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fahre im Kinde wiedergeboren wird. 1) Da nun auch die Schwelle der Sitz der Ahnen sei, so sei das über die Schwelle Heben als ein Fruchtbarkeitszauber aufzufassen.) Diese Erklärung ist indessen sehr unwahrscheinlich. Sollte wirklich die Seele, die unter der Schwelle weilt, in die Braut eingehen, damit diese sie als Kind wiedergebäre, so würde sicherlich die Berührung der Schwelle nicht verboten, sondern geboten sein. Wie das Verbot wirklich zu erklären, zeigt uns das oben (S. 141) erwähnte Verbot aus Oberfranken, beim Beziehen eines neuen Hauses die Schwelle zu betreten; hier wird das Verbot ja ausdrücklich damit begründet, daß das Betreten der Schwelle der armen Seele weh tut. Der gleiche Grund liegt jedenfalls auch bei der Hochzeit vor: die Braut soll die Geister nicht stören, um nicht ihren Zorn zu erregen. Ihn zu vermeiden hat sie um so mehr Grund, als die Hausgötter (d. h. ursprünglich die Ahnenseelen), wie ich in meinen „Familienfesten der Griechen und Römer" gezeigt habe, ohnehin, bis sie durch Sühnungen versöhnt sind, über die Aufnahme der Fremden zürnen. Wie ich dort weiter dargelegt, sind auch die Hausgötter des Elternhauses erzürnt, weil ihnen ein Mitglied der Familie entzogen wird, das zu ihrem Dienste verpflichtet war; um so begreiflicher ist es, daß das Verbot, bei der Hochzeit die Schwelle zu betreten, nicht nur für das Haus des Bräutigams, sondern bisweilen, wie wir vorher sahen, auch für das Vaterhaus der Braut gilt.

Nach einem thüringischen Glauben darf beim Begräbnisse der Sarg nicht an die Schwelle anstoßen oder auf ihr niedergesetzt werden, weil sonst alle im Hause sterben müßten.3) Das ist ja genau übereinstimmend mit den vorher besprochenen Bräuchen. Aber, was auf den ersten Blick sehr auffallend erscheinen kann, in der Regel finden wir die entgegengesetzte Vorschrift: der Sarg muß dreimal auf der Türschwelle nieder

1) Dieser Glaube ist auch sonst weit verbreitet. Vgl. Dieterich, Mutter Erde S. 23 f. Samter, Neue Jahrb. XV (1905), 38f. Bertholet, Seelenwanderung S. 12f. Tylor, Anfänge der Kultur II, 3 ff.

2) Crooke a. a. O. S. 239.

3) Wuttke S. 464, § 736. Witzschel, Sagen, Sitten und Gebräuche aus Thüringen S. 237, Nr. 54.

gesetzt werden. Diese Sitte begegnet uns in Steiermark1), in der Oberpfalz2), in Oberbayern3), in Schlesien), bei den Wenden der Oberlausitz), in Baden, Böhmen, Franken und Schwaben.")

Zur Erklärung kann vielleicht ein irischer Brauch helfen. In manchen Gegenden von Irland ist es üblich, beim Begräbnis am Kreuzwege haltzumachen und für den Toten ein Gebet zu sprechen.") Was es mit dem Kreuzweg hier für eine Bewandtnis hat, kann keinem Zweifel unterliegen. In Griechenland wirft man, ohne sich umzusehen, Opfer für die Seele am Kreuzweg hin. In Deutschland wirft man das Geschirr, das der Tote gebraucht hat, zerschlagen an einen Kreuzweg, um seine Wiederkehr zu hindern. Wenn der Leichenzug über einen Kreuzweg (das gleiche gilt für die Dorfgrenze 3)), geht, so wird auf diesen ein Haufen Stroh gelegt, damit der

1) Weinhold, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde VIII, 447. Bei den Slowenen in Steiermark wird der Sarg an der Schwelle des Zimmers für einen Augenblick niedergestellt, dann erst wieder aufgehoben und zur Tragbahre ins Freie gebracht (Šuman, Slowenische Bräuche, Zeitschrift für österr. Volkskunde II, S. 364).

2) Bavaria II, 1, 323. 3) Bavaria I, 1, 412.

4) Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglauben in Schlesien I, 301. 5) Köhler, Volksbrauch, Aberglaubė usw. im Voigtland S. 441. 6) Wuttke S. 464, § 736. Vgl. auch Grimm, Deutsche Mythologie III, 464, Nr. 846. Bei den Rumänen in der Bukowina berührt man, wenn die Leiche aus dem Hause getragen wird, mit dem Sarge jede überschrittene Türschwelle, in dem Glauben, daß der Tote damit von seinem Hause, seinen Bekannten und Angehörigen Abschied nehme (Demeter Dan, Volksglauben der Rumänen in der Bukowina, Zeitschrift für österr. Volkskunde II, S. 286, Nr. 79).

7) Caland, Parallelen zu den altindischen Bestattungsbräuchen, Mus. X (1902), S. 33. Vgl. auch die Verordnung der Labyaden zu Delphi, Leg. sacr. ed. Ziehen Nr. 74: τὸν δὲ νεκρὸν κεκαλυμμένον φερέτω σιγᾷ κήν ταῖς στροφαῖς μὴ καττιθέντων μηδαμεῖ μηδ ̓ ὀτοτυζόντων ἔχθος τᾶς Γοικίας πρίγ' κ' ἐπὶ τὸ σᾶμα ἵνωντι. Eitrem, Hermes und die Toten S. 11 f.

8) In Irland setzt man den Sarg für einen Augenblick nieder, wenn man an die Grenze der Farm kommt, in welcher der Tote wohnte (Caland a. a. O.). Vgl. auch den S. 46 angeführten masurischen Brauch. Wie es scheint, glaubt man auch an der Grenze die Geister anwesend, vgl. Boehm, De symb. Pyth. p. 47. Über die zauberische Kraft der Grenze vgl. Rieß in Pauly-Wissowas Realenzyklop. I, 47.

Samter: Geburt, Hochzeit und Tod.

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Tote, wenn er in seine frühere Wohnung heimkehrt, auf demselben sich ausruhen kann. Am Kreuzwege kann man nach deutschem Glauben in der Neujahrs-Mitternachtsstunde die Toten beschwören, auf Kreuzwegen tanzen die der Ruhe beraubten Seelen bei Mondschein wilde Tänze.1) Bei den Wadschagga in Deutsch-Ostafrika opfert man an dem Kreuzwege den „verlorenen Geistern". Dazu gehören besonders kinderlos gestorbene Leute, also vor allem die alten Junggesellen. Da ihnen kein Nachkomme ein ordentliches Opfer bringen kann, sind sie als Opfererpresser gefürchtet. Auf Kreuzwegen kann man am sichersten einen solchen unsteten Geist mit seinem Opfer erreichen.2) An den Kreuzwegen also verweilen die Seelen.3) Wenn man daher den Sarg hier niedersetzt, so lag dieser Sitte ursprünglich wohl die Absicht zugrunde, die Seele des zu Grabe getragenen Toten einen Augenblick auf der Stelle verweilen zu lassen, die sie künftig besuchen wird. Da nun aber die Schwelle, wie wir sahen, ebenfalls ein Aufenthaltsort der Geister ist, so erscheint die Vermutung naheliegend, daß das Niedersetzen des Sarges auf der Schwelle ebenso zu erklären ist.

1) Samter, Familienfeste der Griechen und Römer S. 120 f., wo die Belege angeführt sind.

2) Gutmann, Die Opferstätten der Wadschagga, Arch. f. Religionswiss. XII (1909), S. 98.

3) Vielleicht, weil an den Kreuzwegen und ebenso an den Grenzen in alter Zeit begraben wurde. Vgl. Oldenberg, Religion des Veda S. 562, 3. Böhm a. a. O. Eitrem, Hermes und die Toten S. 12.

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XIII

In vielen Teilen von Deutschland ist der Glaube verbreitet, daß sich ein Brautpaar auf dem Wege zur Kirche nicht umsehen dürfe. Als Grund hierfür wird angegeben, wer von den beiden sich umsehe, sehe sich nach einem andern Gatten um, werde also bald verwitwet1), in der Oberpfalz sagt man, wer sich umsehe, werde beschrien, und im Erzgebirge heißt es, wenn die Braut es tue, bekämen die Kinder schiefe Hälse.") Im sächsischen Niederhessen meint man, wenn Braut und Bräutigam sich beim Kirchgange umsähen, so müßte man annehmen, daß sie ihre Vergangenheit oder die eben getanen Schritte bereuten.3) In Niederbayern mußte die Braut rücklings das Elternhaus verlassen, als gelte es zum letzten Male zurückzublicken.4) In Berlin macht der Kutscher eines Hochzeitswagens noch heute lieber einen großen Umweg, als daß er sich zum Umwenden versteht.

Ebenso wie bei der Hochzeit ist bei dem Gange zur Taufe das Umschauen verboten. In der Oberpfalz soll die Hebamme, die das Kind trägt, sich nicht umsehen, damit es nicht neugierig werde.) In Ostpreußen dürfen sich die Paten auf dem Wege zur Kirche nicht umsehen, sonst wird das Kind ein unnützer Gaffer); im Erzgebirge sagt man, das Kind werde neugierig, wenn die Paten sich umsähen.) Bei den Esten dürfen sich die Gevatter während der Taufe nicht umsehen, sonst

1) Wuttke S. 220, § 313. Frischbier, Ostpreuß. Volksglaube und Brauch, Am Urquell I, 114.

2) Wuttke S. 371, § 563. Schönwerth, Aus der Oberpfalz I, 79. 3) Hessler, Hessische Landes- und Volkskunde II, S. 510.

4) Sepp, Völkerbrauch bei Geburt, Hochzeit und Tod S. 52.

5) Schönwerth, Aus der Oberpfalz I, 168.

6) Wuttke S. 388, § 593.

7) Wuttke S. 390, § 595.

sieht das Kind Gespenster.1) Im Gouvernement Kasan wirft die Patin auf dem Wege zur Taufe ein Bündelchen, in dem sich Kohle und ein bißchen Lehm vom Stubenofen befindet, auf einen Kreuzweg über die rechte Schulter und sagt dabei, ohne sich umzusehen:,,Herr Jesu Christe, erbarme dich unser".2) Es liegt auf der Hand, daß die mannigfachen Erklärungen, die für das Verbot des Umsehens gegeben werden, nachträgliche Erfindungen sind und keinerlei Wert haben. Was aber das Verbot wirklich zu bedeuten hat, kann keinem Zweifel unterliegen.3) Im vorigen Kapitel (S. 145) war erwähnt, daß man in Griechenland den Seelen auf den Kreuzweg Opfer hinwirft, ohne sich umzusehen.4) Dieselbe Vorschrift gilt für alle Opfer, die den Unterirdischen dargebracht werden, ebenso für alles Zauberwerk bei den Griechen und Römern, bei den Indern und im neueren Aberglauben.5)

Aber nicht nur beim Zauber muß man den Anblick der Geister vermeiden. Ein griechischer Spruch, der zu den sogenannten pythagoreischen Symbolen gehört, aber, wie alle diese, alten Volksglauben wiedergibt, lautet:,,Wenn du von Hause abreist, so kehr' nicht um, denn hinter dir sind die Erinyen.") Hier ist der Grund des Verbots noch deutlich ausgesprochen: wenn der Abreisende sich umwendete, würde er die Geister, die ihm folgen, erblicken.") Ebenso erklärt sich natürlich das Verbot des Umsehens bei der Hochzeit

1) Grimm, Deutsche Mythologie1 III, S. 489, Nr. 51.

2) Globus 1899, 319. Samter, Familienfeste der Griechen und Römer S. 64. Die Anrufung Christi ist natürlich ein späterer Zusatz.

3) Vgl. Samter, Antiker und moderner Volksbrauch, Beilage der Münchner Allgemeinen Zeitung 1903, Nr. 116.

4) Vgl. auch oben S. 96.

5) Rohde, Psyche II, 85, 2.

6) Iamblich. Protr. 21 (p. 114, 29 Pist.). άлodnuãv tñs oixías un ἐπιστρέφου. Ερινύες γὰρ μετέρχονται. Vgl. Boehm, De symbolis Pythagoreis p. 47f. Rohde, Psyche II, 85. Frazer, Some popular superstitions of the ancients, Folk-lore I (1890), p. 155.

7) Ganz ebenso heißt es im deutschen Aberglauben: wer in den Krieg zieht und beim Weggehn hinter sich zurückschaut, kehrt selten heim (Grimm, Deutsche Myth. III 467, Nr. 890).

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