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Im herbst 1806 gelangte nach München die nachricht von einem erz- und wasserfühler in Italien. Franz Baader, JWRitter und Schelling gaben sich mühe, die sache zur untersuchung zu bringen, der für alles grofse und schöne empfängliche minister' (Schelling an Windischmann, 18 december 1806. vgl. Aus Schellings leben u 109), der freiherr von Montgelas, bewilligte eine summe geldes und Ritter begab sich auf die wundersame forschungsreise nach Italien. er findet in dem jungen Campetti einen menschen ganz nach seinem herzen, schlicht, fröhlich, brav und einfältiglich und nimmt ihn mit sich nach München. grofser lärm. die romantischen naturphilosophen jubeln über die herliche entdeckung, alle briefwechsel sind voll von der grofsen neuigkeit. Schelling meldet sie Windischmann und Hegel ( 112 ff), Caroline ihrer schwester, der Luise Wiedemann (Caroline 11 328), Dorothea correspondiert darüber mit Friedrich Schlegel (Briefwechsel der Dorothea von Schlegel, Mainz 1881, 1 218). in die öffentlichkeit dringt dann die nachricht durch einen kurzen aufsatz im Morgenblatt (1807 nr 26) und einen ausführlicheren in dem Intelligenzblatt der Jenaischen allgemeinen litteraturzeitung (1807 nr 36): 'Notiz von den neuen versuchen über die eigenschaften der erz- und wasserfühler und die damit zusammenhängenden erscheinungen.' beide aufsätze rühren von Schelling her, und sind in der sammlung seiner werke (1 7, 487 ff) wider abgedruckt.

Vergleichen wir nun diese verschiedenen auslassungen mit der scene in den Wahlverwandtschaften, so wird sich zur evidenz ergeben dass Goethen dabei die bestimmten, durch Campetti angeregten experimente vorschwebten, welche in der zeit, da er den roman concipierte, ein so grofses aufsehen machten.

'Herr Ritter erhielt die nachricht', so berichtet Schelling in der Litteraturzeitung, 'dass zu Guarignano am Gardasee ein junger mensch vielfache proben seines gefühls für wasser und metalle unter der erde abgelegt habe.' sehr mit unrecht habe eine nordische zeitschrift über die regierung gespottet, welche eine summe dafür bewilligt, über diese oft verworfene, aber ebenso oft widergekommene sache ruhige untersuchungen anzustellen; preis und dank vielmehr sei dem aufgeklärten minister zu votieren. 'man denke an das schicksal der meteorsteine und ähnliche phänomene, welche mit ebenso viel keckheit verworfen worden sind.

es ist wol niemand, der nicht auf den ersten blick an ein verhältnis dieser erscheinung zu den galvanischen und elektrischen erinnert würde. es scheint dass die eigentümliche fähigkeit der erz- und wasserfühler nur als ein geringerer grad des somnambulismus angesehen werden könne, und dass, da auch das vermögen, fremde körper zu bewegen, eben den wasser- und metallfühlern am stärksten beiwohnt, dieses ganze phänomen sich auflösen werde in jene tief verkannte, aber bald nicht länger verkennbare erscheinung, die seit einigen jahrzehnten unter dem namen des tierischen magnetismus so verschiedene schicksale gehabt hat. es kann nicht fehlen dass nicht sehr verschiedene urteile über die sache obwalten; verständige und unverständige zweifel, scherzhafte und ernsthafte erhoben werden. aber eben ein solcher stein des anstofses in einem sich weise dünkenden, aber im grofsen und ganzen allmählich zur tiefsten unwissenheit gesunkenen zeitalter muss dem rechten freunde der wissenschaft erwünscht sein.'

Zu diesem merkwürdigen und für die naivität jener naturphilosophen äusserst characteristischen aufsatz liefern mehrere briefstellen, sowie die Nachschrift an den herrn herausgeber der Jenaer allg. litteratur-zeitung willkommene ergänzung. es erhellt daraus zunächst dass, wie bei Goethe, die fähigkeit, metalle zu fühlen, und die besondere fähigkeit, die pendelschwingungen zu executieren, nach dem vorgang von Ritter, mit einander in zusammenhang gebracht wurden. 'Ritter sann darauf', schreibt Caroline, 'wie dies individuell scheinende phänomen (des metallfühlens) an ein allgemeiner verbreitetes vermögen geknüpft sein möchte, und es kam ihm der höchst glückliche gedanke, es mit den schwefelkiespendeln des abbé Fortis in verbindung zu setzen. dieser versuch gelang ihm.' genau so verbindet sich bei Ottilie das metallfühlen mit der ausgesprochenen fähigkeit 'fremde körper zu bewegen' und die besondere art, in der das experiment beschrieben wird, ist ähnlich hier und dort. 'nehme', schreibt Schelling an Hegel, 'einen würfel von schwefelkies, metall, gold, hänge ihn wagerecht an einem nassen faden auf, den du stets zwischen den fingern hältst, und über wasser und metall gerät der körper bald in elliptische, immer mehr der kreisform sich annähernde schwingungen.' und bei Goethe heifst es: 'er hatte seinen apparat von goldenen ringen und anderen metallischen substanzen ausgebreitet und liefs nun metalle, an fäden schwebend, über liegende metalle nieder. . . . sie nahm den faden in die hand; aber in dem augenblick wurde das schwebende wie in einem entschiedenen wirbel fortgerissen und drehte sich bald nach der einen, bald nach der anderen seite, jetzt in kreisen, jetzt in ellipsen oder nahm seinen schwung in geraden linien, wie es der begleiter nur erwarten konnte, ja über alle seine erwartung. zuletzt ersuchte Ottilie ihn freundlich, er möge sie

entlassen, weil ihr kopfweh sich wider einstelle.' dieser empfindung von kopfweh entspricht es, wenn Schelling als symptome beim metallfühlen angibt: 'vermehrter puls, zusammenziehungen in der unteren stirngegend, erweiterungen der pupille usw.' und wenn er berichtet dass 'kohle sich ganz dem metall gleich stellt' und hinzufügt: Amoretti habe sich, durch das gefühl eines gewissen Anfossi belehrt, ein stück landes erworben, das jener als von steinkohlen durchzogen erkannt habe, und es sei der bau desselben von ihm mit vorteil betrieben worden

so stimmt

dazu aufs beste der bericht des begleiters, der wie folgt lautet: 'ich untersuchte die stelle, die Ottilie mir aus der ferne deutlich angegeben hatte. aber wie grofs war meine verwunderung, als ich eine sehr deutliche spur von steinkohlen entdeckte, die mich überzeugt, man würde bei einigem nachgraben vielleicht ein ergibiges lager in der tiefe finden.'

Noch einige andere übereinstimmungen in einzelheiten liefsen sich aufweisen, aber das mitgeteilte scheint mir ausreichend, um jeden zweifel zu heben an der richtigkeit der hier vertretenen annahme, welche wider einmal einen interessanten einblick in die realistische, und wie man heute sagen würde, entschlossen moderne art Goethes gewährt.

Berlin.

OTTO BRAHM.

NOCH EINMAL DER RHYTHMUS
VON PLACIDAS-EUSTATHIUS

(ZS. 23, 273 ff).

Zarnckes auseinandersetzung (oben s. 96-98) hat mich nicht überzeugt. derselbe behauptet erstens dass im Placidasrhythmus str. 42, 2 ein blofser einschub sei, an dessen stelle nichts anderes gestanden habe, und wirft zweitens, um wider eine regelrechte fünfzeilige strophe zu gewinnen, 43, 1-4 als interpoliert hinaus. allein es ist eine misliche sache, in einer handschrift, welche sonst von willkürlichen änderungen und zusätzen vollständig frei ist, mit einem male eine interpolation von ganzen 4 zeilen anzunehmen, weil dieselben für den zusammenhang nicht absolut unentbehrlich sind und in einer anderen handschrift fehlen. 1 wer so viel einsicht und sprachkenntnis besafs, diese an sich völlig tadellosen zeilen, noch dazu mit exacter beobachtung eines im rhythmus herschenden betonungsgesetzes (abyssum), hinzuzudichten, dem konnte unmöglich die völlig entstellende sinn

1 die auslassung der 4 zeilen in SG erklärt sich, wenn nicht durch äufsere gründe, wie platzmangel, durch die natürliche anziehung, die exaudi auf exauditus es ausübte; vgl. Zs. 25, 28.

losigkeit von 42, 2 entgehen; er hätte dann auch hier interpoliert, etwa mit weglassung dieser zeile am schlusse der strophe eine neue hinzugefügt. denn wenn Zarncke jene 4 zeilen inhaltslose verse' in 'schwülstigem stile' und 'hergebrachte tiraden' nennt, so ist das subjectiv. die feierliche anrufung des höchsten, der die demütigen erhöht und die weinenden erhebt, scheint mir der feierlichkeit des momentes vor der unmittelbar bevorstehenden catastrophe durchaus angemessen und entspricht ganz der gleich darauf folgenden wunderbaren antwort vom himmel; schon Zs. 25, 28 deutete ich an dass 43, 4 deshalb nicht wol entbehrlich sei. nicht minder entbehrlich als diese zeilen würden jedesfalls 39, 4. 5 sein, auch rex angelorum und pater piissime in 42 könnte Z. als überflüssige floskeln bezeichnen. also an sich wahrscheinlich ist die interpolationsannahme eben nicht. was bleibt denn nun aber übrig, wenn man Zarnckes resp. Röthes athetesen annimmt? folgende strophe:

Adhuc te, rex angelorum, peto suppliciter:
tuum nomen quicumque per nos petierit,
exaudi preces eorum, pater piissime,

ut liberati a malis uiuant feliciter.

uox resonauit de celo sic: 'exauditus es.'

ich glaube dass jeder, der dies liest, die empfindung einer ganz ungewöhnlichen härte haben wird, welche durch die coordination von peto und exaudi und die trennung dieses imperativs von peto durch einen relativsatz hervorgerufen wird; exaudi müste sich zum mindesten unmittelbar an peto anschliefsen. zudem ist die verbindung des singulars mit dem plural in demselben satze auffallend. man würde also die ersten 3 zeilen dahin zu ändern haben: Adhuc te, rex angelorum, peto suppliciter: exaudi preces eorum, pater pissime,

tuum nomen quicumque per nos petierint.

diese unwahrscheinlichkeiten und unebenheiten würde man nun zwar zur not in den kauf nehmen, über folgende aber ist für mich wenigstens nicht hinwegzukommen. wie soll man sich denn die gänzlich unmotivierte widerholung von 41, 4 in 42, 2 erklären? Zarncke schweigt sich darüber aus. da sonst nichts derartiges in dem gedichte vorkommt, so wäre ein blofser zufall, der allein zur erklärung übrig bliebe, doch sehr wunderbar, wenn man auch mit dem zufall schliefslich alles möglich machen kann. nach meiner überzeugung hat 42, 2 ein vers gestanden, der den zu peto zu erwartenden abhängigen satz brachte, der ferner wie 41, 4 mit nemo oder ne anfieng und so die verwechselung berbeiführte. dieselbe war um so leichter möglich, je ähnlicher 42, 2 ursprünglich auch sonst 41, 4 war. es ist nicht unmöglich dass nur ein wort, etwa das verbum, anders lautete. nur als eine vermutung, aber immerhin als eine nicht undenkbare, wage ich zb. für diuidere mit leichter änderung dispicere (= de

spicere) vorzuschlagen, mit punct entweder hinter dispicere (dann natürlich nemo und petierint) oder hinter petierit, wie ihn schon Dümmler setzte: 'möge niemand, der dich um unsertwillen angefleht hat, verächtlich auf unsere leichen herabblicken dürfen, weil sie ihm nicht geholfen.' doch dem sei, wie ihm wolle, irgend etwas ähnliches muss ursprünglich dagestanden haben.

Ferner bemerke ich dass herr stiftsbibliothekar Idtensohn 43, 5 von es statt est nichts erwähnt, dagegen ausdrücklich angibt, 44, 5 stehe anstatt florent uirtutibus' in SG in multis florent uirtutibus. demnach fehlt semper in SG nicht, und auf den schutz, den mir Zarncke gegen mich selbst zu teil werden lässt, muss ich verzichten.

Zum schluss möchte ich bei dieser gelegenheit noch darauf aufmerksam machen dass die einkleidung des ersten der Zs. 23, 264 ff abgedruckten rhythmen ins altertum zurückreicht, Riese Anthol. lat. I nr 160.

Trarbach, februar 1882.

REIMPREDIGT.

F. SEILER.

Die einzelnen gedichte der Wiener Genesis sind widerholt, von Scherer und Roediger, 'reimpredigten' genannt worden und ich selbst habe diese bezeichnung Anz. vu 189 gegen Vogt verteidigt. jetzt bin ich in der lage, den ausdruck zu berichtigen, zugleich aber die behauptung ihrem wesentlichen inhalt nach zu stützen. das breviarium der römischen kirche schreibt für die zeit vom sonntag septuagesimae bis zum dienstag nach quadragesimae als gegenstand der lectiones die capitel 1-14 der Genesis vor. 1 in derselben zeit, aber noch über dieselbe hinaus (a dominica in septuagesima usque ad feriam quintam in coena domini) wird das alleluia, welches das gradale schliefst, ersetzt durch laus tibi domine, rex aeternae gloriae. nun ist bekannt dass eine reihe geistlicher gedichte des 12 jhs. ihren eingang oder schluss dem officium entnehmen: so beginnen mit dem 'versus apertionis' domine labia mea aperies das Anegenge und die Vorauer sündenklage, mit in saecula saeculorum schliefst aufser diesen die Erinnerung Heinrichs von Melk. aber nirgends ist eine ähnliche beziehung auf dessen zeitliche modification vorhanden, wie die, welche der schluss des ersten gedichtes der Wiener Genesis enthält, Fundgruben п 23, 17: des choden wir al ze samine laus tibi domine. die Milstäter redaction (Diem. 21, 2) hat nu sprechet laus tibi domine beibehalten, die Vorauer hat es beseitigt. die dichtung entfernt sich eben mehr und mehr von ihrem kirch

1 darauf und nicht auf eine predigt, wie ich QF XLIV 69 f glaubte, bezieht sich das Anegenge 23, 52.

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