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ANHÄNGE.

Anhang 1.

Aphorismen zur Einleitung in die Philosophie.
Text nach SW I, S. 553-596.

Vorher bereits gedruckt in KLSCH III, S. 133-156 u. S. 428-442.

[133]

Philosophie.

sie bezeichnen.

Zur Einleitung in die Philosophie.

- Es giebt eine philosophische Sinnesart, welche dem philosophischen Studium vorangehen muss. Das Wort Wahrheitsliebe will Verzichtleistung auf glänzende Gedanken ist das Wesentlichste. Es giebt eine unendliche Menge möglicher Meinungen, denen eine noch weit gröfsere Mannigfaltigkeit von Formen der Darstellung sich anbietet, wodurch sie sich geltend machen, die Gemüther bewegen und gewinnen können. Der Schein der Virtuosität pflegt einer Zusammenstellung kühner Behauptungen, einer Anhäufung von nicht gemeinen Kenntnissen, bei einer geläufigen Zunge und Feder um nicht zu sagen, bei einer derben Faust und einem tapfern Degen, so leicht zugestanden zu werden! und die meisten Menschen haben so wenig Lust, von dem bequemen Vorurtheil abzulassen, dass an dem, was scheint, doch wohl Etwas Wahres dran seyn müsse! Wie man nun im gemeinen Leben immer das Gute mit dem Schlimmen verschmolzen findet, und weil man es nicht sondern kann, eins mit dem andern sich gefallen läfst: so pflegen die Leute, die in Ermangelung des Wissens, doch etwas meinen wollen, sich aus den öffentlich dargebotenen Systemen das und jenes auszusuchen, was ihnen gefällt und wodurch sie sich selbst zu gefallen hoffen, pflegen es mit den Kraftäufserungen ihrer eigenen Dreistigkeit, mit ihren eigenen Einfällen zu mischen, und wenn sie einiges Gehör finden, sich darum nicht zu bekümmern, ob sie die Masse der Täuschungen vermehren? ob sie sich selbst täuschen? ob sie vom Irrthum zu einer zügellosen Lebensart fortgerissen werden und zum Falschen das Schlechte und Verderbliche häufen? Für diese Fragen geht denen der Sinn aus, welche das Starke, das Berauschende in Worten und Gesinnungen, statt des Reinen und Gesunden sich wohlbehagen lassen.

Damit hängen die philosophischen Ansichten zusammen.

Wessen Geschmack verdorben ist, wer das Bizarre, das Wilde, das Flüchtige, das Süfsliche liebt, der ist auch für die Forschung nach Wahr

heit verdorben.

[134] Wer da meint, er müsse sich in allen schmutzigen Winkeln des gemeinen Lebens herumtreiben, um das Leben kennen zu lernen, wie sollte der nicht auch meinen, er müsse sich an alle Irrthümer hängen, um ein versuchter Forscher zu werden, und an der Schlechtigkeit und Schande theilnehmen, um Charakter zu gewinnen!

Die Virtuosität des Unfugs aller möglichen Art sey ein für allemal verbannt, wenn wir von Philosophie reden.

Verwandt der Sinnesart des Philosophen sind alle, welche in irgend einer Sphäre das Unveränderliche suchen, sofern sie das thun. Nehmt aus dem ökonomischen Streben das Anhängen am Zeitlichen, Veränderlichen hinweg; behaltet die Liebe zur Ordnung, zur Gleichmässigkeit, zur vesten und sich selbst reproducirenden Einrichtung: damit harmonirt die Philosophie. Nehmt dem Dichter seine launenhafte Hingebung an Phantasien des Augenblicks, und seine Lust, alles Glänzende und Bewegte mit gleicher Liebe aufzunehmen; behaltet den Reichthum und die Intension seiner Anschauung, seine Kraft, die vorübereilenden Bilder zu fesseln, und sie zusammenzufügen zu einem ewigen Effect: damit harmonirt die Philosophie.

Der hervorstechendste Zug der philosophischen Sinnesart ist Geduld; das Unveränderliche kann nicht ungeduldig machen. Hierauf geheftet macht man sich los, soweit es nöthig ist, vom Zeitlichen. · Jeder Mensch steht in einer Menge von Wünschen mitten drin, davon ein grofser Theil vergeblich oder höchst unsicher ist. Sich befreien zu können von dem Druck der letztern und in der Sphäre des Möglichen, wenn schon dieselbe sich hier verengt, dort erweitert, fortdauernd eine heitere Beschäfftigung zu finden: ist ein wesentliches Princip der Kunst zu leben. ein grofser Geist sucht stets diese Sphäre des Möglichen zu erfüllen.

Und

Philosophie als Studium, das man treibt und weglegt, als temporäre Beschäftigung, entgegengesetzt dem bleibenden, in Alles sich einführenden Geiste der Philosophie, der beinahe Zustand wird oder doch Charakterzug, verhalten sich wie Vertiefung und Besinnung.

Nicht ohne Vertiefungen kann die Besinnung erhalten werden. Aber in die Besinnung geht nicht blofs Eine Klasse von Vertiefungen ein; sondern alle Vertiefungen, die das Leben schafft. So setzt sich die Besinnung auch des Philosophen zusammen. Je länger und richtiger aber die Philosophie als Studium hatte ein [135]wirken können auf alle anderen Vertiefungen: desto philosophischer mufs zuletzt die Besinnung werden; desto mehr mufs sie das ruhige Leben veredeln, das allzuglückliche beschränken, und das vom Schicksal getroffene aufrichten und stärken.

Wie äussern nun die einzelnen Theile dieses Studiums ihren Einflußs? Und mit welchen Graden von Sicherheit oder Gefahr?

Wollte man hier auf andre Systeme Rücksicht nehmen: so hätte das Studium vielleicht gar keine Theile; und jeder falsche Lehrsatz würde mitwirken. Davon sehen wir hinweg.

Was zuerst das Formelle des Studiums anlangt: so muss man unterscheiden das Suchen, vom Finden und dem Gefundenen. Das Suchen

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