Immagini della pagina
PDF
ePub

Erklärung des indischen Brauches zustimmen müssen, so hat er sicherlich nicht recht damit, daß er diesen ganz von der Sitte, dem Brautzuge den Weg zu versperren, trennen will. Wenn in Indien die Schnüre quer über das Geleise gelegt werden, in denen die Räder des Wagens gehen sollen, so ist dies nichts anderes als eine Andeutung einer Sperrung des Weges und in der Bedeutung sicher nicht wesentlich verschieden von dem sonst üblichen Vorziehen einer Schnur. Um so weniger aber dürfen wir die indische Sitte von den verwandten Bräuchen trennen, als das Rot, auf das Zachariae besonderes Gewicht legt und das er mit Recht als ein Mittel zur Abwehr von Unheil oder Geistern auffaßt, auch außerhalb Indiens mehrfach bei dem Wegsperren zur Verwendung kommt. In der Iglauer Sprachinsel flattert an dem über den Weg gespannten Stricke ein rotes Tuch.1) Bei den Malaien wird statt des Strickes auch ein Stück rotes Tuch über den Weg gespannt.2) Im Aargau sind die Stangen, Ketten und Stricke, mit denen die Junggesellen der Gemeinde am Ende des Heimatdorfes dem Brautwagen den Weg verlegen, sämtlich mit einem roten Bändel verziert.3) In Thüringen hält man den Brautleuten, wenn sie zur Kirche gehen oder aus ihr kommen, ein rotseidenes Band vor.) Da also die indische Zeremonie und die übrigen Formen der Wegsperre bei der Hochzeit eng zusammengehören, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß die letzteren ebenso erklärt werden müssen wie die erstere, daß sie also auch als ein Mittel zur Abwehr unheildrohender Geister zu betrachten sind: nicht der Braut oder dem Bräutigam soll der Weg versperrt werden, sondern den Geistern.5) Daß sich

halten des Brautzuges, das vielleicht ein Rest der Raubehe sei, andererseits aber sollen die Tore, die für die Braut geöffnet werden, für immer geschlossen werden für die unheilvollen Einflüsse, die sie mit sich bringen würde, wenn gütige Gottheiten diese beim Kommen nicht zurücksendeten. 1) S. oben S. 163, Anm. 5. 2) S. oben S. 164, Anm. 7.

3) Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch II, 243 f. Der Brautführer muß dies rote Band mit dem Hochzeitsschwerte entzweihauen. 4) Witzschel, Sage, Sitte und Gebräuche aus Thüringen S. 230, Nr. 29.

5) Crawley (The mystic rose p. 226) erklärt den Brauch ebenfalls als

ein solcher Brauch in einen scherzhaften Angriff auf das Brautpaar verwandelt hat, dafür fehlt es nicht an einer genau übereinstimmenden Analogie. Auch die dem jungen Paare gebrachte Katzenmusik, von der oben S. 60f. die Rede war, hat jetzt den Charakter eines etwas boshaften Angriffs bekommen, diente aber doch, wie wir sahen, ursprünglich ebenfalls dem Zwecke, böse Geister abzuwehren. Aus dieser ursprünglichen Bedeutung der Wegsperre bei der Hochzeit erkärt es sich leicht, daß dieselbe Sitte auch bei der Taufe vorkommt, droht doch auch bei der Geburt, wie wir wissen, nicht minder als bei der Hochzeit Gefahr durch die Geister. Ferner wird uns jetzt eine in Holland vorkommende Form des Aufhaltens des Hochzeitszuges verständlich. In Holland wurde nämlich früher das Aufhalten durch einen Besen bewerkstelligt.1) Daß man gerade einen Besen hierzu benutzt, erscheint zunächst etwas seltsam, nachdem wir aber den ursprünglichen Sinn des Aufhaltens überhaupt erkannt haben, kann uns die Verwendung des Besens nicht weiter wundern, da wir ja in einem früheren Kapitel (S. 30 ff.) gesehen haben, daß man nach verbreitetem Volksglauben sich mittels eines Besens der Geister entledigen

kann.

Daß in der Regel durch eine vorgezogene Schnur der Weg gesperrt wird, braucht keine besondere Bedeutung zu haben. Es ist aber auch möglich, daß zu dieser Art der Sperrung der Glaube an die Zauberkraft des Fadens mitgewirkt hat.2)

eine Abwehr feindlicher Einflüsse von dem jungen Paar, bringt ihn aber irrig mit dem sexualen Tabu zusammen, daß er als Grundlage aller Hochzeitsbräuche betrachtet.

1) v. Reinsberg-Düringsfeld, Hochzeitsbuch S. 233.

2) Vgl. Zachariae a. a. O. S. 216. Bei den Hochzeiten der Hindus und Parsis werden Fäden rund um Braut und Bräutigam gezogen (Campbell, Ind. Antiquary XXVIII, 128), man glaubt, daß den so gebildeten Kreis kein böser Geist überschreiten kann (Schmidt, Liebe und Ehe in Indien S. 401).

XVI

In den vorhergehenden Kapiteln haben wir verschiedene Arten kennen gelernt, in denen man sich des schädlichen Wirkens der Geister erwehrt. Man schließt die Türen vor den Geistern, man fegt sie hinaus, man vertreibt sie durch Feuer, durch Waffengewalt, durch Lärmen u. a. mehr. Es ist aber natürlich, daß es daneben in allen Fällen, wo Gefahr durch sie droht, noch eine ganz andere Art gibt, sich vor ihnen zu schützen: man besänftigt sie durch Opfergaben. So finden wir denn auch bei Geburt und Hochzeit vielfache Beispiele von solchen Opfern.1) In Indien z. B. opfert man bei der Geburt Körner, die mit Senf vermischt sind, unter Sprüchen, die Verwünschungen der Dämonen enthalten. Dies geschieht bis zum Aufstehen der Mutter in der Morgen- und Abenddämmerung.) Nach einer anderen indischen Sitte wirft die Wehmutter das Neugeborene fünfmal in die Luft und fängt es wieder. Währenddessen schlägt eine andere Frau eine messingene Schüssel, und die Mutter hält eine Handvoll Korn in der Hand. Zwei oder drei Tage darauf folgt ein Bad von Mutter und Kind. Dabei schwingt man Senfkörner um das Haupt der Mutter und verbrennt sie dann in einem irdenen Topfe, den die Mutter danach mit dem linken Fuße zertrümmert. Man wiederholt das Körnerhalten, das Schlagen der Schüssel und das Hochwerfen des Kindes, um den bösen Blick abzuwenden.3) Daß sich hier mit dem Opfer, das die Geister besänftigen soll, Verwünschungen und Lärmen, also zwei Dinge, die sie verjagen sollen, verbinden, kann uns nicht

1) Auf die eigentlichen Totenopfer gehe ich hier nur nebenbei ein, da sie eine gesonderte Darstellung fordern.

2) Schmidt, Liebe und Ehe in Indien S. 495.
3) Schmidt a. a. O. S. 509.

wundern, haben wir doch eine Analogie solcher Verbindungen sich eigentlich widersprechender Riten der Geisterabwehr schon früher kennen gelernt: ich hatte oben (S. 59) darauf hingewiesen, daß bei den römischen Lemuralien der Hausherr die Seelen gleichzeitig durch ein Bohnenopfer und durch Lärmen auf ehernen Geräten zum Verlassen des Hauses zu bewegen sucht.1) Bei den mittelasiatischen Türken werden da, wo der Islam noch nicht feste Wurzeln gefaßt hat, bei der Entbindung für den „Öjkarasi", den bösen Geist des Zeltes, Fettstücke als Opfergaben ins lodernde Feuer geworfen.) In Ost-Zentralafrika streuen die Eltern, wenn das Kind sieben Tage alt ist, Eßwaren aus, um die bösen Geister, die es dann gerade bedrohen, zu besänftigen.) In Oberägypten wird das Kind am Morgen des siebenten Tages nach der Geburt auf einem Siebe in Prozession im ganzen Hause umhergetragen, während die Hebamme Weizen, Gerste, Erbsen und Salz ausstreut, als Schutz gegen bösen Zauber, zum Futter für böse Geister. In den griechisch-albanesischen Kolonien Siziliens tritt, wenn das Kind von der Taufe aus der Kirche nach Hause gebracht ist, eine Frau, meist die Hebamme, aus dem Hause und wirft geröstete Erbsen auf die Straße, offenbar, damit die Geister, durch diese Gabe abgefunden, das Haus nicht betreten.4)

[ocr errors]

Ganz ähnlichen Opfern zur Abfindung der Geister begegnen wir bei der Hochzeit. In Syrien streuen bei einer Hochzeit die Hochzeitsgäste Gerste, Salz und Ähnliches über die Köpfe der Anwesenden.5) Dies gilt als das einzige Mittel, den bösen Blick abzuwenden.") Bei einer Fellachenhochzeit in Palästina

1) Zur Vertreibung der Geister dient in dem angeführten indischen Brauche wohl auch der Senf, der neben dem Korn zur Verwendung kommt, vgl. oben S. 159 ff. Was das in die Höhe Werfen des Kindes zu bedeuten hat, weiß ich nicht anzugeben.

2) Ploß, Das Weib9 II, 320.

3) Crawley, The mystic rose p. 10.

4) Samter, Familienfeste der Griechen und Römer S. 5f.

5) Ob dies letzte Wort wirklich so zu übersetzen sei, wird als nicht sicher bezeichnet.

6) van Kasteren, Aus dem ,,Buch der Weiber", Zeitschr. des Deutschen Palästinavereins XVIII (1895), 49.

nimmt eine Frau aus der Verwandtschaft ein Gemenge von Gerstenkörnern und Salz in einen ihrer weiten Ärmel und wirft daraus von Zeit zu Zeit unter die zuschauende Menge.1) Hier ist zwar nicht von Geistern, sondern vom bösen Blick die Rede, allein das Hinwerfen der Körner ist, wie sich aus den ähnlichen Bräuchen ergibt, sicher ursprünglich nichts anderes als eine Gabe an die Geister, von denen man das später dem bösen Blick zugeschriebene Unheil fürchtet.2) Verwandt sind auch die folgenden indischen Bräuche. Bei den Tobads wird das Brautpaar mit enthülstem Reis bestreut, zur Abwehr des Einflusses böser Geister.) Die Mohammedaner des Dekhan werfen dem Bräutigam eine in Stücke zerschnittene Kokosnuß und Limone über den Kopf, um böse Geister zu verscheuchen. Bei den Prabhus wird, wenn der Hochzeitszug an einen Kreuzweg kommt, eine Kokosnuß als Opfer für die Geister zerbrochen und die eine Hälfte hinter die Braut, die andere hinter den Bräutigam geworfen.4) Es ist charakteristisch, daß hier diese Zeremonie gerade an den Kreuzwegen vollzogen wird, d. h. an Orten, an denen die Geister verweilen.5)

In den hier angeführten Fällen wird von „bösen" Geistern gesprochen, deren man ledig werden will; in dem sizilianischen Geburtsritus ist es klar, daß die Geister das Haus verlassen sollen. Anders steht es in den Fällen, in denen die Opfer im Hause, namentlich am Herde, d. h. am Sitze des Hausgeistes, dargebracht werden. Hier sollen diese durch das Opfer nicht gerade abgefunden werden, sondern sie, welche die Mitglieder der Familie beschirmen, über die Aufnahme eines neuen Mitgliedes aber zürnen könnten, sollen durch das Opfer mit dieser Aufnahme versöhnt werden. Daß die bei zahlreichen Völkern

1) Lydia Einszler, Das böse Auge, Zeitschr. des Deutschen Palästinavereins XII, 208.

2) Das Salz kann freilich wie auch in dem vorher (S. 172) erwähnten Geburtsbrauche aus Oberägypten zugleich ein Mittel zur Verscheuchung der Geister sein. Vgl. oben S. 151 ff.

3) Schmidt, Liebe und Ehe in Indien S. 431.

4) Schmidt a. a. O. Campbell, Indian Antiquary XXVII (1895) p. 105. 5) Vgl. oben S. 24. 34. 145f.

« IndietroContinua »