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mittelalterlichen Poesie erfüllt, er geht vielmehr von dem allgemein historischen und wissenschaftlichen Interesse, mit dem er dem Bildungsgang der Völker folgt, in seinem Werk aus, und der Geist, der darin weht und die Auffassung des Einzelnen beherscht, ist daher wesentlich ein kritischer. Mit einer wahren

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Hast und Ungeduld eilt er aus dem eingeschränkten düstern Pfaffenschauplatz des medii aevi' - wie Goethe in dem Büchlein von deutscher Baukunst' unser Mittelalter betitelt in die freiern hellern Regionen der modernen sogenannten classischen Zeit und von diesen wieder in dem auch ausgesprochnen Gefühl seines eigentlichen Berufs zum Staat als dem Quell und Ziel seiner Geistesthätigkeit. Dadurch ist in manche Urtheile und Anschauungen des gross angelegten Werks ein Geist der Unduldsamkeit gekommen, der wol nicht immer aus dem Geist der Wahrheit stammen möchte.

So ist seine Arbeit gegenüber den Bestrebungen Grimms beides zugleich, ein Fortschritt und ein Rückschritt.

VI.

Verlassen wir diese letzten Ausläufer der Romantik, die bereits in eine ganz andre, theilweise entgegengesetzte Richtung umgeschlagen sind und deshalb neben vielen begeisterten und durch sie angeregten Nachfolgern auch manche Widersacher gefunden haben,

und wenden wir uns zu den Quellen der Romantik auf einen Augenblick zurück!

Es kam uns nur darauf an, den Umschwung zu bezeichnen, der schon in der Vorliebe und Hinneigung zu einem andern historischen Stof, ganz abgesehn von der Methode seiner Behandlung erkennbar ist. Oder ist es nicht ein bedeutsamer Wendepunkt in unsrer Culturgeschichte, wenn auf einmal, in dem Umlauf weniger Jahre, sich die Lieblingsbestrebungen der Gelehrten und Gebildeten der Nation von der lange angebeteten Antike zu den Quellen des eignen vaterländischen Lebens zurückwenden? Nicht, dass die classischen Studien aufgehört hätten, aber sie traten in der öffentlichen Meinung zurück und an ihre Stelle die germanischen. Wenn aber hervorragende Geister eines Volks und, von ihnen angeregt, die Mehrzahl der geistig und sittlich Strebenden auf einer solchen Rückkehr zur eignen Geschichte, zur Heimat ihrer Schicksale und ihrer Erinnerungen begriffen sind, so umfasst diese Selbstbesinnung auf das Princip und die Urgestalt der Volksthümlichkeit, eben weil sie aus dem all-einen Leben selbst entsprungen ist, stets alle Seiten des vergangnen Lebens. Was die deutsche Reformation für das Christenthum leistete, dass sie nemlich das religiöse Bewustsein von den irdisch - weltlichen Beimischungen der Jahrhunderte befreit und weit über Zeit und Raum hinaus zur Urquelle des Dogmas, der Bibel, und zu den Anfängen des kirchlichen Lebens, in das apostolische Zeitalter, zurückführte, dasselbe oder dem ähnliches regten jene Umstimmung des öffentlichen

Geistes und die ihr folgenden Zeitereignisse für die zugleich weltlichen Gebiete und Bildungen, für Staat, Literatur, Kunst, in den Herzen und Geistern an. Theorie und Praxis giengen damals Hand in Hand, wie zu allen Zeiten reges begeistertes Schaffens. Wie die Brüder Grimm mit Liebe altdeutsches Staats- und Rechtsleben, die mittelalterliche Literatur durchforschten, so bauten praktische Staatsmänner und Juristen im Sinn und Geist jenes altgermanischen Rechts- und Gemeinwesens, so dichteten Schenkendorf, Uhland u. a. in Weise und Ton der liederreichen Minnesänger. Und wie nichts Grosses in der Welt geschieht, ohne zuletzt zu dem Nerv und der Quelle des menschlichen Seins, zu seinem Verhältnis zu Gott, eine Beziehung zu suchen, so gab auch jenes Erwachen des Geistes unsrer Geschichte und seine erste Bethätigung im Befreiungskriege dem religiös - kirchlichen Leben eine neue und mächtige Anregung *). Es weiss jedermann, dass ich hier vorzüglich Schleiermacher, als den Vater des erneuten evangelischen Geistes, meine. Er stand aber, wenn auch seine ersten und tiefsten Jugendeindrücke aus andern Kreisen stammen, früh mitten in der Bewegung der romantischen Schule, war Freund der Schlegel und ihrer Genossen, deren schlimmste Auswüchse er sogar anerkannte; später aber ward er eine der Hauptstützen der patriotischen Ideen und des Auf

*) Alles Grosse, Alles, was in die Höhe und Tiefe führt, ist dem Religiösen verwandt, und geeignet, dasselbe lebendig wieder hervorzurufen.' Neander in der Deutschen Zeitschrift für christl. Wiss. 1850. S. 8.

schwungs der Befreiungskriege und diese, im Bund mit seiner wissenschaftlich ernsten Thätigkeit und dem Wiedererwachen jener Jugendeindrücke, reinigten sein Wesen von den Resten des Unechten und Kranken, das die Romantik neben dem vielen Hohen und Edlen fast jedem ihrer Theilnehmer mittheilte. Als nächsten und bedeutendsten Fortsetzer dieser Richtung nenne ich Neander, dessen Jugend (wie wir z. B. aus Chamissos, seines damaligen Freundes, Briefwechsel ersehn) ganz in der Romantik wurzelt, und der später Reformator (Plancks und Spittlers Werken gegenüber) in der Darstellung des geschichtlichen Lebens der Kirche geworden ist.

Soll ich endlich daran erinnern, welche neue Kräfte in die katholische Kirche durch die romantische Schule eingeführt worden sind?

Auch in der Kunst wer kennt nicht die Abwendung von der Antike zur deutschen und christlichen Richtung? nicht den erwachenden Sinn für die vaterländische Baukunst, den namentlich die Gebrüder Boisserée in jener Zeit mächtig förderten und der bald in der beginnenden Friedenszeit auch praktische Bethätigung suchte und fand?

Alles Aeusserungen eines Geistes, Aeste und Zweige von einem Stamm, aus einer Wurzel!

VII.

Sucht man eine gemeinschaftliche Bezeichnung, unter welcher sich alle jene Richtungen und Bestrebungen auf dem Gebiete der Wissenschaft begreifen lassen, so werden sie sich insgesamt in dem Namen der historischen Schule zusammenfinden. Sie betrachtet Staat, Kirche, Recht, Kunst, Wissenschaft nach ihrer zeitlich-weltlichen Erscheinung als Product geschichtlicher Entwicklung, in denen sich die wechselnden Generationen berühren und die Hände reichen. Das Werden der Dinge repraesentiert aber auf jeder Stufe, wo es Form gewonnen oder wo es der Betrachter fixiert, ein wirkliches Sein und dieses Sein, das Resultat des Werdens, entspricht zwar nicht immer seiner äussern Gestalt, wol aber der ihm innewohnen-den Idee und seinem wesentlichen Charakter nach den Gesetzen des menschlichen Geistes. Die Geschichtschreibung, die dieses Namens werth ist, wird von der wahren Philosophie nur in der Methode, die bei ihr synthetisch, bei dieser analytisch ist, abweichen. Je sicherer also die wahrhaft historische Lebensanschauung mit der speculativen übereinkommen wird, wenn letztere von dem menschlichen Bewustsein als einer Thatsache ausgeht und diese nach dem Reichthum ihrer Erscheinungen entwickelt, um so weiter werden sie sich voneinander entfernen, wenn die Speculation in trauriger Verkennung der Wirklich

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