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urtheilenden 12 zu den freisprechenden 9, gerechtfertigt. Einen Widerspruch der Dionysischen Darstellung mit der des Plutarch im Coriolan C. 20: Τέλος δ ̓ οὖν ταῖς φυλαῖς τῆς ψήφου δοθείσης, αἱ καθαιροῦσαι τρεῖς ἐγένοντο wird Niemand zu behaupten wagen. Wenn die Abstimmung 12 Nummern für Verurtheilung, 9 für Freisprechung aufweist, so beträgt das verurtheilende Mehr 3 Stimmen. Wären aber von diesem Mehr nur 2 Stimmen zu den freisprechenden übergetreten, so hätte sich die Majorität, die schon durch eine einzige Stimme hergestellt wird, für den Angeklagten ausgesprochen. Plutarch berücksichtigt das wirkliche Processergebniss, Dionysius den letztern nur hypothetischen Fall. Der Biograph von Chaeronea referirt das Geschehene, der Geschichtschreiber von Halikarnass lässt Coriolan und die römischen Gesandten im Interesse ihrer Apologieen nicht sowohl das Mehr der Verurtheilung, als die Zahl der Stimmen, die dieses Mehr zu Gunsten des Angeklagten gewendet haben würden, betonen. Plutarch hat also Dionysius, dem er hauptsächlich folgt, richtig verstanden. Er besass Einsicht genug, um zwischen dem Mehr, das sich gegen Coriolan in Wirklichkeit ergeben hatte, und demjenigen, das auf Grundlage des Verhältnisses von 9 zu 12 für den Angeklagten genügt haben würde, richtig zu unterscheiden.

Durch die vorstehenden Bemerkungen wird unsere Erklärung der aus C. 64 abgedruckten Stelle gegen alle denkbaren Einwürfe gesichert. Was Dionysius in derselben sagt, darüber kann nicht der leiseste Zweifel obwalten. Es ist in sich zusammenhängend, mit Allem, was in derselben Processgeschichte zu lesen steht oder später im Rückblick auf sie angegeben wird, nicht minder endlich mit Plutarch's Referat aus Dionysius in dem vollkommensten und durchsichtigsten Einklang.

Betrachten wir nun die Ergebnisse der neuesten Kritik. Sie zeigen durch ihre Verkehrtheit, wie ernst es mit der ersten Aufgabe der objectiven Geschichtsforschung, der Constatirung dessen, was jeder einzelne Quellenschriftsteller gesagt und nicht gesagt hat, zu nehmen ist.

Herr Th. Mommsen nennt die Erzählung des Dionysius über die Abstimmung der Comitien einen äusserst bedenklichen Bericht.

Bedenklich schon deshalb, weil der asiatische Rhetor mit demselben allein stehe und wir ja aus den Römischen Forschungen 1, 184 wüssten, dass, so oft dies der Fall sei, „wir nichts Besseres thun könnten, als seine Angaben einfach bei Seite zu werfen." Bedenklich aber namentlich wegen seines Inhalts. Dionysius sage nämlich Folgendes: „Coriolan sei von 9 Tribus unter 21 freigesprochen worden und nur 2 freisprechende Stimmen hätten gefehlt, um Stimmengleichheit und damit Freisprechung herbeizuführen". Also looympia wird von Dionysius für Gleichheit der Stimmenzahl gebraucht. Er hat, als er C. 64 schrieb, nicht an seine in C. 59 gegebene Darstellung von dem Unterschiede der Centuriat- und Tribut-Comitien, nicht an die loongo nai ὁμότιμοι πάντες ἀλλήλοις, nicht an die ψήφος μιᾷ κλήσει κατὰ qulás, sondern an Aeschylus Eumenid. v. 733, an das Gericht über Orest gedacht und ,,die Stimme der Minerva auf die Comitien, welche Coriolan richten sollten, für die sie aber nie in Frage gekommen ist, übertragen." Klüger als Dionysius war Plutarch, ,,der zwar für uns als blosser Ausschreiber jenes in Wegfall kommt," dennoch aber „den groben Rechenfehler seines Vorgängers bemerkte und zu verbessern wusste." Das Verdienst dieser Interpretation und ihrer Rechtfertigung will Herr Mommsen nicht für sich in Anspruch nehmen. Herr Schwegler hat darauf ein älteres Recht.,,Es bleibt unerklärlich, wie D. hat sagen können, durch den Uebertritt zweier Stimmen wäre Stimmengleichheit herbeigeführt worden; es wären ja alsdann der freisprechenden Stimmen 11 gewesen, der verurtheilenden 10. Stimmengleichheit ist überhaupt bei 21 Abstimmenden schlechtweg unmöglich." (Schwegler, Röm. Gesch. 2, 353.) Wir sehen hier das, was Mommsen nur erst als Bedenklichkeit bezeichnet, als Unmöglichkeit dargestellt. Doch weiss auch Mommsen zu dieser Einsicht sich zu erheben und seinen denkunfähigen Zeitgenossen die Lehre zu ertheilen, dass bei ungleicher Bezirkzahl Stimmengleichheit undenkbar sei." Für diese Einführung in die Schwierigkeit des Einmaleins wird die junge kritische Schule dem Meister gewiss dankbar sein, mit wahrer Bewunderung aber die Züchtigung begrüssen, welche dem Rhetor von Halikarnass für seinen mathematisch wie poetisch gleich verunglückten Versuch" zu Theil wird.

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Endlich, so ruft der Kritiker, endlich haben wir einen entscheidenden Beweis,, für die greisenhafte Impotenz dieses Quasihistorikers". Ist er gewöhnlich verwirrt und mit sich selbst im Widerspruch" (R. Forsch. 1, 184), so ertappen wir ihn hier auf einem Conflict mit dem Einmaleins, der den letzten Rest von Achtung und Vertrauen bei jedem halbwegs vernünftigen Forscher ausrotten muss. Dieser Beitrag zu der Kritik des Dionysius und seiner Archäologie ist zwar ein sehr wichtiges, aber keineswegs das einzige Ergebniss der Mommsen'schen Interpretirkunst. Sie begnügt sich nicht, mit einem unbequemen Rhetor, dem Verfasser einer Geschichte des Coriolanprocesses,,,in welcher die Tribunen als hämische, bösartige Aufwiegler der Plebs, ebenso gewaltthätig als pfiffig und verschlagen, aller edleren Triebfedern baar, die Plebs als charakterloses neidisches Proletariat, die Anklage selbst als gemeine Chicane, überhaupt Alles in dem widerwärtigsten, unwürdigsten Lichte erscheint," 1) ein- für allemal aufzuräumen: sie gelangt auch zu werthvollen Bereicherungen unserer Kenntnisse von der Entwickelung der Verfassung und der Bildungsgeschichte der römischen Tradition. In ersterer Beziehung ist folgende Logik von anerkennenswerther Reinheit. Die Verwirrung, die in der Stelle des Dionysius (kraft der Erklärung von looympia durch Gleichheit der Stimmenzahl) obwaltet, so heisst es auf S. 17 einige Zeilen nach dem Vorwurf der greisenhaften Impotenz, ist so gross, dass sie der Asiate unmöglich selbst verschuldet haben kann. Sie war schon vor ihm vorhanden und ist aus älteren Werken in das seine übergegangen. Von einem blossen zufälligen Irrthum kann also die Rede nicht sein. Wir besitzen vielmehr jetzt einen sichern Beweis für die sonst nicht gemeldete Thatsache, dass die Zahl der Tribus, nachdem die ursprüngliche Vierzahl aufgegeben war, eine Zeit lang und namentlich zu Anfang der Republik auf zwanzig gestanden" Die Beweisglieder sind folgende. Isopsephia, gleich Stimmenzahlgleichheit, setzt eine gerade Tribusanzahl voraus; da nun von 22 nie die Rede gewesen ist, so müssen 20 angenommen werden. Dieser Schluss

1) Worte aus Schwegler's Röm. Geschichte 2, 394, in welcher Mommsen,,die Elemente" seiner Auffassung findet.

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ist so sicher, dass wir auf Grund desselben den ursprünglichen Tenor der Coriolanfabel herzustellen vermögen. ,,Ohne Zweifel legte sie die Gesammtzahl von 20 Bezirken zu Grunde und lautete so, dass Coriolanus neun freisprechende, eilf verurtheilende Stimmen gehabt habe, also wenn eine günstige Stimme mehr gefallen wäre, in Folge der bei Stimmengleichheit für den Beklagten entscheidenden Processregel freigesprochen sein würde." Diese recht leichtfertige Combination eines der Ueberlieferung nach Bedürfniss nachhelfenden s. g. Geschichtsforschers" führt schliesslich zu einem Ergebniss, das vor den alten Angaben gewiss den Vorzug „grösserer juristischer Strenge" hat. Wenn es nämlich sicher ist, dass die Tribuszahl zu Anfang der Republik auf 20 stand, nicht weniger sicher aber, dass, seit nach Bezirken gestimmt wurde, die Zahl derselben stets eine ungerade gewesen, so muss eben die Einführung dieser Abstimmung nach Bezirken die Ursache gewesen sein, die Zahl derselben von 20 auf 21 zu erhöhen, um die Stimmengleichheit (und jenen für die Coriolanfabel herausgefundenen, aber immer recht unzweckmässigen Entscheid durch den calculus Minervae) zu vermeiden. Das geschah durch das Gesetz des Tribunen Publilius Volero im Jahre 283, also 20 Jahre nach der von der Tradition auf das Jahr 263 angesetzten Verurtheilung des Coriolan, wodurch wir endlich einen richtigen Einblick in Veranlassung und Inhalt dieser wichtigen Rogation gewinnen. Alle angegebenen Bereicherungen der römischen Verfassungsgeschichte verdanken wir dem Einen Worte ioonopía nach der Schwegler-Mommsen'schen Erklärung, mithin eben jener senilen Impotenz des Quasigeschichtschreibers, der in seinem Unverstande ́uns nützlicher wird, als er bei besserer Vertrautheit mit dem Einmaleins geworden sein würde. Begreiflich ist daher die Hartnäckigkeit, mit welcher Mommsen jeden Versuch, den mathematischen Unsinn der Dionysischen Stelle durch Textesemendation, wie er sie in seiner kritischen Verzweiflung früher selbst vorgeschlagen hatte, oder gar durch richtige Interpretation des Wortes looympia, wie sie uns von dem Griechen in C. 59 gegeben wird, auszumerzen, von der Hand weist. Jeder solche Vorschlag würde „eine mangelhafte Einsicht in das Wesen der ganzen Erzählung" verrathen und „die Symmetrie derselben“

in noch weit bedauerlicherer Weise,,schädigen", als es durch den unsinnigen Einfall des Dionysius, die Zahl der zur Freisprechung fehlenden Stimmen um eine zu erhöhen, leider schon im Alterthum geschehen ist. Wir müssen es anerkennen, Glänzenderes hat der kritische Scharfblick noch niemals geleistet. Wer mit so viel Interpretirkunst eine solche logische Denksicherheit verbindet, darf sich schon etwas mehr herausnehmen, als gewöhnliche Sterbliche, die Beurtheilung des Coriolan in Tribut-Comitien entgegen Dionysius und dem ihn ausschreibenden, daher doch wohl billigenden Plutarch kurzweg in Abrede stellen, um das für die Lex Publilia gewonnene Resultat gegen Einwürfe zu sichern, den Tribut-Comitien die Curienversammlung substituiren, hiefür das Zeugniss des Dionysius in IX, 46 und selbst das des Livius in II, 26, welche beide davon Nichts sagen,2) in's Feld führen und endlich gegen

2) Röm. Forschungen 1, 189 N. 15. „Die Versammlung, an die die Tribune die Anklagen gegen Coriolan und andere Patricier brachten, bezeichnet D. einmal als Tribut (7, 59; 9, 27. 33), anderswo (9, 46) als Curiat-Comitien. Die erstere Angabe wird nicht nur durch die zweite aufgehoben, sondern auch durch die feststehende Thatsache, dass erst das publilische Gesetz die Tributversammlung in's Leben rief." Die angeführte Stelle 9, 46 bildet einen Theil der Rede des Tribuns Laetorius zu Gunsten der Publilischen Rogation, die Rede des Laetorius eine Entgegnung auf die des Consuls Appius wider das Gesetz. Um zu einer richtigen Interpretation zu gelangen, muss die Debatte der beiden Sprecher in ihrem ganzen Zusammenhang gelesen werden. Der Gang der Verhandlung ist folgender: Appius beschuldigt die Gemeinde, auf gewaltthätige Weise manche Rechte, die dem Staate zum Unheil gereichten, an sich gerissen zu haben, am schwersten wiege die letzte Usurpation, kraft welcher die Plebs sich anmasse, jeden beliebigen Patricier auf Leben und Tod vor Gericht zu ziehen und das althergebrachte gesetzliche Forum (d. h. die Centuriat-Comitien) durch das der geringsten Volksklasse (d. h. die Tribut-Comitien) zu ersetzen. Dass dieser Vorwurf auf den Coriolanus-Process zurückweist, ist ausser Frage. Um diesen kränkenden Beschuldigungen zu begegnen, mahnt Laetorius seinerseits das Patriciat, insbesondere Appius, an alle feierlichen Zusagen, welche der Senat dem Volke bis jetzt gegeben habe, zuerst an die nach der Secession ausgesprochene Amnistie, dann an das Zugeständniss unverletzlicher Tribunen, ferner an die Einräumung des Rechts, über jedes Patriciers Leben und Tod zu richten (was im Coriolanprocess, wie ihn D. darstellt, geschah), endlich an die Einräumung der Befugniss, die plebeischen Beamtungen (Tribunen und Aedilen) nicht in Centuriat-Comitien, sondern durch die CurienVersammlungen zu wählen (9, 46). Diese letzte Bemerkung, welche durch die Bedeutung des Wortes ynpopopɛtodaι in 9, 42 ausser jede Anfechtbarkeit gesetzt wird, ist nun diejenige Stelle, in welcher M. eine Anerkennung der Curiat-Comitien für Coriolan's Beurtheilung und einen neuen Beweis für seinen Vorwurf, dass D.

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