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wöhnen, daß aber dadurch gleichzeitig der ursprüngliche Duoviralprozeß seiner Eigentümlichkeit entkleidet wird. Gab es bisher nur eine Alternative: Freisprechung oder Todesstrafe, so führen nunmehr die Volkstribune ein gänzlich neues Strafensystem ein; obgleich man sich stets bewußt bleibt, daß das Staatsverbrechen das schwerste aller Verbrechen sei, fügt man sich den modernen innerstaatlichen Tendenzen, die gerade den Volkstribunen gebieten, von der kapitalen Bestrafung abzusehen und leichtere, für ihre politischen Intentionen so wirksamere Strafen einzuführen.1 Wenn auch das Duoviralverfahren noch formell besteht, praktisch wird es ersetzt durch das tribunizische Strafverfahren und das jetzt neu auftauchende Quästionenverfahren. Die durch Sulla geschaffene „,quaestio majestatis" bildet den Abschluß der um die Wende des 1. Jahrhunderts v. Chr. erlassenen Majestätsgesetze, von denen nun im Zusammenhange zu handeln ist.

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§ 37.

4. Lex Apuleia [majestatis].

Die lex Apuleia, ein Plebiszit aus dem Jahre 651/103 v. Chr.,3 war infolge der politischen Wirren veranlaßt worden. Die schmachvolle Haltung der römischen Truppen, vor allem der Offiziere und Oberbefehlshaber bei dem Einbruch der Kimbern in die römischen Grenzgebiete, der sich namentlich in den leitenden Kreisen immer mehr bemerkbar machende Mangel an ernstem, energischem Bestreben, den Namen und die Würde des römischen Volkes zu

1 So finden wir namentlich häufig die Auflegung von Geldbußen; die Strafsätze sind im allgemeinen mehr niedrig als hoch bemessen. MOMMSEN, Strafr. S. 589; ZUмPT, Schwurger. S. 2.

2 KNITSCHKY S. 21.

3 So MOMMSEN, Strafr. S. 198; ZUMPT, Schwurger. S. 229; nach anderen 652/102 (z. B. DIECK S. 71), s. auch REIN S. 507, RUDORFF I S. 82, der sie ins Jahr 653 verlegt

4 Von dem Volkstribun L. Apuleius Saturninus! BACCHI hist. jur. II, 2 sect. 1 § 63; CROPP III, 1, 1 Not. 6; GUNDLING I, 8; ZUMPT a. a. O. S. 228. Dagegen allerdings BOUCHAUD II S. 220-21: Nous somnes portés à croire, que la loi Apuleïa majestatis est plus ancienne que Saturninus.

wahren, 1.2 schienen Grund genug, nun endlich einmal alle hier in Betracht kommenden Fälle, welche die abstrakte Formel des „,minuere majestatem populi Romani" umfaßte, in das Staatsverbrechen aufzunehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß das apuleische Plebiszit die Einsetzung einer Geschworenenkommission3 wegen der vom Konsul Quintus Servilius Caepio im Jahre 648 a. u. c. unterschlagenen Tempelschätze zwecks Untersuchung und Aburteilung anordnete. Ob hier ein Gesetz vorliegt, das zum ersten Male das Staatsverbrechen von dem abstrakten Standpunkt des minuere majestatem" ansieht, ist nicht festzustellen. Jedenfalls liegt die Bedeutung der lex Apuleia, soweit derselben eine solche überhaupt zuzusprechen ist, darin, daß sie keine kasuelle Regelung gibt, sondern ein strafrechtliches Prinzip

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1 Schon im Jugurthinischen Kriege war hier geradezu Unerhörtes geleistet worden. Man denke nur an den Vertrag des Marcus Scaurus mit Jugurtha im Winter 642-643 a. u. c. und an die Prozesse gegen Gaius Bestia, Spurius Albinus und Lucius Opimus wegen Landesverrats. S. oben!

2 PIGHIUS ad ann. 651 (S. 163): majestas populi Romani vehementer imminuta haud dubie videbatur ubique gentium: nec minus in ipsa urbe Roma, cum in tanta trepidatione civitatis quies valde turbata fuisset.

› Ob einer ständigen, ist wohl mit MoмMSEN a. a. O. S. 198 Anm. 1 zu verneinen; daß 8 Jahre nach Erlaß des Gesetzes gegen C. Norbanus als Majestätsverbrecher vorgegangen wurde, beweist nichts. SIGONIUS' Ausführungen (II, 29) entbehren jeglicher Unterlage.

4 MOMMSEN, Gesch. II, S. 168 ff.; Strafr. S. 198.

5 Der Prozeß endete ähnlich wie im Jugurthinischen Kriege das auf Antrag des Volkstribuns G. Mamilius Limetanus (MOMMSEN, Gesch. II S. 145; ZUMPT a. a. O. S. 222) eingeleitete Verfahren mit der Verbannung des Schuldigen. Außerdem wurde gegen Caepio wegen der am 6. Oktober 649 erlittenen Niederlage bei Arausio ein kapitaler Hochverratsprozeß angestrengt, der im Prinzip mit dem Todesurteil, tatsächlich aber mit Vermögenskonfiskation und strengster Verbannung endete. (MOMMSEN a. a. O. S. 179).

...

• Man vgl. miteinander: Cic. de deor. nat. III, 30, 74: Cognosce alias quaestiones, auri Tolossani, coniurationis Jugurthinae etc., ad Herenn. I, 14, 24: ... fortunam, ut Caepio ad tribunos plebis de exercitu amissione; etc. und: orat. part. XXX, 104-105: In illis autem, ubi ita dicitur: Non minuit majestatem quod egit de Caepione turbulentius; populi enim dolor iustus vim tum illam excitavit non tribuni actio... etc. 7 BOUCHAUD II S. 224.

...

8 REIN S. 508.

normiert,1.2 das noch späterhin Gegenstand rechtlicher Argumentationen und Kontroversen war.3 Materiell hat die lex Apuleia kaum Neues enthalten; vielleicht ist sie wirklich nur von ausschließlich temporär-prozessualer Bedeutung gewesen.

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Die Geschichte der Majestätsgesetze, soweit sie in die Zeit vom Erlaß der lex Apuleia bis zur lex Julia majestatis fällt, zeigt ganz vorzüglich, ein wie politischer Begriff die majestas war. Man gab sich gar nicht die Mühe, die folgenden Gesetze beweisen dies gleichfalls auch nur roh eine Grenze zwischen politischer und strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu ziehen, und es wird so verständlich, daß unter der Herrschaft eines so grenzenlosen Begriffes, wie ihn das „,minuere majestatem populi Romani" darstellt, die schamlosesten politischen Verbrechen im Gewande und unter dem Scheine des Rechts begangen werden konnten.5

§ 38.

5. Lex Varia [majestatis].

Wie die lex Apuleia knüpft auch die lex Varia aus dem Jahre 663/691 v. Chr. unmittelbar an einen politischen Vorgang an.

1 Hierüber ist bereits oben S. 157ff. gesprochen worden. Über den vermutlichen Text des Gesetzes s. daselbst Anm. 2. Über die Schaffung einer ,,quaestio majestatis" durch die lex Apuleia s. auch unten bei den Ausführungen über die lex Cornelia majestatis S. 192ff.

2 Das scheint auch die Ansicht KNITSCHKYS S. 25 ff. zu sein.

3 SO CICERO bez. des Majestätsprozesses gegen C. Norbanus: de orat. II, 25, 107 (bei MOMMSEN, Strafr. S. 198 Anm. 1 irrig II, 75, 307!): Iam quid vocetur, quaeritur, quom quo verbo quid appellandum sit contenditur; ut mihi ipsi cum hoc Sulpicio fuit in Norbani causa summa contentio. Pleraque enim de iis quae ab isto obiciebantur quom confiterer, tamen ab illo majestatem minutam negabam: ex quo verbo lege Apuleia tota illa causa pendebat; i. Vbdg. m. II, 49, 201: Sic in illa omni defensione atque causa quod esse in arte positum videbatur, ut de lege Apuleia dicerem, ut quid esset minuere maiestatem explicarem, perquam breviter perstrinxi atque attigi. 4 Siehe oben a. a. O.

5 Siehe hierzu GÖTTLING S. 454 ff.

SO MOMMSEN a. a. O. S. 198; ZUMPT, Schwurger. S. 251; RUDORFF I S. 82. Nach anderen 662/692: BOUCHAUD S. 226; DIECK S. 75; und 664/690: GÖTTLING S. 450; REIN S. 509.

Im italischen Bundesgenossenkriege hatten römische Bürger durch Rat und Tat Bundesgenossen unterstützt, von Rom abzufallen und den Bund zu sprengen. Diese Handlungsweise wurde auf Antrag des Volkstribunen Q. Varius Hybrida1 zum Staatsverbrechen gestempelt. Das varische Plebiszit stellte hiermit eine positive Rechtsregel auf, wie sie bisher vielleicht noch nicht bestanden hatte. Die XII T. werden hierüber nichts enthalten haben, da der Abfall, wenn auch auf dem Perduellionsbegriffe fußend, jedenfalls immer kriegsrechtlich und nicht strafrechtlich geahndet worden ist. Die kapitale Bestrafung in Form der Entziehung des Bürgerrechts trat, wenn sie überhaupt hier stattgefunden hat, wahrscheinlich nur auf Grund eines ausdrücklichen Plebiszits ein. Ob die lex Varia allgemein den Beistand zum Abfall als einen besonderen Fall des Staatsverbrechens behandelt wissen wollte, was die Normierung des Abfalls selbst als „perduellio" zur Voraussetzung hat, oder wirklich nur ein rein transitorisches Gelegenheitsgesetz gewesen ist, ist schwer zu

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1 Nicht Q. Valerius, wie auf Grund des Berichts bei APPIAN b. c. I angenommen worden ist. Vgl. z. B.: HEYLIGENSTAEDT § 4. Richtig: BOUCHAUD a. a. (). Die lex Varia finden wir bei Valer. Max. VIII, 6, (Q. autem Varius propter obscurum jus civitatis Hybrida cognominatus tribunus pl. legem adversus intercessionem collegarum perrogavit etc.; .), ferner bei CICERO Brutus LVI und LXXXIX; Tuscul. II, 24; de deor. nat. III, 33, 81. ASCONIUS in Scaur. p. 22; in Cornel. p. 79 und bei Appian (s. oben) erwähnt.

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2 ASCONIUS in Scaur. p. 22; Q. Varius tribunus pl. legem tulit, ut quaereretur de iis, quorum ope consiliove socii contra populum Romanum arma sumpsissent. PIGHIUS III p. 219: Multi insignes viri ab equitibus Romanis hac lege damnati sunt.

3 MARCIAN hätte das ,,deficere a re publica" sicherlich nicht vergessen, wo er vom,,hostem concitare" und „,civem hosti tradere" spricht; vgl. 1. 3 Dig. XLVIII, 4.

4 Dies ersieht man aus LIVIUS' Bericht über den Abfall CAPUAS XXVI, 33, 10 ff.; s. oben.

5 BOUCHAUD a. a. O. sagt ganz treffend: . . . une loi qui ordonnoit qu'on informât contre ceux qui, par leurs manoeuvres et leurs conseils avoient engagé les alliés à prendre les armes contre le peuple Romain.

• Die letzten anderthalb Jahrhunderte v. Chr. sind reich an Beispielen, die die,,ademtio civitatis" als Strafe für den Abfall enthalten; eine große Reihe von Gemeinden hat dieses Schicksal getroffen. So: Cic. de deor. nat. XXX, 79: Populus Romanus L. Sulla dictatore ferente comitiis centu

sagen, zumal der Abfall noch in spätester Zeit1 als Überlauf konstruiert wird.2

§ 39.

6. Lex Cornelia majestatis.

Von einem völlig anderen Gesichtspunkte aus ist das Kornelische Majestätsgesetz 3 vom Jahre 80 (81) v. Chr. zu beurteilen, das ein Glied jener Kette ist, die der vielleicht reaktionärste Reformator aller Zeiten geschmiedet hat: Lucuis Cornelius Sulla.5 Die gewaltige Bedeutung dieses Gesetzes kann nur aus der Sullanischen Verfassung als solcher heraus verstanden und be

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riatis municipiis civitatem ademit; pro Caec. XXXIII, 97: quod Arretinis ademta civitas esset, et ego vehementius contendissem civitatem adimi non posse...

1 Bei PAULUS 1. 5 § 1 Dig. IV, 5: Qui deficiunt, capite minuuntur (deficere autem dicuntur, qui ab his, quorum sub imperio sunt, desistunt et in hostium numerum se conferunt; sed et hi, quos senatus hostes iudicavit vel lege lata) utique usque eo, ut civitatem amittant.

• DIECK (S. 75) bemängelt CICERO, der von Scaurus sagt, er sei nach der lex Varia der Prodition angeklagt (proditionis est in crimen vocatus), und (S. 76) BALDUINUS, der den Apuleius Saturninus als perduellis" betrachtet,,,weil die Perduellion längst antiquiert sei." Das tut er aber zu Unrecht. Die lex Varia behandelte sachlich die Prodition genau so wie die XII T. und Apuleius Saturninus ist durchaus „perduellis" in streng technischem Sinne gewesen. An die Worte darf man sich nicht mit der Ängstlichkeit klammern, wie es die meisten Schriftsteller tun zu müssen vermeinen.,,majestatis reus" kommt höchstwahrscheinlich erst seit der lex Cornelia majestatis auf.

3 Äußerlich kommt der Gegensatz darin zum Ausdruck, daß wir es bei diesem Gesetze Sullas mit einer wirklichen „lex majestatis“ zu tun haben; richtiger Ansicht nach ist weder das Apul. noch das Var. Plebiszit als „,lex majestatis" bezeichnet worden.

* BINDING, Deutsch. Strafr. § 5: 673 a. u. c.; RUDORFF I S. 82.

5 Daß die lex Cornelia maiestatis von Sulla herrührt, darüber besteht nunmehr kein Zweifel. Man vgl. die unten zitierten Stellen namentlich CICEROS. Richtig schon Cuiacius ad Pauli sent. recept. V, 29 (Ausg. v. GYMNICUS S. 299): At Corneliae leges, quoniam et de maiestate leges tulit Cornelius Sulla . . . etc.

• Noch AMMIANUS MARCELLINUS gedenkt ihrer XIX, 12, 17: cuius retinendae causa validius ubi majestas pulsata defenditur, a quaestionibus vel cruentis nullam Corneliae leges exemere fortunam.

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