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liebe brave Leute, wie sie sind, lassen sich in der That kaum denken. Frau Phillips scheint wirklich dem eigenen furchtbaren Unglücke des Erblindens immer näher zu gehen, um in den lezten Jahren ihres Lebens mit desto größerer Liebe und Theilnahme das Leiden ihrer Mitmenschen zu tragen und zu lindern. Den größten und unberechenbaren Trost fand ich aber in der Gewißheit, daß Wilderich, wenn Gott Paula von seiner Seite nehmen würde, hierdurch nur wieder mit einem Bande weniger an die Erde und mit einem Bande mehr an den Himmel ge= bunden sein werde. Anders kann uns doch der Tod eines Freundes nicht erscheinen. Die Erde wird uns dadurch leerer, der Himmel an befreundeten Gestalten bevölkerter; dieser rückt uns näher, jene wird uns entfremdeter. Mir ist wenigstens die Erde nur insofern etwas, als so viele mir theure Menschen auf ihr wandeln. Mit dem Gedanken, daß Paula von ihr scheiden werde, war die Erde mir auch schon wieder fremder geworden. Wem dieser Gedanke zur vollen Wahrheit geworden, für den ist keine Trennung mehr das, für was die Welt sie ansieht. So recht eigentlich fürchte ich überhaupt kein Unglück mehr für einen Menschen, der Religion hat, denn wahrhaft zu bedauern ist nur der, der ohne Religion von Leiden heimgesucht wird.

Ich bin hier mit allen nothwendigen Winter- und Studieneinrichtungen zu Ende und kann also jezt ans Werk gehen. Mit Gott wird. es nicht der nuzloseste Winter meines Lebens werden; aber ihr übertreibt Euch gewiß vieles in Eurer Vorstellung. Meine Collegien sind interessant, meine Lehrer vortrefflich und der Geist, mit dem jezt diese Wissenschaften vorgetragen werden, ist der der Frömmigkeit. Eine tüchtig benußte Kniebank ist mir bei einem Professor, namentlich der Dogmatik, von größerm Werth wie einige Folianten mehr im Kopfe.

An seine Schwester Sophie.

48.

München, 13. December 1841.

Es ist mir ein recht drückendes Gefühl in der letzten Zeit in so sel= tenem Verkehr mit Dir gestanden zu haben, und dennoch kann ich mir die Nothwendigkeit nicht verhehlen, auch in der Zukunft eine wenigstens ebenio strenge Diät befolgen zu müssen. Das Wenigste, was ich sagen. fann, ist, daß ich die Zeit meiner Studien nicht vermindern darf, um einer mir sonst so lieben Beschäftigung mehr obzuliegen. Bis zur Rigorosität, dessen kannst Du sicher sein, werde ich es auch in dieser Beziehung. nicht treiben. Ich thue nur, was dringende Pflicht ist.

Dein beute empfangener Brief enthält nicht viel Erfreuliches. Zwar scheint die Beferung Baula's fortzuichreiten, aber wie langjam! Daß die alten Leiden noch da find, ist eine i&were Prüfung. Als Herr Dieß aus Coblenz vor einigen Tagen an dem Krankenbette seiner ganz hoffnungslos darniederliegenden Tochter stand, die dem Manne nach dem Verlust seiner Frau eine unendliche Freude veruriacht, jagte er mir: „Ich danke Gott für jede Prüfung; fie bringt uns ihm immer eine Stufe näher.“ Glaube sicher, meine geliebte Sophie, daß dies eine Wahrheit ist, die auch Wilderich erschlossen ist; und wäre sie es nicht, so will ihn Gott eben zu ihrer vollen Erkenntniß vielleicht erziehen. Das Glaubensauge und das Auge der Welt sieht ganz verschiedenen Zusammenhang der Dinge und es ist ein unendlich hemmendes Bemühen, welches uns nie zur geistigen Ruhe kommen läßt, wenn wir hier eine Vereini gung bewirken wollen. Doch ich will hiervon abbrechen und kann nur noch sagen, daß wir uns recht hüten müssen bei Beurtheilung eines Gegenstandes eine vorgefaßte Meinung mit hineinzutragen. Solche vorgefaßte Meinungen dienen dann einer großmächtigen Brücke zur Unterlage, auf die wir bauen und weiterbauen, ohne nur ein Spänchen Wahrheit zu ihrer nothwendigen Festigkeit zu haben.

Doch nun zu etwas Anderem, und zwar zu Eurem Spitälchen, das mich ganz mit Freude erfüllt. Das nenne ich mir einen Baum für die Ewigkeit, ein wahrhaft adeliges Unternehmen, einen neuen Beweis, wie Ferdinand in der That so vielseitig, allen zum guten Beispiele, sein Geld zur Ehre Gottes verwendet. Das wird Euren Seelen mit tausend und abertausend Seufzern von den Betten der Kranken aus gelohnt werden. Recht gelegen ist Euch in dieser Beziehung gewiß die Anwesenheit der Barmherzigen Schwestern1). Das wird eine große Freude sein, wenn wir, so es Gottes Wille ist, einst zusammen dorthin wandern können. Es existirt in der Welt kein Denkstein an einem Grabe 2) wie dieser und in heinlicherer Umgebung kann man nicht begraben sein. Ueber die Lage des Plates haben. wir uns ja doch schon oft so befriedigt gemeinsam ausgesprochen. Es war mir bisher nicht eingefallen, daß dieser Plan schon in Ausführung begriffen sei.

1) Vgl. Wulf, Das segensreiche Wirken der Barmherzigen Schwestern. Nebst Vorbericht über Ursprung, Einrichtung und Verbreitung ihrer Genossenschaften, insbesondere der vom sel. Clemens August, Erzbischof von Cöln, gestifteten Genossenschaft im Bisthum Münster. 2. Auflage Münster 1851; ferner die Schrift von Clemens August Freiherrn Droste zu Vischering: Ueber die Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern, insbesondere zu Münster. Münster 1833.

2) In der Kapelle des Krankenhauses befindet sich die gräflich Merveldt’sche Familiengrust.

An seine Schwester Sophie.

49.

München, 6. Februar 1842. erste und bis auf heute, wo Wilunserer lieben seligen Gräfin 1) des Wortes die Bedeutung und

Du, geliebte Sophie, hast mir die derich mir schrieb, einzige Nachricht von gegeben, die so recht im vollsten Sinne Bestimmung des Erdenlebens erkannt hatte, und die dann Gott auch endlich zu sich nahm, als er ihr nicht mehr länger seine beseligende An= schauung vorenthalten wollte. Was sollte sie noch auf Erden und in der Welt, nachdem sie mit Christus über beide gesiegt hatte. Vielleicht hatte Gott schon ihrer Nebenmenschen wegen ihre Tage verlängert und sie länger hier auf Erden zurückgehalten, als es ihre eigene Seele bedurft hätte. Nur nach dem Tode dürfen wir uns des Sieges rühmen; bis dahin ist noch alles zweifelhaft. Es wäre daher lieblos, wo einmal das herrliche Loos über eine ganze Ewigkeit gefallen ist, den Zustand der Ungewißheit zurückwünschen zu wollen. Unser einziger Wunsch kann nur sein, unsern Aufenthalt bei ihr zu finden, nicht, den ihrigen zu uns herab zu sehnen.

Lese doch die kleine Abhandlung der heiligen Katharina von Genua über das Fegfeuer, wenn Du sie Dir verschaffen kannst 2). Sie steht am Ende einer französischen Ausgabe ihres Lebens und enthält eine erhabene Auffassung dieses Reinigungsortes, die auch Dir um so merkwürdiger sein wird, je ungewisser wir mit unserer Vorstellung über das Fegefeuer daran sind, wenn wir uns die Möglichkeit denken müssen, daß auch so heilige Seelen noch in demselben zurückgehalten werden. Seit ich in den Bekenntnissen des hl. Augustin gelesen, wie dringend er alle Christgläubigen zur Fürbitte für seine heilige Mutter Monika auffordert, möchte ich für Niemand mehr die Fürbitte überflüssig halten. Die genannte kleine Abhandlung wird Dir unendlich gut gefallen.

In dreißig Jahren, meine liebe Sophie, mögen wohl nur wenige mehr von dem Kreise übrig sein, mit denen wir hier in dem innigsten Bande der Liebe und des Familienvereins die irdische Wanderung zurückzulegen bestimmt waren. Wenn wir uns nur dann im Jenseits um un

1) Sophie Stolberg, Gemahlin von Friedrich Leopold Stolberg, geb. Gräfin von Redern, im 76. Lebensjahre zu Rumillies in Belgien bei ihrer Tochter, Gemahlin des Grafen Carl Robiano, gestorben am 8. Januar 1842.

2) Eine deutsche Ueberseßung erschien von P. Lechner: Leben und Schriften der hl. Katharina von Genua. Regensburg 1859. S. 227-246.

sere verehrte Gräfin wieder so vollständig versammeln können, wie wir es hier auf Erden oft gethan! Dafür mag uns dann hier jede Trennung und jedes Leiden treffen, das in Gottes Rathschluß gelegen ist.

Es ist nichts eitler und elender als die Welt, und dennoch ist sie so unendlich verführerisch. Ich wollte, daß mir Gott zu seinen vielen Gnaden auch noch den Beruf des Klosterlebens gewährte und den Muth diesem Beruf zu folgen. Nichts ist zwar eitler und vergänglicher als die Welt, mit einziger Ausnahme des Menschenherzens, und wenn ich das betrachte, so erscheint mir die Welt als eine große furchtbare Macht. Gottes Wille geschehe, aber er erbarme sich meiner mit der Gnade und der Kraft vom Kreuze, wenn er mich mit dem Berufe eines Geistlichen wieder in die Welt hineinsehen will.

Die Gestaltungen der Dinge in der Welt in der lezten Zeit haben unsern Gesprächen oft eine Richtung gegeben, die mit Euren Verhandlungen wohl überein getroffen sind. Es läßt sich zwar durchaus nicht denken, daß es mit dieser ersten Bekanntmachung') abgethan sein sollte, und deßhalb läßt sich die Sache selbst noch nicht beurtheilen. Aber es hätte dann auch jede und vor allem eine so ungenügende Bekanntmachung unterbleiben sollen, die überall eine solche Mißstimmung erregt hat, daß eine Beruhigung und Befriedigung nur sehr schwer fallen wird. Das vollständige Schweigen der gesammten katholischen Presse über diesen Gegenstand ist die einzige Haltung, die sie bei dem Drucke, unter dem sie überall seufzt, einnehmen kann.

Die Unterdrückung des „Fränkischen Couriers" ist eine Gewaltmaßregel, die der Herrschaft des Großmoguls alle Ehre machen würde. Doch ist eben dieser Zustand der Rechtlosigkeit für mich der schlagendste Beweis der Göttlichkeit unserer Religion. Wie wollten wir uns als Glieder des gekreuzigten Christus erkennen, wenn uns auf Erden Gerechtigkeit widerfahren würde! Ueber den Fränkischen Courier" hat vor einigen Tagen ein ganz vortrefflicher Artikel in der „Oberdeutschen Zeitung“ ge= standen, der Euch hoffentlich zu Augen kommen wird. Ueberhaupt sollte man diese Zeitung bei uns halten, wenigstens im Rauchklub, wegen ihrer ehrlichen tüchtigen deutschen Tendenz.

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Die in diesem Jahre erschienenen Hefte der „Hist.-polit. Blätter“

1) Die preußische Staatszeitung veröffentlichte das königliche Schreiben vom 15. Oktober 1841, in welchem Friedrich Wilhelm IV. dem Erzbischof Clemens August erklärt, „daß sich nirgends der geringste gegründete Anlaß zu dem Verdachte findet, daß Sie die Würde Ihrer Stellung und Ihres Amtes zur Beförderung politisch: revolutionärer Umtriebe oder wissentlichen Verbindung mit Personen, die solche Zwecke verfolgen, gemißbraucht hätten." Katholik 83, Beilage LXX.

werden auch Euch gewiß sehr interessiren. Es sind einige höchst wichtige und meisterhafte Artikel in ihnen enthalten, namentlich im letzten Heft über das Bisthum Jerusalem 1). Ich halte das Unterwerfen unter die Autorität des Erzbischofs von Canterbury für einen großen politischen Fehler und bin überzeugt, daß es als Versuch, an eine äußere feste Kirchenverfassung anzuknüpfen, gar keinen Erfolg für den Protestantismus in Preußen haben, dagegen aber einen großen Theil der Protestanten in hohem Grade erbittern wird. Der Erzbischof von Canterbury behandelt fie auch wie Schuljungen, wie Ihr aus diesem Artikel ersehen werdet.

Sage doch Mutter und Wilderich, daß ich meine Wohnung jezt Amalienstraße Nr. 9 über eine Stiege genommen habe. Ich wohne jezt viel angenehmer, namentlich in Bezug auf meine Wirthin, die eine sehr reinliche und sorgliche Person ist, während meine vorige Wirthin eine Frau von war, die in der Zeit, daß ich bei ihr wohnte, sechs Mägde gewechielt hat.

An seine Schwägerin Paula.

50.

München, 17. April 1842.

Nach so langer Zeit komme ich endlich wieder einmal zu einem unmittelbaren Verkehr mit Dir, und vielleicht wäre ich auch jezt noch nicht dazu gekommen, wenn nicht das Uebermaß Deiner Liebe und Freundlichkeit mich mit Beschämung wahrhaft übergossen hätte. Daß ich Dich nicht einmal von dem Empfang Deines Briefes über Deine verehrte und vielgeliebte selige Mutter 2) habe in Kenntniß seßen lassen, wie ich aus Deinem und Wilderichs leztem Brief ersehe, ist mir in der That zu arg und steht im grellsten Widerspruch zu allem, was ich bei Empfang dieser Deiner Nachrichten empfunden habe. Der Grund, warum ich eigentlich nicht zum Schreiben an Dich gekommen bin, lag, wie ich Dir offen gestehe, nicht wie gewöhnlich darin, daß ich Dir zu wenig, sondern im Gegentheil darin, daß ich Dir zu viel zu sagen habe. Es verlegt einestheils mein Gefühl über so Vieles und Großes hinwegzugehen, das in die Zeit von meinem lezten Brief bis heute gefallen ist, und anderntheils müßte ich, wenn ich das alles mit Dir besprechen wollte, abermals auf einen Brief an Dich für jezt verzichten. Glaube daher nur, meine ge

1) „Der Erzbischof von Canterbury und das neue Bisthum zu Jerusalem." Hist.-pol. Bl. 9, 178-192.

2) Gräfin Sophie zu Stolberg. Vgl. S. 109.

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