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7. Verbindungen allgemeiner Natur.1

Wir werden uns nun fragen müssen, geben uns derartige Verbindungen, wie sie aus den angeführten Stellen ersichtlich sind, irgend einen Anhalt für die Behauptung, daß sich die Römer unter,,majestas" etwas rechtlich Bedeutsames, Charakteristisches vorgestellt haben; berechtigen sie uns zu der Annahme eines bestimmten, bewußt gebrauchten Begriffes, der die besonders geartete Qualität des Subjektes, dem die ,,majestas" eignet, rechtlich wiedergeben soll, oder haben wir es hier wirklich nur mit juristisch inhaltslosen Phrasierungen zu tun, denen nachzuforschen der Jurist kein Interesse haben kann. Da lehrt nun in erster Linie die Betrachtung des römischen Strafrechts, daß

TREB. POLLIO: Galien. XIV, 11: Constat de genere, non satis tamen constat de dignitate vel, ut coeperunt alii loqui, de majestate. 1. 7 § 3 Dig. XLVIII, 4; 1. 7 Cod. IX, 8; 1. 1 Cod. IX, 61; 1. un. Cod. X, 5; 1. 1 Cod. II, 16; 1. 4 Cod. X, 1.

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11. Die,,majestas", die den Charakterstolz, die Mannestugenden, ja Eigenschaften des Römers allgemein umfaßt, in zahlreichen Wendungen wie ,nostra (1. un. Cod. de thes. X, 5), vestra majestas (z. B. SALLUST, Jug. XXXI, 9: itaque postremo leges majestas vostra divina et humana omnia hostibus tradita sunt. VOP. PROB. XI, 3 s. o. S. 5 Anm. 4 zu S. 4)“. PHAEDR. fab. II, 5, 53: Tum sic jocata est, tanta majestas duci. LIVIUS IX, 10, 7 ff.: Progressi fetiales ubi ad portam venere, vestem detrahi pacis sponsoribus jubent, manus post tergum vinciri. Cum apparitur verecundia majestatis Postumi laxe vinciret: PLINIUS, Hist. nat. IX, 60;

JUSTINIUS, Hist. Phil. X, 2; Val. Maximus, VII, 7.

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2.,,majestas" Konstitution, Grundgesetze. SALLUST, Jug. XXXI, 17: majores vostri parandi juris et majestatis constituendae gratia bis per secessionem armati Aventinum occupavere. ,,majestas legum": LIVIUS XXII, 3, 4, s. o. S. 4 Anm. 4.,,majestas juris": CICERO, Ep. ad fam. XII, 15, 2: Quam indignitatem deminutionemque majestatis non solum juris nostri, sed etiam imperii populique Romani.

3.,,majestas regia". CAESAR, bell. civ. III, 106, 4: In hoc omnis multitudo majestatem regiam minui praedicabat.

4.,,majestatis judicium". 1. 20 Dig. XLVIII, 2; vindicta majestatis, 1. 33 Dig. XLVII, 10; imperatoria majestas s. z. B. Justin., der Institut.

prooem.

5.,,majestas" des Kapitols, des Tempels, der Berge, der Stadt, ja sogar der Kinder (JUVENAL, Satyr. XI v. 106; VITRUV. POLLIO, de archit., II, 18, 17; LIVIUS I, 53; VARRO, de re rust. II, 5).

6.,,majestas aetatis ac dignitatis", GELLIUS XVIII, 3.

in den Zeiten der späten Republik, vornehmlich aber in der Kaiserzeit die ,,majestas" in der Form des crimen majestatis" (crimen laesae-imminutae majestatis) bestimmt juristisch fixiert worden und zu einem Verbrechensbegriff gesetzesmäßig erhoben worden ist. Aber damit ist die begriffsmäßige Verwendung nicht erschöpft. Sie tritt unverkennbar auch auf dem Gebiete des römischen Staatsrechts zutage, wenn man auch nicht verkennen. darf, daß die praktische Verwirklichung des Majestätsgedankens lediglich strafrechtlicher Natur gewesen ist.

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Daher ist es denn nur natürlich, daß man im Anschluß an die Gestaltung der Majestätsidee während der Kaiserzeit und der Periode des absoluten Cäsarentums, in der gerade das „crimen majestatis" eine ungeheuere Geltung erlangte es war eine politisch wirksame Waffe in der Hand des launenhaften Despoten den Majestätsgedanken immer nur vom strafrechtlichen Standpunkte aus erfaßte, ohne sich zu fragen, ob nicht Wurzeln und Ursprung anderwärts zu suchen seien. Auffallend ist es jedenfalls, wenn man sich bei dem Studium dieses Deliktes immer mit der Tatsache abfand, daß das „,crimen majestatis" die Rechtsnachfolge der alten „perduellio“ angetreten habe, erst relativ spät, etwa um 150 v. Chr., plötzlich geprägt worden sei, obgleich bei näherer Prüfung ein sachlicher Unterschied zwischen perduellio und crimen majestatis nicht zu konstruieren ist, die Unterscheidung auch jeder quellenmäßigen Unterstützung entbehrt.1 Wenn man es für überflüssig gehalten hat, wenigstens den Versuch zu wagen, dem eigentlichen Wesen der „majestas" auf den Grund zu spüren, den Majestätsgedanken als solchen nicht bloß kriminell zu erfassen, so konnte dies für das Verständnis auch des strafrechtlichen Begriffes nicht gerade von Nutzen sein. Und dies um so mehr, als schon rein äußerlich Verbindungen wie ,,majestatem populi Romani comiter conservanto", „majestas deorum, patris" etc. auf ganz andere Seiten dieses Begriffes hinzudeuten scheinen. MOMMSEN hat vielleicht zum ersten Male die nicht bloß strafrechtliche Bedeutung der ,,majestas" er

1 Diese Frage wird unten des näheren behandelt; es mag genügen, hier darauf hinzuweisen.

kannt, besonders betont hat er allerdings den zwiefachen Charakter des Majestätsbegriffes nirgends.

Wann sich die Römer zum ersten Male eines charakteristischen, bestimmten Wertes des Ausdruckes ,,majestas", insbesondere in einer der späterhin so geläufigen Wendungen bewußt geworden sind, und wann sie ihn zuerst als terminus technicus geprägt haben, ist in Ermangelung jeder ernsthaften Überlieferung schwer zu sagen. Dazu kommt, daß die Römer infolge ihrer tiefwurzelnden Abneigung vor jeglicher Abstraktion strengen, präzisen Definitionen abhold waren. Bedenkt man, daß es sich um einen Begriff des öffentlichen Rechts handelt, das von den Römern erst relativ spät und im Verhältnis zum Privatrecht wissenschaftlich doch nur mittelmäßig und oberflächlich bearbeitet worden ist, so werden wir die Schwierigkeit begreifen, auch nur Anhaltspunkte für die von uns gesuchten Resultate zu finden. Man hat sich nun bei Gelegenheit der Darstellung der strafrechtlichen Seite des Majestätsbegriffs bezüglich der Frage seines Ursprungs, seines Alters und seiner Entstehung auf die römischen Schriftsteller quellenmäßig berufen.2 Aber die Zeit ist längst vorüber, in der man die Überlieferung, namentlich die sogenannten Klassiker, autoritativ zur Grundlage für die Beurteilung ebenso historischer, wie rechtsbedeutsamer Verhältnisse gemacht hat.3 Die Erkenntnis hat sich durchgerungen, daß nur bei vorsichtiger, skeptischer Benutzung des überkommenen Materials der Forscher, der die Antike mit modernem Maße messen will, zu einem frucht

1 Dies zeigen seine Ausführungen, Strafrecht S. 538:,,In den Strafprozeß ist der Begriff ohne Zweifel gelangt" usw., und das. Anm. 3 Gesagte; vgl. auch Staatsrecht I S. 669; II, 2 S. 731, 784; III, 1 S. 664 und namentlich 2 S. 1033. JELLINEK, Allg. St. S. 284; KÄRST S. 84; auch HOLTZENDORFF, Völkerr. I S. 280 bleiben an der Oberfläche.

2 So vor allem von den neueren DIECK S. 51 ff.; WEISKE S. 33 ff.; REIN S. 506 und zahllose andere. Hierauf ist bei der Untersuchung über das Verhältnis der „,perduellio“ zum „crimen majestatis" näher einzugehen. 3 Die Bedeutung und der Wert der römischen Geschichtsschreibung für die moderne Forschung kann hier nicht näher erörtert werden. Man vergleiche hierzu die zahllosen einschlägigen Werke, bes. BERnhöft § 1—3; BRÖKER; LEWIS; SCHWEGLER (Buch 1 u. 2 u. 21); NIESE; ZÖLLER; auch REIN S. 8 ff.

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baren Ergebnis gelangen kann. Und was von der römischen Geschichte gilt, gilt in noch viel höherem Grade vom römischen Recht, speziell dem Staatsrecht; denn hier erwachsen ganz besondere Schwierigkeiten. Setzt man den Beginn einer bewußt gepflegten römischen Staatsrechtswissenschaft in den Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr.1 und zieht man in Betracht, daß für die Forschung verwendbare Literatur historischer und rechtlicher Natur erst 500 Jahre nach Gründung der Stadt aufzutauchen beginnt, so bietet uns dies für die ältesten Zeiten des Königtums und der Republik gar keinen Gewinn. Denn daß die für uns in erster Linie maßgebenden Geschichtswerke der Kaiserzeit an eine fragwürdige und zweifelhafte Überlieferung älterer Zeiten anknüpfen und bei der völligen Veränderung der politischen und sozialen Verhältnisse ein durchaus falsches Bild von den Anfangszuständen geben, ist nachgerade ebensowenig zu leugnen, wie die Tatsache, daß die Römer überhaupt erst sehr spät begonnen haben, öffentlich rechtlich zu abstrahieren. Naturgemäß konnte daher auch von einer Begriffsformulierung erst die Rede sein, als man sich gewöhnt hatte, gewisse konkrete Tatbestände in ein und denselben Vorstellungskreis zu bannen, wozu es einer schon relativ fortgeschrittenen Entwickelung des abstrakten Denkens bedurfte. Die Begriffsformulierung nun ist keineswegs Begriffsentstehung; denn der Begriff ist längst vorhanden, bevor der

1 M. PORCIUS CATO, 234-149, gilt als erster Theoretiker des Staatsrechts; vgl. REHN, Gesch. S. 141 ff.

2 Die ältesten Geschichtsschreiber

L. CINCIUS ALIMENTUS, etwa um 200 v. Chr.

waren Q. FABIUS PICTOR und

3 Die leges regiae reichen allerdings ins frühe Kindheitsalter Roms hinauf LIVIUS VI, 1; DIONYS II, 24; POMPON 1, 2 § 2 Dig. I, 2 sie sind aber wirklich nicht mehr als klägliche Bruchstücke, und zwar lediglich sakralrechtlichen Inhalts. Siehe die Zusammenstellung bei BRUNS, pars pr. S. 1-15.

* Im Ausgange der Republik und zu Beginn der Kaiserzeit erreicht die wissenschaftliche Behandlung staatsrechtlicher Fragen in sehr kurzer Entwickelung ihren Höhepunkt, um ebenso schnell wieder abzuflauen. REHN, Gesch. S. 153; BERNHÖFT S. 18. Zu bedenken ist auch, daß das Staatsrecht im Verhältnis zum Privatrecht für die Abstraktion ein schwieriges und durchaus nicht ebenbürtiges Feld bietet. STÖRK S. 75.

ihn wiedergebende Laut, das tönende Wort geprägt ist, und es ist jedenfalls irrig, von einem „Begriff" zeitlich erst zu sprechen, wenn eine bestimmte Vokabel gefunden ist, die den entsprechenden konkreten Vorstellungsinhalt veranschaulicht. Der Begriff ist kein spontanes psychologisches Gebilde, sondern das Produkt einer oft langen Reihe bestimmter Denkprozesse. Er steht nicht unvermittelt da, sondern entwickelt sich allmählich und regelmäßig erst auf Grund einer zeitraubenden, psychologisch ereignisvollen Bildungsgeschichte.1

Nach alledem sind wir nicht berechtigt, aus der Tatsache, daß erst von den Schriftstellern der späten Republik und der Kaiserzeit über die „majestas" gehandelt wird, auf Alter und Entstehung, ja auf das Wesen des Begriffes überhaupt zu schließen. Es gibt nur einen Weg, der verspricht, zu einem nicht nur rein hypothetischen Resultat zu führen, d. i. die analytische Erklärung aus dem Begriffe selbst heraus. Es wird zu prüfen sein, welches charakteristische Bild sich die Römer von der ,,majestas" gemacht haben, welcher tiefere einheitliche Gedanke der Majestätsidee zugrunde liegt und welche praktische Verwendung dieser Gedanke im Rechtsleben der Römer gefunden hat.

Zweites Kapitel.
§ 3.

Die sakralrechtliche Majestät.

Es ist unzweifelhaft, daß die Wurzeln der Majestätsidee bis in die Urzeiten der römischen Gemeindeorganisation hinaufreichen, in jene der exakten Forschung noch so gut wie verschlossene Epoche der sakralen Rechtsbildung, bis zu der hinauf wir die Entwickelung jeglichen Rechtslebens der Indogermanen überhaupt verfolgen können. Davon ist zunächst auszugehen, daß bei den Ariern ursprünglich der Rechtsbegriff mit ihrem Götterbegriff als untrennbar vereint erscheint. Das Recht jener Periode wird, soweit es überhaupt einer positiven Gestaltung fähig ist, nicht als menschliche Schöpfung begriffen, sondern als der unmittelbare

1 S. hierzu MACH S. 124 ff.; WUNDT S. 43 ff.

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