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Eine Hindeutung auf die Sitte des Knieens bei der Geburt sieht Welcker mit Recht wohl auch in den beiden folgenden Dichterstellen. Bei Hesiod heißt es von den Kindern des Kronos, dieser habe jedes verschlungen, das aus dem Leibe zu den Knieen der Mutter gelangt sei1), und ein ganz ähnlicher Ausdruck wird von der Geburt in der Ilias gebraucht.") Daß die Sitte lange Dauer gehabt hat, zeigt die Tatsache, daß sie auch im modernen Griechenland noch besteht oder wenigstens noch in neuerer Zeit bestanden hat.3) Aus Rom ist die knieende Stellung der Gebärenden zwar nicht direkt überliefert, sie ist aber sicher zu erschließen aus der Nachricht über die Nixi Dii. Als Nixi Dii wurden drei aus Griechenland nach Rom gebrachte kniende Figuren bezeichnet, die vor der Cella der Minerva auf dem Kapitol aufgestellt waren.) Wissowa) bestreitet die Existenz dieser Gottheiten, er hält die Erklärung der Figuren als Geburtsgötter für Ciceronenweisheit. Ich glaube, diese Auffassung Wissowas wird sich als irrig erweisen lassen, aber auch wenn sie richtig wäre, d. h. auch wenn die Auffassung der kapitolinischen Bildwerke als Geburtsgötter eine willkürliche Erfindung wäre, so würde eben diese Erfindung doch wenigstens als ein Zeugnis für die Sitte des Knieens bei der Geburt gelten können. Denn es konnte natürlich kein römischer Cicerone auf den Gedanken kommen, knieende Figuren gerade für Geburtsgötter zu erklären, wenn ihm nicht das Gebären in knieender Stellung bekannt und vertraut gewesen wäre.

1) Hesiod. Theog. 460.

καὶ τοὺς μὲν κατέπινε Κρόνος μέγας, ὅστις ἕκαστος

νηδύος ἐξ ἱερῆς μητρὸς πρὸς γούνατ ̓ ἵκοιτο.

2) Π. ΧΙΧ, 110. ὃς κεν ἐπ ̓ ἤματι τῷδε πέσῃ μετὰ ποσσὶ γυναικός. 3) Ploß, Lage und Stellung der Frau während der Geburt S. 41; Das Weib II S. 175. Marx a. a. O. S. 186.

4) Fest. p. 174b, 33. Nixi dii appellantur tria signa in Capitolio ante cellam Minervae genibus nixa velut praesidentes parientium nixibus, quae signa (cod. sua) sunt qui memoriae prodiderunt Antiocho rege Syriae superato M'. Acilium subtracta a populo R. adportasse atque ubi sunt, posuisse; etiam qui capta Corintho advecta huc, quae ibi subiecta fuerint mensae. Non. p. 57. a Nixis, quae religionum genera parientibus praesunt.

5) Gesammelte Abhandlungen S. 130.

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Eine ganze Reihe griechischer knieender Frauenfiguren sind als Gebärende oder Geburtsgöttinnen in der Stellung der Gebärenden erklärt worden.1) Ich zähle sie hier nicht auf, weil bei vielen die Deutung ganz unsicher ist.2) Nur auf eine bildliche Darstellung gehe ich näher ein, da bei ihr die Deutung einigermaßen gesichert ist und sich auch sonst mancherlei Interessantes daran knüpft. Es ist dies die leider arg verstümmelte archaische Marmorgruppe im Museum zu Sparta, die Marx in den Athen. Mitteilungen X (1885), T. VI veröffentlicht hat (Tafel I).3) An eine völlig nackte Frau1) schmiegt sich zu beiden Seiten je eine in kleineren Proportionen gearbeitete männliche Figur an. Daß es nicht Kinder sind, wie bei der ersten Erwähnung der Gruppe in Milchhöfer-Dressels Katalog der antiken Kunstwerke in Sparta und Umgebung 5) angegeben war, sondern Jünglinge, zeigt, wie Marx richtig hervorgehoben, die Behandlung des Haars bei der Figur 1. vom Beschauer), da in Sparta die Knaben bis zum Eintritt ins Jünglingsalter ganz kurz geschoren gingen.") Der Jüngling rechts vom Beschauer)

1) Diese Bildwerke sind zuletzt zusammengestellt von Baur, Eileithyia, Philologus, VIII. Suppl. S. 481 f.

2) Die von Welcker a. a. O. S. 188 für eine gebärende Leto erklärte Statue von Mykonos z. B. (Monum. dell' ist. I, 44. Welcker a. a. O. Tf. I), die auch Baur a. a. O. S. 481 ähnlich, d. h. als Leto oder Eileithyia oder kreißende Frau auffaßt, ist wohl eine Grabfigur gewesen.

3) Da ich die Gruppe nicht selbst gesehen habe, folge ich der von Marx gegebenen Beschreibung. Auch die hier Tf. I gegebene Abbildung ist der Publikation von Marx entnommen.

4) Nicht erhalten sind Kopf, Hals, Arme, Unterschenkel von den Knieen ab. Die linke Schulter ist völlig, die linke Brust bis auf einen kleinen Rest weggebrochen.

5) Ath. Mitteilungen II, 297.

6) Das Haar wallt auf die Schulter herab, am Halse wallt es keilförmig vor, am Ohr springt eine Haarpartie nach dem Auge vor.

7) Plutarch, Lyk. 16. Schon Milchhöfer-Dressel a. a. O. hatten bemerkt, daß die Haarmasse wenig passend für ein Kind sei, sondern an die spartanische Reliefstele eines unbärtigen Mannes (Philol. XIX (1863) Tf. II. Ann. dell'ist. 1861, Tf. C) erinnere.

8) Erhalten ist nur der linke Arm, ein Stück Leib mit dem Geschlechtsteil und dem Ansatz der Beine und der Kontur des oberen Rückens auf der linken Seite der Hauptfigur.

legt die geöffnete linke Hand auf den Unterleib der knieenden Frau, und zwar dicht über dem gegen sonstige Gewohnheit deutlich angegebenen pudendum muliebre. Die Figur links hat noch etwas kleinere Proportionen als die rechts. Es ist mehr von ihr erhalten als von der andern Seitenfigur: vom linken

Bein des Jünglings, das mit leicht gekrümmtem Knie vorgestreckt war, ist der obere Teil und der ganze Kontur bis zum Knöchel am Schenkel der Frau deutlich erkennbar; das rechte Bein ist oberhalb des Knies abgebrochen. Nicht mehr deutlich zu erkennen ist, wie es scheint, die Haltung der Hände des Jünglings: nach Marx' Angabe1) legt er zwei Finger an die Lippen oder steckt sie in den Mund, und zwar hält Marx es für wahrscheinlich, daß er je einen Finger je einer Hand an oder in und ebenso von Prott3) nehmen an, daß er die Flöte bläst, was auch Marx wenigstens für möglich gehalten. Da diese Figur zweifellos steht, so zog Marx hieraus den richtigen Schluß, daß am unteren Ende der Mittelfigur nur gerade so viel fehlt, daß man die Unterschenkel und die Füße richtig proportional ergänzen kann, also nur wenig. Deshalb und weil jeder Versuch einer anderen Ergänzung auf unlösbare Schwierigkeiten stößt1), hat Marx die Figur sicher mit Recht als knieend ergänzt.5)

den Mund führt; Wolters) dagegen

1) a. a. O. S. 180. 2) Εφημερὶς ἀρχ. 1892, S. 226.

3) Ath. Mitt. XXIX (1904), S. 18. 4) Vgl. hierüber Marx a. a. O. S. 182. 5) Marx a. a. O. S. 183. Die hier abgebildete Ergänzung verdanke ich meinem Freunde Dr. Hans Lucas.

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