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die auf Livius II, 21 sich berufende, gangbare Annahme, wonach schon im Jahre 259 21 Tribus errichtet worden sein sollen, die ernstesten kritischen Bedenken," insbesondere die aus dem missverstandenen Wort ioongia hergeleitete Ansicht von der Einrichtung der 21sten Tribus durch die Lex Publilia im Jahre 283 geltend machen. Die einzig zuverlässige Quelle kann fortan nur Mommsen sein. Bei Livius und Dionys erscheint Alles in einem durchaus falschen Lichte. Der letztere insbesondere giebt nichts ,,als wohlbekannte Klügeleien, staatsrechtliche Hypothesen und sein sollende politisch-historische Betrachtungen“.

Wir würden den Gewinn, welchen die unsinnige Isopsephie unserer Alterthumskunde bringt, unterschätzen, wollten wir nicht auch an dem Lichte uns erwärmen, das sie auf das Wesen der Erzählung von Coriolan und ihre erste Entstehung wirft. Zwar giebt es in derselben keinen Theil, ja kaum einen einzelnen Zug, aus welchem ihr Charakter als plebeisches Einschiebsel in die im Allgemeinen von Patriciern geordneten und von patricischem

überall mit sich selbst in Widerspruch gerathe, finden will. Aber D. spricht erstens nicht von der Anklage auf Leben und Tod, sondern von der Wahl der plebeischen Beamten, und zweitens auch nicht von Coriolan, weil dieser gegen den Willen des Senats von den Tribut-Comitien gerichtet worden war, mithin in der Rede des Laetorius, welche nur die Concessionen des Senats aufzählt, gar keine Erwähnung finden konnte. Nach allen Reden und Gegenreden ging das Publilische Gesetz durch, und fortan war die Wahl der Tribunen und Aedilen ein Recht der Tribut-Comitien, während früher die Curiat-Comitien dazu berufen wurden (9, 41. 42. 49). Eine unglaubliche Verkehrtheit ist es, die Tribut-Comitien durch das Publilische Gesetz erst entstehen zu lassen. Sie hatten früher schon über Coriolan abgestimmt, allerdings gegen den Willen des Senats, nur in Folge der mannhaften Entschlossenheit der Plebs, die, durch Marcius' Angriffe auf das Bestehen des Tribunats in's Herz getroffen, sich dem patricischen Einflusse in den Curiat-Comitien nicht überlassen wollte. Die Publilische Rogation steht da als eine Weiterentwickelung des von dem Volke über Coriolan errungenen Sieges. So ist der Gang der Dinge, zumal in Rom. Erst ein factischer Triumph, dann die Gesetzgebung. Wer das nicht einsieht, sollte nicht mit der Geschichte des Ständekampfes, sondern etwa mit Kammerreglements sich befassen. Um die Behauptung, dass Livius 2, 26 die Verurtheilung des Coriolan durch die Curiat-Comitien auch anzunehmen scheine, steht es kein Haar besser. Die Clienten, die dies beweisen sollen, sind hier nur so lange thätig, als die Patricier das Gericht abwenden zu können hoffen. Als Alles nichts half und es nun doch zu der Beurtheilung kam, wird ihrer mit keiner Sylbe weiter gedacht, worauf es doch für Mommsen's Beweis hauptsächlich ankäme.

Geist erfüllten Annalen", nicht mit Sicherheit sich erkennen liesse: aber die Processgeschichte mit dem Entscheide der 20 Tribus durch Stimmenzahlgleichheit ist hiefür doch von grundlegender Beweiskraft. Man sieht, die senile Impotenz des Dionysius wird der Ausgangspunkt für immer weitere Ideenkreise. Wir stehen nicht mehr bei der Verbesserung einzelner Punkte der Verfassungsgeschichte, sondern erkennen eine in grossem Massstab an den patricischen Annalen durch plebeische Familien zunächst mit Hülfe des plebeischen Pontifex C. Marcius Rutilus (Consul 444), in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts, „nicht früher, aber auch nicht viel später, immerhin jedoch vor dem Anheben der eigentlichen Schriftstellerei" geübte schmähliche Fälschung. Welche Schlussverkettung von der Entdeckung der looympia zu jener der Entstehungsgeschichte des Coriolanusmythus führt, erschliesst sich einem mit dem gewöhnlichen Mass des gesunden Menschenverstandes ausgerüsteten, der feineren Dialektik fremden Leser der Mommsen'schen Untersuchung nur ganz allmälig. Was wir zu fassen vermochten, scheint etwa in folgende Deduction sich einreihen zu lassen. Feststehende Thatsache ist die Beurtheilung des Coriolan durch 20 Tribus. So verlangt es die looчmpia. Nun aber hält nicht blos die Ueberlieferung, die wir kennen, die Zahl von 21 Tribus für die Epoche von 259-267 d. St. fest, sondern es ist auch keinem Zweifel unterworfen, dass, seit nach Bezirken gestimmt ward, die Zahl derselben stets eine ungerade gewesen." Ergo „steht eine Erzählung, welche die 20 Bezirke abstimmen lässt und die Stimme der Minerva auf die Comitien bezieht, für die sie nie in Frage gekommen ist, mit unserer sonstigen nicht blos historischen, sondern staatsrechtlichen Kunde (man bemerke die Steigerung) in unauflöslichem Widerspruch." Da nun ferner diese nicht blos historische, sondern staatsrechtliche Kunde auf den römischen, von Patriciern geordneten Annalen beruht, so kann die damit in eclatantem Widerspruch stehende Coriolantradition nicht aus den Annalen selbst, sondern höchstens aus den Annalisten geflossen sein. Gelangt sie aus diesen auch in jene, so ist sie hier klärlich „ein erst später eingefügtes und darum in allen Stücken ihrem sonstigen Tenor ungleichartiges und widersprechendes Einschiebsel."

Diese betrügerische Einschmuggelung, die keinen andern Zweck gehabt haben kann, als „,der festen und gleichmässigen Ueberlieferung" aller, auch der ältesten Annalisten über Coriolan denn das wird von Mommsen nachdrücklich eingeschärft eine officielle Sanction zu leihen, wurde in so ungeschickter Weise vorgenommen, dass Betrüger und Betrogene als gleich senile Impotenzen sich zu erkennen geben. Man adoptirte nämlich die 21 Tribus der Annalen, sprach aber nach wie vor von einer Freisprechung durch Stimmenzahlgleichheit, vergass also, dass bei ungerader Richterzahl eine solche Gleichheit undenkbar ist, und hielt dennoch die Aufgabe durch diesen mathematisch wie poëtisch verunglückten Ausgleichungsversuch für glücklich gelöst. Leider hat die Geschichte die Namen der gewandten Künstler nicht aufgezeichnet. Wer aber, wie Mommsen, die Fälschung selbst so unwiderleglich nachzuweisen vermag, dem stehen auch die Mittel zu Gebote, der Thäterschaft auf die Spur zu kommen. Die Kritik bedient sich hiefür folgender einleuchtender Argumentation: „In der Erzählung von Coriolan treten,,streng genommen“ nur drei römische Geschlechter mit Bestimmtheit hervor, die Marcier, Veturier und Volumnier, und es kann nicht Zufall sein, dass die Marcier zu den ältesten plebeischen Adelsgeschlechtern gehören, der erste Consul dieses Namens findet sich im Jahre 397 die Veturier und Volumnier aber zu den nicht zahlreichen Geschlechtern, von denen es im fünften Jahrhundert sowohl patricische als plebeische zum Consulat gelangte Zweige gab." Dies die Prämisse, und nun der Schluss. Weil es nicht Zufall sein kann, dass die genannten Geschlechter theils ausschliesslich, theils in einzelnen Zweigen zu der älteren plebeischen Nobilität zählen, weil ferner „der angebliche patricische Heldenjüngling einem Geschlecht angehört, das die Geschichte nur kennt als eben so entschieden plebeisch, wie nach Geschlechtsehren begierig", weil endlich die „ähnlichen, angeblich uralten Legenden vom Pontifex Numa Marcius, dem gleichnamigen Stadtpräfecten und von dem Sänger der angeblich Marcischen Orakel sich gegenseitig weit mehr entkräften als stützen," (Röm. Forsch. 1, 104),,,so ist der Inhalt der Coriolanus - Erzählung recht eigentlich eine Verherrlichung der plebeischen Nobilität und zwar durch Anknüpfung

derselben an den Patriciat," woraus ferner sich ergiebt, dass es einen patricischen Marcius Coriolanus und, da man in der Sage doch nur einem solchen begegnet, einen Marcius Coriolanus, der angeblich grosse Kriegsthaten verrichtet und den Sieg über Rom ein paar wohlfeilen Mutterthränen geopfert haben soll, überhaupt nicht gegeben haben kann, so wenig als einen Pontifex, einen Stadtpräfecten und Orakler desselben Namens, oder gar zwei Söhne, welche die vielen Marcischen Familien späterer Zeit zur Verherrlichung ihres Stammbaums erfanden. Die Bravour dieses logischen Kunststücks wird nur noch durch einen nicht ganz zutreffenden Umstand bedroht. Jene Valeria, welcher die Erzählung die Anregung der Frauenfürbitte bei Coriolan und in Folge ihres glücklichen Endes das erste Priesterthum im Tempel der Fortuna muliebris beilegt, gehört einem patricischen Geschlecht an, das „streng genommen" in der Coriolanussage auch noch mit Bestimmtheit hervortritt. Hier fehlt es also an einem knüpfungssüchtigen plebeischen Adel, folglich an der Hauptsache. Aber auch über diese Welle ist leicht hinwegzukommen. Zwar „kann man nicht sagen, dass mit Ausnahme etwa des Berichtes über die Getreidesendung nach Etrurien, Campanien und Sicilien irgend fremdartige Elemente in die Coriolanuserzählung eingedrungen wären," aber das Auftreten der Poplicolaschwester muss doch nun „als sehr zweifelhaft" erscheinen, weil die Richtigkeit der Beweisführung sonst in's Gedränge käme, und man nur immer den Schluss wieder zur Prämisse zu machen braucht, um stets Recht zu behalten. Wozu aber das? In jedem Falle sind die Valerier der Plebs sehr geneigt, also der Versuchung, durch Fälschung der Geschichte eine ihrer Eitelkeit zusagende Verknüpfung mit dem alten Patriciate zu suchen, nicht weniger als die plebeischen Marcier, Veturier, Volumnier des fünften Jahrhunderts ausgesetzt, mithin nicht nur volksbuhlerische Patricier, sondern auch adelssüchtige Plebeier. Damit ist Alles in Ordnung und die Thäterschaft der entdeckten Fälschung einstweilen in so weit festgestellt, dass sie nur plebeischen Adelsfamilien und zwar nur den plebeischen Marciern, Volumniern, Veturiern, vielleicht auch den Valeriern, diesen jedoch nicht,,strenge genommen“ zur Last gelegt werden kann. Den Schuldigen aus der Mehrheit der

Verdächtigen herauszufinden, hilft eine anderweitige Notiz. Unter den zuerst ernannten vier plebeischen Pontifices war nämlich ein C. Marcius Rutilus, Consul d. J. 444. „Da nun die Stadtchronik im Schoosse des seit dem Jahre 454 beiden Ständen angehörigen Pontificalcollegiums ihre erste Redaction empfing", und dies die Zeit ist, in welcher in der neuen plebeischen Nobilität die Anlehnung an den alten immer noch beneideten Geschlechtsadel mit dem Stolz der siegreichen Demokratie sich verschmolz", so besitzen wir von neuem der sicheren Elemente genug, um zu einem nicht weniger sichern Schluss zu gelangen. Der Betrüger muss in jenem Pontifex Rutilus erkannt werden. Ist er doch ein Marcier, Mitglied des geschichtefeststellenden Collegiums, in jedem Falle schlauer, als seine drei patricischen Collegen, und gewiss auch geneigt, die Volumnier und Veturier an seinem Ruhme theilnehmen zu lassen. Gab es doch in jenen Geschlechtern einige, Verknüpfung mit dem Patriciate suchende plebeische Zweige, denen die Absicht, ihre politischen und socialen Bestrebungen historisch zu idealisiren", so gut als ihm selbst zugemuthet werden darf. Liess sich ein solcher idealer Zweck durch einen so einfachen Handgriff, wie die Verknüpfung der Stimmenzahlgleichheit mit der ungeraden Tribuszahl 21, erreichen, wie hätte ein Pontifex ihn nicht wagen sollen? Ohnehin zeigt jener Schooss, in welchem die Stadtchronik festgestellt, oder, wie wir nun wissen, gefälscht wurde, nicht allzu grossen Scharfsinn. War ihm doch unbekannt, dass die Aufhebung alles Gegensatzes zwischen Latium und Volscerland zwar für seine Zeit, das fünfte Jahrhundert, gerechtfertigt erscheine, in die Geschichte Coriolan's aber nicht zurückverlegt werden dürfe, wie unkluger Weise geschah. Toujours fourbe par quelque côté se trahit. Vielen Dank schulden wir Livius, dass er - diesmal gewiss nicht blos aus den nichtsnutzigen Annalisten, sondern aus den officiellen Pontifical-Annalen die Nachricht von der volscischen Versammlung im ferentinischen Quellhaine uns aufbewahrt und nicht mit der vagen Angabe des Dionysius „ein Ort in der Nähe Roms" sich begnügt hat. Denn sofern wir nur verstehen, aus jenem Halte der vereinzelt aus Rom heimkehrenden, von Attius Tullius Mann für Mann angesprochenen volscischen Ausgewiesenen eine feierlich

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