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Auch diese Erklärung scheint mir nicht zutreffend oder zum mindesten nicht allein zutreffend. Es ist nicht zu erweisen, und, wie mir scheint, nicht sehr wahrscheinlich, daß der, wie wir sahen, außerordentlich häufige Gebrauch des Salzes zum Schutze gegen Geister aus der verhältnismäßig viel selteneren Verwendung des Meerwassers zur Reinigung hervorgegangen ist, und es ist nicht einmal sicher, daß das Meerwasser gerade des Salzgehaltes wegen so verwandt wurde.1) Zu einer anderen Erklärung führen die folgenden Erwägungen.

Bei einer Parsi-Hochzeit wird außer Salz auch Fenchel und Senf unter die Füße des Pferdes des Bräutigams geworfen.") Schon früher hatte ich erwähnt, daß bisweilen mit dem Salze zusammen auch Dill und Fenchel bei Geburt und Hochzeit verwendet werden.3) Fenchel und Dill gelten im deutschen Glauben

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salem calidum ferunt, quod februum appellant. Vgl. Tibull III, 4, 10. Vgl. auch Pfannenschmidt, Das Weihwasser S. 168ff. 173. Pf. weist ebenfalls, wie Kroll, darauf hin, daß die Griechen gern Meerwasser zu Weihwasser benutzten und, wo sie dies nicht haben konnten, Quellwasser durch einen Zusatz von Salz zu künstlichem Meerwasser umschufen; er bemerkt aber auch, da das Salz nicht nur eine erhaltende (vor Fäulnis schützende), sondern deshalb auch eine reinigende Kraft besitze, so werde man dem Meerwasser oder dem künstlich erzeugten Salzwasser ebenfalls eine vorzugsweise reinigende Kraft zugeschrieben haben, er scheint also doch die Kraft des Salzes, nicht die des Meerwassers für das Ursprüngliche zu halten. Der Gedanke an eine erhaltende Kraft des Salzes ist aber wohl schwerlich bei einem Volke auf primitiver Kulturstufe vorauszuzusetzen und erklärt jedenfalls nicht, weshalb das Salz die Geister vertreibt. Vgl. auch Tuchmann, La fascination, Mélusine VII, 234, der das Salz für ein Symbol der Ewigkeit und Unsterblichkeit erklärt (parce qu'étant incorruptible, il préserve de toute putréfaction), eine Erklärung, die natürlich ebensowenig ernstlich in Betracht zu ziehen ist.

1) Vgl. Stengel, Die griechischen Kulturaltertümer2 S. 144: „Und zwar ist nur fließendes oder Meerwasser (zur Reinigung von einer Befleckung) geeignet, das auf die Dauer nicht befleckt werden kann, ein See oder Teich würde selbst verunreinigt werden.“

2) Jivanji Jinshadji Modi, Marriage customs amongst the Parsees, Journal of the Anthropol. Society of Bombay V, 258. Außerdem zerbricht man Eier unter den Füßen des Pferdes. Auch diese haben kathartische Kraft. Vgl. über die griechische Vorstellung Rohde, Psyche II, S. 407. 3) Oben S. 151f.

als Mittel gegen Behexung1), aber auch nach antikem Glauben dient Dill als Amulett gegen Epilepsie, und sein Geruch befördert die Geburt.) Letzteres ist schwerlich als medizinische Wirkung aufzufassen, sondern, wie die meisten Geburtsbräuche, als ein Mittel gegen Zauber oder, was dasselbe ist, die Geburt hindernde Geister, ebenso wie man im Vogtlande der Gebärenden Kümmel gibt, der in der Johannisnacht gepflückt ist3), jedenfalls, weil dieser ein Schutz gegen Behexung ist.) Durch scharfen Geruch von Kräutern werden nach antikem Glauben böse Geister verscheucht.5) In Athen breitete man der Leiche Origanon (Dosten) unter.") Rohde, der ursprünglich es für möglich erklärte, daß das scharf duftende Origanon dem ganz rationellen Zwecke dienen sollte, Ungeziefer fernzuhalten, hat dann richtig erkannt, daß es als apotropäisch, Geister verscheuchend, der Leiche beigelegt wird), wie es auch im deutschen Aberglauben als Mittel gegen Gespenster gebraucht wird. Ein Beispiel dafür aus dem Geburtsbrauch hatte ich schon oben (S. 24) angeführt: wenn die Wöchnerin zum ersten Male in den Keller geht, muß sie Dosten und Dorant zum Schutze gegen Kobolde bei sich tragen. Damit das neugeborene Kind nicht vertauscht werde, legt man Dosten und Dorant (oder auch Kümmel) in die Wiege.) Aber auch sonst ist Dosten und Dorant nach deutschem Glauben ein sicherer Schutz vor Behexung und gegen Nixen und Teufel. Man gibt sie dem Vieh und räuchert damit die Ställe; wo der Teufel Dosten wittert, flieht er.") Ähnlich scheucht man in

1) Wuttke S. 101, § 129. In der Uckermark legte die Hebamme auf den Boden der Wiege einen Strauß getrockneter Kräuter, bestehend aus Dill, Petersilie und Kreuzkraut. Der Dill soll das Kind vor Verrufung und bösen Blicken schützen, Petersilie und Kreuzkraut ihm Gedeihen verleihen (Sendke - Bagemühl, Mitt. des Uckermärk. Geschichtsund Museumsvereins I, 143).

2) Plin. nat. hist. XX, 192.
4) Wuttke S. 101, § 129.
5) Pallad. de re rust. I, 35, 11.
6) Aristophanes, Ekkl. 1030 f.
8) Wuttke S. 382, § 581.
9) Wuttke S. 104, § 135.

3) Wuttke S. 378, § 574.

Rohde, Psyche1 I, S. 219.

7) Rohde, Psyche1 S. 203, 1. 697.

Beachtenswert ist es auch, daß, wie

Indien durch den schönen Geruch des Bdellion Krankheit und Fluchgeister hinweg.1) Diese Beispiele von Pflanzen, die durch ihren Geruch die Geister vertreiben, mögen hier genügen, sie ließen sich leicht vermehren.2) Da nun das Salz zusammen mit solchen Pflanzen wie Senf, Dill und Fenchel3) verwendet wird, so ist es wahrscheinlich, daß Gruppe und Schurtz mit Recht auch das Salz zu den scharfriechenden und scharfschmeckenden Substanzen rechnen, die als Reinigungsmittel, als Talismane, d. h. eben als Mittel zur Abwehr von Geistern verwendet werden.4) Um so wahrscheinlicher ist diese Erklärung, als auch dem Salz nahe verwandte Stoffe ganz ebenso gebraucht werden, wie z. B. Alaun, das bei den Arabern als ein Schutzmittel gegen Geister gilt.5)

das Salz in den Mysterien der Aphrodite (s. oben S. 157), so auch das Origanon eins der Symbole in den Mysterien der Themis war. Clemens Alex., Protr. c. II, 22, 5.

1) Oldenberg, Relig. d. Veda S. 494.

2) Gruppe, Griech. Religionsgesch. und Mythologie S. 889.

3) Auch mit Knoblauch zusammen wird das Salz gebraucht. In Griechenland hängt man Menschen und Tieren zum Schutz gegen den bösen Blick ein dreieckiges Amulett um, das mit Salz, Kohle und Knoblauch gefüllt ist, indem man die Formel spricht: ,,Knoblauch und Salz soll an den Augen unserer Feinde sein." (Bybilakis, Neugriech. Leben verglichen mit dem altgriechischen S. 9.)

4) Gruppe a. a. O. Schurtz, Urgeschichte der Kultur S. 599.

5) Schurtz a. a. O. In Palästina gilt Alaun als ein sehr wirksames Mittel gegen den bösen Blick. Darum wird Säuglingen ein aus kleinen Perlen gefertigtes, netzartiges Säckchen, in dem sich ein Stück Alaun befindet, auf die Kopfbedeckung genäht (Lydia Einszler, Das böse Auge, Zeitschr. des Deutschen Palästina-Vereins XII [1889], S. 208).

Samter: Geburt, Hochzeit und Tod.

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In vielen Gegenden Deutschlands und ebenso auch in vielen anderen Ländern besteht oder bestand die Sitte, den Brautzug unterwegs aufzuhalten. In Hessen z. B. wird der Wagen des Hochzeitspaares, wenn es von einem Filialdorf zur Kirche gefahren ist, auf der Heimfahrt am Eingange des Dorfes durch ein quer über die Straße gehaltenes Seil von armen Leuten gehemmt, die dann mit dem Wunsche „Uns' Herrgott bescher' Euch viel Glück und Segen" herantreten und ihre Gabe erhalten1); in manchen Gegenden von Hessen wird der Hochzeitszug wiederholt aufgehalten.) In Schlesien besteht noch heute hier und da das früher allgemein übliche „Vorziehen" oder „Schnurziehen". Junge Burschen ziehen eine Guirlande quer über den Weg. Der Brautwagen muß davor halten, Braut und Bräutigam bekommen zuweilen ein Gläschen Schnaps gereicht und müssen sich durch ein größeres Geldstück auslösen.) Im südlichen Baden und in Tirol läßt man das vorgespannte Seil gegen das Lösegeld des Bräutigams nicht einfach fallen, sondern durchhaut es mit einem Säbel, nachdem eine längere Rede und zuweilen auch Gegenrede gehalten ist.4) In Tirol halten alte Soldaten in voller Uniform, den Degen in der Hand, neben der Schnur Wache.5) Im Elsaß wird

1) O. Schulte, Die zwei Hochzeiten im Junkerlande, Blätter für Hess. Volkskunde 1899, S. 11.

2) Hessler, Hessische Landeskunde II, 150. 189. 289. 347. 374. 423. 560. 3) Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien I, S. 528. 4) E. H. Meyer, Deutsche Volkskunde S. 174. Vgl. besonders auch die umfassenden Zusammenstellungen bei E. H. Meyer, Der badische Hochzeitsbrauch des Vorspannens, Festprogr. der Freiburger Universität 1896, S. 35/68.

5) Piger, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde VI, 259. Über die Tiroler Sitte des Klausemachens, die von der hier behandelten verschieden ist (man sucht das Fortbringen der Brautausstattung aus dem Dorfe zu

gewöhnlich dem Brautpaar beim Ausgang aus der Kirche von den Meßdienern oder Chorknaben eine Schnur vorgespannt. Holt sich aber ein Fremder ein Mädchen aus dem Dorfe, so spannen deren männliche Altersgenossen noch hier und da am Ausgang desselben ein Band über die Straße, um den Wagen anzuhalten. Ein Bursche reicht der Braut ein Glas mit Wein, das sie, nachdem sie daran genippt, zu Boden werfen muß. Zerbricht es, so wird die Ehe glücklich. Die anderen Spanner erhalten inzwischen vom Bräutigam ein Lösegeld.1) In Böhmen wird häufig der Hochzeitszug auf dem Wege von der Kirche aufgehalten, man macht bisweilen einen Schlagbaum, d. h. es werden Seile über die Straße gespannt, und der Bräutigam muß sich auslösen2); bisweilen durchhaut er die Kette mit einem Stocke oder alten Säbel oder sprengt sie mit dem Pferde, muß aber trotzdem das Lösegeld zahlen.3) In der Iglauer Sprachinsel in Mähren wird der Brauch, wie auch sonst öfters1), nur bei einer Braut vollzogen, die aus einem fremden Dorfe kommt. Wenn sich der Wagen dem Dorfe des Bräutigams nähert, wird von Weibern ein Strick über den Weg gespannt. Der Wagenlenker muß als „Mautgeld" den Weibern einen großen Kuchen, eine Flasche Branntwein und einen Gulden geben, um sich die Einfahrt zu erkaufen. Sehen Arbeiter auf dem Felde den Zug, so spannen sie eine Schnur über den Weg. Erst durch Verabreichung eines Geldstücks macht sich der Bräutigam den Weg frei.5) Bei den Wenden wird dem Bräutigam, wenn er mit seinen Begleitern das Dorf der Braut erreicht, der Weg durch ein Band oder eine mit Bändern geschmückte Stange versperrt; durch ein Lösegeld erkauft er die Erlaubnis, seinen Weg verhindern), und verwandte Bräuche vgl. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes S. 8 und Sartori, Sitte und Brauch I, S. 70. 1) E. H. Meyer, Freiburger Festprogr. S. 38.

2) John, Sitte, Brauch und Volksglaube im deutschen Westböhmen S. 147.

3) v. Reinsberg-Düringsfeld, Hochzeitsbuch S. 197.

4) E. H. Meyer, Deutsche Volkskunde S. 168 f.

5) Piger, Geburt, Hochzeit und Tod in der Iglauer Sprachinsel, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde VI, 256. 259.

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