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Bei Milchhöfer-Dressel1) war das Werk als,,Gruppe einer kindernährenden (?) Frau“ bezeichnet); daß dies irrig, ergibt sich aus dem Umstande, daß die beiden Seitenfiguren eben keine Kinder, sondern Jünglinge sind. Die von Marx gegebene Deutung auf eine Gebärende, für die nach den vorher gegebenen Darlegungen das Knieen durchaus paßt, wird gesichert durch den Gestus des rechten Jünglings. Wie schon Marx dargelegt hat, dessen Ausführungen ich das im folgenden angeführte Material entnehme, ist seine oben beschriebene Handhaltung, d. h. die Berührung des Leibes, typisch für den Geburtshelfer. Vgl. die rohe kyprische Terrakottadarstellung einer Gebärenden im Louvre3) und die Darstellung der Geburt der Athena auf einem etruskischen Spiegel, auf der Thalna (Eileithyia) ihre geöffnete rechte Hand auf den Leib des Zeus legt.) Den bildlichen Darstellungen stehen Schriftstellerzeugnisse zur Seite Der Arzt Soranus rät, daß die bei der Entbindung Beistand leistenden Frauen die Hände auf den Unterleib der Gebärenden legen sollen.") Daß die Berührung des Leibes durch eine Gottheit Entbindung bewirkt, zeigt die Erzählung von der Geburt des Priapos. Die eifersüchtige Hera berührt mit ihrer Hand den Unterleib der Aphrodite, da gebiert diese den Priapos.")

1) a. a. O. S. 297.

2) Das Fragezeichen haben bereits Milchhöfer - Dressel selbst hinzugefügt. Als,,Mutter mit den Zwillingen" hat auch Hiller von Gärtringen (Thera III, 163) die spartanische Gruppe bezeichnet.

3) Heuzey, Les figurines antiques de terre cuite du musée du Louvre pl. IX, f. 7. Perrot - Chipiez, Histoire de l'art de l'antiquité III, p. 554. 4) Gerhard, Etr. Spiegel I, Tf. 66.

5) Soranus p. 238 Rose. τοὺς δὲ πόνους τὸ μὲν πρῶτον τῇ διὰ θερμῶν τῶν χειρῶν προσαφῇ πραύνειν. p. 241. χερσὶ δὲ τὸν ὄγκον ἐκ πλαγίων ὑπηρέτιδες ἑστῶσαι πρὸς τοὺς κάτω τόπους πράως ἐρεθιζέτωσαν. Moscios Übersetzung des Soranus: A lateribus vero ministrae sine quassatione manibus apertis in deorsum uterum deducant. Vgl. auch Maaß, De Aeschyl. Suppl. comment. (index schol. Gryphisw. 1890) p. X ff. Gruppe, Griech. Myth. S. 860. Weinreich, Antike Heilungswunder (Religionsgesch. Versuche und Vorarbeiten [1909] VIII, 1) S. 14 ff. Über die Bedeutung der geöffneten Hand spreche ich später.

6) Schol. Apoll. Rhod. I, 932 (= Etym. mag. 2, 13) "Hoα dé ¿nλotvποῦσα μεταγευμένη τῇ χειρὶ ἐφήψατο τῆς γαστρὸς αὐτῆς καὶ ἐποίησεν

Zu der in einen Baum verwandelten kreißenden Myrrha tritt nach Ovids Erzählung Lucina heran und legt ihre Hand auf den Baum, da öffnet sich dieser, und Adonis wird geboren.1) Daß aber auf der spartanischen Gruppe das Handanlegen des Jünglings ebenso aufzufassen ist wie in den eben angeführten Fällen, wird noch dadurch bestätigt, daß am Unterleibe der Frau, wie bei der Beschreibnng oben erwähnt, das pudendum gegen die sonst übliche Sitte deutlich angegeben ist und der Jüngling dicht an diese Stelle seine Hand legt.

Die Haltung des anderen Jünglings kann zwar nicht zum Beweise von Marx' Deutung verwertet werden, paßt aber sehr gut zu einer Entbindungsszene, gleichviel ob er die Finger an den Mund legt oder Flöte bläst: beides kommt als apotropäischer Ritus, zur Abwehr unheilvollen Zaubers vor.2) Auf eine Bemerkung von Marx in bezug auf die Bedeutung des Gestus muß ich später noch eingehen.

Die beiden Jünglinge sind natürlich als hilfreiche Gottheiten aufzufassen. Marx sieht in ihnen die Dioskuren, von Wilamowitz-Möllendorff nennt sie Nikomachos und Gorgasos.) Darüber läßt sich jedoch nichts Sicheres ermitteln, wir müssen

τεκεῖν ἄμορφον, ὃν Πρίαπον προσαγορευθῆναι. Vielleicht liegt die gleiche Vorstellung auch bei der Geburt des Epaphos vor, vgl. Maaß a. a. O. Weinreich a. a. O. S. 18 ff.

1) Ovid. Met. X, 503.

At male conceptus sub robore creverat infans
Quaerebatque viam, qua se genetrice relicta
Exsereret: media gravidus tumet arbore venter.
Tendit onus matrem: neque habent sua verba dolores,

Nec Lucina potest parientis voce vocari.

Nitenti tamen est similis curvataque crebros

Dat gemitus arbor lacrimisque cadentibus umet.
Constitit ad ramos mitis Lucina dolentes

Admovitque manus et verba puerpera dixit.

Arbor agit rimas et fissa cortice vivum

Reddit onus vagitque puer.

2) Vgl. für den ersteren Gestus O. Jahn, Berichte der sächs. Akademie der Wiss. 1855, S. 47, für das Flötenspiel Wolters, 'Epnμ. άex. 1892, 228.

3) Philolog. Untersuchung IX, 194.

uns begnügen, sie als geburtshelfende Dämonen zu erklären. Zur Feststellung der Namen fehlt uns ein genügender Anhalt. Ebenso läßt sich nicht feststellen, ob das Werk, wie Marx meinte, eine gebärende Frau oder, wie von Prott1) und Dümmler3) annehmen, eine Geburtsgöttin in der Haltung der Gebärenden darstellt. Im ersten Falle wäre es natürlich als ein Weihgeschenk zum Danke für glückliche Entbindung zu betrachten.

Gegen die Deutung von Marx3) wendet sich Hoernes.4) Er meint, die Nacktheit und die Größe der Frauengestalt im Verhältnis zu den männlichen Dämonen stehe im Widerspruch zu dieser Erklärung. Die Frau könne nur im mütterlichen Verhältnis zu den kleinen männlichen Gestalten stehen. Weshalb indes die Nacktheit der Frau gegen die Annahme einer Entbindungsszene sprechen solle, ist völlig unverständlich, und daß Dämonen nicht auch kleiner gebildet werden konnten als eine Sterbliche, ist eine Voraussetzung, die sich nicht beweisen läßt; außerdem fällt dies Bedenken ganz, wenn man in der Frauengestalt der Gruppe nicht eine sterbliche Gebärende, sondern, was, wie erwähnt, auch sehr möglich ist, eine Geburtsgöttin sieht. Zu dem Gestus des rechten Jünglings führt Hoernes die Darstellung einer böotischen Grabvase an, auf der im Relief zwei kleine Figuren dargestellt sind, die an eine große stehende oder schreitende Frauengestalt geschmiegt mit den ausgestreckten Händen den Leib derselben berühren.5) Allein eine wirkliche Analogie zwischen diesen Figuren, die eine völlig bekleidete Frau umfassen und dem Jüngling der spartanischen Gruppe, der seine Hand an die für die Entbindung bedeutungsvolle Stelle des nackten Frauenkörpers legt, besteht meines Erachtens nicht.")

1) Athen. Mitteilung XXIX (1904), S. 16.

2) Berliner Philolog. Wochenschrift 1894, 963.

3) Zugestimmt haben Wolters a. a. O., Dümmler a. a. O., v. Prott a. a. O., Baur, Eileithyia (Philolog. Suppl. VIII S. 481), Frazer, Pausanias Vol. IV. p.436. 4) Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa S. 434.

5) Enμ. ¿ox. 1893, Tf. 8/9. Hoernes a. a. O. S. 159, Fig. 18. 6) Wolters ('Eînμ. άox. a. a. O. 221 ff.) hat auch diese böotische Darstellung für eine Geburtsszene erklärt, was sich indes meines Erachtens zum mindesten nicht erweisen läßt.

Widerspruch gegen die Erklärung der spartanischen Gruppe als Geburtsszene hat auch der französische Arzt Morgoulieff erhoben, der in einer Dissertation der Pariser medizinischen Fakultät die antiken Geburtsdarstellungen behandelt hat.1) Er erinnert daran, daß altphönizische Göttinnen der Fruchtbarkeit mit einer Hand auf ihren Busen, mit der andern auf ihren Unterleib zeigen, und meint, da bei der spartanischen Gruppe die Göttin die Hände ausgestreckt hatte, so sei einer der kleinen Gottheiten ihres Gefolges die Aufgabe zugefallen, den Sitz der Fruchtbarkeit anzuzeigen3), wobei er aber doch nicht erklärt, warum denn die Hände ausgestreckt sein mußten, so daß eine solche Stellvertretung nötig wurde. Morgoulieff gibt zu, daß in andern Werken die göttlichen Geburtshelfer denselben Gestus zeigen, aber er fügt hinzu, in diesem Falle säßen die Gebärenden. Entgegen den unzweideutigen Zeugnissen bestreitet er überhaupt, daß die griechischen Frauen knieend gebaren, eine Behauptung, die nach dem oben angeführten Material hier keiner Widerlegung mehr bedarf.

Die somit für Griechenland durch bildliche Darstellungen wie durch literarische Nachrichten bezeugte Sitte des Knieens begegnet uns außer bei den Griechen noch bei einer ganzen Reihe von Völkern, bei den Abessiniern, in Neuseeland, bei den Tscherkessen, Georgiern, Armeniern, in einigen Gegenden Persiens, bei den Tataren und überhaupt den Mongolen, den Esten, den Indianern und vereinzelt auch in England3), und sie wird von den modernen Ärzten als gar nicht unzweckmäßig angesehen.) So könnte man vielleicht glauben, daß diese Sitte ausschließlich hygienischen Rücksichten ihren Ursprung verdanke, also überhaupt nicht in den Zusammenhang unserer Untersuchung gehöre. Allein auffallend ist zunächst folgender

1) Morgoulieff, Étude sur les monuments antiques représentant des

scènes d'accouchement. Paris 1893.

2) Morgoulieff a. a 0. p. 54.

3) Engelmann, Die Geburt bei den Urvölkern S. 87ff. Ploß, Lage und Stellung der Frau während der Geburt S. 39 ff. Einige Beispiele führt auch schon Welcker (Kl. Schr. III, 190 nach Siebold, Geschichte d. Geburtshilfe S. 30) an.

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Umstand. Gerade die griechischen Ärzte sind anscheinend nicht für das Knieen bei der Entbindung gewesen. Soranus ordnet die Benutzung des Geburtsstuhles an1), Hippokrates verlangt wenigstens bei einer Fehlgeburt die Rückenlage), ebenso der Römer Celsus); nur in ganz besonderen Fällen empfiehlt Soranus die knieende Stellung.4) Es ist merkwürdig, daß sich trotzdem die Sitte, wie das Vorkommen im modernen Griechenland beweist, durch das Altertum erhalten hat. Daß medizinische Volksbräuche entgegen ärztlichem Rate beibehalten werden, ist ja keine Seltenheit; das sind aber gewöhnlich, wie wir sagen, abergläubische Bräuche, d. h. Bräuche, die einst eine religiöse Grundlage gehabt haben. Sollte das vielleicht hier auch der Fall sein? Sollte, wenn nicht vielleicht der Brauch überhaupt ursprünglich aus religiöser Wurzel entsprungen ist, so doch wenigstens zu dem praktischen Nutzen, den man sich möglicherweise von dieser Stellung versprach, noch ein religiöses Motiv hinzugekommen sein? Dann wäre das zähe Festhalten gegenüber der abweichenden Ansicht der griechischen Ärzte leicht verständlich.

Welcker weist in dem schon erwähnten Aufsatz über die Entbindung bei den Griechen darauf hin, daß nach einer Angabe des Ovid in Rom die Schwangeren knieend der Juno Lucina nahten, und er vermutet, diese Sitte stehe, da doch das Knieen beim Gebet sonst nicht üblich sei, im Zusammenhang mit dem Knieen bei der Entbindung.5)

Welcker hat die Ovidstelle nicht ganz richtig wiedergegeben, was aber an der Sachlage nicht viel ändert. Ovid spricht nicht von Schwangeren, sondern er erzählt zur Erklärung des Luperkalienbrauches, daß Männer und Frauen, die Kindersegen erflehen, im Haine der Lucina niederknieen, worauf die Göttin das Schlagen mit den Riemen aus Bocksfell anordnet.®)

1) Soranus ed. Rose p. 236.

2) Hippokrates ed. Littré VIII, § 68 p. 142. 3) Celsus VII, 29. 4) p. 357. Er wendet sich auch gegen die Vorschrift, daß die Hebamme v ẞóvoo stehen soll, wie Heron verlangte (p. 239 Rose). 5) Kleine Schriften III, 190.

6) Ovid, fast. II, 435.

Monte sub Esquilio multis incaeduus annis
Iunonis magnae nomine lucus erat.

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