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herzlichen Dank sage. Wie freut es mich, daß das eine Hündchen in Ferdinand einen wohlwollenden Herrn gefunden. Meinem alten Jägerherzen wird es nicht wenig wohl thun beim Spazierengehen die Manieren der alten Miß 1) in ihm wieder zu erkennen.

An seine Schwester Sophie.

55.

München, 8. Januar 1843.

Das verflossene Jahr sollte mir nicht mehr die Freude bringen, mit Dir direct zu verkehren, und so beginne ich denn diesen Brief mit einem recht innig gemeinten „Glückselig neues Jahr!" das Du auch Ferdinand in meinem Namen wünschen wollest. Der ohnehin schon so lange Aufschub eines Briefes an Dich hat noch zulezt durch das Erkranken von Leo 2) einen Zuwachs erhalten. Denn wenn dies auch in keinem Moment ge= fährlich war, so nahm es doch jeden freien Augenblick um so mehr in Anspruch, als wir ja hier seine einzigen Bekannten sind. Er ist aber Gott Dank jest wieder in voller Genesung begriffen, steht täglich mehrere Stunden auf und wird, wenn das Wetter sich bessert, auch seiner Zimmerhaft wohl bald entlassen werden. Immerhin wurde unsere anfängliche Freude über Leo's Eintreffen durch dies Erkranken sehr gestört und einige recht angenehme Abende, die er uns durch seine Theilnahme an unserer Theestunde bereitete, mußten nach acht Tagen seines Hierseins ichon eingestellt werden. Bis Du jedoch diesen Brief erhältst, wird hoffentlich diese Störung wieder vorüber sein.

Du, meine geliebte Sophie, kehrst nun in diesen Tagen mit Ferdinand nach Münster zurück. Die lezte Zeit werdet Ihr wohl durch ichlechtes Wetter behindert worden sein die Dorfandachten während der Feiertage viel zu besuchen. Dafür wirst Du aber gewiß Dein Krippchen in der Kapelle um so häufiger heimgesucht haben. Diese Zeit enthält ja zugleich für Dich eine solche Menge schmerzlicher Erinnerungen, daß es Dir nicht an Gaben fehlte, um sie mit den Geschenken der heiligen drei Könige dem Jesuskindlein darzubringen. Das ganze Leben Jesu ist in allen Zügen, die uns in den heiligen Büchern aufbewahrt sind, eine so erhabene und heilige Symbolik, in der jeder Mensch sein eigenes Leben wieder finden kann. Wohl uns, wenn wir uns in diesen Tagen mit allen

1) Lieblingsjagdhund.

2) Graf Leopold von Spee, dermalen Stiftsherr zu Aachen.

Leiden und Freuden unsers Lebens recht wahrhaft mit den heiligen drei Königen vor die Krippe hinstellen und alles Ihm darbringen.

Unser unendlich liebenswürdiger Beichtvater hat uns diese Uebung für die nächsten acht Tage vorgeschrieben, die wir täglich vor dem Allerheiligsten verrichten sollen. Ueberhaupt gehört Windischmann gewiß zu den Männern, für deren Umgang wir Gott ganz besonders zu Dank verpflichtet sind. Er ist für alle jungen Leute vom Rhein und Westphalen der Mittelpunkt, um den sich ihr Leben dreht und von dem sie alle scheiden wie von ihrem geistlichen Vater. Seine jezige Stellung als Sekretär oder Geistlicher Rath des Erzbischofs zwingt ihn übrigens, sein reiches Talent in Aktenverhandlungen aufzuzehren. So nüßlich er auch hier wirken mag, so ist er doch dem unmittelbaren Verkehr mit jungen Leuten, worin die eigentliche Kraft seines Wirkens besteht, sehr, und wenn ich die Rheinländer und uns ausnehme, ganz entzogen. Wenn ich denke, welcher Gewinn aus einer Berufung Windischmann's nach Münster oder Bonn der guten Sache erwachsen könnte, dann möchte ich weinen, daß in der Welt nirgendsmehr Energie ist als auf Seite des Bösen. Wenn die geistlichen Behörden es wollten, so ließe sich gewiß mit Ausdauer und Ernst jezt vieles machen, um solche ausgezeichnete Männer nach unsern Lehranstalten hinzuziehen. Wenn Windischmann nach Münster berufen würde, dann ständen in ein paar Jahren die Hörsääle der Hermesianer in Bonn ganz leer, und so hörte doch endlich der grenzenlose Skandal auf, daß diese Verwüster der Kirche noch immer ihr Gift den jungen Leuten ins Herz zu streuen fortfahren. Dies sind doch Lehrstühle des Hochmuths und menschlichen Dünkels, während von einer wahren Gelehrsamkeit und katholischen Wissenschaft ebenso wenig die Rede ist wie von ei nem wahren kirchlichen Leben. Es ist in diesen Menschen ein sonderbares Gemisch von Unwissenheit und Wissensdünkel und ich begreife es jetzt ganz, wenn ich unsern Erzbischof früher so bitter über die Unwissenheit vieler Geistlichen klagen hörte, während ich damals meinte, daß das Zuvielwissen ihnen vielmehr schädlich sei. - Doch was schwäße ich Dir da Dinge vor, an denen Du gewiß hinreichenden Antheil nimmst, an denen. wir beide aber nichts ändern, höchstens immer wieder und wieder nur Gott bitten können, daß er den Bedürfnissen seiner Kirche zu Hilfe eile. Leider wird dieses Mittel viel zu wenig angewendet.

Unsere vaterländischen Verhältnisse geben uns oft Stoff zu sprechen, und in Richard ist noch eine hinreichend lebendige politische Ader, um meine, die schon ganz in den lezten Zügen lag, hie und da anzufrischen. Freilich würde dies nicht sehr lange anhalten, und wenn wir noch ein Jahr zusammen wären, die Politik wohl ganz zu Grabe getragen sein. —

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Verbot der Leipziger Allge-
Die Jubiläumsfeiern wegen

Welche Laune des Schicksals ist doch das meinen Zeitung." Heute mir, morgen dir! der erweiterten Preßfreiheit werden wohl mit der ersten Feier ihr Ende nehmen. In der jezigen Zeit ist es nicht schwer ein politischer Prophet zu sein. Ich zweifle keinen Augenblick, daß unser König von den Uebergriffen der liberalen Partei noch zu viel strengern Maßregeln in Bezug auf Presse und andere Lieblingskinder der Zeit getrieben werden wird, als sie vielleicht je bestanden haben. Ob es aber dann nicht zu spät sein wird, ist eine andere Frage.

Eine viel angenehmere Conversation, als die Politik, bietet uns die Kirchengeschichte, von der wir in diesem Semester den Theil von Gregor VII. bis zur Reformation durchnahmen. Sie hat uns für unsere Theestunde schon oft das Thema zur angenehmsten Unterhaltung geboten, da ja doch namentlich diese Periode für uns Deutsche so außerordentliches Interesse hat. Meine Ignoranz preßt mir dabei manchen Seufzer über verlorene Zeit ab, die ich überhaupt täglich mehr zu beklagen Ursache finde. Wie viel geistreicher und lehrreicher hätte ich, ohne den Vergnügungen den mindejten Abbruch zu thun, so viele, unzählig viele Stunden anwenden können! Dabei habe ich immer meine Freude an Richard, der, einmal über das Abiturienten-Examen hinweg, leicht sehr große Fortschritte machen wird. Jest muß er freilich fast seine ganze Zeit den Sprachstudien zuwenden, was er ohne irgend eine Klage mühsam und fleißig thut. Ich zähle sicher darauf, Gott werde die Dinge so leiten, daß man ihm, wenn er in den alten Sprachen bestanden, wenigstens die andern Fächer erlassen werde, denn das Studium dieser so ganz nußlosen Gegenstände würde ihn entschlich aufhalten.

Für die Osterzeit machen wir eben die schönsten Pläne. Wir beabfichtigen nämlich einen Lauf nach Innsbruck, um dort vor der Charwoche noch Exercitien abzuhalten und dann die Osterfeiertage unter dem frommen Tiroler Volke zuzubringen. Da Richard ganz meine Passion für Tirol theilt, so schwärmen wir wahrhaft in diesem Gedanken. Von dort müssen wir dann aber leider gleich nach den Feiertagen wieder aufbrechen, um nach Zeil zu gehen. Im Herbst habe ich des Seminariums-Examens wegen dazu feine Zeit und ich darf nicht von München weggehen, ohne dort gewesen. zu jein. Sollte aber Mütterchen bis dahin wirklich den Entschluß zur Reise nach Zeil gefaßt haben, dann würden auch wir diese Tour aufschieben. Es sollte mich unendlich freuen, Mütterchen diese Reise ausführen zu sehen. Unser Zusammensein in Zeil könnte jedoch nur von jehr kurzer Dauer sein, und wenn nicht vielleicht in den Pfingsttagen, so sehe ich kaum ein, zu welcher andern Zeit wir hinkommen könnten. Meine

v. Ketteler, Briefe.

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Seminarsprojekte wirst Du wohl gebilliget haben. Wenn ich auch zum Eintritt im Herbst noch nicht befähiget bin, so werde ich wohl in Münster oder auf dem Lande meine Studien fortseßen, bis ich damit soweit bin, um eintreten zu können. Ich hätte sehr gerne noch ein Jahr den Studien zugesezt, aber mein Alter drängt und so muß ich abwarten, wie sich mir der Wille Gottes in den Verhältnissen kund geben wird. Die theologischen Studien haben einen so hohen Reiz für mich, daß ich mich gleich dazu entschließen könnte mein ganzes Leben ihnen zu widmen. In dieser Beziehung hat Herr Seydell bei meiner Durchreise durch Coblenz ein wahres Wort gesprochen.

Es soll mich doch wundern, was Pater Goßler1) auf seiner Reise ausrichten wird. Ich kann mich noch immer nicht der Hoffnung erwehren, daß ein so begnadigter Mann denn doch eine große Mission von Gott erhalten habe, und daß vieles, was uns jezt zu einem Tadel zwingt, uns vielleicht nur deßhalb verkehrt erscheint, weil wir die Verhältnisse nicht ganz zu durchschauen im Stande sind. Wenigstens ist das gewiß, daß das Leben vieler großer Männer sich eine Zeit lang in einer solchen Ungunst der Verhältnisse bewegt hat, daß selbst die bestgesinnten Menschen an ihrem Treiben irre geworden sind.

Ich bitte Dich, geliebte Sophie, Wilderich zu sagen, daß Windischmann den kleinen Canisius für den besten Katechismus für Kinder hält. Er ist bei Kirchheim in Mainz kürzlich neu verlegt worden in der Form, wie ihn einer der lezten Bischöfe in Mainz eingeführt hatte 2). In französischer Sprache schien er Bossuet's Katechismus für den besten zu halten. Lasse uns nun auch bald wieder etwas von Dir hören, geliebte Sophie, und vergelte nicht Böses mit Bösem. Eure Jagderfolge in Lembeck haben mich sehr erfreut und ich habe mich nur gewundert, daß nicht noch einige Hirsche abgeschossen sind. Das war doch ein kleiner Lohn für die viele Mühe, die sich Ferdinand schon mit der Jagd gegeben.

1) Vgl. Hist. pol. Bl. 11, 205-209.

2) Bischof Colmar am 1. Oktober 1814. Vgl. Die Mainzer Katechismen von Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts von Dr. Chr. Moufang. Mainz 1877. S. 114.

An seine Schwester Sophie.

56.

München, im März 1843.

Gestern, geliebte Sophie, hatten wir die unaussprechliche Freude die Schrift unsers Erzbischofs 1) zu erhalten, die Mütterchen so liebevoll gewesen war uns sofort zu überschicken. Ich kenne das Urtheil meiner Umgebung darüber noch nicht; es sind aber alle zu katholische Männer, als daß es ein sehr verschiedenes sein könnte. Richard und ich haben das Buch mit wahrem Heißhunger verschlungen, und wenn es erst seinen schnellen Verlauf durch die Reihen der Bekannten gemacht hat, so will ich es mir noch tief und tiefer einprägen. Das Buch scheint mir von höchster Bedeutung zu sein und tausend Werke der Gelehrten aufzuwiegen. Ich kann nicht beschreiben, welche Freude ich in mir empfinde, solche Grundsäze wieder einmal von einem Kirchensürsten ausgesprochen zu sehen und dazu von einem solchen. Neues hat der Erzbischof zwar nicht gesagt, aber sein unendliches Verdienst ist es eben, daß er das Alte nicht länger mehr verschwiegen hat. Erst wenn die Kirche ihre Grundsäge wieder so offen und klar mit allen ihren Consequenzen der Welt vor Augen legt, kann sie werden, was sie sein soll, wenn auch vielleicht zunächst ein Kampf auf Leben und Tod entsteht. Aber der Tod kann ja nie das Loos der Kirche sein und so braucht sie einen solchen Kampf nicht zu fürchten. Ich habe immer die unerschütterliche Ueberzeugung gehabt, daß es ein Verrath an Christus sei, wenn so viele Kirchenobern einen Theil des ihnen von Christus übergebenen Auftrages, wegen irgend einer Rücksicht auf Erden, unerfüllt lassen. Zu dieser Ansicht tritt nun die Autorität eines Mannes, den der heilige Geist nicht nur zu einer der höchsten Stellen seines Reiches auf Erden berufen, sondern den er zugleich zu dem auserlesensten Werkzeuge seiner Lenkung und Leitung der Kirche in dieser Zeit gemacht hat. Warum sollte uns, wenn unser Glaube wahr ist, daß die Kirche und der Geist, der sie lenkt, ewig ist, diese Stimme weniger Gewicht haben, als die der alten Kirchenlehrer? In der That, mir ist dieses Urtheil über das so unendlich schwer zu besprechende Verhältniß der Kirche in den Staaten nicht das eines bloßen Menschen, son

1) Ueber den Frieden unter der Kirche und den Staaten." Münster 1843. Das Buch erregte damals das größte Aufsehen, wie schon aus den zahlreichen Schriften erhellt, die dafür und dagegen erschienen. Ein Verzeichniß bei Roskobany: Romanus Pontifex 4, 947.

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