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überhaupt erst der technische Magistratsbegriff, sein Charakteristikum liegt gerade in der Volkswahl, wie umgekehrt die Souveränität der Gemeinde in der Beamtenernennung zum Ausdruck kommt. Dieses Recht hat der populus, solange die Republik bestand, in unumschränkter Weise geübt; 2 bisweilen ist er darin so weit gegangen, daß er das republikanische Prinzip zu übertreten sich nicht scheute, indem er den Grundsatz der Annuität und der konsularisch-diktatorischen Verfassungsbasis unbeachtet ließ. Aber solange dergleichen Anomalien vom Volke als Verfassungsverletzungen erkannt und als solche verstanden wurden, waren sie gesunde Äußerungen eines starken und mächtigen Souveränitätsbewußtseins, das sich einmal die Abweichung vom verfassungsmäßigen Schema gestatten konnte. Erst mit dem formalen Fortfall der Annuität endet die Republik, um dem Prinzipat zu weichen. Daß die Magistrate,,imperium" sowohl wie „potestas" aus dem souveränen Willen des populus schöpfen, ist eine selbstverständliche Anschauung, die aus der Magistratsmajestät folgt (s. u.). Das gilt auch für die Kooptation seitens eines von der Bürgerschaft Gewählten. Auch der Diktator gehört zu den Magistraten; auch er übt die Staatsgewalt aus kraft Auftrags. Formell erfolgt die Wahl des Beamten regelmäßig als Gesetz, die spezielle Kompetenz ergibt sich aus dem Charakter des zu Wählenden: Die patrizischen und patrizisch-plebejischen werden vom Gesamt-populus, die plebejischen von den Plebejern concilia plebis - gewählt. 5

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1 Dem steht auch nicht entgegen, daß das römische Staatsrecht den König, Zwischenkönig usw. als Magistrate auffaßt. Näheres s. u.

2 Daß der wahlleitende Beamte einen bisweilen nicht zu unterschätzenden Einfluß bei der Empfehlung eines Kandidaten auf die Wählerschaft ausgeübt hat, ist zweifellos. Ursprünglich ist die Wahl oder Nichtwahl überhaupt an die Person des vom Wahldirigenten Designierten gebunden gewesen; diese Beschränkung aber hat die Gemeinde sehr bald beseitigt.

3 Man denke z. B. an die Sullanische Diktatur, desgl. an die Cäsarische; an die Verletzung der Prorogationsvorschriften und dergl. mehr.

Die,,magistratus majores" durchweg in den Centurien, die ,,minores" in den,,comitia tributa“.

5 Während das Gesetzgebungsrecht jedenfalls formell relativ lange Zeit POLLACK, Majestätsgedanke.

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§ 20.

3. Gerichtskompetenz.

Das typische Merkmal für die Gerichtsgewalt der Gemeinde endlich ist das Provokationsrecht; es ist vielleicht die ostentativste und einschneidendste Ausdrucksform für die ,,majestas populi", insofern als der populus hier als höchster Richter in Kriminalsachen entscheidet. Die Anfänge der ,,provocatio" reichen bis in die Königszeit hinauf. Statuierte das römische Verfassungsprinzip einmal den Satz, daß jeder vom normalen Rechtsgange abweichender Akt ohne Zurateziehen der Volksgemeinde nicht erledigt werden könne, so durfte auch bei der Betretung des Gnadenweges seitens eines zum Tode verurteilten Bürgers das Votum der Gemeinde nicht fehlen. Aber dieses Votum der Komitien konnte so lange nicht das Bollwerk des verurteilten Verbrechers werden, als dem populus der Charakter des Staatsorgans fehlte; d. h. solange dem Könige ausschließlich die Ausübung der Staatsgewalt oblag, fällte er nicht nur den Richterspruch, sondern entschied nach eigenem Belieben auch darüber, ob dem Gnadengesuch des Verurteilten stattzugeben sei oder nicht. Die Republik erst schafft hier durch das berühmte Valerische Gesetz Wandlung, das dem erkennenden Beamten die Entscheidung über die Zulassung zur Provokation nimmt, und ihn verpflichtet, den letzten unanfechtbaren Spruch der höheren,

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die Republik überdauert hat, ist das Wahlrecht faktisch und rechtlich im Jahre 14 n. Chr. auf den Senat übertragen worden (vgl. die berühmte Stelle bei TACITUS I, 15: Tum primum e campo comitia ad patres translata sunt: nam ad eam diem etsi potissima arbitrio principis, quaedam tamen studio tribuum fiebant. neque populus ademptum jus questus est, nisi inani rumore et senatus largitionibus ac precibus sortitis exsolutus libens tenuit). Das ist vielleicht die erste offizielle Proklamierung des Unterganges der republikanischen Konstitution. Über den Senat als Wahlkörperschaft ist hier nicht zu reden.

1 CICERO, de re publica II, 31, 54: Publius Valerius ... sin quo fuit Publicola maxime, legem ad populum tulit eam, quae centuriatis comitiis prima lata est, ne quis magistratus civem Romanum adversus provocationem necaret neque verberaret; LIVIUS, II 8, 2: Latae... leges de provocatione adversus magistratus ad populum.

höchsten Instanz1 zu überlassen, dem „judicium populi". Darin, daß hier durch Gewährung der Gnade der magistratisch Befehl annulliert werden kann, liegt die Anerkennung ein dem Volke zustehenden „major potestas" gegenüber dem Magistrat, einer „major potestas", die nunmehr zu einem unveräußerlichen, integrierenden Bestandteil der Gemeindesouveränität, der Volksmajestät geworden ist. 3 In diesem Sinne erscheint das Provokationsrecht in den XII T.4 Über das Anwendungsgebiet ist hier ebensowenig zu handeln, wie über den Gang des Verfahrens, beides interessiert für die Erörterung des Majestätsgedankens wenig. Hinsichtlich des Wahrspruches der Volksversammlung 5 ist zu sagen, daß der dem ganzen Institut zugrunde liegende Majestätsgedanke irgend eine Beschränkung der Komitien in ihrer richterlichen Entscheidung nicht zulassen kann. Deshalb können sie wider besseres Recht den Schuldigen freisprechen, wie die römische Annalistik an zahlreichen Beispielen gezeigt hat. Das ist aber gerade ein Beweis für die Souveränität des Volkes, das sich in den wirren Zeiten politischer Fehde vorzüglich aus diesem Majestätsrecht eine Waffe geschmiedet hat, deren es zur Erhaltung seiner Existenz bedurfte. "

1 LIVIUS XXVI, 3.

Hinfort geht auch die Entscheidung, ob der Perduellionsprozeß stattzufinden hat und für diesen Fall das Recht, die „,duumviri perduellionis“ zu kreieren, auf die Komitien über.

3 Das äußere Zeichen der Anerkennung der Gemeindesouveränität gerade nach dieser Richtung hin ist in der Verpflichtung der römischen Magistrate zu sehen, vor dem versammelten Volke die,,fasces", das „insignium imperii", zu senken. LIVIUS II, 7, 1 u. S. 272; CICERO, de re publ. II, 31, 53: P. Valerius fasces primus demitti jussit, cum icere in contione coepisset.

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4 CICERO, de re publ. II, 21, 54 BRUNS, pars prior S. 40 Nr. 5 ab omni judicio poenaque provocare (provocari) licere indicant XII tabulae compluribus legibus.

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Regelmäßig die Zenturiatkomitien. CICERO, pro Sest. XXX, 65: cum et sacratis legibus et XII tabulis sanctum esset ut . . . neve de capite nisi comitiis centuriatis rogari, und zahlreiche andere Stellen.

• Die Einführung der Geschworenengerichte und die Sullanische Strafrechtsreform bedeuteten das Ende des Provokationsrechtes.

§ 21.

III. Der innere Wert des Volksschlusses.

Die vorstehenden Erörterungen haben gezeigt, wie nach den verschiedensten Richtungen hin der Majestätsgedanke in der Kompetenz der Volksversammlung zur Geltung kommt. Es soll nun noch mit kurzen Worten von dem inneren Werte des Volksschlusses gesprochen werden. Der Volksschluß, hatten wir gesehen, ist der Idee nach der letzte unabänderliche Wille der souveränen Gemeinde; in ihm offenbart sich daher das Prinzip des souveränen Staates überhaupt. An der rechtlichen Unumschränktheit der Willensbetätigung der Bürgerschaft als einer juristischen Persönlichkeit hat der republikanische populus stets festgehalten. Er hat im Bewußtsein seiner Subjektsnatur niemals vergessen, daß der einzelne Bürger da, wo er dem Volke als Ganzem gegenübertritt, doch nur Objekt der Staatsgewalt ist, der er dient, der er unterliegt. Zwar ist es kein leeres Wort, das von der unverletzlichen Majestät der Person des freien römischen Bürgers spricht, das ihn zum König unter den Königen stempelt. Doch wie auch der römische Vollbürger in seinem Kreise, die römische Gemeinde aber in ihrer Rechtssphäre die Kraft fand, in kluger Zurückhaltung die rechtlich freie Gewalt beschränkt zu üben, so ist es beiden Teilen doch niemals zweifelhaft gewesen, daß, wo der Bürger der Gemeinde gegenübertritt,

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1 CICERO, pro Rabirio IV; in Verrem II, 3, 28 und 29; 5, 62 und 63, wo er dramatisch das ,,civis Romanus sum!" glorifiziert. SALLUST, Ing. XXXI, 9:... itaque postremo leges, majestas vostra divina et humana omnia hostibus tradita sunt; 17: majores vostri parandi juris et majestatis constituendae gratia bis per secessionem armati Aventinum occupavere.

2 Von ihm gilt mit entsprechender Modulation, was CICERO, in Catilinam II, 5 vom ganzen Volke sagt: Nulla est natio, quam pertimescemus, nullus rex, qui bellum populo Romano facere possit; omnia sunt externa terra marique pacata etc.

3 In diesem Sinne ist die Stelle CICEROS (pro dom. XXX) zu verstehen, wo er sagt: majores nostri de civitate et libertate ea jura sanxerunt, quae nec vis temporum, nec potentia magistratuum nec res tum judicata nec denique universi populi potestas, quae ceteris in rebus maxima est, labefactare posset. Siehe auch NIEBUHR bei VIEHOFF S. 223.

Ihn zu

sie und nur sie allein einen maßgebenden Willen hat. betätigen, ist ein unveräußerliches Gemeindegut, und die Idee der dem Volksschluß rechtlich innewohnenden Allmacht zeigt sich vielleicht am besten darin, daß die Gemeinde gleich dem testierenden Bürger, solange sie existiert, einen letzten Willen haben und so den einmal gefaßten Volksschluß abrogieren kann.1 Deshalb sagen schon die XII T., daß es ein bis in alle Ewigkeit bindendes Gesetz nicht gibt. 2.3

Diese Kompetenz der ständigen uneingeschränkten Selbstkorrektur ist vielleicht der höchste Ausdruck für das Verhältnis der Überordnung wie der Unabhängigkeit des römischen populus, und dies berechtigt uns nicht zum letzten, die römische Verfassungsform der Republik als auf dem Prinzip der Volkssouveränität basierend hinzustellen: Ihr schlichtes aber stolzes Panier schmückt die „Majestas Populi Romani“!

Fünftes Kapitel.

§ 22.

Die majestas magistratus.

Majestatem minuere est de dignitate aut amplitudine aut potestate populi aut eorum, quibus populus potestatem dedit, aliquid derogare."

Omnes potestates imperia curationes ab universo populo Romano proficisci convenit.5

Die etymologische Bedeutung des Wortes,,magistratus" zeigt, daß ihm die Vokabel,,majestas" nicht fern stehen kann: Magister

1 CICERO, ad Attic. III, 23, 2: Scis... Clodium sanxisse, ut vix aut omnino non posset per senatum nec per populum infirmari sua lex. sed vides nunquam esse observatas sanctiones earum legum, quae abrogarentur: nam si id esset, nulla fere abrogari posset; neque enim ulla est, quae non ipsa se saepiat difficultate abrogationis; sed cum lex abrogatur, illud ipsum abrogatur, quo modo eam abrogari oporteat.

2 LIVIUS VII, 17, 12: In XII. t. legem esse ut, quodcunque postremum populus jussisset, id jus ratumque esset.

3 Das gilt selbst für die „lex religione sacrata“.

4 CICERO, de invent. II, 17, 53.

5 CICERO, de lege agr. II, 7, 17.

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