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diese auf göttliches Gebot, gehorsam der höchsten aller Pflichten: Die Sakration wird als mit der göttlichen Exekution die magistratische notwendig vereinigend behandelt. Da die Strafe aber die sakrale Entsühnung der Gemeinde bedeutet, für die in ältester Zeit allein die Person des Frevlers in Betracht kommen kann, so ist sie, die regelmäßig Todesstrafe ist, aufzufassen als Opferhandlung, als „,religiös-politischer" Akt von eminenter Bedeutung. Dieser allgemein indogermanische Zug kann nicht zweifelhaft sein; die Vorstellung des unmittelbaren Gegenüberstehens der physischen und deifizierten Persönlichkeit von Mensch und Gott verlangt eben die Hingabe des Schuldigen in die Macht der Gottheit, soll die Gemeinde von der auf ihr lastenden Schuld befreit werden; diese Hingabe, die nach ältester Auffassung zweifellos zu Eigentum der betreffenden Gottheit, namentlich der unterirdischen Götters erfolgt dieselbe Idee tönt in der ,,adjudicatio" der XII T. nach —, dieses Verfallensein mit Hab und Gut ist die Strafe für die Verletzung der göttlichen Majestät, hinein passend in die naive Anschauungsweise der Italiker von dem menschlich-göttlichen Verhältnis, wie es z. B. in dem beiderseitigen,,do ut des"-Standpunkt charakteristisch pointiert ist. So ist in rechtshistorischer Zeit schließlich das parricidium, das

1 MOMMSEN, Strafrecht S. 900 Anm. 1.

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2 FESTUS, S. oben S. 16 Anm. 2: Alicui deorum. DIONYS II, 10: Et δέ τις ἐξελεγχθείη τούτων τι διαπραττόμενοις ἔνοχος ἦν τῷ νόμῳ τῆς προδοσίας, ὃν ἐκύρωσεν ὁ Ρωμύλος. Τὸν δὲ ἁλόντα τῷ βουλομένῳ κτείνειν ὅσιον ἦν ὡς θύμα τοῦ καταχθονίου Διός· ἐν ἔθει γὰρ Ρωμαίοις, ὅσους ἐβούλοντο νηποινὶ τεθνάναι, τὰ τούτων σώματα θεῶν ὅτῳ δή τινι, μάλιστα δὲ τοῖς καταχθονίοις κατονομάζειν· ὃ καὶ τόθ ̓ ὁ Ρωμύλος ἐποίησε.

3 DIONYS II, 10, s. Anm. 1. Vgl. hierzu die analogen Stellen, die die ebenfalls Sazertät bewirkende Verletzung des Obsequiums gegenüber dem „parens" betreffen: die sog. lex des SERV. TULLIUS bei FESTUS p. 230; Bruns, fontes, pars post. S. 24 (plorare!) und pars prior, S. 7 Nr. 13 u. S. 14 Nr. 6: Si nurus, sacra divis parentum estod. Sie parentum puer verberit, ast olle plorassit, puer divis parentum sacer esto! Daneben kommen aber noch andere Gottheiten, namentlich Ceres und Jupiter in Betracht. LIVIUS III, 55, 7, s. o. S. 16 Anm. 2.

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4 Siehe FESTUS (P. 221) bei BRUNS, pars post. S. 22: Parricidii quaestores appellabantur, qui solebant creari causa rerum capitalium quaerendarum. Nam parricida non utique is, qui parentem occidisset, .dicebatur, sed POLLACK, Majestätsgedanke.

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sich zum gemeinen Bürgermord schlechtweg verallgemeinert hat, das Sakralverbrechen xar' §oziv und wie der gottverfallene ,,puer divis parentum sacer esto", 1 so ist nach der lex Numae Pompilii der „parricida" den ,,diis manibus" schlechtweg verfallen.

Die zweite Betätigungsform des Sazertätgedankens ist mehr staatsrechtlicher Natur; sie konnte erst in Erscheinung treten, als der Gedanke des kriminellen Gottverfallenseins sich als vulgäre Anschauungsweise durchgesetzt hatte, und sie ist geradezu die Konsequenz dieser Auffassung geworden, logisch angewandt von der im Kampfe mit den Patriziern siegreichen, römischen Plebs: Wir meinen die auf dem ,,Mons Sacer" errungene plebejische Konstitution! Diese von den Jungbürgern erstrittene Verfassung wäre ohne die Vorstellung von der göttlichen Majestät praktisch undurchführbar gewesen. Das im frühen Strafrecht wirkende Prinzip von der religiösen Idee der Sühnung ist auch bei der Schaffung des Volkstribunats rechtlich die Stütze, ja Basis geworden, die die nunmehr schrankenlose Ausübung der plebejischen Selbsthilfe nicht als bloße Lynchjustiz erscheinen ließ, sondern vielmehr als Wahrung des durch göttliche Satzung festgestellten Rechtes. Indem die revolutionäre Menge in corpore auf dem Mons Sacer jenen denkwürdigen Eidschwur leistete, jeden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Person des plebejischen Vorstandes als ein todeswürdiges Verbrechen zu ahnden, stellte man die neue Verfassung, die gerade in dieser Bestimmung ihre wirksamste Spitze hatte, dem Schutze der Götter anheim. Man stempelte die Satzung zur ,,lex sacrata"; 5 damit aber war ein

qualemcunque hominem indemnatum. Ita fuisse indicat lex Numae Pompilii regis his composita verbis:,,Si qui cet."

1 Siehe hierzu PERNICE, Labeo II, 2, 1 S. 29 ff., bes. S. 32.

2 Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, paricidas esto (BRruns,

pars prior S. 10 Nr. 12).

3 Über die rein kriminelle Bedeutung der revolutionären Bewegung s. Teil II.

* FESTUS p. 318; BRUNS, pars. post. S. 35: Sacrosanctum dicitur, quod jurejurando interposito est institutum, si quis id violasset, ut morte poenas penderet.

5 LIVIUS II, 33, 3 s. o. und FESTUS p. 318 (BRUNS a. a. O.): Sunt qui

bewußter Gegensatz zur altüberkommenen gesetzmäßigen Gemeindeverfassung konstruiert worden, parallel der nunmehr herrschenden Auffassung von der nebeneinander geltenden menschlichen und göttlichen Satzung, „jus“ und „fas". Die Gemeindeverfassung ist „lex publica“, die autonomen Beschlüsse der plebs sind „lex sacrata"; die von der gesamten Bürgerschaft gewählten Konsuln sind,,magistratus populi Romani", die ,,tribuni plebis" nicht;1 jene sind Träger des imperium", diese nicht; die potestas" der einen ist „,legitima", die der anderen ,,sacrosancta“; daher jene „lege", diese „religione inviolati" sind. 3 So beweist denn dieses wichtige geschichtliche Ereignis zur Genüge, wie stark noch um die Wende des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Vorstellung vom Gottverfallensein, von der über dem mensch

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esse dicant sacratas, quas plebes jurata in monte sacro sciverit. Sacer mons appellatur trans Anienem, paulo ultra tertium miliarium, quod eum plebs cum secessisset a patribus creatis tribunis plebis, qui sibi essent auxilio, discedentes Iovi consecraverunt.

1 Dies kommt schon äußerlich zur Geltung in dem Mangel der den ordentlichen Magistraten zukommenden Prärogativen; s. hierzu MOMMSEN, Gesch. I S. 275.

2 LIVIUS VI, 37, 4: non posse aequo jure agi, ubi imperium penes illos, penes se auxilium tantum sit. nisi imperio communicato, nunquam plebem in parte pari rei publicae fore.

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3 Siehe die schon oben zitierten Stellen des FESTUS von ,,sacer mons" und „sacrosanctus“. Livius II, 33, s. desgl. oben; III, 55, 7 und 8: et cum religione inviolatos eos tum lege etiam fecerunt sanciendo, ut qui tribunis plebis . . . nocuisset, ejus caput Iovi sacrum esset, und: Hac lege juris interpretes negant quemquam sacrosanctum esse, sed eum, qui cuiquam eorum nocuerit, sacrum sanciri . . . tribunos vetere jurejurando plebis, cum primum eam potestatem creavit, sacrosanctos esse. DIONYS VII, 22: καινὴν δὲ καταστησάμενος ἀρχὴν ἐπὶ τῷ καθελεῖν τὴν τῶν ὑπάτων, ἱερὰν καὶ ἄσυλον ἐποίησεν αὐτὴν νόμῳ, . . .; VI, 89: ὁ δὲ Βροῦτος ἐκκλησίαν συναγαγὼν συνεβούλευσε τοῖς δημόταις ἱερὰν καὶ ἄσυλον ἀποδεῖξαι τὴν ἀρχὴν, νόμῳ τε καὶ ὅρκῳ βεβαιώσαντας αὐτῇ τὸ ἀσφαλές. - PLUTARCH, Tib. Gracch. XV: ἔφη γὰρ ἱερὸν τὸν δήμαρχον εἶναι καὶ ἄσυλον, ὅτι τῷ δήμῳ καθωσιώται καὶ τοῦ δήμου προέστηκεν. — APPIAN, bell. civ. II, 108: ἥτε γὰρ πρόφασις τῆς κολάσεως περὶ τῆς βασιλικῆς ἐπωνυμίας ἦν, ἥτε τῶν δημάρχων ἀρχὴ ἱερὰ καὶ ἄσυλος ἦν ἐκ νόμου καὶ ὅρκου παλαιοῦ. IV, 17: ἱερὰ δ ̓ ἐστὶν ἡ ἀρχὴ καί ἄσυλος ἐκ τῶν νόμων καὶ τὰ μέγιστα ἴσχυεν, ὡς καὶ τῶν ὑπάτων τινὰς ἐς τὰς φυλακὰς ἐμβαλείν. Im strafrechtlichen Teil wird auf die hier angeführten Stellen Bezug zu nehmen sein.

lichen Rechte stehenden göttlichen Macht und von der strafenden Gewalt des in seiner ,,majestas" getroffenen Gottes im Volke lebendig ist. Wie bei den Griechen ist auch in Rom das religiöse Moment das Fundament des sich aus ihm nach und nach entwickelnden weltlich-bürgerlichen Rechtes geworden; der ,,fas“Begriff ist noch in späten Zeiten als die Stütze des jus“Begriffes zu erkennen. Beide Völker haben zuerst im Sakralwesen die Kunst rechtlicher Folgerung, sogar in geringem Umfange den Versuch rechtlicher Abstraktion geübt; daß diese Periode religiös-rechtlicher Natur keine kurze Spanne gewesen ist, ersehen wir daraus, daß noch in rechtshistorischer Zeit, in der uns die Römer bereits sakralfreies Recht geben, die Anklänge, ja selbst die unverfälschte Erhaltung altüberkommener Riten nichts Seltenes sind. Die von LEIST1 angeführten Belege deuten die allmähliche Bildung des weltlichen Rechtes im Schoße des Sakralrechts mit großer Wahrscheinlichkeit an.2

1 A. a. O. S. 519 ff.

2 LEIST beruft sich a. a. O. auf das von LIVIUS (II, 33) zitierte Provokationsgesetz, das,,lex sacrata" ist. Durch eine ,,lex sacrata“, sagte er, wird der betreffende Punkt sowohl unter das divine Recht, dessen Schutz direkt die Götter ausüben (das ,,fas"), wie unter das weltliche Recht (das ,,jus“) gestellt. Dann fährt er fort: „Bei Wiederholung der Provokationsbestimmung wird dies auch besonders hervorgehoben; LIVIUS III, 55: Sanciendo novam legem, ne quis ullum magistratum sine provocatione crearet; qui creasset, eum jus (der jetzt schon voranstehende Begriff des weltlichen Rechtes) fasque (der alte, auf dem divinen Recht beruhende Sazertätbegriff) esset occidi, neve ea caedes capitalis noxae haberetur. Vgl. hierzu FESTUS p. 318: At homo sacer is est, quem populus judicavit ob maleficium; neque fas est, eum immolari, sed qui occidit, parricidi non damnatur, nam lege tribunicia prima cavetur »si quis eum, qui eo plebei scito sacer sit, occiderit, parricida ne sit!« Bei der wiederholten Sakrosankterklärung der »tribuni plebis« tritt es schon sehr deutlich hervor, daß der Sinn für Stellung eines Stückes der Verfassung unter den Schutz des alten sakralen Rechtes bereits wesentlich abgeschwächt war. Es wurden einige der alten Religionszeremonien der alten Sakration allerdings vorgenommen, ohne daß aber die Gesamtheit des Volkes sich wie früher durch einen Eid gebunden hätte (»plebes jurata«), also ohne daß die eigentliche volle Sakration stattfand; LIVIUS III, 55: et cum plebem hinc provocatione, hinc tribunicio auxilio satis firmassent, ipsis quoque tribunis, ut sacrosancti viderentur, cuius rei prope jam memoria aboleverat (!) relatis quibusdam ex magno

Die konsequente Durchführung der Idee nun von der göttlichen Autorität in der schon vorgeschrittenen rechtshistorischen Kulturperiode, die nicht mehr in der den Gott personifizierenden Naturerscheinung, sondern im Menschen den rechtsetzenden Faktor erblickt, mußte notgedrungen dazu führen, dasjenige irdische Organ mit dem Prärogativ der Majestät zu bekleiden, das die Rechte der Gottheit auf Erden wahrzunehmen, die Durchsetzung des göttlichen Willens zu erzwingen berufen war, d. i. der,,pater" in der Familie, der „rex" in der Gemeinde. Damit aber tritt an die Stelle des sakralrechtlichen Wertes die Betonung der staatsrechtlichen Funktion des Majestätsbegriffes; in diesem Sinne nun genommen ist er geradezu die Idee des römischen Verfassungsprinzips geworden, wie im folgenden zu zeigen sein wird.

Drittes Kapitel.
§ 4.

Die gewaltherrliche Majestät.

Das römische Gemeinwesen führt in der genetischen Entwickelung seiner Struktur auf die Ausbildung der Familiengewalt mit einer Durchsichtigkeit zurück, wie wir sie bei den übrigen indogermanischen Völkern nicht finden. Diese Erscheinung hat ihren Grund vornehmlich darin, daß gerade die familienrechtlichen

intervallo caerimoniis renovarunt. Infolge dieser nur teilweisen Anwendung religiöser Zeremonien ohne die volle Sakrosankterklärung »jurejurando interposito« war der Mittelbegriff entstanden, daß etwas durch Sanktion der lex für >> sacrum << erklärt war, ohne doch wirklich »sacrum « zu sein; LIVIUS III, 55: et eum religione (durch jene Zeremonien!) inviolatos esse tum lege etiam fecerunt sanciendo, ut qui tribunis plebis aedilibus judicibus decemviris . . . nocuisset, ejus caput Jovi sacrum esset (es ist die Sanktion durch weltliche lex, daß der Schuldige, der nicht wirklich »sacer« war, »sacri loco« stehen solle) familia ad aedem Cereris Liberi Liberaeque venum iret. So ist man also schon dahin gelangt, statt wirklicher Festhaltung des alten sakralen Rechtes sich mit weltlich legaler Feststellung des dem Sakralrecht Gleichzuachtenden zu begnügen usw."

1 „Keines," sagt MOMMSEN, Gesch. I S. 36,,,kommt dem römischen Volke gleich an schlichter, aber unerbittlicher Durchführung der von der Natur selbst vorgezeichneten Rechtsverhältnisse."

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