Immagini della pagina
PDF
ePub

mischen erzählungen die studierenden völlig ein, wenn auch des dichters name in Gellerts vorlesungen nicht genannt ward und in anderen hörsälen seine schriften getadelt wurden (DjG п414. DW 1141). gerade das jugendliche in Wielands naturell, das schwanken zwischen idealismus und realismus fesselte, und so bekamen die jungen anhänger leicht wenn keine einsicht, so doch eine empfindung davon, dass die kritik in wort und druck dem character der liebenswürdigen dichtungen nicht gerecht wurde (DW 1 54 f). sie ahnten dass Wieland durch die jüngst erschienenen werke seiner zweiten glänzenden epoche wesentlich dazu beitrug, herz und phantasie von allem zwange der convention vollends zu befreien (DW 130). auch über die unzulänglichkeit der compendien raunte ihnen Wieland ein ihre richtung bestärkendes wort Hamlets in ohr; es mahnte sie der dichter des Agathon (1767, I 104 f): im himmel und auf erden sind eine menge dinge, wovon kein wort in unserm compendio steht sagt der Shakespearische Hamlet. auf solche weise ward mittelbar ein vereinzelter spruch Shakespeares zur losung in eben der zeit, als Wieland seine übersetzung vollendend gelegenheit zu umfassender eigener kenntnisnahme bot.

Zweifellos hat Oesers einfluss auch die bewunderung Shakespeares in Goethe angeregt; es ist bekannt, welch hervorragende stelle der maler dem britischen dichter auf dem vorhange der Leipziger bühne angewiesen hat. Goethe selbst freilich scheint im elften buche von Dichtung und wahrheit sein bekanntwerden mit Wielands übersetzung später einzureihen. dennoch bestätigt die zusammenstellung Oesers und Shakespeares im briefe vom 20 februar 1770 (DjG 177) dass dies schon in die Leipziger zeit fällt. den ersten äufserlichen beweis für die kenntnis der übertragung geben die Ephemerides an die hand, nach welchen Goethe im märz oder april 1770 in Wielands Shakespeare las (Schöll, Briefe und aufsätze von Goethe 117 f). so müste der ausdruck in Dichtung und wahrheit ( 45): Wielands übersetzung ward verschlungen spätestens auf diese zeit deuten und kann nicht erst für den aufenthalt in Strafsburg gelten. aber der beisatz: sie ward freunden und bekannten mitgeteilt und empfohlen ist für den in seiner vaterstadt vereinsamten dichter ungeeignet, sodass die darstellung in der autobiographie nur auf die Leipziger jahre passt.

Tiefer aber als in Shakespeares dichtung führte Oeser seinen

schüler ins griechentum ein. auch hier musten sie wider auf Wieland stofsen, der für Goethe als der dichterische Winckelmann erscheinen konnte, wie ihm Oeser als practischer Winckelmann galt. das biographische schema verrät diesen zusammenhang durch den vermerk: Winckelmann angekündigt. Winckelm. tot. Musarion. einwürkung. Griechen, Römer. aus Oesers hand empfieng Goethe im frühjahre 1768 die aushängebogen der Musarion. von allen zeitgenössischen schriften Wielands würkte dieses gedicht am meisten auf ihn. hier war es, wo er das antike lebendig und neu wider zu sehen glaubte. alles, was in Wielands genie plastisch ist, zeigte sich ihm hier aufs vollkommenste (DW п 54. 91. 319). in der tat, Oesers und Wielands auffassung der antike stehen sich nahe genug, auch ihre nachahmenden versuche, worin freilich keiner von beiden eine wahrhaft plastische compositionskraft zeigte. es war vielmehr die grazie, die Goethe von beiden lernen konnte und gelernt hat und fürs leben durch alle manieren hindurch sich bewahrte. den tempel der grazie betrat Goethe durch Oesers lehre hell sehend geworden wie Biribinker im flammenbade (DjG 136) der vergleich verrät dass ihm der roman Don Sylvio bekannt war und Musarion blieb ihm darin das götterbild, das er noch im Maskenzuge vom jahre 1818 verherlichte.

Trotz dieser begeisterung steht das Leipziger liederbuch mehr unter dem einflusse der anakreontiker als unter dem Wielands; kein vorwurf, keine sprachliche wendung muss unmittelbar auf diesen zurückgeführt werden. aber die Wielandverehrung bestand und währte deshalb doch. als Goethe in Frankfurt am anfange des novembers 1768 den neu erschienenen Idris las, berichtet er davon seinem Oeser (DjG 1 37. 38); man sieht, über Wieland spricht sich der junge dichter bei dem Leipziger freunde aus. dass die gedanken, die er darüber mitteilen will, so bald sie zum niederschreiben richtig genug seien, keine verurteilung enthielten, ergeben die mit offenbarer wärme an Oesers tochter geschriebenen worte: von Wielanden möchte ich gar zu gerne was noch schreiben, fürchtet ich nicht die weitläuffigkeit. es giebt materie zu einem andern brief genug (13 п 1769 DjG 54 f). Friederike Oeser ist ihm eine Musarion, die einen ehrlichen menschen, und wenn er so aufgebracht wäre wie Wieland - Phanias muss ergänzt werden (vgl. DW 11 54f) – wider versöhnen könne (DjG 1 45). so stellt sich der Musariondichtung der Idris

an die seite, die beiden werke, welche Goethe in Dichtung und wahrheit (53) als rühmlich hervorragende in Wielands entwicklungsgang aushebt. um so auffälliger ist die kritik, welche Goethe am 17 september 1769 in seines freundes Langer stammbuch an den aus Musarion (s. 61) entnommenen versen Ja götterlust kann einen durst nicht schwächen, Den nur die quelle stillt zu üben scheint mit den worten: So stotterte Wieland (vBiedermann, Goethe und Leipzig 6). der beisatz darf wol weniger als ein urteil denn als eine augenblickliche herabsetzung gefasst werden, die besagen sollte dass seiner freundschaftlichen gefühlsstärke auch diese ausdrücke nicht genug tun.

Von allen dichtungen Goethes enthält das lustspiel Die mitschuldigen das früheste zeugnis der Wielandkenntnis. Alcests monolog (1 6 DjG I 186) fasst die lehre der Musarion und des Agathon zusammen: gelegenheit überwindet die stärksten tugendhelden. ferner können die verse: Dass es, wenn man in uns das laster je vermisst Beim jüngling blödigkeit und furcht beim mädchen ist commentiert werden durch verweise auf Wielands Komische erzählungen; so zaudert der blöde Paris (1768, s. 26 v. 376. 379), so scheucht eine neue furcht Diana zurück (s. 68 v. 371 f). doch kein bedeutenderer widerhall klingt aus diesen werken Wielands in Goethes damaligen dichtungen nach. trotzdem erfüllte Wieland seine seele.

Noch in der zeit der widergenesung in Frankfurt legt Goethe das leidenschaftlichste bekenntnis für Wieland ab. am 6 februar 1770 schreibt er über die Dialoge des Diogenes (DjG 176): das buch ist von Wielanden. man muss seinen namen nennen, denn den character, die laune dieses mannes zu schildern und zu beurteilen ist nichts für uns. könnte er unbedingter dem genius

1 der verfasser des Wilhelm Meister zeigte sich als der gröfsere schüler des Agathondichters, dem er sogar manche einzelheiten ablernte; so zb. die äufserlichkeit, dass die geliebte, welcher Wilhelm wie Agathon seine jugendgeschichte erzählt, dabei schläfrig wird und erst durch die leidenschaftliche apostrophe am schluss zur teilnahme wider erwacht. für den dichter der Wahlverwandtschaften mogen die teuschungen der Aurora, welche in Cephalus den verjüngten gemahl Tithon, die des Cephalus, der in der göttin seine geliebte Prokris umfängt (1768, s. 152. vgl. Decamerone 116) den keim zu der berühmten nachtscene (111) gegeben haben, wobei das motiv von Goethe umgekehrt, der ehebruch in eine gefühlsversündigung (wie bei Boccaccio 11 9) verändert worden wäre.

des dichters huldigen? mit derselben schrankenlosen hingebung dankt er dem verleger und spender der Dialoge für das liebste geschenk, das man ihm machen konnte. er bescheidet sich (DjG 176 ff), seine empfindungen auszudrücken, empfindungen, die nur Wieland so süsse mahlen kann, und von denen wir andre schweigen müssen. man dürfe keinen grofsen mann so gar loben, wenn man nicht so grofs sei wie er. doch glaubt Goethe im gegensatz zu anderen beurteilern Wieland nicht miszu verstehen. wenn Sie, wendet er sich an Reich, diesem grosen autor. . schreiben. ., so haben Sie die gütigkeit, ihm einen menschen bekannt zu machen, der zwar nicht manns genung ist, seine verdienste zu schätzen, aber doch ein genung zärtliches herz hat sie zu verehren. er ist nicht überrascht von der vortrefflichkeit der Dialoge; denn es ist ihm nicht neu dass Wieland so ein autor ist. und wider stellt er Oeser neben dessen freund Wieland und fasst seine begeisterung in die entschiedenen worte zusammen, nach Oeser und Shakespeare sei Wieland der einzige, den er für seinen ächten lehrer erkennen könne. andere hätten ihm angezeigt dass er fehlte, diese zeigten ihm, wie ers besser machen solle. und doch bemerkt er in seinen Ephemerides kurz darnach, im märz oder april 1770, die nicht so unbedingt lobenden worte (Schöll 117): Diogenes von Sinope dialogirt sehr in der manier von John Falstaff. oft eine laune, die mehr wendung als gedanke ist.

Ein echo der in diesen Dialogen vorgetragenen ironischen naturstaatsideen hallt zunächst bei Goethe nicht wider. auch die anakreontisch gutherzigen novellenmotive derselben würken nicht nach. wol aber die sprache. wenn irgendwo so hat Goethe hier die farben und die zusammenstellung der farben kennen lernen, mit denen er das gemälde seines Werther schuf. das kann um so weniger verwundern, als beiden selbstbiographien der helden eine verwandte stimmung zu grunde liegt. KHoffmann hat in seiner zu wenig beachteten schilderung von Wielands leben und würken mit recht darauf aufmerksam gemacht (Album des litterarischen vereins in Nürnberg 1860 s. 48) dass die stellung, welche Diogenes der grofsen welt gegenüber einnimmt, an Werther mahnt. 'der hass gegen die herschende civilisation' führt er Wieland etwas überschätzend aus 'hat beide auf sich selbst zurückgeworfen; ihre tiefe menschenliebe grollt aus dem innersten winkel des herzens hervor über die verbildung und verschrobenheit des

zeitalters und pocht auf die wahrheit und berechtigung der natur, die von der entarteten welt verhöhnt werde.' vor allem des Diogenes sentimentales liebesverhältnis zu Glycerion ist teilweise in eben dem stile tagebuchartiger selbsterkenntnisse und selbstbekenntnisse wie Werther abgefasst. ein par ausgehobene stellen werden den vergleich erleichtern. in den Dialogen steht s. 104 ff cap. 19: O! Glycerion, warum bin ich nicht herr von oder.. nur der herr eines kleinen meierhofs, der der einen garten hätte,

einer welt, für dich und mich grofs genug wäre, und ein kleines feld, uns zu nähren, und gebüsche, unser glück

vor den augen des neides zu verbergen!

ein schwaches ding, lieben leute, um unser herz.

[ocr errors]

-

[cap. 20] Es ist und doch, so

schwach es ist, und so leicht es uns irre gehen macht, ist es die quelle unsrer besten freuden. unmöglich kann ich anders, ich muss den mann, der das nicht verstehen kann, oder nicht verstehen will, bedauren, oder verachten. ... [cap. 21] ... - ach! Glycerion, morgen werden wir uns nicht mehr sehen. 'nicht mehr sehen? und warum nicht?' . weil meine gegenwart deinem künftigen glücke hinderlich wäre (vgl. DjG m 348).... wir beschwuren den bund ewiger freundschaft. wir entfernten uns von Athen. die welt wuste nichts von uns, und wir vergassen der welt. drei glückliche jahre meine augen lassen mich nicht fortfahren. — [cap. 22] Sie ist nicht mehr, die zärtliche Glycerion mit ihr verlor ich alles, was ich noch verlieren konnte. ihr grab ist das einzige stück boden auf der welt, das ich mein zu nennen würdige. niemand weifs den ort als ich. ich habe ihn mit rosen bepflanzt, die so voll blühen wie ihr busen, und nirgends so lieblich düften. alle jahre im rosenmonde besuch' ich den geheiligten ort. — ich setze mich auf ihr grab, pflücke eine rose, so blühtest du einst, denke ich, und zerreifse die rose, und verstreue die blätter auf dem grab' umher. würden solche stellen stilistisch abstechen, wenn sie in Werthers briefe eingeflochten wären? ich muss dabei an den eindruck des lesers appellieren. auch die genaueste analyse des stiles, der kurzen einfachen sätze würde die verwandtschaft des tonfalles nicht beweisen können.

-

Noch ein anderes möchte ich an Goethes begeisterte lectüre der Dialoge anknüpfen. es ist ein kleines und schwaches häkchen, woran ich haften bleibe, aber es ist ein häkchen. Goethe schreibt in dem angeführten dankbriefe an Reich, er sei zwar nicht manns

« IndietroContinua »