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Schriften durchaus nicht den Eindruck des Erheuchelten macht. Die Mitwelt freilich konnte es nicht verzeihen, daß ein Mann von solcher Vergangenheit ihr die Wahrheit sagte, auch wenn er selbst auf dem Wege des Lasters umgekehrt war.

C. Sallust als Schriftsteller.

Sallust hat drei Geschichtswerke abgefaßt, welche alle in dem Jahrzehnt nach Caesars Tode erschienen sind; es sind das nach ihrer zeitlichen Reihenfolge:

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a) bellum Catilinae, die Geschichte der Catilinarischen 10 Verschwörung vom Jahre 63.

b) bellum Iugurthinum, eine Darstellung des Krieges, den die Römer 111-105 gegen den König Iugurtha von Numidien geführt haben.

c) historiarum libri quinque, welche die Zeit vom 15 Tode Sullas bis zum Seeräuberkriege behandelten (78-67); es sind daraus nur wenige Bruchstücke (besonders die eingeschobenen Reden und Briefe) erhalten, was um so mehr zu bedauern ist, als dieses Werk die reifste und vollendetste Arbeit des Geschichtschreibers war.

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Als Sallust an seine Aufgabe herantrat, war erst ein geschichtliches Werk in lateinischer Sprache vorhanden, das einen höheren Kunstwert beanspruchen konnte, die Denkwürdigkeiten Caesars vom gallischen Kriege. Dessen einfache und schmucklose Darstellung der Tatsachen nachzu- 25 bilden lag nicht in dem Charakter eines Sallust; er nahm sich aus der griechischen Literatur, wie schon die Alten bezeugen, Thukydides zum Muster, einen Schriftsteller, dessen tiefer Ernst und nachdenkliche Lebensanschauung der Denkungsart seiner späteren Jahre ganz besonders zusagen 30 mochte. Dabei wählte er aus der römischen Geschichte einzelne Abschnitte (carptim 4, 2) aus, die ihm Gelegenheit boten, die beiden Grundübel seiner Zeit, die avaritia und luxuria, mit ihren unheilvollen Folgen zu geißeln. Denn ebenso wie Thukydides ist er überall bestrebt, nicht äußer- 35 lich die Tatsachen aneinanderzureihen und in behaglicher Ausführlichkeit zu erzählen, sondern er sucht stets die geschichtliche Entwickelung aus den Zeitverhältnissen und den Charakteren der handelnden Personen zu erklären. So finden sich denn Charakteristiken häufiger bei ihm, als bei 40 irgendeinem klassischen Geschichtschreiber des Altertums

(vgl. c. 5; 15; 18, 4; 23, 1. 2; 25; 53; 54). So sucht er auch die großen Schäden des öffentlichen Lebens seiner Zeit auf den allgemeinen Verfall, besonders der herrschenden Klassen, zurückzuführen. Freilich, in einem ganz wesent5 lichen Punkte steht er weit hinter seinem Vorbilde zurück; die strenge Objektivität des Thukydides, der in der unparteiischen Darstellung der Tatsachen die eigene Person und die eigenen Ansichten ganz zurücktreten läßt, sucht man bei ihm vergebens. Zwar betont er gelegentlich seine 10 Wahrheitsliebe und Unparteilichkeit (4, 2; 18, 2). Tatsächlich zeigt sie sich auch manchmal in zurückhaltenden Urteilen (so 6, 1; 19,5; 22, 3); aber es handelt sich da immer nur um nebensächliche Einzelheiten. Aber sonst wird seine ganze Darstellung von vornherein von dem Bestreben be15 herrscht, alle Schuld an den Zeitverhältnissen der verderbten Aristokratie aufzubürden. Für das bellum Catilinae muß man auch zugestehen, daß die objektive Darstellung durch die deutlich hervortretende Absicht beeinträchtigt wird, Caesar von dem Vorwurfe der Teilnahme an der Ver20 schwörung zu entlasten (vgl. S. XVI f.). Anders liegt die Sache schon im bellum Iugurthinum, wo zwar auch der Parteistandpunkt des Demokraten unverkennbar hervortritt, aber doch mit weit weniger Einseitigkeit und Ungerechtigkeit. Im einzelnen sind ihm außerdem bei seiner 25 Richtung auf die allgemeinen Gesichtspunkte Versehen und Ungenauigkeiten nicht selten untergelaufen (vgl. S. XVff.)

In der Form steht Sallust in scharfem Gegensatze zu Cicero. Statt der wohlgerundeten, gleichmäßigen Fülle der Ciceronianischen Periode bietet er eine knappe, gedrängte, 30 nicht selten harte, aber auch zugleich wieder höchst anziehende und mit peinlicher Sorgfalt gefeilte Darstellung; schon die Alten haben seine brevitas bald lobend, bald tadelnd hervorgehoben. In Wortschatz und grammatischen Konstruktionen weicht er nicht selten von der klassischen 35 Sprache ab, indem er entweder älteren Schriftstellern (namentlich dem alten Cato, den er gelegentlich Romani generis disertissumus nennt) altertümliche Wendungen entlehnt oder Ausdrücke der Volkssprache heranzieht, was ihm den Titel eines novator verborum eintrug. Daneben 40 tritt aber deutlich das Streben nach kunstvoller rednerischer Gestaltung seiner Darstellung hervor. Besondere Beachtung verdient noch der Umstand, daß er nach dem

Vorbilde des Thukydides seinen Werken oft längere Reden (oder auch Briefe) einfügt, die dazu bestimmt sind, von der Lage, in der sie gehalten sind, sowie von dem Charakter der redenden Personen ein deutlicheres Bild zu geben. Natürlich erheben diese Reden nicht den Anspruch, 5 etwa wörtliche Wiedergabe wirklich gehaltener Reden zu sein (das ist auch bei Thukydides nicht der Fall), sondern sie sind mehr oder weniger kunstvolle Leistungen des Schriftstellers.1) Eine gewisse Vollendung in der Abfassung solcher Reden hat Sallust allerdings erst in den 10 Historien erreicht; im bellum Catilinae sind die Reden Caesars und Catos am bedeutendsten.

Schon im Altertum wurden die zahlreichen knappen und treffenden Sentenzen gepriesen, die Sallust seiner Darstellung einflicht; einzelne davon sind geradezu sprich- 15 wörtlich geworden, so Cat. 20, 4 idem velle atque idem nolle, ea demum firma amicitia est; Iug. 10, 6 concordia parvae res crescunt, discordia maxumae dilabuntur. Im bellum Catilinae sind namentlich reich an solchen Aussprüchen die Einleitung (so fast das ganze c. 1; 2, 4-9; 20 3, 2), der Exkurs über den Verfall der römischen Sitten (so 7, 2; 8, 1; 10, 5; 11, 2-3. 8) und die Rede Caesars (51, 1-3. 11-15. 20. 27); aber auch sonst finden sich hier und da solche Sätze (z. B. 5, 8; 20, 9. 10; 33, 4; 37, 3; 52, 4. 29; 58, 1. 2. 16. 17).

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Alles in allem hat Sallust trotz der Mängel, die man ihm mit mehr oder weniger Recht vorgeworfen hat, schon seit alter Zeit vielfache und berechtigte Anerkennung gefunden. So nennt ihn z. B. Tacitus (ann. III, 30) rerum Romanarum florentissimus auctor; nach Martial ist primus Ro- 30 mana Crispus in historia; und Quintilian sagt gar, wenn auch mit entschiedener Überschätzung seines Landsmannes: nec opponere Thucydidi Sallustium verear.

1) Dieses Verhältnis deutet auch Sallust selbst äußerlich zur Genüge an, wenn er im bellum Catilinae die Reden stets mit Wendungen einleitet wie orationem huiusce modi habuit (20, 1; ähnlich 32, 3; 50, 5; 52, 1; 57, 6), während er die Briefe des Catilina (c. 35) und Lentulus (44,5) durch die einleitenden Worte earum (quarum) exemplum infra scriptum est ausdrücklich als Originale kennzeichnet.

II. Die Zeitverhältnisse um 63.

Zur Zeit der von Sallust erzählten Ereignisse war Rom zur Weltbeherrscherin geworden. Seit der Eroberung Karthagos hatte es seine Macht über fast alle Länder des 5 Mittelmeeres ausgedehnt, und gerade in diesen Jahren war Pompeius damit beschäftigt, im fernen Osten (16, 5) nach Besiegung des Mithridates weite Gebiete dem Reiche einzuverleiben: vom Aufgang zum Untergang der Sonne gebot Rom unumschränkt (36, 4). Daneben waren durch die 10 vielfachen Eroberungen große Reichtümer in der Hauptstadt zusammengeströmt (10, 2; 36, 4) und strömten noch immer aus den Provinzen dorthin.

Aber mit dieser glänzenden äußeren Entwickelung ging der innere Verfall Hand in Hand. Vor allem hatte sich 15 ein erschreckender Gegensatz zwischen arm und reich herausgebildet; der eigentliche Mittelstand war ganz verschwunden. Seit den schweren Verlusten an Menschen, wie sie namentlich der Hannibalische Krieg gebracht hatte, waren Sklaven in großer Masse zu jeglicher Arbeit eingeführt; 20 kann man doch zu Sullas Zeit die Zahl der Sklaven etwa doppelt so hoch rechnen als die der freien Männer. Der Sklavenarbeit gegenüber konnte sich der freie Handwerker nicht halten; ebensowenig aber auch der kleine Bauer und Grundbesitzer, der zudem noch durch die langdauernden Kriegs25 dienste, die Verwüstung und Verwahrlosung seiner Äcker im Kriege, den Mitbewerb des überseeischen Getreides gedrückt wurde. So verkaufte er denn lieber seinen Acker, statt sich nutzlos zu quälen; aber die Kaufsumme zerrann bald wieder in seinen Händen, und er vermehrte nur die so große Masse der Besitzlosen, die von der Hand in den Mund lebten. Die Zahl der wirklich vermögenden Bürger war dagegen gering; soll doch schon um 100 die Zahl der Familien mit wohlgegründetem Besitz kaum 2000 betragen haben. Dafür häuften sich bei den einzelnen ge35 waltige Reichtümer auf (20, 11. 12), die von ihnen bei der Verwaltung der Ämter und Provinzen noch stets vermehrt wurden. Namentlich Crassus besaß ein Vermögen, das ihn auch ohne jede politische Stellung zu einem der einflußreichsten Männer des Staates und zahllose Römer 40 von ihm abhängig machen mußte (48, 5). Solche Männer

kauften denn auch die einzelnen Bauernstellen auf; der größte Teil des italischen Bodens war in den Händen weniger Großgrundbesitzer, die ihre großen Güter durch Sklaven bewirtschafteten, so besonders in Etrurien, Apulien und Lucanien.

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Ähnlich waren die Verhältnisse in politischer Beziehung. Nach dem Gesetze waren zwar alle Bürger gleichberechtigt; aber in Wirklichkeit wechselten alle höheren Ämter nur in den engen Kreisen der Optimaten (vgl. Hilfsh. zu Cicero S. 64. 74), der nobiles oder, wie sie Sallust auch 10 nennt, der pauci (20, 7; 30, 4). Jedes fremde Element hielten diese Männer ängstlich fern (23, 6), um nur für sich allein die Macht im Staat und in den Provinzen ausnutzen zu können. Die große Masse war ohne politische Bedeutung; bei den Wahlen verkaufte sie ihre Stimmen 15 den nobiles, da es für einen Mann des Volkes doch fast unmöglich war, irgendwelche Stellung im öffentlichen Leben zu gewinnen.

Diese Verhältnisse waren schon an sich schlimm; aber sie wurden unerträglich durch den sittlichen Verfall der 20 vornehmen Kreise. Die alte Einfachheit und Lauterkeit der Sitten war geschwunden; besonders im Osten (11, 4ff.) hatte man die Genüsse einer überfeinerten Kultur kennen gelernt, und Üppigkeit und Genußsucht hatten bald ihren Einzug in Rom gehalten. Die einfache Kost der Alten ge- 25 nügte dem neuen Geschlecht nicht; Schlemmer und Feinschmecker suchten die kostbarsten Leckereien aus allen Ländern zusammen (13, 3). So holte man Pfauen von Samos, Haselhühner aus Phrygien, Kraniche aus Melos, Thunfische von Chalkedon, Nüsse von Thasos, Datteln aus Ägyp- 30 ten usw. Um diese Bissen in Menge vertilgen zu können, reizte man den Appetit durch künstliche Mittel, ja selbst durch absichtlich herbeigeführtes Erbrechen (13, 3). An Stelle der einfachen Wohnungen der alten Römer entstanden große Paläste, während die Masse des Proletariats 35 kaum menschenwürdige Wohnungen hatte (12, 3; 20, 11). Namentlich legte man viel Geld in prächtigen Landhäusern an, und um für solche Bauten ungewöhnliche Plätze zu haben, führte man nicht selten Steindämme ins Meer oder trug Berge ab (13, 1; 20, 11). Zur Ausstattung gehörten 40 Bildsäulen, Gemälde und Kunstwerke aller Art, wie man sie in der griechischen Welt des Ostens kennen gelernt

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