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ZU DEN DEUTSCHEN DICHTUNGEN VON

TRISTAN UND ISOLDE.

I ANTIKRITISCHE BEMERKUNGEN ZUM TEXTE VON EILHARTS

TRISTRANT.

Nachdem einer kurzen erwiderung auf Bartschs abfällige beurteilung meines Eilharts im Litterarischen centralblatt 1878 nr 26 die aufnahme verweigert worden war, beschloss ich, eine erklärung und verteidigung meines textkritischen verfahrens zurückzuhalten, bis die seit nunmehr nahezu 20 jahren geplante Tristrantausgabe meines recensenten erscheinen würde. an diese, so meinte ich, würde die discussion um kritische methode oder unmethode am schicklichsten anknüpfen.

Die gründe, die mich veranlassen, nun doch noch vor diesem zeitpunct mein langes schweigen zu brechen, sind doppelter natur. einmal hat Bartsch gegen einige namhafte gelehrte, welche meine arbeit in schutz genommen haben, die gehässigsten vorwürfe geschleudert, wodurch ich mich verpflichtet fühle, nunmehr selbst in den kampf einzutreten, der, in heftigster weise über meinen kopf hinweg geführt, bis in die spalten dieser zeitschrift sich erstreckte. dann aber gelingt es mir vielleicht doch, meinen gegner von einigen groben irrtümern zu überzeugen, welche bei ihrer principiellen bedeutung auf seine edition des Eilhart den verderblichsten einfluss zu nehmen drohen.

In der angeführten recension hatte Bartsch meine ausgabe wegen unzuverlässigkeit des kritischen apparates und mangels an scharfsinn und kritischer methode für unbrauchbar erklärt. der umfangreichen einleitung spendete er lob, indem er von demselben ausdrücklich die abschnitte über sprache und metrik ausschloss. der gegen den variantenapparat erhobene vorwurf war begründet. eine durchsicht und nachvergleichung meiner abschriften und collationen ergab dass teils durch mangelhafte corZ. F. D. A. neue folge XIV.

1

rectur, teils durch mehrfaches nachbessern und umschreiben meines manuscriptes (welches insbesondere für den letzten teil durch das bekanntwerden der Berliner hs. notwendig wurde) sich eine beträchtliche menge von auslassungen und fehlern in die lesarten eingeschlichen hatte. die ergebnisse dieser nachvergleichung wurden auf einem besonderen blatte den besitzern von QF XIX gratis vom verleger nachgeliefert, worauf Strobl (Anz. v238) gütigst aufmerksam machte. in seiner Germania 23, 345 ff suchte B. später sein verdict eingehend zu begründen; ferner hat er seitdem zu widerholten malen seinem unwillen über meine arbeit in immer heftigeren ausdrücken luft gemacht, indem er schliesslich das buch, welchem er noch in seiner recension (der Germania) viele hübsche und feine bemerkungen sowie fleifsige allseitige durcharbeitung des materials nachrühmte, als eine elende 'pfuscherarbeit' bezeichnete. man erwarte von mir nicht dass ich in den ton dieser schimpfereien einstimme.

Tatsächlich hat Bartsch Germ. 25, 376 nach veröffentlichung meiner collation noch einige kleine versehen berichtigt, um mein sündenregister zu verlängern, auch die von mir nachgebesserten druck und schreibfehler noch einmal mit aufgezählt. 1 durch diese correctorentätigkeit würde mich B. zu danke verpflichtet haben, wäre sein tadel nicht in mehreren puncten ganz ungerechtfertigt. so, wenn er zu Eilh. 8180 bemerkt 'da L. Richtent schreibt, so muss man annehmen dass vnd in B fehlt': diese annahme ist doch für jeden (nicht böswilligen leser) durch das komma zwischen der lesart von B und H ausgeschlossen. die lesart von B zu 8279 ist jedermann deutlich, nur nicht hrn B.; 8302 bedarf es wahrlich keines scharfblickes, um zu erraten dass B vil für grôz schreibt. auch 8307 genügt meine angabe. über einige fälle, in denen ich glaube richtiger gelesen zu haben als B., ist natürlich ohne erneute einsicht der hs. eine entscheidung nicht zu treffen.

Ich möchte die leser nicht mit einer nachprüfung von Bartschs kritischer behandlung zweier stellen der Berliner hs. (aao. s. 367 ff) belästigen. nur darauf hinweisen will ich dass sich in diesen kleinen wenig umfangreichen stücken eine ganze anzahl falscher oder ungenauer angaben findet, freilich ebenfalls nur quisquilien ein verfahren, das von Scherer im allgemeinen scharf gekennzeichnet wurde.

wer

betreffend, um die es mir leid tut, die feder anzusetzen.1 aber den kritischen besen so eifrig vor fremder türe führt, der sollte doch erst die eigene schwelle rein fegen.

Wenn der äusserst lückenhaften, vielfach getrübten überlieferung von Eilharts Tristan nicht noch einmal neues handschriftliches material zuwächst, so werden wir einen im einzelnen sicher gegründeten text der alten dichtung wol niemals zu lesen bekommen. Bartsch freilich ist anderer ansicht; er hält auch heute noch, wiewol er meinem nachweis einer durchgreifenden überarbeitung des alten gedichtes X beipflichtet,2 an der in den Untersuchungen über das Nibelungenlied s. 61 geäulserten hoffnung fest, es werde fast überall der originale text Eilharts sich wider gewinnen lassen. wie B. aus abweichenden jüngeren recensionen einen alten text reconstruiert, indem er die ursprünglichen assonanzen ausspürt, aus mehreren jüngeren lesarten eine altertümliche zusammenstoppelt, wie er ins bodenlose hinein combiniert und rät, weils jeder, der einmal die genannten Nibelungenuntersuchungen, seine ausgaben der Gudrun (bez. die dazu gehörende abhandlung in der Germania 10), des Herzog Ernst usw. durchstudiert hat. dass der rührige gelehrte aber trotz dem miserfolg, den er an seinem in die ursprüngliche gestalt zurückübersetzten Albrecht von Halberstadt erleben muste, der durch das später gefundene Lübbensche bruchstück (Germ. 10, 238 ff) sich als kläglich verfehlt herausstellte, den mut nicht verloren hat, derartige unwissenschaftliche spielerei immer von neuem an den ehrwürdigen denkmälern des deutschen altertums zu üben, ist würklich zu verwundern. er kann sich so wenig in eine andere, echt - philologische, mehr conservative art der textbehandlung hineindenken, dass er aao. s. 345 für den Tristan den von mir eingeschlagenen mittleren weg der kritik und als ziel derselben die herstellung der gemeinsamen vorlage für DHB (X) zwar principiell als berechtigt anerkennt, wenige seiten weiter aber in der

1 als probe diene: z. 11. 12 vergisst Bartsch zu bemerken dass B so do, nicht sa: da schreibt; 44 ist würklich auch mit dem besten willen nicht zu erraten, welches und in der hs. fehlt. 47 liest B. karoes, ich karces (vgl. 13 karkes) usw.

2 von der er weder in den Untersuchungen über die Nib. s. 61, noch in der Germania (1868) 13, 218, noch auch, wie wir aus der chronologie schliefsen dürfen, in dem (laut Germ. 23, 360) im jahre 1861 constituierten texte eine ahnung hatte.

behandlung einzelner stellen sehr häufig das überspringen jener grenze, das hinübergreifen auf das gebiet haltloser hypothese geradezu fordert.

Die prosa hätte durchgreifender für die constituierung meines textes verwertet werden sollen: mit zuhilfenahme dieser quelle hätte ich dem originale näher kommen müssen. in diesen sätzen gipfeln die vorwürfe meines gegners. das einzige aber, was

er meines erachtens nach dieser seite mit recht hätte aussetzen dürfen, war die mangelhafte präcisierung der bedeutung von P für die kritik s. XLVI. allenfalls hätte ich auch mit den anmerkungen weniger sparsam sein und alle jene stellen hervorheben sollen, an denen P das echte bewahrend zu einer der jungen hss. stimmt, auch selbst in den fällen, wo aus diesen beiden quellen die ursprüngliche gestalt des gedichtes nicht mehr mit sicherheit zu erkennen oder auch nur zu vermuten war. vor allem muste B. meine beobachtungen über ein näheres verhältnis zwischen B und P (Zur kritik s. 15) zu entkräften suchen. ich kann nicht finden dass ihm dies gelungen ist. zu der ersten für diese annahme angeführten stelle bemerkt der Heidelberger kritiker aao. s. 350: 'wenn DH hier den echten text von X repräsentieren, wie kam dann B, die vermeintliche quelle von P, darauf, ein anderes wort dafür einzusetzen?' die antwort lautet: 1) wollte B (bez. dessen vorlage) den vers durch beseitigung des zweisilbigen auftactes glätten, den es auch sonst zu meiden scheint 1, 2) wollte es den ausdruck variieren: im was leit hatte es 2 verse vorher bei seiner erweiterung von X verwendet. dass aber riuwen in dem verlangten sinne im 15 jh. nicht mehr üblich war, kann nichts gegen meine auffassung be

1 aus Bartschs hergestelltem texte (Germ. 25, 367 ff) lässt sich dies freilich nicht ersehen: z. 21 ist mit einsilbigem auftacte zu lesen; z. 33 f mit 3:4 hebungen klingend; 43 bietet die hs. daz der künic und künigin; diu vor dem zweiten subst. setzt Bartsch unnötig ein: bei der engen formelhaften verbindung der beiden subst. wird man das fehlen des artikels vor künigin um so eher begreifen (Parz. 275, 18 schreiben dg der künec und küngîn in enpfienc. die anderen hss. setzen den art. diu ein); JGrimm bringt dafür Gramm. 4, 417 freilich nur ein mhd. beispiel aus dem Willehalm bei. dass auch hauptworte verschiedenen geschlechts in dieser weise verknüpft werden, lehren (aao.) die formeln: weder ors noch den man, oder bi Rine und bî der Elbe usw.; z. 54 ist überliefert wie getorst du an stelle der unaussprechbaren syncopierten form getorstst du, vgl. Eilh. A Ix 83 westu für weste diu, Jüdel 95 du richtest für du rihtet(e)st ua.

weisen, da Y, die grundlage von B, ja auch nach Bartschs ansicht noch im 13 jh. entstand.1 7784 führen allerdings die lesarten von P gebet und B bit auf bete, dies wort steht aber hier in keiner anderen bedeutung als in dem osterspiel des 15 jhs. Fundgr. 1 300 z. 19, in den stellen aus Chmels Maximilian und aus Luther, welche das DWB 1, 1696 verzeichnet. der ausdruck rede (X) erschien wol B(Y) zu blass und der situation nicht recht angemessen, deshalb setzte es bete dafür, woraus P gebet machte. seine polemik gegen die dritte stelle 7811 ff schliefst Bartsch mit den worten: 'wie wäre glaublich dass B ..... einen ausdruck gefunden haben sollte, der der technik des 12 und 13 jhs. angehört?' diese argumentation muss Bartsch natürlich jetzt, wo er die der hs. B zu grunde liegende bearbeitung Y ins 13 jh. setzt, fallen lassen. aber auch schon früher hätte er aus einer vergleichung von z. 7843 f mit unserer stelle lernen können dass der ausdruck scharlach mit gold durchschlagen sehr wol erst von B herrühren konnte: an jener späteren stelle ist nämlich die wendung scharlakin dorchhouwen durch DH gut bezeugt, und hier setzt B den ihm geläufigen ausdruck scharlach wol durchschlagen fein bestimmt erst ein, und überdies steht P auch hier der lesart von B besonders nahe, wenn es liest: vñ sahe man scharlach vn wol beschlagen dardurch scheinen. vgl. noch die lesart von B 6501.

Zu diesen stellen, in denen BP übereinstimmen und A, bez. X gegenüberstehen, gehört auch z. 8903. X lautet sîner vrouwen he ez ze dem munde stach, B Er bot den kes ir fur den munt,

1 in den anfang des 13 jhs. möchte Bartsch seine entstehung aao. s. 375 versetzen. die meisten worte und wortformen, welche er als characteristisch für die zeit der vorlage von B anführt, kommen jedoch auch noch im 14, 15 jh. vor. wan eht 7264 ist falsches citat; würdet, die volle form der 3 sing. praes., begegnet noch bei Closener Deutsche städtechroniken 8, 150, 18 uō. zutz 8796 soll nur noch in hss. des 13 jhs., nicht mehr später vorkommen, doch findet es sich sehr häufig in den Wiener hss. des xv jhs. von Ottokars Reimchronik zb. cap. XL z. 4571 zu ziu her, vgl. noch z. 5440. 6340. 9009. 9767 uö.; auch brieven ist nicht besonders altertümlich der Vocabularius Theutonicus, Nürnberg 1482, hat noch taxare, prúfen oder fisiren, ferner verweist Lexer 11 302 auf mehrere stellen der Nürnberger chronik 3, 138, 25. 2, 76, 20 ua.; gemelich und gemelicheit begegnen noch in glossaren des 15 jhs., vgl. Mhd. wb. 461' und Lexer s. v.; sich began in derselben bedeutung wie B 8835' belegt Lexer 1 143 mit Narrenschiff

19,

43.

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