheinung Schwebende' mit 'dauernden Gedanken' befestigen, falle.

Jede nationale Bildung erreicht wenigstens einmal im Lauf ihrer Entwicklung, während einer länger oder kürzer dauernden Periode, die Höhe und den Gipfel ihrer Eigenthümlichkeit, den Punkt also, auf welchem sie ganz naturgemäss am weitesten von der Cultur und dem Charakter aller übrigen Nationen absteht. In einer solchen Epoche trägt das Gesamtleben des Volks einen organischen Charakter, d. h. keine Seite seines geistigen oder sittlichen Verhaltens überwiegt wesentlich die andere, so dass diese darunter leiden würde, sondern alle greifen ineinander in gegenseitiger Wechselwirkung und harmonischer Gliederung. In solchen seltnen Zei-, ten, den eigentlich 'goldnen Zeitaltern' der Geschichte, die jedes Culturvolk nach dem Maass seiner Kräfte und seines Berufs einmal erlebt, hat auch die Persönlichkeit des Autors eine andere Bedeutung. Ihre Grösse besteht dann nicht sowol darin, dass sie über die Gegenwart hinausragt und, wie Platen von Shakspeare sagt, in sich eine grössere Welt als ausser sich' erzeugt, als vielmehr in der Reinheit und Schönheit, in welcher sie ein Ausdruck und Spiegel des Wesens der Zeit zu werden vermag. Eine solche Zeit war für Athen die Periode zwischen den Perserkriegen und dem peloponnesischen, und die literarischen Erscheinungen derselben geben aus den angeführten Gründen dem modernen und deutschen Menschen weit mehr ein erhabnes und erhebendes Schauspiel geschichtlicher Grösse, als dass sie so tief an sein Inneres anklängen und das

Gefühl geistiger Verwandtschaft in ihm erweckten. Denn es war dies die Zeit, wo sich das was man antik nennt, vollkommen darstellte, also die Entwicklung, die gegen das Christliche und Moderne den grössten Gegensatz bildet. Man frage sich bei der Lectüre der Sophokleischen Dramen aufrichtig, ob man den Grad oder auch nur einen annähernd hohen Grad von Wärme und Mitgefühl, von hingegebner Theilnahme empfindet, wie wenn man ein Shakspearsches oder Goethesches Stück liest. Mag das auch in andern Gründen liegen, der angegebne wirkt ohne Frage mit.

Dagegen die literarischen Producte derjenigen Zeiten, die vor oder hinter den bezeichneten Stadien liegen, wo ein Gehalt volksthümlicher Bildung vorhanden, aber entweder noch nicht in der plastischen Weise ausgeprägt oder schon von der streng nationalen Richtung abgewichen ist, die Producte dieser Art sind es, welche die Sympathie des deutschen Geistes und Gemüts hervorrufen und ihr fortdauernde Nahrung geben. Ich meine aus der Zeit des Durchbruchs zur Nationalität die Homerische Dichtung, aus der Periode des Bruchs derselben Aristophanes, Plato u. s. w. Wie viele Vergleichungspunkte bietet namentlich die Entwicklungsgeschichte der hellenischen Speculation mit der deutschen dar! Die Sophistik von Sokrates überwunden, aus dessen Schule Plato als der Herscher im Reiche des griechischen Geistes hervorgieng, um dann von dem universalen Statigiriten absorbiert zu werden. innert diese Reihe nicht schlagend an die deutsche Speculation seit Kant, Schelling, Hegel?

Er

Mit diesen Betrachtungen schliessen wir die Beweisführung, dass die Antike und zunächst das griechische Alterthum noch fortwährend ein Recht und einen innern Anspruch auf die Rücksichtnahme der deutschen Bildung hat. Es war dies nach der obigen Uebersicht das erste Mittel zur Wiederbelebung der classischen Studien, das theoretische. Dasselbe konnte an dieser Stelle nur kurz und allgemein behandelt werden, möge es nur eine Wahrheit aussprechen!

Wenden wir uns sodann zu dem zweiten, dem praktischen, d. h. zu dem Inbegrif derjenigen Hilfsmittel, die eine Reform jener verfallenen oder verfallenden Studien bewirken können.

XVI.

Um eine solche zu bewirken, um die kranken Theile zu Gesundheit und neuem Leben zu führen, ist es natürlich nothwendig, die verschiednen Organe, durch welche das classische Alterthum mit dem Geist und Bewustsein der Gegenwart vermittelt wird, zu reinigen und umzubilden. Diese Organe sind aber in natürlicher Stufenfolge die Schule, die Universität, die Wissenschaft. Da wir hier nach unsrer obigen Erklärung vorzugsweise die Stellung der letztern im Auge haben, so berühren wir die beiden erstern nur, um kein Glied ganz zu übergehn. Hängen doch alle so eng zusammen, dass die Gestaltung jedes ein

zelnen durch den Standpunkt der beiden andern bedingt ist.

Die gelehrte Schule befindet sich gegenwärtig in einem schwankenden Zustand. Sie ist in ihrem Element, den classischen Studien, von mehrfacher Seite bedroht und angegriffen und kämpft diesen Angriffen gegenüber keineswegs nach einem einheitlichen Vertheidigungsplan. Die meisten Schulmänner glauben noch immer, in einer quantitativen Nachgiebigkeit werde man sich mit den Forderungen und Bedürfnissen der Zeit in Einklang setzen, ohne den Zweck der gelehrten Schule dadurch zu gefährden; die wenigsten sind davon durchdrungen, dass nur in einer qualitativen Umgestaltung das Heil der Schule und das Ziel höherer Bildung gewahrt werden kann. Aber diese Wahrheit wird täglich weiter um sich greifen, die Principien werden geschärft und befestigt, die Praxis wird danach umgebildet und geläutert werden. Man wird der Jugend die Schätze nicht rauben wollen, auf die sie nach unverrückbarem Gesetze und der Ordnung Gottes selbst ein heiliges Recht hat, man wird sie auch fortan auf dem Bildungsweg, den die Weltgeschichte gegangen ist, von dem göttlichen Wort und der Antike aus zu dem Irrgarten der Gegenwart führen, wenn nur durch die Weise der Auffassung und Behandlung wirklich der erstrebte Zweck erreichbar ist und erreicht wird. Da sind es denn zwei Grundsätze, die sich in den gesunden Kreisen der heutigen Paedagogik immer weiter Bahn brechen, welche man als Ausgangspunkte auch zu einer Regeneration der classischen Studien auf ge

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