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mit Vornahme einiger wenigen Geschäfte der Beruf der Geistlichen erschöpft sei; er tödtet wahrhaft die katholische, unendlich mannigfaltige, in teine Geschäftsinstruktion einzufangende lebendige Seelsorge. Doch abge= sehen von diesen Nachtheilen, die aus den Grundrechten der Seelsorge erwachsen, stehen sie auch hier im vollen Widerspruch gegen den Begriff eines katholischen Pfarrers nach kanonischem Rechte. Nach diesem muß jede Pfarre einen Rektor und zwar einen einzigen haben: denn, um mit den Worten des Kirchenrechts zu reden, wie das Weib nicht zwei Männer und der Körper nicht zwei Köpfe haben kann, so auch die Pfarre nicht zwei Pfarrer. Diesem allein aber stehen als wesentliche Pfarrrechte die Ordnung des Gottesdienstes in der Pfarrkirche und die Leitung der Seeljorge in der hierarchischen Unterordnung unter den Bischof für den ganzen Pfarrbezirk ausschließlich zu. Diese Grundlagen des katholischen Pfarrwesens werden durch das Statut über den Haufen geworfen, und so glaube ich auch diese Bestimmungen des Statutes über den seelsorglichen Theil meines Amtes, über mein Verhältniß zu den Kaplänen, wie endlich über die Stellung der Kapläne selbst nicht anerkennen zu dürfen.

Das ist also meine Lage. Ich sehe vor mir ein unermeßliches Seelenbedürfniß, einen wahrhaft verwilderten Acker im Weinberge des Herrn, große Uebelstände, die gehoben werden müssen, eine furchtbare Verantwortung, und einer solchen Aufgabe gegenüber bin ich gebunden an Händen und Füßen, da der eine Theil meiner Amtsbefugnisse mir gänzlich entrissen und einem Colleg übertragen ist, worin ich nur eine Stimme habe und wo die Autorität nicht in mir, sondern in der Majorität ruht, der andere Theil aber, die Seelsorge, willkürlich auseinandergerissen und mir nur ein willkürlicher Feßen gelassen ist, so daß ich aller Rechte beraubt bin, die dem katholischen Pfarrer zustehen.

Ew. Fürstbischöfliche Gnaden haben mich hierher berufen, ich bin willig, wenn auch mit Zittern gefolgt. Ich bitte nunmehr, daß Ew. Fürstbischöfliche Gnaden mir auch die Stellung sichern, die einem katholischen Pfarrer gebührt. Wenn ich hier die Selbstständigkeit erlange, die dem katholischen Pfarrer nach kanonischem Rechte gebührt, so bin ich bereit, unter Gottes Beistand mit vollendeter Hingabe aller meiner Kräfte zu arbeiten; wo nicht, so muß ich bitten, mir die Last von meinen Schultern zu nehmen: denn ich möchte nicht nach einem Wirken unter solchen Verhältnissen, wie sie jetzt bestehen, vor Gottes Thron treten.

Fürstbischof v. Diepenbrock an den Propst v. Ketteler.

89.

Breslau, 19. Januar 1850.

Ich habe Ihnen Folgendes mitzutheilen und eine recht dringende Bitte damit zu verbinden. Das neuliche Mißverständniß in dem selts samen Briefe der Gräfin Hahn-Hahn hat sich aufgeklärt. Man hatte ihr in einer Gesellschaft in Berlin den „Fürstbischof von Breslau“ genannt; es war Graf Sedlnisky; sie hielt ihn für mich, sprach damals nur wenige gleichgiltige Worte mit ihm und knüpfte dann in dem Briefe1) wieder daran an. Es ist ihr nach allem, was ich aus der Ferne beurtheilen kann, wirklich ernst mit dem Eintritte in die katholische Kirche. Ich habe ihr auf ihren zweiten Brief einen furchtbar ernsten Brief geschrieben; ihr die ganze Wahrheit ungeschminkt gesagt: daß es mit blosen ästhetischen katholisirenden Ansichten nicht gethan sei, daß man sein ganzes liebes Ich daransegen müsse, um ein lebendiges Glied der Kirche zu werden, daß sie insbesondere nach ihrem ganzen bisherigen Lebensgange nur in Sack und Asche als Büßerin vor den Pforten der Kirche erscheinen; daß sie in dem engen Felseneingange die Schlangenhaut, darin sie bisher irisfarbig geschillert und womit der Teufel der poetisch-pantheistischen Weltverführung auch ihre Seele umstrict - abstreifen müsse. Wenn sie so komme, dann werde sie Heil und Gnade finden wie jener demüthige Zöllner: denn eine Zöllnerin sei auch sie bisher gewesen, kauernd und lauernd auf allen Wegen und Stegen der Welt, um von allem, was vorüberging, den Tribut einzunehmen für ihre Eitelkeit und Selbstsucht. Dieser Göße müsse gestürzt, verbrannt werden; nur in solcher Feuergluth erscheine ihr die Herrlichkeit des Herrn und sein Heil u. s. w. Ich war gespannt auf den Eindruck dieses furchtbar ernsten Briefes bei einem so verhätschelten, geschmeichelten weiblichen Wesen. Und siehe da — Gott hat meine Worte gesegnet; sie hat sie mit der größten Demuth, mit dem Geständnisse, daß das die allein würdige Sprache sei, aufgenommen. "Ich las Ihren Brief, schreibt sie, unter tausend brennenden Thränen und auf meinen Knieen; ich sagte mir immerfort: Es ist ganz richtig, so sündhaft bist du - eine Zöllnerin, oder, wie ich lieber sage, eine Sünderin, die um Gottes Gnade fleht;" und sie bittet mich dringend, da

"

1) In der Meinung, Gräfin Hahn habe den Propst zu Berlin mit seiner Person verwechselt, hatte Diepenbrock jenen Brief erst dem Propst v. Ketteler zur Beantwortung übersendet.

fie Mitte Februar nach Berlin gehe, ihr die Möglichkeit zu verschaffen, dort mit Ihnen bekannt zu werden und ihr Seelenheil mit Ihnen zu berathen. Ich habe ihr dies versprochen, ja daß ich Ihnen ihre Seele als ein theures Kleinod empfehlen wolle; denn das sei sie mir geworden durch diese wunderbare Fügung Gottes. Sie wird also in einigen Wochen wohl zu Ihnen kommen, und da bitte ich Sie denn, ihr Ihre liebevolle Theilnahme und priesterliche Sorgfalt zuwenden zu wollen: handelt es sich ja um die Rettung einer Seele und einer wahrlich sehr begabten Seele, voll der schönsten Anlagen, die, wenn gründlich bekehrt, in weitem Kreise vieles Gute wirken kann und wirken muß, um das Schlimme wieder gut zu machen, das sie durch manche ihrer Schriften angerichtet. Auch hierüber habe ich ihr offen die Wahrheit gesagt in meinem gestrigen Briefe. Auch habe ich ihr einige Bücher (Möhler, Becedorff, Raymund Bruns) ') genannt, wo sie sich vorläufig unterrichten könne, denn mit allgemeinen Ansichten reiche man für das Leben nicht aus, und das katholische Glaubensbekenntniß, das sie abzulegen haben werde, umfasse alle wichtigen einzelnen Glaubenslehren und verlange daher ihre nähere Kenntniß.

Sollten Sie, werther Herr Propst, auch nicht Zeit haben, sich hinfichtlich des Unterrichts mit ihr einzulassen, so wünsche ich doch sehr und bitte Sie, daß Sie die Sorge für ihre Seele, die Abnahme ihrer Beicht u. j. w. selbst übernehmen. Gott wird es Ihnen lohnen. Doch da es eine Seele zu gewinnen gilt, so braucht es meiner weitern Empfehlung nicht; nur au fait sehen wollte ich Sie zunächst und Ihre Aufmerksamkeit darauf richten.

Fürftbischof v. Diepenbrock an den Propst v. Ketteler.

90.

Breslau, 1. Februar 1850.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihren vertraulichen Brief vom gestrigen. Es wird mir jederzeit höchst willkommen sein, wenn Sie mir neben den amtlichen zur Geschäftsordnung gehörigen Berichten Ihre Wünsche und Anliegen besonderer Art vertraulich mittheilen, und ich gebe

1) Erklärung der catholischen Glaubens-Bekenntnuß aus der heiligen Schrift und der Vernunft. Arnsberg 1769. Neue Auflagen erschienen Berlin 1843 und Münster 1846. Ueber die Lebensschicksale dieses ehrwürdigen Ordensmannes, geboren den 3. Januar 1705, als Propst zu Soest gestorben im Mai 1780, brachte das Feuilleton der „Germania“ (1874 Nr. 295 bis 1875 Nr. 9) interessante Mittheilungen „aus dem Tagebuche des P. R. Bruns, Dominikaner und Missionar zu Potsdam 1731-1741."

Ihnen gern die wiederholte aufrichtige Versicherung, daß ich Ihnen stets nach Möglichkeit die gewünschte Hilfe, oder, wenn diese nicht immer in meinen Kräften liegen sollte, doch herzliche Theilnahme und mein schwaches Gebet zuwenden werde, da es mir ein wahres Anliegen ist, Ihnen die dortige schwierige Stellung - in welcher Sie und gerade Sie zu wissen, jedoch mir zur größten Beruhigung und Freude gereicht soviel als möglich leicht und angenehm zu machen. Und Gott wird weiter helfen! Was die Frau Gräfin Hahn-Hahn betrifft, so hat eine fortgesezte Correspondenz mit ihr mir die tröstliche Ueberzeugung gewährt, daß es ihr mit ihrer Bekehrung wirklich hoher Ernst ist. Freilich wird es ohne manchen schweren Kampf nicht abgehen, bis sie ihre in dem Irrgarten des poetischen Pantheismus verwilderte innere Welt unter die strenge Zucht göttlicher und kirchlicher Geseße und Uebung bringt; aber der ernstliche Wille ist doch da, und so wird die göttliche Gnade das Werk, welches sie in dieser hochbegabten Seele jo merkwürdig und wunderbar begonnen, auch wohl zum seligen Ziele führen, und Sie werden ihr darin mit liebevollem Beistande behilflich sein. Binnen Kurzem wird sie nun wohl nach Berlin kommen und sich bei Ihnen anmelden. Ich habe ihr zu diesem Ende noch ein kleines Introductionsschreiben an Sie nach Dresden gesendet. In dem lezten Briefe vom 25. Januar schrieb sie: Ach, ich fange an jezt, wo ich in 14 Tagen in Berlin sein werde, eine große Angst zu haben, wie ich es anfangen solle, um einem ganz fremden Manne so de prime abord meine Seele zu sagen. Spricht er vollends mit solcher eisernen Strenge, wie Ew. F. G. mir zuerst geschrieben haben, so werde ich gar nicht wissen, was darauf antworten. Nun, Gott wird mir wohl darüber hinweg helfen; ich allein könnte es wirklich nicht unternehmen." — Ich habe ihr hierauf möglichst beruhigend und ermuthigend geantwortet: sie solle ja keine Furcht haben, Sie würden sie gewiß liebreich aufnehmen und sie nicht so „andonnern," wie ich es anfangs thun zu müssen geglaubt, damit nicht blos ich, damit sie selbst sich erprobe; sie habe diese, für sie gewiß nicht leichte Probe würdig bestanden und so der katholischen Wahrheit den ersten Sieg über sich eingeräumt; das werde Gott segnen u. s. w. Ich hoffe daher, daß Sie ganz gut mit ihr fertig werden, und würde es für sehr erwünscht und heilsam halten, wenn Sie selbst, theurer Herr Propst, die ganze Sache in die Hand nehmen könnten, ohne die Dame an einen andern Geistlichen zu überweisen, denn ihr ganzes Wesen scheint mir darnach angethan, daß nur eine durch priesterlichen Ernst und Würde ihr imponirende Persönlichkeit gehörig auf sie einwirken und ihr in dieser schweren Wiedergeburt förderlich sein kann. Für den Unterricht in den Glaubenslehren wird sie wohl viele Zeit nicht

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in Anspruch nehmen, da sie geistig höchst begabt und von scharfem Verstande ist, auch in der lezten Zeit mit katholischer Lectüre sich schon ernstlich befaßt hat. Noch bevor ich ihr Beckedorff und Bruns sandte, hatte sie schon einen Katechismus und das Concilium Tridentinum in der deutschen Uebersetzung von Egli gelesen, wie sie mir schrieb. Also noch einmal empfehle ich ihre Seele Ihrem priesterlichen Herzen.

Was das unselige Statut von 1812 betrifft, das wie ein bureaukratisches hölzernes Joch auf Ihnen lastet, so hoffe ich, daß es uns gelingen müsse es abzuschütteln, sobald nur die Verfassung einmal gründlich feststeht. Einen schweren Kampf wird es allerdings kosten, da die Herrn im Ministerium des Cultus sich dieses Gebiet als eine Art Leibgehege ausgepfercht hatten. Ich hoffe aber, daß Aulike und Brüggemann Raison annehmen werden 1).

Wollen Sie nun nicht doch bald Jhre Instituirung als Ehren-Domherr erholen? Ich würde dazu rathen. Es macht Ihnen allerdings nach den hier noch bestehenden Observanzen einige Kosten: aber diese sind doch binnen Jahresfrist durch die freilich geringen Präbendialbezüge mehr als erjezt; und wenn die momentane Zahlung Sie genirt, da die Nebersiedlung Ihnen begreiflich viele Kosten verursacht hat, so disponiren Sie über mich: soviel kann ich schon noch prästiren, wenn ich gleich sehr in Anspruch genommen und in Oesterreich durch die neuen Gesche sehr verkürzt bin. Ueberlegen Sie die Sache. Auch Förster ist meiner Meinung, daß ein längeres Verschieben nicht wohl rathsam sei.

Nun Gott befohlen! Lesen Sie aus diesem langen flüchtigen Briefe vor allem die Hauptsache heraus: daß ich nämlich mit aufrichtigster Hochachtung und Liebe im Herrn bin und bleibe Ihr herzlich ergebener Melchior F. B.

1) Die nöthigen Reformen konnten erst unter Pelldram, dem Nachfolger des Propstes v. Ketteler, durchgeführt werden. Es ist aber das Verdienst des leßtern, die Unhaltbarkeit der bisherigen Zustände aufgedeckt zu haben. Vgl. Nr. 88.

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