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grössten Theiles der sie begleitenden, erläuternden, vergröbernden Privatcorrespondenz. Das Gewitter grollt noch von ferne. Aber mit dem 1. Januar 32 rückt es in unmittelbare Nähe. Der Senat von Rom selber wird der Schauplatz der stürmischsten Auftritte, und nur die alte fast verrostete Waffe der republikanischen Kämpfe, das Veto eines Volkstribunen, rettet Octavian vor dem Schlimmsten.1) Ein Monat banger Stille, resultatlos geführter Verhandlungen folgt. Dann entlädt sich das Unwetter in einem gewaltigen Schlage. Octavian setzt alle Rücksichten auf Verfassung und Recht bei Seite und zeigt die nackte Gewalt.) Vor dem Drohen des Mannes der Proscriptionen verstummt alle Gegenrede und die beiden Consuln der Republik, wohl von 400 Senatoren3) gefolgt, verlassen, um Leib und Leben besorgt, die Hauptstadt. Das unerhörte Ereigniss muss einen ungeheuren Eindruck gemacht haben. Aber die handelnden und leidenden Personen beschränken sich in diesem Augenblicke noch auf eine verhältnissmässig kleine Zahl, und auch die Ausbrüche der Parteileidenschaften sind durch den Schrecken auf der einen, durch die sichere Erwartung, dass die Drohung genügen würde, auf der anderen Seite zurückgehalten. Noch steht das Volk als Zuschauer und leidenschaftslos bei Seite. Aber die Zeit kommt, wo die Bewegung, aus der Curie auf das Forum hinausgetragen, auch die grossen Massen ergreift, wo die jetzt erst entfachte Leidenschaft sich in gewaltigem Sturme Bahn bricht, wo das Volk, als stände Hannibal vor den Thoren und als seien es noch die alten Römer, bis zum letzten Mann hinunter die Toga ab und das Kriegskleid anlegt, und der Fetial in feierlich alter Weise die Kriegslanze schleudert.*) Es ist nicht nur ein Gefühl der Wehmuth über das letzte Auflohen eines überlebten stadtrömischen Patriotismus, das hier den Beschauer überkommt, es ist zugleich der Eindruck eines fast erhabenen Schauspieles, den dies noch einmal in voller, alter Kraft mächtig daherbrausende Nationalgefühl hervorruft.

1) Dio L 2, 3.

2) Dio L 2, 5: φρουρὰν τῶν τε στρατιωτῶν καὶ τῶν φίλων ἐγχειρίδια κρύφα εχόντων περιβαλόμενος. Vgl. m. Diss. S. 13 1.

3) Es gab noch nach dem Kriege von Actium trotz der Lücken, die die Kämpfe und Bestrafungen durch Octavian in die Reihen der Senatoren gerissen hatten, über 1000 Senatoren, (Suet. Aug. 35) und nur,senatores plures quam DCC hatten sich im Ganzen auf Octavians Seite gestellt (Res gestae D. Aug. lat. 5, 7); vgl. oben S. 46 A. 8.

4) Die Schilderung bei Dio L 4.

Hermes XXXIII.

4

So zeigt uns dieser Kampf, in seiner Entwicklung betrachtet, ein immer weiteres Fortschreiten zum Leidenschaftlicheren und Grossartigeren. Denn aus der Ferne in die Nähe getragen und hier grössere und grössere Kreise erfassend, zieht er zuletzt alles in seine Strudel hinein. Aber noch nach einer anderen Seite hin lehrt uns unsere Betrachtungsweise den Fortschritt in dem Gange der Entwicklung besser erkennen. Fast jede Etappe dieses Kampfes um Rom im wahren Sinne des Wortes, nicht um seine Steine und Mauern, sondern um die Herzen seiner Bewohner, bezeichnet einen Erfolg Octavians, der von schwankenden Anfängen zu vollständigem Siege gelangt. Kein Wunder. Denn er hatte nicht nur von Anfang an eine günstigere Stellung eingenommen, indem er den Gedanken aufgriff, die Königspolitik des Antonius zu dessen Verderben auszunutzen, sondern er hat diesen Gedanken durch die zwei Jahre des Kampfes hindurch consequent festgehalten und auch abgesehen davon im Einzelnen weit geschickter operirt als sein Gegner. Schon im Briefwechsel vom Jahre 33 zeigt sich das deutlich. Hier stellt sich Antonius mit seinen Forderungen ganz auf den Boden der geschriebenen Verträge: bei Brundisium und Misenum ist das imperium romanum in seinem ganzen Umfange getheilt; zwei Erbtheile sozusagen die des Lepidus und Pompeius sind durch Tod frei geworden: er verlangt seine Quote.') Ebendort ist Italien als Gemeingut erklärt: er verlangt die Hälfte der Nutzniessung an Colonieen und Recruten. Ganz anders Octavian: als Politiker betrachtet er jeden Machtzuwachs daraufhin, ob er das Gleichgewicht stört, das die Voraussetzung seines Verhältnisses zu Antonius ist. So wird ihm die Besitznahme Aegyptens, obgleich es nicht zum imperium romanum gehörte, zum Uebergriff,2) so verlangt er Theilung aller und jeder Eroberungen.

Und was Italien betrifft, so nimmt er es nach dem Rechte des Beschützers für seine Soldaten allein in Anspruch. Beide Gegner appelliren hier also an das Recht, aber Antonius an das formale der Verträge, Octavian an das, welches seine Stellung und

1) Um Antonius' Standpunkt recht zu verstehen, beachte man wohl, dass er nicht von allen, sondern nur von den im Gebiete des römischen Reiches belegenen Erwerbungen Octavian's die Hälfte verlangt hat. Auf seine illyrischen und sonstigen Eroberungen macht er keine Ansprüche.

2) Das ist der Sinn der sonst unerklärlichen Worte Dios L 1, 4: Kaioag ἐκείνῳ (ἐπεκάλει) ὅτι ἄλλα τε καὶ τὴν Αἴγυπτον μὴ λαχὰν εἶχε.

seine Thaten ihm gaben.) Und dessen Berechtigung musste um so mehr einleuchten, als Octavian zugleich mit kluger Berechnung den Eigennutz des zu Gericht sitzenden Volkes anrief: gerade Italien ward vor neuer Unruhe bewahrt, wenn Antonius' Veteranen nach dem fernen Osten verwiesen wurden. So behält Octavian schon hier das letzte Wort. Und der Fortgang entspricht. Antonius muthet mit seiner Königspolitik den Römern zu, die Lage der Dinge, wie sie nun einmal ist, vorurtheilsfrei und leidenschaftslos zu erkennen und anzuerkennen, Octavian findet in dem Appell an die Leidenschaften und den Nationalstolz weit stärkere Hebel. Antonius lässt im Senate drohen, ohne Gewalt zur Verfügung zu haben, Octavian braucht Gewalt und gewinnt das Feld. Nun herrscht er in Rom durch die Furcht. Aber Furcht erzeugt beim Durchschnitte der Menschen die Neigung, mit dem Gewaltigen lieber im Schatten des Oelbaumes zu ruhen, und so entwickelt sie Interesse und Hingebung. Nur bedarf es der Zeit und so verständnissvoller Nachhilfe, wie Octavian sie dem Volke angedeihen liess. Nach monatelanger Arbeit ist endlich auch dies letzte Ziel erreicht: mit Begeisterung leistet der Römer den Treuschwur, und Antonius ist gerichtet.

Octavian ist wahrlich ein Meister in der Behandlung des Volksgemüthes und hat den Sieg über die Herzen der Römer nicht blos errungen, weil ihm noch im letzten Augenblick ein Glücksfall des Antonius Testament und den Scheidebrief an Octavia in den Schooss warf. Als Staatsmann hat Antonius den Kampf verloren. Betrachten wir zum Schlusse, welche Maassregeln der Soldat Antonius getroffen hatte, um die Niederlage wieder gut zu machen.

3. Die militärische Vorgeschichte des Krieges. Wir unterscheiden bei den militärischen Vorbereitungen zum Kriege zweierlei: erstens die Aufbringung der Truppen überhaupt, die Bildung und Ausbildung der Legionen und die Herstellung der Flotte, d. h. die gewöhnlich sogenannten,Rüstungen', und zweitens das, was man militärisch unter Aufmarsch' eines Heeres versteht, d. h. die Zusammenziehung der Truppen für den Kriegszweck, die Märsche zum Kriegsschauplatze hin und die Aufstellungen für den Feldzug selber. Von dem ersten Theile der Kriegsvorbereitungen

1) Vgl. oben S. 32.

ist, soweit Antonius dabei in Frage kommt, bereits in ausreichender Weise die Rede gewesen'); über Octavian ist in dieser Hinsicht nichts zu sagen. Denn der Mann, welcher nach dem Sicilischen Kriege über mehr als 45 Legionen 2) und etwa über 600 Kriegsschiffe) verfügte, hat Rüstungen in dem Sinne wie Antonius überhaupt nicht mehr zu machen brauchen. Hat er doch von seinen ungeheueren Streitkräften überhaupt nur einen verhältnissmässig sehr bescheidenen Theil in dem bevorstehenden Feldzuge verwandt.")

Der zweite Theil der Kriegsvorbereitungen, der eigentliche Aufmarsch, wird uns also hier allein beschäftigen. Es ist selbstverständlich, dass schon neben den politischen Verhandlungen, wie sie eben geschildert sind, der Aufmarsch der Heere einhergegangen war. Wir hatten daher auch schon zu bemerken Gelegenheit gehabt, dass die ersten Marschbefehle des Antonius an das damals in Armenien stehende Hauptheer bereits im Sommer 33 ergangen waren.") Wir dürfen sie frühestens etwa in den Juli setzen. Denn die Reise des Antonius von Alexandria durch Armenien bis an den Araxes, die Zusammenziehung des Heeres hier an der medischen Grenze,) die ebenda mit dem Mederkönige stattfindende Zusammenkunft, die Besprechung und Abschliessung eines Bündnisses, welches eine ganze Anzahl einzelner Bestimmungen umfasste, wie Rückgabe der römischen Feldzeichen, Grenzregulirungen, gegenseitige Kriegsunterstützungen und die Verabredung einer dynastischen Heirath'): das Alles war im Laufe dieses Frühlings und Sommers den Marschbefehlen schon voraufgegangen.

Da der Weg von der medischen Grenze am Araxes bis Ephesus, wohin die Armee abging,) etwa 1500 römische Meilen beträgt,') so war eine Zeit von mindestens vier Monaten für den

1) S. 27 ff.

2) Oben S. 2 A. 4.

3) Die Entwicklung der röm. Flotte Philol. LVI (1897) S. 457.

4) Unten S. 67 A. 1 und 2.

5) S. 29 A. 1.

6) Dio IL 44, 1: ἤλασε μὲν μέχρι τοῦ ̓Αράξου, ὡς καὶ ἐπὶ τοὺς Πάρ Τους στρατεύσων. Antonius selbst war den Winter in Alexandria gewesen, das Heer hatte aber in Armenien Winterquartiere gehabt. (Dio IL 40, 2).

7) Dio a. a. O. 44, 1 und 2.

8) Plut. Ant. 56.

9) Ich wähle die Strasse über Artaxata, Satala, Nicopolis, Sebastia,

Marsch eines grossen Heeres erforderlich,') und die Truppen konnten also frühestens im November ihre Winterquartiere in lonien beziehen, sind aber möglicher Weise erst im December oder Januar 32 daselbst eingetroffen. Auf den kommenden Frühling) waren nach Ephesus als Sammelplatz die Contingente aller asiatischen Clientelfürsten entboten; und hier in dem herrlichen Golfe, der gegen alle Süd- und Südweststürme des Winters ebenso wie gegen die nördlichen Winde geschützt war, der mit seinen zahlreichen Hafenbuchten Platz für die grössten Flotten bot und die bequemste Ueberfahrt nach dem zum Aufmarsch in Aussicht genommenen südlichen Theile der griechischen Halbinsel gewährte, bier hatte sich schon im Winter eine gewaltige Flotte von 500

Caesarea (Mazaca), Iconium, Antiochia Pisidiae, Apamea (Celaenae), Laodicea Dach Ephesus. Die Entfernung beträgt 1. nach Luftlinien zwischen den einzelnen (nicht nur den angegebenen) Stationen gemessen 1294 Millien; nämlich: Grenze (über den Punkt s. in dieser Ztschr. Bd. XXXI S. 78) bis Artaxata 120, bis Satala 300, bis Nicopolis 88, bis Sebastia 78, bis Caesarea 118, bis Iconium über Thyana und Derbe, da der directe Weg durch die Salzwüste für eine Armee ungangbar ist, 247, bis Antiochia Pisidiae 104, bis Apamea 65, bis Laodicea 67, bis Ephesus 107. 2. nach der Peutingerschen Tafel, die jedoch weil mehrfach Zahlen fehlen der Controlle und Ergänzung durch das Itinerar und andere Hilfsmittel bedürftig war, 1524 Milien; nämlich: bis Artaxata 150 (s. in dieser Ztschr. XXXI a. 0.) bis Satala 406. Satala bis Caesarea ergiebt die Peut. Tafel 303. Da aber zwischen Nicopolis und Draconis offenbar eine Zahl fehlt, so würde für die Strecke Nicopolis Satala das Itinerar (W. 207) mit 100 Millien, statt der 62 der Peut. Tafel einzusetzen sein. Dann ergäbe sich Satala Caesarea 341 Millien. Ich ziehe für die ganze Strecke die etwas kleinere Angabe des Itinerars = 324 Millien vor; Caesarea Iconium: Peut. unbrauchbar, weil lückenhaft. Luftlinien der Stationen über Derbe (s. oben) 247. Iconium Antiochia Pisidiae: Peut. lückenhaft. Luftlinien

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tiochia Apamea 69. =

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Apamea

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= 104. AnLaodicea: fehlt bei Peut. aber etwa gleich Apamea — Hierapolis 72. Laodicea Ephesus: Peut. 106, aber

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lückenhaft (zwischen Antiochia und Carura) und fehlerhaft (zwischen Ephesus und Magnesia). Luftlinie 107. Dazu sind für die drei als Luftlinien gemessenen Strecken noch mindestens 1/10 von deren Betrag 45 hinzuzählen, wodurch die oben angeführte Gesammtzahl von 1524 Millien sich ergiebt.

1) Die Tagesleistung auf 2-22 deutsche Meilen (15-19 Kilometer) berechnet (s. in dieser Zeitschr. XXIX S. 97) ergiebt für 300 deutsche Meilen 120-150 Tage.

2) Plut. Ant. 56: ovviovoæv tāv dvváμewv geht Antonius nach Samos, was nach den obigen Feststellungen etwa im April geschah (S. 46).

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