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In der Bewegung der politischen Doctrinen erkennen wir dasselbe unheimliche Schauspiel. Von den Einzelheiten im Staatsleben geht der Gegensatz zu dem Angrif auf eine bestehende Staatsform über und bleibt zuletzt bei dem Kampf gegen den Begrif Staat überhaupt, bei dem nakten Individualismus, der atomistischen Auflösung des allgemeinen in das Einzelleben stehn. Bei diesem Punkt angekommen hat der von Gott und Welt losgelöste und verlassne Geist seinen Prozess vollzogen und kann in den Urzustand, der vor aller Geschichte liegt, zurückkehren.

Also ein Streben zum Tiefern und Allgemeinern finden wir in dieser Zeitrichtung.

1st dies aber einmal ein Zug der Zeit, so ist es gut und nothwendig, ihm auf seiner Spur in die letzten Consequenzen und Schlupfwinkel zu folgen. Finden wir bei dieser Methode auch keine positive Heilung, die aus tiefer liegenden Quellen fliessen muss, so tritt doch vielleicht das Unhaltbare und Heillose der absoluten Kritik auch dem blöden Auge entgegen. auch das ist ein Gewinn.

Und

Es ist uns indes zum guten Theil durch die Zeitverhältnisse der letzten Revolutionsjahre erspart worden, a priori zu zeigen, wohin diese und jene Theorie führe, wo das praktische Ende des ideellen Anfangs liege. Wer sich nicht hartnäckig und von Vorurtheilen geblendet dem Eindruck von Thatsachen verschliessen will, der lasse sich von ihnen belehren, an welchem Punkte diese extreme Bewegung stehn bleiben muss. Er wird aber auch erkennen, dass durch die revolutionäre Be

wegung der letzten Jahre nur eine ideelle Bewegung, die lange vorher sich vorbereitet und entwickelt hatte, zu praktischer Bethätigung und Verwirklichung gelangt ist; dass, was Jahre lang in langsamer stiller Bildung oder in dumpfer Gährung die Gemüter und Geister vieler Tausende ergriffen hatte, in den Jahren 1848 und 1849 nur zum Ausbruch kam.

Aber wie jene Revolution der Geister nicht bei dem Kampf gegen einzelne Erscheinungen stehn blieb, sondern alle Schöpfungen der langsam schaffenden und reifenden Geschichte antastete, so beschränkte sich auch die praktische Revolution der letzten Jahre nicht auf die einzelnen Schäden, von denen sie ausgieng, sondern erfasste alles was ihr in den Weg trat, und suchte es unaufhaltsam in ihren Abgrund hinabzuziehn. Denn wenn irgend etwas den unauflöslichen Zusammenhang alles Lebens darthun kann, so ist es die Erfahrung, dass eine beginnende Umwälzung sich fast gleichzeitig gegen alles Bestehende wendet und mit steigender Energie es zu erschüttern sucht.

Unter die stark angegrifnen Punkte, die früher nie angezweifelt, kaum in ihrem Werth oder Unwerth untersucht worden waren, gehört auch die Frage über die Bedeutung der classischen Bildung für unsre Zeit.

Unsre Vorfahren, soweit sie zu einer höhern Bildung bestimmt waren, umfieng von frühster Jugend auf das Element des classischen Alterthums: an der Wiege des erwachenden und erstarkenden Geistes klangen ihnen die Töne von Hellas und Rom, das Mannesalter,

in andern Thätigkeiten sich bewegend, fühlte sich wenigstens in der Erinnerung an die Eindrücke der Jugend glücklich und erkannte dankbar das Verdienst und den Einfluss jener Bildungsmittel an; wie wäre man je zur Reflexion über die altgewohnte bewährte Sitte gekommen? Das ist anders geworden. Jedermann weiss, dass das classische Alterthum und sein lange festgehaltner Einfluss auf unser heutiges Denken und Leben wie auch die praktischen Organe desselben in Schulen, Universitäten und Akademien Gegenstände der heftigsten Angriffe vor und während der letzten Revolution geworden, dass sie tief in die Kämpfe der Zeit verflochten sind, dass man immer weiter und weiter gegangen ist und dass der vielgestaltige Radicalismus die Reste der Bildungseinflüsse des classischen Alterthums aus Geist und Herz des jetzigen Geschlechts auszurotten gestrebt, dass er die Schulen, deren Grundlage jene Beschäftigungen bilden, auf das erbittertste angegriffen hat. Ja nicht genug, dass das draussen stehende Publicum und seine Vertreter auf Versamlungen, in Zeitungen und der sonstigen ephemeren Literatur laut und entschieden die schleunigste Abschaffung der griechisch-römischen Studien verlangten: sogar einzelne gelehrte Schulen und Lehrer verzweifelten selbst, fortgerissen von jenem Strom der öffentlichen Meinung, an dem Werth und Segen dessen, was sie Jahre lang mit Eifer betrieben hatten, worin sie den Beruf und den Gipfel ihres Lebens erkannt haben musten ein demütigender Beweis für die alte Erfahrung, ein wie schwankendes Rohr das Menschenherz ist und wie selbst die Ueberzeugungen,

die am tiefsten im Bewustsein wurzeln sollten, sobald sie der Stütze der Meinungen und Neigungen des Tages entbehren und isoliert dastehn, so gar leicht wanken und weichen und niederfallen.

Doch die eigentliche Revolution der letzten Jahre hatte weniger Zeit, sich mit einer damals ziemlich untergeordneten Frage zu beschäftigen; sie war deshalb in jener Zeit mehr denjenigen, die zunächst davon berührt wurden, den Lehrern auf Schule und Universität überlassen. Dagegen gehörte sie zu den eigentlichen Vorfragen der Revolution und ist als solche in den Jahren vor 1848 nach allen Richtungen hin, doch vorzüglich in Bezug auf die Paedagogik vielfach behandelt worden. Denn eine im Bewustsein der Menschen sich vorbereitende Revolution wird immer, von einem sichern Instinct geleitet, vor allem auch die Jugendbildung in den Kreis ihrer kritischen Betrachtungen und Angriffe ziehn. So wird sich noch mancher mit Lust oder Unlust der Masse von Broschüren und Zeitschriftenartikeln über die Modification der gelehrten Schulen und die einschlagenden Details erinnern, die namentlich seit 1840 aus allen Gegenden Deutschlands hervorgiengen. Aber auch jetzt, nachdem die einseitige Theilnahme an Staat und Politik, die in den Jahren 1848 und 1849 alle übrigen Interessen unterdrückt hatte, aufgehört und die verschiednen Seiten des öffentlichen Lebens wieder ihre natürliche Stelle eingenommen haben, scheint sich der reiche Austausch von Ideen und praktischen Vorschlägen über jene Lebensfrage unsrer Jugendbildung wiederholen zu wollen.

Weniger dagegen wird die allgemeinere Frage über die Bedeutung, die das classische Alterthum überhaupt für unsre Gegenwart habe, besprochen, obwol die paedagogische zum grossen Theil nur ein untergeordnetes Glied von ihr ist. Denn hat die Antike aufgehört, dem gegenwärtigen Geschlecht überhaupt ein lebendiges Bildungselement zuzuführen, hat sie ihre geschichtliche Mission für die moderne Welt erfüllt, und fehlt ihr demnach der Boden im Leben der Gebildeten, so muss sie selbstverständlich auch der Jugend fern und fremd bleiben. Denn die Jugend soll zur Theilnahme an dem erzogen werden, was das Volk im Ganzen bewegt, dort soll die Stätte ihres künftigen Lebens und Wirkens sein, sie muss also in den Besitz derjenigen Mittel und Kräfte gesetzt werden, die sie zu jenem Berufe befähigen, dagegen mit Dingen verschont bleiben, die zwischen der heranwachsenden Generation und derjenigen, in der jene Vorbild und Autorität verehren soll, Zwiespalt und Entfremdung setzen würden. Von der Vorfrage also, ob überhaupt noch das classische Alterthum mit seinen Traditionen Lebensfähigkeit in der Gegenwart hat, von dieser Vorfrage hängt die zweite, die wir hier nur nebenbei berücksichtigen, zum guten Theil ab, ob nemlich die Jugend noch mit griechischer und römischer Geistesnahrung genährt werden soll. Bejahen wir aber auch die Vorfrage, so ist damit doch durchaus noch nicht die jetzige Gestalt und Verfassung der Philologie, die gegenwärtige Beschäftigungsart mit dem classischen Alterthum gebilligt, sondern wir können im Gegentheil in den Fall

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