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dahin in erster Reihe alle diejenigen Normen, die das Verhältnis des römischen Staates als eines Ganzen gegenüber den übrigen als gleichwertig anerkannten Gemeinden und Staaten regeln, vornehmlich Kriegsrecht, Bündnisrecht, Gesandtschaftswesen, Vertragsrecht. Die allmähliche Entwickelung des römischen Gemeinwesens vom Stadtstaat zum italischen Territorialstaat und weiterhin zum omnipotenten Weltstaat hat sich auf völkerrechtlichem Wege vollzogen. Solange Rom als Stadtstaat den souveränen Peregrinenstaaten gegenüber eine prävalente Stellung nicht einnahm, kam der völkerrechtliche Charakter seiner auswärtigen Beziehungen am klarsten und schärfsten zum Ausdruck. Zwar war in den frühesten Zeiten auf Grund der römischrechtlichsakralen Auffassung, der römische Staat reiche so weit, wie die römischen Götter, die anderen italischen Gemeinden so weit, wie ihre Gottheiten wirksam Schutz verleihen könnten, der Charakter des Staatswesens ein wesentlich exklusiver. Der Römer, der auf fremdes Gebiet gelangte, konnte Sklave eines Angehörigen des nicht befreundeten Peregrinenstaates werden; römische Sachen fielen als herrenlos der Okkupation anheim und umgekehrt;1 aber schon in dieser Anerkennung absoluter Koordination, 2 selbst

Quellen sind, aus denen die gemeinsame Rechtsüberzeugung fließt: MODESTINUS, 1. 40 Dig. de leg. I, 3: Omne jus aut necessitas fecit, aut consensus constituit, aut firmavit consuetudo. Und CICERO, de re publ. III, 22: Est quidem vera lex recta ratio, naturae congruens, diffusa in omnes, constans, sempiterna ...; nec erit alia lex Romae, alia Athenis, alia nunc, alia posthac; sed et omnes gentes et omni tempore una lex et sempiterna et immutabilis continebit, unus quisque erit communis quasi magister et imperator omnium Deus; ille legis huius inventor, disceptator, lator etc.

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11. 5, § 2 Dig. XLIX, 15: In pace quoque postliminium datum est: nam si cum gente aliqua neque amicitiam neque hospitium neque foedus amicitiae causa factum habemus, hi hostes quidem non sunt, quod autem ex nostro ad eos pervenit, illorum fit, et liber homo noster ab eis captus servus et eorum: idemque est, si ab illis ad nos aliquid perveniat.

2 So heißt es ausdrücklich vom peregrinus: „,qui suis legibus utitur"; CICERO, de off. I, 12, 37: Equidem etiam illud animadverto, quod, qui proprio nomine perduellis esset, is hostis vocaretur, lenitate verbi rei tristitiam mitigatam. Hostis enim apud majores nostros is dicebatur, quem nunc peregrinum dicimus. Iudicant duodecim tabulae:,,Aut Status Dies Cum Hoste", itemque: ,,Adversus Hostem Aeterna Auctoritas!" Quid ad

ständiger Machtäußerung1 und unabhängiger Staatsgewalt lag die Basis der sich entwickelnden Völkerrechtssätze sowie der völkerrechtlichen Souveränität. Wenn man daher die über die „noxae deditio" aufgestellten Rechtssätze auf den römischen Staat in seinem Verhältnis zu einem fremden Gemeinwesen für den Fall anwandte, daß jener oder dieses nicht publico nomine, sondern von einem Untertan durch eine private Rechtsverletzung in seiner Integrität geschmälert war, so findet dies seine Erklärung in der Anerkennung beider Staaten als gleichgeordneter Rechtssubjekte, auf die gewisse Sätze des Privatrechts analoge Anwendung finden können, ähnlich wie in dem heutigen modernen Völkerrecht.

Es wird sich nun darum handeln, die wichtigsten Äußerungen der Völkerrechtsregeln der römischen Staatenwelt zu erörtern.

§ 8.

II. Götteraustausch.

Die Vermutung liegt nahe, daß, wie das gesamte weltlichbürgerliche Recht der Römer aus dem Sakralrecht geflossen ist und an ihm seine wesentlichste Stütze gefunden hat, auch die internationalen Beziehungen, und zwar zunächst, soweit sie friedlicher Natur waren, zwischen Rom und den übrigen Gemeinden ihren Ausgang von jenem hochbedeutsamen sakralen Akt genommen haben, der sich uns als Austausch der Gemeindegötter darstellt. Erinnert man sich des strengen Zusammenschlusses der eng verbundenen Sakralgenossenschaft und ihres fast feindlichen Ver

hane mansuetudinem addi potest, eum, quicum bellum geras, tam molli nomine appellare? Quamquam id nomen durius effecit jam vetustas; a peregrino enim recessit et proprie in eo, qui arma contra ferret, remansit. VARRO, de ling. lat. V, 3 (BRUNS, pars post. S. 53): Multa verba aliud nunc ostendunt, aliud ante significabant, ut hostis; nam tum eo verbo dicebant peregrinum, qui suis legibus uteretur; nunc dicunt eum, quem tum dicebant perduellem.

1 Daher geben die Römer uns auch die rechtlichen Merkmale des Staatsgebietes ganz genau: РомPON, 1. 239 § 8 Dig. de v. s. L, 16: Territorium est universitas agrorum intra fines cuiusque civitatis: quod ab eo dictum, quidam aiunt, quod magistratus eius loci intra eos fines terrendi, id est, summovendi jus habent.

haltens zu der unter fremden Göttern lebenden externen Gemeinde, so will es ohne die Annahme von dem Bestehen gewisser ältester Bestimmungen über Reziprozität fast unerklärlich scheinen, daß fremde Götter in Rom, die römischen aber in der fremden Gemeinde heimisch werden konnten. In einem solchen Austausch von Gottheiten, meist nach gütlicher Beilegung von Streitigkeiten oder nach Abschluß eines Freundschaftsvertrages mit einer auswärtigen Gemeinde, ist nicht etwa das zu sehen, was wir in übertragenem Sinne heute internationale Höflichkeit (courtoisie) nennen würden, vielmehr ist die Anschauung lebendig, daß nunmehr, da die fremden Götter gastliche Aufnahme im fremden Lager gefunden haben, auch die Bürger sich des ,,hospitium publicum" erfreuen dürfen. Zu betonen ist, daß nach ältester Auffassung nicht der Vertrag als solcher, sondern der Götteraustausch den Rechtsgrund für die Aufnahme gegenseitiger Beziehungen schafft. So wird auch in der üblichen Deditionsformel der Übertragung der Götter usw. in das neue Gewaltverhältnis ausdrücklich gedacht. Die Formel finden wir bei LIVIUS I, 38.1.2 Auf

1 Rex interrogavit,,Estisne vos legati oratoresque missi a populo Conlatino, ut vos populumque Conlatinum dederetis?",,sumus"; „estne populus Conlatinus in sua potestate?",,est";,,deditisne vos populumque Conlatinum, urbem, agros, aquam, terminos, delubra, utensilia, divina humanaque omnia in meam populique Romani dicionem?" dedimus", „at ego recipio!"

2 Es ist bereits die mythologische Anschauung der Römer gestreift worden, daß jede menschliche Handlung, soweit sie irgendwelche rechtliche Bedeutung hat, ebenso jedes Ereignis in der Natur, in der Geschichte oder in der Politik sich in der Götterwelt widerspiegelt. Es liegt in der Natur der römischen Gottesverehrung, das göttliche Wirken bis ins einzelne zu erkennen und zu erklären. Deshalb geht man in der Erkenntnis, daß die konkreten Lebens- und Rechtsbeziehungen unter dem Schutze besonderer Gottheiten stehen, nicht fehl, jede religiöse Zeremonie, jedes sakrale Moment immer nur als die Schale des den Kern bildenden eigentlichen Lebensaktes zu betrachten. Das ist gerade die bewundernswert praktische Seite der römischen Religion, daß sie nüchtern den Begriff und sein Bild auseinander zu halten vermag. Darin liegt auch die Erklärung für die Leichtigkeit, mit der neue Kulte, neue Götter, neues Zeremoniell in Rom heimische Aufnahme fanden; eine eigentümliche Erscheinung, wenn man bedenkt, daß bei der schwerlastenden Strenge des römischen Formelwesens und dem die ganze Lebensordnung des Römers beherrschenden Geiste des Konservativismus die religiöse Auffassung am Buchstaben haftete und sich zu einer freieren

diesem Wege hat sich vermutlich auch jener älteste Verschmelzungsprozeß vollzogen, der die Inkorporation der Hügelbürgerschaft in die Palatingemeinde zur Folge hatte; die Assimilation beider Gemeinden wird eine tatsächlich so adäquate gewesen sein, daß es nur noch des sakralen Austauschaktes der Gemeindegottheit, d. i. des Gottes Mars zur rechtlichen Fixierung der erfolgten Vereinigung bedurft haben wird.1

8 9.

III. Kriegsrecht.

Eine wichtigere, wenn auch kaum ältere Grundlage für die Ausgestaltung der internationalen Beziehungen ist das Kriegsund Bündnisrecht gewesen. Schon die ältesten Kriege der Römer, von denen wir in rechtshistorischer Zeit hören, sind keine schrankenlosen Raub- und Beutezüge; sie stellen vielmehr nach römischer Auffassung ein formales Rechtsverfahren dar.2 Auch dieses Rechtsverfahren ist ursprünglich ein ritueller Vorgang, der an den ältesten Kult, den Marskult, erkennbar anknüpft. Die

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Gestaltung nicht aufschwingen konnte. Weil aber jede neue Lebensbetätigung eine Offenbarung bestimmten göttlichen Waltens war, die ihrerseits einen neuen Kult verlangte, so konnte der Götterkreis niemals ein geschlossener bleiben und mußte schließlich bis ins Unendliche wachsen. Aus diesen Gründen aber ist gerade die römische Götterlehre, das Kult- und Sakralwesen für den modernen Forscher von nicht zu unterschätzender Bedeutung; er wird da, wo die Religion in die Betätigungen des alltäglichen Lebens hinübergreift, mit Recht seine Rückschlüsse ziehen können und in jedem rituellen Vorgange einen Rechtsakt mehr oder minder bedeutsamer Natur vermuten.

1 So wird denn auch leicht verständlich, daß fortan in der römischen Gemeinde ein doppelter Marskult (der des Mars und Quirinus), zwiefache Marspriestertümer, Springer- und Wolfsgilden existieren.

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2 KARLOWA I S. 281; MÜLLER-J. S. 153; OSENBRÜGGEN S. 37. ,,Jure gentium agere", sagt BERNHÖFT S. 218,,und lege agere waren parallele Institute."

3 MOMMSEN, Gesch. I S. 165: Die ältesten Gemeindepriestertümer beziehen sich auf den Mars. Vor allem der auf Lebenszeit ernannte Priester des Gemeindegottes,,,der Zünder des Mars" (Flamen Martialis), wie er vom Darbringen des Brandopfers benannt ward, und die zwölf ,,Springer" (salii),

Verehrung des Mars1 ist keine spezifisch römische, sie ist vielmehr auch bei den latinischen und sabellischen Stämmen, bei den italischen überhaupt, seit Urzeiten anzutreffen. Hierauf ist zu achten, denn diese Erscheinung erklärt den Parallelismus der kriegsrechtlichen Grundsätze und Normen, die sich seit jeher zwischen den italischen Gemeinden auf der Basis absoluter Parität im Flusse der Entwickelung befinden. Dies wird noch unterstützt durch die universelle Stellung, die gerade der Gott Mars im altitalischen Götterkreise einnimmt; er bildet nicht nur den Mittelpunkt einer besonderen Göttergruppe, er ist vielmehr der Hauptgott, die ,,Gottheit"; er ist nicht allein der Kriegsgott, wie ihn die Hellenen im Ares verehren, sondern er hat eine weit allgemeinere Bedeutung, 2 und hierin liegt nicht zum letzten die eine Schar junger Leute, die im März den Waffentanz zu Ehren des Mars aufführten und dazu sangen.

1 Maurs, Mavors-mors, Mar-Mer, Marmar, Ma-Mers.

2 So ist er ursprünglich der Gott des Wachstums. Mars Gradivus später erklärt als der,,Weitausschreitende" der Schirmer der Felder und Herden und der Weissager der Zukunft. Er ist anfänglich die Gottheit xar šov der latinischen usw. Gemeinden. Jede Gemeinde hat ihren Mars, der stärker und gewaltiger ist, als der der fremden Gemeinde. Um seine heilige Stätte schart sich die Sakralgenossenschaft in innigem Zusammenschluß und im Bewußtsein souveräner Einheit. Ihm wird in schweren Zeiten der,,heilige Lenz" gelobt, und wenn die junge Mannschaft mit dem Schwerte in der Hand auszieht zur Begründung neuer Sitze, dann steht sie unter dem Schutze des heimischen Mars. So wird er speziell zum Gott des Krieges, zum voranstürmenden (gradivus, s. o.) Schlachtengott; beim Ausbruch des Kampfes schlägt der Feldherr an Lanze und Schild des Mars und ruft ihn herbei zu Schutz und Wacht. Besonders die Lanze spielt im römischen Recht eine bedeutsame Rolle: nicht nur daß sie das Zeichen des Krieges ist FESTUS, V. Caelibari S. 63 (BRUNS, pars post. S. 4): Hasta summa armorum et imperii est - und S. 101 v. hastae (BRUNS a. a. O. S. 10):

quia signum praecipuum [belli] est etc. unter ihrem Wahrzeichen vollzieht sich auch der im ,,justum piumque bellum" gemachte Kriegserwerb, späterhin der Eigentumserwerb überhaupt (GAIUS IV, 16: festuca autem utebantur quasi hastae loco, signo quodam justi dominii: quia maxime sua esse credebant, quae ex hostibus cepissent; unde in centumviralibus judiciis hasta praeponitur). Für die römische Gemeinde speziell ist der Marsgott von höchster Bedeutung geworden, denn das ihm geheiligte Tier, der Wolf, ist das Wahrzeichen der civitas Romana: er ist als Erzeuger des Romulus zum Stammherrn des populus Romanus erhoben worden! Diese kurzen

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