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Der Gedanke lag nahe, und wurde von Carl Bardt in einer freundlichen Rezension als Wunsch ausgesprochen, der neuen Auflage möchte eine Reihe zusammenhängender Übersetzungsproben beigegeben werden (BphW. 1904 S. 632). Material dazu aus älterer und jüngerer Zeit war vorhanden, so daß es kaum nötig gewesen wäre ein Stück für den augenblicklichen Zweck erst zu erarbeiten; aber Auswahl und abschließende Redaktion hätten ein Maß von Ruhe und Sammlung erfordert, wie es am Schluß dieses Winters für mich nicht mehr erreichbar war. So mag die Verwirklichung solcher Absicht einer späteren Gelegenheit vorbehalten bleiben.

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Auch darin hatte Bardt im Grunde Recht, daß der vor 6 Jahren hinzugefügte Anhang über das Präparieren zu dem sonstigen Charakter des Buches nicht ganz stimme. Dem ist nun dadurch Rechnung getragen, daß er, mit etwas verändertem Thema, in kleinerem Druck erscheint. Ihn wegzulassen konnte ich mich nicht entschließen, aus praktischen Rücksichten. Einmal bot sich hier abgesehen von Kapitel II der natürlichste Anlaß, ein wenig doch in das Gebiet der neueren Sprachen hinüberzugreifen. Auch sie können so betrieben werden, daß durch den Unterricht das Denken vertieft, der ursprüngliche Sinn von Worten und Satzformen und damit ein Stück Entwickelungsgeschichte des Geisteslebens aufgedeckt wird. Mit welchem Ernst man hier und da in dieser Richtung tätig ist, habe ich mehr und mehr erfahren. Der Vertreter der englischen Philologie an unsrer Universität, Professor Otto Jiriczek, erfreute mich durch eine Anzahl lehrreicher Fälle aus der Praxis seines Seminars, von denen ich mündlich, in einem Kolleg über sprachlichen Unterricht, dankbar Gebrauch gemacht habe; und bei Besuchen in englischen und französischen Lehrstunden gab es manches Tüchtige und Fördernde zu vernehmen. Zugleich aber ist mir in den letzten Jahren schärfer noch als früher die Tyrannei fühlbar geworden, die der herrschende Typus neusprachlicher Schulausgaben mit ihren Anmerkungen und Wörterverzeichnissen ausübt, wie

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durch sie der Unterricht in seiner Lebenskraft gehemmt, wie er dazu gedrängt wird, die Sprache äußerlich anzufassen, mechanisch anzueignen. Den Männern, die gegen solche Schädigung ankämpfen, auch außerhalb des amtlichen Bereiches Bundesgenossenschaft zu leisten war Pflicht; und doch sollte, was dabei zu sagen war, den Zusammenhang der eigentlichen Darstellung nicht unterbrechen.

Latein und Griechisch sind heute von einer ähnlichen Gefahr bedroht durch das Überhandnehmen einer gewissen Sorte von gesetzlich nicht anfechtbaren Hilfsmitteln. Die neuere Entwickelung, in welcher gelehrte Forschung und Praxis des Unterrichtes, jede auf ihrem Gebiete sich vervollkommnend, mehr und mehr auseinandergingen, hat es mit sich gebracht, daß unter den Ausgaben Kommentaren Wörterbüchern diejenigen an Zahl und Beliebtheit gewinnen, die der Jugend am wenigsten Arbeit und eignes Denken zumuten. Der Verflachung und Verarmung, die so in den philologischen Unterricht eindringen will, gilt es zu widerstehen; nicht durch Vorschriften und Verbote, sondern durch sorgsame, mit Zähigkeit fortgesetzte Anleitung zu einem Verfahren, das elementar und wissenschaftlich zugleich ist und, indem es auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der unteren Stufen eingeht, schon die selbständige Arbeitsweise der höheren vorbereitet. Um das Äußere solches Verfahrens einigermaßen anschaulich zu beschreiben, war eben auch ein Platz außerhalb des Hauptrahmens erwünscht.

Seinen Unterricht auf dem gedrückten Niveau zu halten, auf dem Speziallexika und,,Schülerpräparationen“ als Wohltat empfunden werden, kann man nicht leicht jemanden hindern; doch kann man immer wieder das Bessere und Kräftigere dagegen stellen. Die Veranstalter des verbreitetsten Unternehmens jener Gattung, die Professoren Krafft und Ranke in Goslar, haben in einem Flugblatt, vom November 1908, zur Abwehr eines Angriffes ihre Grundsätze mit aller Aufrichtigkeit dargelegt. Sie meinen der deutschen Jugend

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einen Dienst zu leisten, wenn sie auf die ,,Abnahme des Gedächtnisses", überhaupt auf die Schwäche des heutigen Schülergeschlechtes" Rücksicht nehmen und den sinkenden Kräften mit freundlicher Einzelhilfe nachgehen. Daß diese Art von Pädagogik der Neigung unsrer Zeit entspricht, glauben sie mit Recht; daß sich Autoritäten für sie geltend machen lassen, ist zuzugeben; daß sie in die staatliche Organisation unseres höheren Schulwesens einzudringen mehr und mehr schon begonnen hat, daran darf ich nicht denken, um nicht bitter zu werden. Erfreulicher ist es, den Kampf im Positiven zu führen, wo es doch an rüstigen Mitstreitern auch heute nicht fehlt. So lange wir atmen und dazu im stande sind, wollen wir nicht aufhören mit Wort und Tat für die Überzeugung zu protestieren, daß Gängelband und Krücken Kindern und Kranken dienen mögen, für den gesund Heranwachsenden aber kein Mittel sind um gehen zu lernen; daß Erziehung den Menschen nur dann emporheben kann, wenn sie ihn von Anfang an höher stellt als er zu verdienen scheint; und daß deshalb von der Kraft nicht von der Schwäche der Maßstab unsres Wollens, der Anhalt für unser Tun hergenommen werden muß, wenn es gelingen soll, was doch die Pflicht der Erzieher ist, dazu zu helfen, daß immer das kommende Geschlecht stärker und besser werde als das gegenwärtige.

Münster i. W., Ostern 1909.

Paul Cauer.

LIBRARY

OF THE

UNIVERSITY

Einleitendes.

Begrenzung der Aufgabe.

Est quadam prodire tenus, si non datur ultra.
Horaz.

Als König Ptolemäos Philadelphos die heiligen Schriften der Juden ins Griechische übertragen zu sehen wünschte, ließ er siebzig jüdische Gelehrte in ebenso vielen Zellen auf der Insel Pharos einschließen und jeden für sich eine Übersetzung anfertigen; als man dann die Resultate der Arbeit verglich, stimmten sie alle wörtlich überein. Diese hübsche Geschichte ist ein Lieblingstück unsrer populären Bibelkunde geworden; und mit verständlichem Instinkt hat sich gerade die Schule ihrer bemächtigt. Denn sie ist innerlich verwandt mit jener naiven Auffassung des Verhältnisses zwischen verschiedenen Sprachen, von der die meisten Schüler und manche Lehrer beherrscht werden. Wer zuerst anfängt Wörter und Formen einer fremden Sprache zu lernen, erwartet nicht anders, als daß sie denen, die er kennt, Zug für Zug entsprechen werden. Noch erinnere ich mich der Beunruhigung, die ich als Sextaner empfand, da ich begreifen sollte, daß die Freude im Lateinischen ein Neutrum sei. Gegen dergleichen Überraschungen nun wird ja auch der jugendliche Geist bald abgehärtet. Aber im Grunde bleibt doch die Überzeugung stehen, daß zwei Sprachen nur ein doppelter Ausdruck für dieselbe Sache seien, daß für jeden Satz, der in der einen ausgesprochen ist, ein genau gleichwertiger in der andern vorhanden sei, und daß solche Übereinstimmung nichts Wunderbares habe, vielmehr auf der natürlichen Ordnung der Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 4. Aufl.

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Dinge beruhe. Der Unterricht, dem es obliegt den Verstand in stramme Zucht zu nehmen und eine Schar von 20, 30 oder mehr kleinen Menschen an ein geordnetes und gleichartiges Denken zu gewöhnen, kann gar nicht anders als von gesetzmäßigen Beziehungen zwischen den Teilen, die er verbinden soll, ausgehen. Er muß kategorisch erklären: das und das ,,heißt auf lateinisch so und so; diese Übersetzung ist falsch, jene richtig. Unablässige, tägliche und stündliche Arbeit wird erfordert, um ein System fremder Flexionsformen, einen ausreichenden Vokabelschatz, vollends später um feinere syntaktische Verhältnisse zu allgemeinem und sicherem Besitz zu bringen. Da ist es begreiflich, wenn auch der Lehrer, der inmitten dieses Betriebes tagaus tagein sich abmüht, nach und nach von der schülerhaften Betrachtung der Dinge angesteckt wird. Mag er beizeiten dagegen ankämpfen, immer wieder wird er in Gefahr kommen, das, was Mittel zum Zweck ist, für die Sache selbst zu nehmen, und zufrieden zu bleiben wenn er es dahin gebracht hat, daß für non ignoro gleich von selber ich weiß wohl", für non magis quam,,ebenso wenig wie" gesagt, jeder lateinische Potentialis mit,,dürfte" wiedergegeben wird.

Dem Übel wird scheinbar dadurch abgeholfen, daß man auch auf die Abweichungen des deutschen Sprachgebrauchs vom fremden fleißig achten lehrt. Aber indem man diese in Regeln zusammenzufassen sucht, geschieht es bald, daß der eben hinausgetriebene Irrtum von der andern Seite wieder hereintritt. Die Meinung, daß es für jede deutsche Wendung eine von Natur gleichbedeutende lateinische oder griechische gebe, ist nicht erschüttert, wenn man auch gelernt hat, daß die dem Sinne nach gleichen Ausdrücke in bestimmten Fällen unähnliche Form haben. In Prima las ich einmal die Ode auf Licymnia: quam nec ferre pedem dedecuit choris,,der es wohl anstand den Fuß zum Reigen zu heben." Das war nichts. Ich versuchte auf einem kleinen Umwege zu dem richtigen Verständnis zu führen: Horaz will rühmen, daß die Geliebte des Mäcenas auch bei ausgelassenem Spiel die Grenzen des Anstandes niemals überschritt;

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