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wie dem nach den letzten und innersten Gründen der Ereignisse forschenden geschichtsphilosophischen Sinne, so ersteht doch für den Specialhistoriker hinter dieser allgemeinen Erkenntniss sofort die Frage, wie sich denn diese Nothwendigkeit im Laufe der Dinge äusserlich bethätigt habe oder um mit Thukydides zu sprechen, welche Rolle neben der ἀληθεστάτη πρόφασις die mehr oder weniger zufälligen Veranlassungen des Krieges gespielt haben.

Da hat denn nun Drumann erklärt: der Friede, welcher sich 10 Jahre lang erhalten habe, sei eigentlich nur ein Waffenstillstand und bei den Entwürfen der Herrscher der Bruch unvermeidlich gewesen, sobald die Verhältnisse ihn nur irgend möglich gemacht hätten.')

Bei dieser Auffassung, welche den Spiess geradezu umkehrt, werden nun freilich alle Einzelerklärungen überflüssig. Man könnte sich höchstens dann versucht fühlen solche zu geben, wenn wider Erwarten der Friede sich noch länger gehalten hätte. Aber eben diese Auffassung selber erregt die schwersten Bedenken. Sie trägt dem Gange der Ereignisse nicht genügend Rechnung. Schon seit der Niederwerfung des S. Pompeius im Jahre 36 hatte ja Octavian die Hände völlig frei. Trotzdem hat der unumschränkte Herr des Westens, indem er noch im Jahre 35 seine Schwester in den Orient abreisen liess, den Versuch gemacht, mit Antonius zu festen und freundschaftlichen Beziehungen zu gelangen; trotzdem hat er im nämlichen Jahre noch Unternehmungen begonnen, die, so nützlich sie auch waren, doch nicht gerade mit unbedingter Nothwendigkeit drängten und zu ihrer vollen Durchführung eine Reihe von Jahren in Anspruch nehmen mussten.2) Die innere Nothwendigkeit des Conflictes hat also keineswegs mit solchem Schwergewichte gedrückt, dass gleich von dem Augenblicke an, wo die äusseren Hemmnisse fielen, der Kampf begann. Es wird vielmehr gerade bei dieser geschilderten Lage mit doppelter Stärke der Wunsch rege zu wissen, was denn nun eigentlich Octavian von seiner friedlichen Politik,

1) I 466 f.

2) Gegenüber der schon aus dem Alterthum (Plut. Ant. 53) stammenden und in der modernen Geschichtsschreibung z. B. bei Hoeck (1 281) vertretenen Auffassung, als ob die Sendung der Octavia nur ein schlaues Manoever Octavians gewesen sei, Antonius zu offener Stellungnahme zu reizen, macht Mommsen (R. G. V 368) mit Recht die gleichzeitige Eröffnung des illyrischen Krieges geltend.

die er aus so mancherlei Gründen fortzusetzen allen Anlass haben musste,') abgebracht habe, was daran Schuld sei, dass der Conflict gerade damals und gerade so ausgebrochen sei, wie er thatsächlich ausgebrochen ist.

Der überwiegende Theil der Darsteller hat sich denn auch der Aufgabe eingehenderer Begründung nicht entzogen, sondern wiederholt und ausführlich, die Ursachen im Einzelnen klarzulegen gesucht.2) Aber dabei ist man, wie mir scheint, in mehreren Punkten hinter dem zurückgeblieben, was unsere, wenn auch dürftige Ueberlieferung zu erreichen gestattet.

Man ist nämlich erstens zeitlich nur zurückgegangen bis zu den alexandrinischen Schenkungen des Antonius im Herbste 34, die man als den Ausgangspunkt und die Hauptveranlassung des ganzen Conflictes betrachtet.") Es fragt sich aber, ob damit wirklich schon die Wurzeln der ganzen Vorgeschichte blosgelegt sind. Man hat zweitens die vielfachen Differenzpunkte zwischen den Triumviro, welche besonders in der dem Ausbruche der Feindseligkeiten vorausgehenden Correspondenz einer nach dem anderen zur Sprache gekommen waren, zwar sorgfältig aufgezählt und auf ihre Bedeutung und Wichtigkeit hin beleuchtet, aber der Versuch, den Beginn und den Fortgang dieser Correspondenz und die im späteren Verlaufe der Dinge sich daran anschliessenden Ereignisse zeitlich genau festzulegen und so zu zeigen, wie sich innerhalb der Zeit, die man als die kritische ansah, eines aus dem anderen entwickelt hat, ist meines Wissens bisher nicht gemacht worden. Man hat vielmehr immer nur eine mehr systematische Begründung als eine genetische Entwicklung des Conflictes gegeben.^)

1) Ueberzeugend dargethan von Ihne Röm. Gesch. VIII 357.

2) Ich nenne von neueren Darstellungen hier nur Ihne, Rōm. Gesch. VIII S. 349-359 und Gardthausen, Augustus und seine Zeit II S. 341–352.

3) So auch Mommsen, Res gestae D. Aug. ed.2 p. 118: quae imperii Romani imminutio vel praecipua causa fuit belli ab Augusto contra Antonium suscepti.

4) Wie verkehrte, den ganzen Zusammenhang der Ereignisse auf den Kopf stellende Behauptungen die Vernachlässigung der chronologischen Seite zur Folge gehabt hat, mögen einige Beispiele zeigen: nach Ihne's Ansicht (Röm. Gesch. VIII 351) hat Antonius den diplomatischen Streit begonnen, und zwar mit dem Vorwurfe, Octavian habe Lepidus abgesetzt. In Wahrheit hat nicht Antonius, sondern Octavian den Wort- und Federkrieg eröffnet, und selbstverständlich hat der Beginn an ein Ereigniss der allerletzten Zeit, nicht an

Und endlich hat man über der Erörterung aller der staatsrechtlichen und politischen, der nationalen und persönlichen Fragen, die ja allerdings bei diesem Conflicte in ungewöhnlichem Maasse mitsprechen, die militärische Seite der Sache etwas stiefmütterlich behandelt. Und doch liegt es auf der Hand, dass einerseits Erwägungen über die militärische Lage und die von ihr abhängige Wahrscheinlichkeit des Erfolges die Vorbedingung gewesen sein müssen für den Entschluss, ob überhaupt, ob gerade in dem bestimmten Augenblick losgeschlagen werden sollte, und dass andrerseits gerade die militärischen Vorbereitungen und der Aufmarsch der Heere einen der wichtigsten Theile der Vorgeschichte des Krieges selbst ausmachen.

So sehen wir uns denn auch vor eine dreifache Aufgabe gestellt: wir wollen erstens versuchen den Ursprung des Conflictes bis in seine frühesten Anfänge zurückzuverfolgen. Wir wollen zweitens, von diesem Punkte aus vorwärts gehend, den Verlauf des Conflictes mit möglichster chronologischer Genauigkeit betrachten. Und wir wollen drittens der militärischen Seite der Frage eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Dabei wird, wie ja aus dieser Disposition schon erhellt, keine gleichmässig ausführliche Darstellung aller in der ganzen Vorgeschichte des Kampfes mitspielender Fragen beabsichtigt, sondern es werden nur diejenigen Punkte hervorgehoben werden, über die der Verfasser etwas Neues vorbringen zu können glaubt.

1. Der Ursprung der Verwicklungen.

Ohne Zweifel bestand schon seit der Wiederaufnahme der Beziehungen des Antonius zur ägyptischen Königin im Jahre 37 auf Seiten des Octavian eine Missstimmung, die durch die Zurück

alte Dinge, wie die Absetzung des Lepidus, anknüpfen müssen (s. unten S. 37). Bei Gardthausen (Aug. I 1, 346) wird gar die Correspondenz der Triumvirn, ihre ,polemischen Edicte und Erlasse' mit einem,bald' hinter die Scheidung der Octavia gesetzt, während in Wirklichkeit die Correspondenz im Winter 34/33 begann und die Scheidung im Sommer 32 erfolgt ist (unten S. 37 und S. 44 ff.), und an einer anderen Stelle wird behauptet (II 1 S. 179 A. 20), die Testamentseröffnung des Antonius habe zur Zeit von dessen Aufenthalt in Armenien stattgefunden, während in Wirklichkeit Antonius zum letzten Male im Sommer 33 in Armenien war (unten S. 36), und das Testament im Sommer 32 erbrochen ist (unten S. 44 ff.).

weisung der Octavia im Jahre 35 nur noch gesteigert werden musste. Aber Missstimmungen tauchen auf und verschwinden; sie bestehen oft lange Jahre, ohne sich zu dem, was wir hier suchen, zu verdichten: nämlich zu solchen Handlungen, welche durch ihre unmittelbaren Folgen weiter in den Conflict hineinführen. So war es mit der Rücksendung der Octavia, die man desshalb mit vollem Recht nicht als den ersten direct wirkenden Anstoss zu den Verwicklungen betrachten kann.') Als solcher bot sich der Forschung vielmehr erst das nächste grosse politische Ereigniss, die Schenkungen von Alexandria vom Herbst 34, und insofern als von ihnen an, wie das die folgende Untersuchung noch bestätigen wird, in ununterbrochener Reihe Zug um Zug die Maassregeln und Gegenmaassregeln bis zum Kriege hin aus einander gefolgt sind, war man hier auf dem richtigen Pfade. Insofern aber als man diese Schenkungen als den ersten Anstoss überhaupt ansah, nicht.

Sie sind vielmehr selbst nur ein Glied in der Kette. Denn schon vorher lassen sich in beiden Reichshälften Ereignisse nachweisen, welche nicht nur eine völlig veränderte Stellung der Machthaber zu einander zur Voraussetzung haben, sondern in denen auch, wenn uns nicht alles täuscht, der Hauptgrund zu den späteren Verwicklungen zu finden ist. Wir betrachten zu diesem Zwecke zunächst die Lage im westlichen Theile des Reiches.

Hier hatte sich, wie wir vorher gesehen haben,2) schon im Winter 35/34 ein völliger Umschwung in der Kriegsführung gegen die illyrischen Völker vorbereitet. Die noch im Frühjahr 35 mit so weit ausschauenden Plänen unternommenen Eroberungen waren seit diesem Zeitpunkte plötzlich zurückgestellt worden, und das ganze Streben Octavians hatte sich nur noch darauf gerichtet, hier so schnell wie möglich zu einem äusserlich glänzenden und ehrenvollen Abschluss zu kommen. Den Grund dieses Umschwunges hatte man schon früher mit Recht in einer veränderten Stellungnahme Octavians gegen Antonius erkannt; und in der That, wenn, wie in der Politik selber, so auch für die Erkenntniss politischer Vorgänge Thaten mehr gelten als Worte, so müssen wir gestehen, dass die feindliche Wendung in Octavians Auftreten gegenüber Antonius nicht erst auf den Zeitpunkt zu verlegen ist, an welchem

1) Vergl. auch unten S. 18 über die noch nachher dem Antonius in Rom zuerkannten überschwänglichen Ehren.

2) Oben S. 7 ff.

Hermes XXXIII.

2

in Rom in Folge der alexandrinischen Schenkungen die erste öffentliche Absage erfolgte, sondern dass sie vor die frühesten Maassregeln fallen muss, durch die man sich die Hände frei machte zum grossen Ringen um die Weltherrschaft. Soll aber dieses Ergebniss volle Gewähr der Zuverlässigkeit bieten, so müssen Octavians Absichten sich auch in seiner sonstigen politischen Haltung widerspiegeln und aus der ganzen Weltlage heraus erklärt werden können. Beides ist der Fall und soll jetzt dargelegt werden.

Bis zum Herbste 35 war jedes grössere kriegerische Ereigniss des Orients in Rom mit entsprechenden Festen begleitet worden. So hatte man sowohl den ersten Sieg des Ventidius über die Parther im Jahre 39, als auch den zweiten im Jahre 38 festlich begangen,1) so die Eroberung Jerusalems im Jahre 37 gefeiert,) so für Antonius' eigene angebliche Siege im Partherzuge Supplicationen abgehalten,3) so noch wegen der Besiegung des S. Pompeius im Jahre 35 und zwar nachdem Octavia schon zurückgeschickt war den Antonius durch Aufstellung eines Triumphwagens vor den Rostra, durch Errichtung von Statuen und durch die Erlaubniss, mit seiner Familie im Tempel der Concordia zu speisen, in der ausgesuchtesten Weise geehrt.) Aber mit diesem Zeitpunkte sind auch Ehrungen und Siegesfeste wie abgeschnitten. Der einzige wirklich bedeutende Erfolg des Antonius selber im Orient, die Eroberung des armenischen Reiches im Sommer 34, ist in Rom einfach ignorirt worden.5) Andere Beweise für mehr oder weniger directe Kriegsvorbereitungen treten hinzu: es bestand nach Dio) mit dem

1) Dio IIL 41, 5: ἐπαίνους καὶ ἱερομηνίας, ib. IL 21, 1: ἱερομηνίας καὶ ἐπινίκια.

2) Folgt aus dem aus unbekannten Gründen erst im September 34 gefeierten Triumph des Sosius. CIL. 12 p. 180.

3) Dio IL 32, 2: ἐβουθύτουν καὶ ἑώρταζον.

4) Dio IL 18, 6.

5) Das stützt sich nicht allein auf das Schweigen Dios, sondern darauf, dass Octavian in einem der ersten Monate des Jahres 33 (über die Zeit vgl. oben S. 12 und Zippel Illyrien S. 226) nach Unterwerfung der Dalmaten dem Senate,ἐν παραβολῇ τῆς ἀπραξίας Αντωνίου alle die Völker aufzählte, die er unterworfen hatte. Eine solche Gegenüberstellung wäre eine Unmöglichkeit gewesen, wenn man im Herbste 34 die Unterwerfung Armeniens gefeiert gehabt hätte. Erst im Jahre 32 wurde über Antonius' Bericht (τāv nɛgì tov Αρμενίου γραφέντων) im Senate referirt, Beschlussfassung aber auch damals durch Octaviaus Partei verhindert. Dio IL 41, 5.

6) IL 41, 5.

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