Immagini della pagina
PDF
ePub

Religiöse Riten haben ein zähes Leben und überdauern den Glauben, aus dem sie hervorgegangen. So ist es nicht weiter merkwürdig, daß die Verwendung der roten Farbe beim Tode sich bis in Zeiten erhalten hat, in denen an eine Opferbedeutung des Rots oder überhaupt an ein Opfer für den Toten nicht mehr gedacht wurde, ja bis in unsere Tage. Dafür haben v. Duhn und Sonny Beispiele beigebracht. In Florenz war es noch im 15. Jahrhundert üblich, rote Bahrtücher zu verwenden, die Totenkapelle rot auszuschlagen, den Toten in einen roten Mantel zu kleiden, als Leidtragende in rotem Mantel zu erscheinen. Reste solcher roten Bemalung zeigen noch die in Marmor ausgeführten Bahrtücher auf Florentiner Grabdenkmälern.1) In Livigno (Valtellina) muß beim Tode eines kleinen Kindes der padrino die Leiche in die Kirche tragen; an seinem Hute wird ein rotes Tuch befestigt. Die am Leichenzug teilnehmenden Knaben tragen rote Bänder. Die Leiche eines älteren Knaben wird von den Altersgenossen auf der Bahre getragen, und auch ihr Hut ist mit dem roten Tuche geschmückt.2) Auch beim Begräbnis der Päpste hat sich die Verwendung des Rots erhalten. Bevor der Sarg Leos XIII. nach der Leichenfeier geschlossen wurde, wurde über die Leiche eine Decke aus hochroter Seide gebreitet. Der Sarg selbst war im Innern mit karmoisinrotem Samt ausgeschlagen.3)

1) v. Duhn a. a. O. S. 5.
3) Sonny a. a. O. S. 528.

2) v. Duhn a. a. O.

XVIII1

In England ist die Sitte verbreitet, dem Brautpaar einen alten Schuh nachzuwerfen. Der Brauch wird vollzogen, wenn die Neuvermählten die Kirche verlassen oder die Fahrt nach der Kirche antreten.2) Statt des Schuhs (oder daneben) werden auch Reiskörner geworfen3); ebenso wirft man auch in Dänemark mit Schuhen und Reis nach dem Brautpaar.4) Die Sitte des Schuhwerfens findet sich auch bei anderen Völkern. Bei den Zigeunern in Siebenbürgen wirft man dem jungen Paare, wenn es zum ersten Male sein Zelt betritt, alte Schuhe oder Sandalen nach, wie es heißt, damit die Ehe fruchtbar werde.5) Bei der türkischen Hochzeit wird der Bräutigam mit einem ganzen Hagel von alten Schuhen überschüttet, angeblich zum

1) Die in diesem Kapitel gegebenen Darlegungen wiederholen, in wesentlich erweiterter Form, den ersten Teil meines Aufsatzes „Hochzeitsbräuche" (Neue Jahrb. XIX [1907] S. 131 ff.). Den Hinweis auf einzelnes von dem hier neu hinzugefügten Beweismaterial verdanke ich Herrn Professor Th. Zachariae in Halle und Herrn Dr. Emil Goldmann in Wien.

[ocr errors]

2) Liebrecht, Zur Volkskunde S. 492. Dickens, David Copperfield I, Kap. 10. Knortz, Nachklänge germanischen Glaubens in Amerika S. 87: ‚Wenn in England bei einer Hochzeit das Frühstück nahezu eingenommen ist, begeben sich die Freunde des Brautpaares vor die Haustür und lauern demselben auf. Nachdem dann das Erscheinen des Paares zuerst das Signal zum Ausbringen von Hochrufen gegeben, fällt den Brautleuten ein wahrer Schauer von Reis und alten Pantoffeln auf Kopf, Genick und Rücken nieder."

3) Knortz a. a. O. Sartori, Der Schuh im Volksglauben, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde IV (1894) S. 153. Auch in Indien wird das junge Paar mit Reiskörnern beworfen. Schmidt, Liebe und Ehe in Indien S. 431. Knortz a. a. O. S. 86f. v. Hesse-Wartegg, Voss. Zeitung 1906, Nr. 398.

4) Nach einer freundlichen Mitteilung von Hrn. Prof. Hugo Magnus in Berlin.

5) Temesváry, Volksbräuche und Aberglauben in der Geburtshilfe und Pflege des Neugeborenen in Ungarn S. 10. v. Wislocki, Vom wandernden Zigeunervolk S. 189.

Schutze gegen den bösen Blick.1) In Oberschlesien wirft man der Braut einen alten Latschen nach.2) Auch am Rhein war es üblich, das Brautpaar, wenn es das Hochzeitsmahl verließ, mit Schuhen zu werfen.3) Derselbe Ritus existierte auch im alten Griechenland. Auf der Hochzeitsdarstellung einer rotfigurigen Vase aus dem Athener Nationalmuseum (Tf. II, Fig. 1/3) wirft ein alter Mann einen Schuh nach dem Brautpaar; ein zweiter liegt auf dem Boden, ist also offenbar kurz vorher geworfen worden.1) Was hat dieser seltsame Brauch zu bedeuten? In einem interessanten Aufsatze hat vor einiger Zeit Zachariae, ohne den griechischen Ritus zu kennen, den Brauch des Schuhwerfens behandelt3); er bespricht verschiedene dafür gegebene Erklärungen, ohne indessen, wie mir scheint, selbst zu einer befriedigenden Deutung zu gelangen. Ein englischer Forscher hat in der Gewohnheit, dem Brautpaar in scheinbarem Zorne einen

1) Zachariae, Zum altind. Hochzeitsritual, Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes XVII, 135.

2) Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien I, 258. 3) Nach mündlicher Mitteilung.

4) Die Vase ist zuerst nach einer Zeichnung publiziert von Perdrizet in der 'Epnuɛois άox. 1905, Heft 4, Tf. 5/6. Die hier gegebenen, zuerst in meinem S. 195 Anm. 1 erwähnten Aufsatze Tf. I publizierten Abbildungen sind nach Photographien gefertigt, die ich der Freundlichkeit des Herrn Direktorialassistenten Dr. Robert Zahn in Berlin verdanke. Die Darstellung zeigt einen Hochzeitszug, der sich auf einen Altar mit brennendem Feuer zu bewegt. Voran (Fig. 1) geht eine Frau mit zwei Fackeln in den Händen, die sich nach dem Brautpaar umsieht, nach Perdrizet die Mutter; dann folgt das Brautpaar, dahinter ein Mann und eine Frau (Paranymphos, Nympheutria). An einem Wagen (Fig. 2) sind zwei Eroten beschäftigt, der eine ist im Begriffe, Kissen, die er von einer Frau in Empfang nimmt, auf den Sitz des Wagens zu legen, eine andere Frau beugt sich über eine Truhe, in der sich die Kissen jedenfalls befunden haben, zwei andere sehen zu. In der oberen Reihe sitzen drei ältere Männer, der dritte wirft eben den Schuh (Fig. 3); etwas weiter unten, also jedenfalls auf der Erde, liegt der zweite Schuh. Außer diesen drei Männern stehen in der oberen Reihe eine Flötenbläserin und ein Knabe mit zwei Fackeln. Hier und da sind Lorbeerzweige dargestellt, sie vertreten wohl, wie Perdrizet hervorhebt, die Stelle von Bäumen, die Szene spielt sich also auf einem bewaldeten Hügel ab.

5) S. oben Anm. 1.

[merged small][merged small][merged small][merged small][graphic][graphic][graphic]

1-3. Hochzeitszug. Rotfigurige Vase im Athener Nationalmuseum.

Samter: Geburt, Hochzeit und Tod. Zu S. 196.

« IndietroContinua »