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Beilage

zu der Schrift

die Sage von Tanaquil

von

Dr. J. J. Bachofen.

Theodor Mommsen's Kritik

der

Erzählung von Cn. Marcius Coriolanus

vorgelesen

in der Gesammtsitzung der königl. preuss. Akademie
der Wissenschaften

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OXFORD

In der Einleitung zu der Tanaquil-Untersuchung haben wir die erste Aufgabe der objectiven Geschichtsforschung folgendermassen festgestellt. Sie wird, da die Ueberlieferung in allen ihren Entwickelungsstufen nur aus Schriftwerken zu schöpfen ist, damit beginnen, zu untersuchen, was jeder einzelne Schriftsteller gesagt hat, und das Ergebniss ihrer Arbeit gegen alle Einwendungen, die sich wider die Echtheit des Textes oder die Richtigkeit der Exegese erheben liessen, sicher zu stellen." So selbstverständlich diese Grundbedingung jeder gewissenhaften Untersuchung scheinen mag, so dürfte es doch nicht überflüssig sein, ihre Wichtigkeit durch ein einzelnes Beispiel zu erläutern. Wir wählen dasselbe aus einem Sagenkreise, der auch in unserer Forschung mehrfach berührt worden ist, aus der Erzählung von Cn. Marcius Coriolanus, dessen sabinische Abstammung die hoke Bedeutung des sabinischen Mutterthums in Erinnerung ruft. Für die Geschichte der Processverhandlungen, welche das Exil des unbeugsamen Patriciers, darauf den Rachezug gegen Rom und die Begegnung mit Veturia zur Folge hatten, ist Dionysius von Halikarnass die einzige Quelle. Der Ausgang des Gerichts wird von ihm in folgenden Worten mitgetheilt.

VII, 64: ὡς δ' ἐπεψήφισαν ἅπαντες, διαριθμουμένων τῶν ψήφων οὐ μέγα τὸ διάλλαγμα ἐφάνη. μιᾶς γὰρ καὶ εἴκοσι τότε φυλῶν οὐσῶν αἷς ἡ ψῆφος ἀνεδόθη, τὰς ἀπολυούσας φυλὰς ἔσχεν ὁ Μάρκιος ἐννέα· ὥστε εἰ δύο προσῆλθον αὐτῷ φυλαί, διὰ τὴν ἰσοψηφίαν ἀπελύετ ̓ ἂν ώσπερ ὁ νόμος ἠξίου.

Nichts kann klarer, bestimmter und zusammenhängender sein als dieser Bericht. Der zur Abstimmung berufenen Tribus sind es 21. Davon sprechen 9 den Angeklagten frei. Wären von den verurtheilenden 12 noch 2 zu den 9 übergetreten, so hätte sich das Stimmenmehr für Coriolan entschieden. Er wäre in Folge des gleichen Stimmrechts der Tribus nach dem Gesetz freigesprochen gewesen.

Die Richtigkeit der vorstehenden Interpretation bedarf kaum unterstützender Beweise. Aber es fehlt an solchen keineswegs. Wir machen auf den Zusammenhang aufmerksam, welcher die Stelle des Cap. 64 mit Cap. 59 verbindet. In dem letztern spricht Dionysius von dem Streite der Patricier und der Volkstribunen über die Gerichtsbestellung, schildert die günstigen Aussichten, welche eine Abstimmung nach Centuriat-Comitien für die Freisprechung eröffnete, und entwickelt dann die Vortheile, die die Tribunen bewog, auf Beurtheilung durch die Tribut-Comitien zu bestehen, in folgenden Worten: ἵνα μήτε οἱ πένητες τῶν πλουσίων μειονεκτῶσι, μήτε οἱ ψιλοὶ τῶν ὁπλιτῶν ἀτιμοτέραν χώραν ἔχωσι, μήτε ἀπερριμμένον εἰς τὰς ἐσχάτας κλήσεις τὸ δημοτικὸν πλῆθος ἀποκλείηται τῶν ἴσων ψήφων, ισόψηφοι δὲ καὶ ὁμότιμοι πάντες ἀλλήλοις γενόμενοι μιᾷ κλήσει τὴν ψῆφον ἐπενέγκωσι zara qulás. Was wir durch diese Darstellung gewinnen, ist die κατὰ φυλάς. Gewissheit, dass die Worte des C. 64: διὰ τὴν ἰσοψηφίαν ἀπελύετ ̓ ἄν durch,,aequato jure suffragii“, nicht durch „aequato numero suffragiorum", wiederzugeben sind. Dionysius ist gewiss der beste Ausleger seiner Worte. Derselbe Sinn, den er der looympia in der Erzählung von dem Streite über die Gerichtsbestellung giebt, derselbe muss in der Angabe über den Schluss ausgang des Processes wieder vorliegen. Verbindet er also dort, um keinerlei Zweifel übrig zu lassen, mit dem Ausdruck ioómpor die weiteren ὁμότιμοι πάντες ἀλλήλοις γενόμενοι, so folgt mit Nothwendigkeit, dass auch hier Isopsephie gleichbedeutend mit Homotimie, also zur Hervorhebung der die Tribut-Comitien auszeichnenden gleichen Stimmberechtigung Aller gebraucht wird. Ja es zeigt sich nun, .warum der Zusatz did try looчmpiar in C. 64 überhaupt aufgenommen wurde. Dionysius weist durch ihn auf seine frühere Erzählung in C. 59 zurück und will, seinen dort ausgesprochenen

Gedanken wieder aufnehmend, sagen: durch den Grundsatz der Isopsephie des Volkes in den Tribut-Comitien, von welchem die Demarchen so glänzende Resultate gegen Coriolan sich versprochen hatten, würde der verhasste Patricier freigesprochen worden sein, hätten zwei Tribusstimmen sich den neun absolvirenden beigesellt; mehr aber verlangte das Gesetz (über Entscheid durch Stimmenmehrheit) nicht.

Das Wort looympia wird auch in anderm als dem von Dionys gebrauchten Sinne angewendet. Sehr bekannt ist die Stelle des Aeschylus Eumen. 733 ed. G. Hermann, wo Athene sagt: νικᾷ δ' Ορέστης, καν ἰσόψηφος κριθῇ. Hier spricht der Dichter von der Zahlengleichheit der weissen und schwarzen Stimmsteine. Aber die Folgerung, dass das Wort keinen andern Sinn haben könne, und überall, wo es begegnet, nach Aeschylischem Gebrauch ausgelegt werden müsse, wird Niemand über sich nehmen. Zahlreiche Stellen beweisen das Gegentheil. Dionysius II, 46 nennt die Könige Romulus und Tatius loovýpovs xaì tiμàs nagπovμévovs tas loas, Plato legg. III, p. 692 die Macht der Ephoren inóumpos vn xn Baochén, Thukydides II, 141 die peloponnesischen Staaten ισοψήφους καὶ οὐχ ὁμοφύλους, derselbe III, 79 Brasidas nicht loóympos des Alkidas, u. s. w.: Stellen, welchen der Gedanke an eine Gleichheit der Stimmenzahl durchaus fremd ist, dagegen jener der ouovuía ausschliesslich entspricht. Noch zweimal kommt Dionysius auf die Verurtheilung des Coriolanus in dem Gericht der Tribut-Comitien zurück, und beide Male wiederholt sich dieselbe Anschauung, welche in C. 64 ihren Ausdruck gefunden hat. In B. VIII, 6 schildert Marcius in seiner Rede an die Volscer das ihm von den Römern zugefügte Unrecht, die Anklage vor den Tribut-Comitien, das Uebergewicht, das diese der grossen Masse liehen, endlich seine Verurtheilung, die dennoch nur von der Stimme zweier Tribus abhängig gewesen sei. Die dabei gebrauchten Worte δυσὶ μόνον ἑάλων ψήφοις wiederholen sich in C. 24, welches die Rede der römischen Gesandten an den siegreichen Verbannten mittheilt. Auch hier sind sie bestimmt, die Schuld des Volkes auf das geringste Mass zurückzuführen und durch den hypothetischen Fall, den C. 64 näher angiebt, nämlich die Fiction des Uebertrittes zweier Tribus von den ver

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