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die Neuzeit verwendet, geht im wesentlichen auf JEAN BODIN zuzück; er hat ihm wenigstens diejenige Fassung gegeben, wie sie für die modernen Anschauungen und Erörterungen von maßgebender Bedeutung geworden ist; der Begriff als solcher ist natürlich keine Schöpfung1 BODINS, sondern ein Postulat des staatlichen Gemeinwesens überhaupt. BODIN hat in der in lateinischer Fassung erschienenen Ausgabe2 seines berühmten Werkes Les six livres de la République" den Begriff der Souveränität (summa potestas) durch die Vokabel,,majestas" mit Bewußtsein, ja mit Absicht wiedergegeben und damit bewiesen, daß seine Doktrin mit der auf dem römischen Recht basierenden Lehre des Mittelalters zusammenhängt. Souveränität ist nun zunächst

sich gegenseitig zu ergänzen und aufzuhellen. Die Begriffe eines Volkes aber sind sein wichtigstes Eigentum; sie sind in ihrer vollen Bestimmtheit zugleich das charakteristischste wie das höchste Erzeugnis seines Lebens. Um zu ihrer Erkenntnis zu gelangen, muß man sich daher vor nichts mehr hüten, als vor der Verleitung durch Analogien (!), von denen NIEBUHR einen so freien und kühnen Gebrauch macht, welche er aus allen Zeiten und Völkern zusammenträgt wobei, abgesehen von anderen Bedenken, die Gefahr schwerlich zu vermeiden ist, daß jedes individuelle Gepräge, jede nationale Farbe verwischt werde."

1 Dies nimmt BODIN auch gar nicht für sich in Anspruch; sagt er doch nur (ed. tert. I, 8 p. 123): principio definienda fuit majestas, quam nec philosophorum, nec juris consultorum quisquam definiit.

2 Namentlich lib. I, cap. 10 p. 230 f., 232 etc.

3 Er weist ausdrücklich in Anlehnung an FESTUS (s. die oben zitierten Stellen) auf den etymologischen Zusammenhang mit magnitudo hin. Genauer ist die Ableitung von der komparativen Form „major“ zu wählen (s. o.).

4 REHM, Allgem. Staatsl. S. 44 Anm. 6, sagt ganz mit Recht: „Solch inneren Zusammenhang zeigen vor allem zwei Lehren auf, die Lehre von den Rechtsschranken der Souveränität und die rechtliche Konstruktion des Protektoratsverhältnisses. In ersterer Richtung steht BODIN noch völlig auf dem Boden, daß göttliches und natürliches Recht Rechtsschranken der Souveränität sind. In letzterer Beziehung liegt der Zusammenhang darin, daß BODIN den Nachweis, daß ein Klientelverhältnis zwischen Staaten die volle Unabhängigkeit des beschützten Staates in keiner Weise schmälere, mit denselben Worten anführt, mit welchen PROCULUS in 1. 7 § 1 Dig. XLI, 95 zu begründen unternimmt, daß ein Staat dadurch, daß er zu einem anderen in das Verhältnis des ,,foedus iniquum" trete, keineswegs seine „,libertas" einbüße. In beiden Fällen wird die Wendung gebraucht, das Klientelverhältnis begründe nur die Verpflichtung, die „,majestas" des anderen Teils

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nur, jedenfalls dem geschichtlichen Ursprunge nach, eine politische Vorstellung, von der sich datenmäßig gewiß nicht feststellen läßt, wann sie sich zu einem juristischen Begriff verdichtet hat.2

,,comiter" zu observieren (eos, qui majestatem nostram comiter conservare debent, liberos esse intellegendum est." [Statt 1. 7 § 1 Dig. XLI, 95 muß es heißen: 17 § 1 Dig. XLIX, 15. Die Stelle ist S. 58 angegeben.] Bei alledem ist auch nicht zu vergessen, daß bei dieser Terminierung ein innerer, historischer Grund mitspricht. Der Souveränitätsbegriff BODINS, der für die moderne Auffassung ausschlaggebend geworden ist, ist, wie im Text betont, nicht die Schöpfung dieses gelehrten Diplomaten; Begriffe können überhaupt niemals von einem Einzelmenschen geschaffen werden, weil der Begriff das an den Terminus gebundene Bewußtsein der Gesamtmenschheit einer betreffenden Kulturperiode von denjenigen Reaktionen ist, die diese Vielheit von einer bestimmt bezeichneten Klasse von Objekten (Tatsachen) hat; vgl. hierzu MACH S. 124 ff. (Der Terminus allerdings kann die Schöpfung eines einzelnen sehr wohl sein.) Die Umwandlung des Souveränitätsbegriffes war die logische Folge der Umwandlung des französischen Staatswesens im Ausgange des Mittelalters gewesen, die allerdings von BODIN wissenschaftlich originell betrachtet und zum ersten Male in scharfen Umrissen gezeichnet worden ist. Aber der innere Zusammenhang der Doktrin mit den Lehren der italienisch-römischen Jurisprudenz und in letzter Linie die theoretische Zurückführung des Souveränitätsbegriffes auf das römische Staatsrecht, eine der Erscheinungen der Rezeption des römischen Rechtes, ist unverkennbar. BODIN hat nicht Neues geschaffen, er hat Vorhandenes neu geformt. Es bedarf heute keines Nachweises mehr, daß vornehmlich römisches Staatsrecht rezipiert worden ist (REHм a. a. O. S. 41 ff. und Gesch. S. 214; ganz vortrefflich LABAND, Rede, wenn er S. 30 sagt: Die Rezeption des römischen Rechtes fängt im Staatsrecht an, von hier aus wurden dem Siegeslauf des fremden Rechtes die Wege geebnet und S. 39: Die Entwickelung des absoluten Staates und die Rezeption des römischen Rechtes sind ein und derselbe historische Vorgang); noch im Ausgange des 13. Jahrhunderts war der römische Gedanke der höchsten Gewalt des Volkes in Frankreich so lebendig, daß man im Monarchen nicht den Herrn kraft eigenen Rechts, sondern die Stelle im Staatsorganismus sah, die ihre Gewalt aus der einzigen ursprünglichen Quelle schöpft, dem Willen des Volkes, ganz analog der römischen Lehre von der „lex regia", aus der dann die Absetzbarkeit des Königs gefolgert wurde. 300 Jahre später entwickelte BODINUS das starre Prinzip des römischen Cäsarismus, indem er den Satz: ,,quod principi placuit, legis habet vigorem" si veut le roi, si veut la

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zum Ausgangspunkte seiner Lehre machte; näheres s. Text.

1 JELLINEK, Allg. Staatsl. I 394.

2 Die Untersuchung über die Entstehung juristischer Begriffe, über ihre Wertung und Umwertung im Rechtsleben eines Volkes, ja der Völker

POLLACK, Majestätsgedanke.

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Entstehung und Ursprung eines Begriffes werden sich, wenn überhaupt, nur schwer feststellen lassen. Vielleicht bildet hier die Prägung eines bestimmten Wortes, die Verwendung und Übung einer technisch gefaßten Vokabel einen gewissen Anhalt dafür, wann zum ersten Male die erfahrungsmäßig konstatierten, in sich divergierenden Reaktionen des definierten Objektes` zu jener abstrakten Vorstellung kondensiert sind, die wir als psychisches Gebilde „Begriff" nennen; aber es bleibt eben nur ein Anhalt, ist keine zeitlich bestimmbare Angabe, da erfahrungsgemäß der Begriff sich erst bildet, wenn das tatsächliche Geschehnis, der objektive Tatbestand, dem die Vorstellung entnommen ist, schon längst besteht. Man kann also bei einer geschichtlichen Untersuchung über die Entstehung des Souveränitätsbegriffes die Entwickelung, gestützt auf das altfranzösische ,,sovrain", a priori nicht nach Frankreich verlegen. Denn gerade die Vokabel beweist hier nichts; nicht einmal daß wir sagen können, der Souveränitätsbegriff führe, so wie wir ihn heute verstehen, ausschließlich zurück auf jene eigentümliche staatsrechtliche Position der Barone und Grafen, der Herzöge und Könige des alten Frankreichs etwa zur Zeit des 10. Jahrhunderts. Denn inhaltlich, und das ist das allein Entscheidende, tritt uns das, was wir heute,,Souveränität" nennen, und was man damals unter,,souveraineté" verstand, schon im römischen Staatsrecht entgegen, wenn auch vielleicht in anderer Form; und dies soll in dem doppelten Sinne gemeint sein, den wir heute der Souveränität beilegen: Im Sinne der Unabhängigkeit nach außen und Überordnung nach innen, der Souveränität im völker

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überhaupt zu den verschiedenen Zeiten ihres Werdeganges gehört in das Gebiet der Rechtsphilosophie und in das der vergleichenden Rechtswissen. schaft. Bis jetzt ist es nicht gelungen, auch nur Anfänge dieser für das gesamte öffentliche und private Recht eminent bedeutsamen Feststellungen und Untersuchungen zu erzielen. Unseres Wissens existiert kein Werk, das die Lösung dieser dankenswerten Aufgabe versucht hätte, und es ist erstaunlich, daß die Rechtswissenschaft diese für jede Forschung überhaupt empfindliche Lücke bislang auszufüllen nicht vermocht hat. 1 S. bereits oben.

2 REHM, Allg. Staatsl., 44.

rechtlichen und staatsrechtlichen Sinne.1 Es ist allerdings lebhaft gestritten worden, ob man im römischen Rechte von einer völkerrechtlichen Souveränität sprechen könne, zunächst weil es im Altertume überhaupt kein Völkerrecht gegeben habe. Aber

1 Die theoretischen Erörterungen über die Zulässigkeit dieser Scheidung gehören nicht hierher; es mag uns vorläufig genügen, daß sie rechtlich durchaus zulässig mit dem Sprachgebrauche harmoniert.

2 So z. B. v. LISZT, Völkerrecht S. 14, 15; v. MARTENS I S. 65, 66; BONFILS S. 35, 36 und die dort Zitierten; sodann JELLINEK, Allg. Staatsl. I S. 337, 338, der zwar anerkennt, daß Wort und Begriff den Römern geläufig waren, aber trotzdem erklärt, daß die altorientalischen und antiken Staaten es niemals zu einem Völkerrecht gebracht haben. Das ist doch nur so zu verstehen, daß wir den modernen Völkerrechtsbegriff, der sich auf der Gemeinschaft der christlichen, zivilisierten Staaten aufbaut, den antiken Verhältnissen nicht anpassen dürfen. Wenn JELLINEK S. 338 sagt, die Möglichkeit einer Rechtsordnung komme für die antiken Staaten selbst nicht zum Bewußtsein, weil in der von den Römern angenommenen Lehre der Stoiker der Weltstaat als die dem Staatsbegriffe entsprechende Verwirklichung behauptet wird, so ist dies allerdings richtig für die Zeit, wo es keine Staaten mehr gab, sondern nur einen einzigen Staat, das,,imperium Romanum", das römische Weltreich. Es gilt aber nicht für jene Zeit, in der der aufstrebende Stadtstaat mit den als souverän anerkannten Peregrinenstaaten und dem Auslande überhaupt in Beziehung trat und bewußt alle Teile bindende Rechtsnormen statuiert wurden. Richtiger neuerdings V. MARTITZ bei HINNEBERG S. 427, wenn er in der Einleitung sich folgendermaßen ausläßt: „Rechtsregeln, welche von einem Volke im Verkehr mit Fremden in Anwendung gebracht werden, können auf die aus dem Altertum übernommene, von allen Kultursprachen angenommene Bezeichnung als Völkerrecht erst dann Anspruch machen, wenn eine Mehrheit von Völkern in ihnen den Ausdruck einer sie gegenseitig bindenden rechtlicher Ordnung anerkennt. Inhalt, Umfang und Geltungsbereich einer solchen Ordnung mag verschieden sein. Die Geschichte hat mannigfache weitere und engere Verbände völkerrechtlicher Art sich bilden und sich lösen sehen. Von ihnen aber kommt keiner an allgemeiner Bedeutung für die Geschichte der Menschheit, an Festigkeit der auch nach heftigen Erschütterungen sich immer wieder zusammenfügenden Grundlagen, an verhältnismäßiger Reife der juristischen Durchbildung, an äußerer und innerer Entwickelungsfähigkeit derjenigen Völkergemeinschaft gleich, welche in Europa seit Ausgang des Mittelalters auf der Grundlage christlicher Weltanschauung und Gesittung erwachsen ist." Zutreffend im ganzen RIVIER S. 18 Abs. I, bis auf die letzten drei Sätze. S. ferner von den älteren: MÜLLER-JOCHMUS I S. 17 und die in der Vorrede Zitierten: SCHMELZING, SCHMALZ, OPPENHEIM, auch HEffter.

diese Auffassung verkennt die internationalen Beziehungen des römischen Staates vollständig; es soll im folgenden der Nachweis geführt werden, daß die römische Staatenwelt ein positives Völkerrecht geschaffen und zur Grundlage eben dieser internationalen Beziehungen gemacht hat.

§ 7.

I. Allgemeines.

Die Völkerrechtsnormen regeln den wechselseitigen Verkehr mehrerer Staaten zueinander, soweit durch ihn Rechtsverhält. nisse zwischen den Staaten als Rechtssubjekten geschaffen werden. Es sind als Voraussetzung für die Existenz völkerrechtlicher Regeln gegeben: 1. das Vorhandensein mehrerer souveräner Staaten, 2. ein wechselseitiger, rechtsbedeutsamer Verkehr derselben untereinander und 3. die bewußte Unterwerfung unter Normen, die die einzelnen Staaten als die Glieder einer Rechtsgemeinschaft1 binden. Die vielfach 2 vertretene Ansicht, daß nur durch die Weltanschauung des Christentums ein Völkerrecht geschaffen werden konnte, 3 verkennt die Tatsache, daß die Entstehung völkerrechtlicher Normen in erster Reihe geknüpft ist an die Anerkennung der selbständigen Persönlichkeit des Staates ohne Rücksicht auf gemeinsame religiös-ethische Überzeugungen; sie sind erst ein zweites und ferneres Postulat, dem übrigens die römische Staatenwelt durchaus gerecht wurde. Das römische Völkerrecht ist ein Teil des jus gentium; es gehören

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Sodann OSENBRÜGGEN, HOLTZENDORFF I S. 242 ff., KARLOWA I S. 281 ff., KLÜBER I S. 29, 30 usw.

1 Was sie ist, sagt JELLINEK (Subj. öff. R. S. 313): Die Anerkennung gemeinsamer, durch die gemeinsamen Zwecke gegebenen Rechtsnormen schafft aus der faktischen Gemeinschaft eine Gemeinschaft im Rechtssinne. 2 S. z. B. die bei MÜLLER-J. S. II Zitierten.

3 Man kann höchstens mit RIVIER a. a. O. S. 16 sagen: Unser heutiges europäisches Völkerrecht ist im wesentlichen eine Errungenschaft des Christentums.

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4 KARLOWA a. a. O., MÜLLER-J. a. a. O., KRÜGER S. 121. Schon von den Römern sind die Wahrheiten ausgesprochen worden, die wir heute nur nachzubeten brauchen, daß,,necessitas“ und „,ratio" die geschwisterlichen

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