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Ganz anders erging es aber dem Büchlein gestern Nachmittag in dem circa eine Stunde von hier entfernten Fabrikstädtchen Ronsdorf, wohin ich zufällig auf einer Promenade kam. Maibäume an den Wegen, deutsche Fahnen aus vielen Häusern, Massen von Menschen auf den Straßen ließen auf etwas Außergewöhnliches schließen. Und so war es auch. Lasjalle war angekommen, um das erste Stiftungsfest zu feiern. Derselbe hielt sich in einem großen Saale auf, worin gewiß an 8-900 Menschen waren. Hier sah ich ihn nun leibhaftig; ich drängte mich unmittelbar an ihn heran, um ihn nur ganz sehen und wo möglich auch durchsehen zu fönnen.

Gleich nach meinem Eintritte in den Saal begann Lassalle zu sprechen. Er theilte eine kurze Statistik über den Umfang des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins mit. Hierbei hob er insbesondere hervor, daß der deutsche Arbeiterverein sich auch in Desterreich Eingang verschafft habe, während Schulze's Vereine sammt Nationalvereiu dort keinen Anhang gefunden. Nach Aufzählung mancher Details über die Versuche der Liberalen und Fortschrittler, seinen Vereinen entgegenzutreten, kam er auch zur Schrift Ew. Bischöflichen Gnaden über die Arbeiterfrage; er verweilte dabei wohl eine halbe Stunde. „Ein rheinischer Kirchenfürst," begann er hier, habe nicht umhin gekommt, endlich auch der Wahrheit Zeugniß zu geben; in einem Buche, betitelt: „Die Arbeiterfrage" (den Rest des Titels gab Lassalle nicht an, was mir gleich auffiel) theile derselbe vollständig seine (Lassalle's) Ansichten.

Ad commendationem sprach er dann noch Einiges über die Ge= lehrsamkeit und den Scharfsinn Ew. Bischöflichen Gnaden, was ich hier nur nothgedrungen und wegen der Sache sage und nicht weiter ausführen werde. Demnächst las Lassalle verschiedene Stellen aus Ihrer Schrift vor, insbesondere den Absatz auf Seite 17 (2. Auflage), dann den zweiten Absah auf Seite 62. Lassalle war hierbei ganz in Ekstase, das Publikum zollte anhaltenden Beifall; eine Stimme rief sogar, der Bischof von Mainz lebe hoch! Aber auch nicht eine Stimme ließ sich hierauf vernehmen. Lassalle's Anhänger sind damit gekennzeichnet. Zwar hätten Sie, fuhr der Redner fort, zwei Bedenken gegen seine Ansichten erhoben: einmal nämlich, daß die Arbeiter durch überstürzte Ausführung die Sache verderben würden; dann hielten Sie auch die Staatshilfe wegen des göttlichen Charakters des Privateigenthums für unerlaubt. Das erstere Bedenken sei aber, bemerkte Lassalle hiergegen, nicht begründet; er kenne zu gut den verständigen Sinn der Arbeiter, die selbst einsähen, daß dieses Alles in ruhiger Entwickelung ins Leben treten müsse. Das andere Bedenken existire für ihn und die Versammlung nicht, weil

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sie nicht an die Göttlichkeit des Privateigenthums glaubten; zudem wolle er auch gar nicht das gegenwärtige Vermögen irgendwie antasten. Seine Reflexionen über diesen Punkt leitete Lassalle mit dem Ausspruche ein: "Ich bin kein Pfaff." - Ew. Bischöfliche Gnaden werden mich hier entschuldigen; zum erstenmal in meinem Leben schreibe ich dieses Wort und wohl auch zum leptenmal, und Sie sehen unter welchen Umständen und zu welchem Zwecke. - Von dem in Ihrer Schrift angegebenen Cardinalmittel zur Heilung der Arbeiter wie aller Menschen Noth - dem Christenthume sprach Lassalle keine Silbe, wie denn in seiner ganzen Rede von Religion oder Moralität auch nicht einmal eine Andeutung vorkam. Im zweiten Theile seines Vortrages hob er hervor, welche Unterstüßung seine Ansichten bei den Vertretern der Wissenschaft gefunden. In kaum einem Jahre hätten sich um ihn geschaart: Wuttke in Leipzig, Schweizer und Becker aus Frankfurt, Rodbertus, Bucher 2c. - Diejen Männern brachte sodann Lassalle ein Hoch aus, worin begeistert eingestimmt wurde. Ew. Gnaden hatte er unter diesem Consortium nicht aufgezählt, was mich sehr freute. Am Schlusse seiner Rede und offenbar in der Absicht, derselben die Krone aufzusetzen, schilderte er den Empfang der Deputation der schlesischen Weber durch unseren König in Berlin. In der Antwort des Königs auf den Vortrag der Weber findet Lassalle den Beweis, daß sogar der König seine Ansichten theile. Der König hat geseßliche Abhilfe versprochen, rief Lassalle aus; die Erreichung unsers Zieles durch Staatshilfe ist sicher. Aber der König als constitutioneller Fürst kann uns ohne die Kammern nicht helfen; diese, aus Fortschrittlern und Liberalen zusammen gejest, werden jedoch keinen Heller für uns bewilligen; die indirecten Wahlen und das Dreiklassen-System werden indeß stets solche Leute ans Ruder bringen; also suffrage universel et directe. Damit schloß Lassalle seine Rede und muß ich wohl diese Zeilen schließen; bemerken will ich aber noch, daß, soweit ich Lassalle erkannt habe, der Mann zwar ein gewaltiger Volksredner ist, aber ganz und gar kein Herz für das Volk zu haben scheint. Ekel und Ueberdruß am Leben ist auf seinem Gesichte ausgeprägt, während doch Frohsinn und frischer Muth den wahren Volks mann kennzeichnen muß. Nach seinem krausen Haar und seiner Nase zu urtheilen, ist er ein Jude, der die armen Christenmenschen gegeneinander hezen will. Ew. Bischöfliche Gnaden bitte ich, ein Eisler und ein armer Sohn einer trefflichen Mutter, die jezt im Himmel ist, mit Thränen in den Augen um den apostolischen Segen.

Dr. Mischler) an Bischof v. Ketteler.

161.

Wiesbaden, 28. Mai 1864.

Jene Richtung der Nationalökonomie, welche im strengen Gegensaße zur materialistischen Auffassung, wie solche bis 1845/50 vorherrschte, mit fiegender Kraft die ethischen Beziehungen des Menschen berücksichtigt, hat durch Ew. Bischöflichen Gnaden warm und klar geschriebenes Buch über die Arbeiterfrage eine hochwichtige Unterstüßung bekommen. Hochwichtig ist dieses Buch für uns das kleine Häuflein von Männern, welche vom Lehrstuhl herab oder in der Presse gegen die materialistische Richtung der Wohlstandswissenschaft ankämpfen. Hochwichtig ist dieses Werk so= dann, weil ein so bedeutender Zeuge strengkirchlicher Auffassung die Beleuchtung der materiellen Interessen vom Standpunkte der heiligen Kirche für einen Gegenstand der Forschung und der gemeinverständlichen Darstellung erkennt und ein nachahmungswürdiges Beispiel gibt für Priester und katholische Laien.

In dem geräuschvollen Für und Gegen der durch Lassalle und Schulze vertretenen einseitigen Principien; in der gefliffentlichen Weise, mit welcher die s. g. Fortschrittspartei Fragen der materiellen Interessen für ihre Zwecke auszubeuten sucht, gilt ein so ernstes und gewiegtes Wort, wie es obenbelobte Schrift mit sachkundigster Schärfe ausspricht, sicherlich bei Freund und Gegner, es wiegt schwer.

In der Ueberzeugung, daß in Kurzem eine zweite Auflage erforlich sein wird, erlaube ich mir ergebenst als Fachmann anzudeuten, daß es zur Förderung des Segens, den das Werk stiften wird, vielleicht nicht ganz ohne Bedeutung sein würde, wenn Sie in einigen das rein Nationalökonomische berührenden Fragen von dem seit 1850 mehr hervortretenden Standpunkte der Wissenschaft hochgeneigtest Kenntniß nehmen wollten.

Die Abgrenzung des Gebietes der Arbeiterfrage dürfte nach fachmännischer Ueberzeugung zu enge sein. Die Darstellung der Einrichtungen und Anstalten, welche, dem kirchlichen Boden entsprossen, theilweise noch bestehen (seit Jahrhunderten), theilweise jüngst entstanden und zur Blüthe kamen, sollte ausführlicher sein. Desterreich böte zahlreiche Beispiele.

1) Der verstorbene Professor der Nationalökonomie zu Prag, geboren den 17. Februar 1823 zu Heppenheim an der Bergstraße.

An dem glänzenden Beispiele der Gesellenvereine dürfte vielleicht das Wesen unserer streng kirchlichen Auffassung nationalökonomischer Fragen am schlagendsten erwiesen werden. Daher sollte diese Schöpfung ausführlich behandelt werden.

amt

Seit 10 Monaten suche ich hier ferne von Familie und LehrHeilung. Mit Gottes Gnade und Hilfe kehre ich vielleicht bald zurück. Sollten es meine Gesundheitsverhältnisse möglich machen, so würde ich mir die Gnade ausbitten mit Ew. Bischöflichen Gnaden mündlich über das Werk zu sprechen und meine Wünsche vorzutragen, meine Erfahrung zur Verfügung stellen. Meine Freude über dieses Werk mahnte mich, selbst auf die Gefahr hin zudringlich zu werden, Ew. Bischöflichen Gnaden meinen Wunsch persönlicher Rücksprache vorzutragen.

Der Deutsche Handwerkerbund an den Bischof v. Ketteler').

162.

Hamburg, 25. Juni 1864.

Der unterzeichnete Bundesvorort des Deutschen Handwerkerbundes hatte seit längerer Zeit Gelegenheit, die wachsende förderlichste Theilnahme wahrzunehmen, welche die geistlichen Häupter nicht minder als andere erleuchtete Glieder der römisch-katholischen Kirche der Handwerker- und Arbeiterfrage widmen.

Als wir im Herbste des vergangenen Jahres in Frankfurt a. M. die Arbeiten des zweiten Deutschen Handwerkertages begannen, betrachteten wir es als eine unserem Werke günstige Vorbedeutung, daß, wie wir von den Bundesbrüdern aus den rheinischen Diöcesen vernahmen, die in derselben Stadt damals versammelten katholischen Vereine Deutschlands gleichzeitig über die Arbeiterfrage verhandelt hätten, welche, wie wir mit Ihnen, hochwürdigster Herr Bischof, annehmen, gleichmäßig die höchsten christlichen und menschlichen Interessen umfaßt.

Die dort gehaltenen anregenden Vorträge, namentlich des ehrwürdigen Pater Theodosius, sowie der Herren Vosen und Schüren2), in denen sich die wärmste Sorge für das Wohl des Handwerkerstandes, gepaart mit sachkundiger Einsicht in die vorliegenden Mißstände, offens

1) Vgl. den stenographischen Bericht über den dritten Deutschen Handwerkertag zu Cöln 1864 S. 48-53, Schüren's Sociale Revue 1, 431–435.

2) Verhandlungen der 15. Generalversammlung der kath. Vereine Deutschlands zu Frankfurt a. M. am 21-24. Sept. 1863 S. 229--269.

bart, sind in unseren Vereinsversammlungen nach Anleitung des amtlichen Berichtes über die Verhandlungen der katholischen Vereine Deutschlands, wiederholt Gegenstand der Besprechung gewesen. Nicht minder erfreute uns der dort in der Situng vom 24. September 1863 (Protokolle S. 272) gefaßte Beschluß der katholischen Vereine, worin den Katholiken dringend empfohlen wurde, sich mit dem Studium der großen socialen Arbeiter= frage zu beschäftigen, welche sicherlich nur im Lichte und durch den Geist des Christenthums einer dem sittlichen und materiellen Wohle, wie dem Einzelnen so der Gesammtheit entsprechenden Lösung entgegengeführt werden könne; denn wir sagten uns, daß eine von so einflußreicher Seite ausgehende Mahnung einen wohlthätigen Anstoß geben werde zu dem ernsten Studium der Handwerker- und Arbeiterfrage, dessen es bedarf, um diese Frage in ihrem ganzen Umfange zu würdigen.

Sie, hochwürdigster Herr Bischof, haben solchen in Frankfurt abseiten der Versammlung der katholischen Vereine Deutschlands gefaßten Beschluß bereits zur That werden lassen, wie Ihre uns vorliegende gedankenreiche Ausarbeitung Die Arbeiterfrage und das Christenthum“ beweist.

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Um den Eindruck, welchen diese Ihre Schrift auf uns machte, bemessen zu können, bitten wir Sie sich in unsere Lage versehen zu wollen.

In dem Kampfe, den wir zu führen haben, waren die Kräfte bisher sehr ungleich vertheilt. Während die Staatsmänner und Gesetzgeber unserer Zeit, von den doctrinären Irrthümern, um deren Bekämpfung es sich handelt, eingenommen und irregeleitet, uns fast durchgängig in entschiedener Gegnerschaft gegenüber stehen, thun Egoismus und Indifferentismus in den weiteren Kreisen das Uebrige, um uns den Kampf zu erschweren, der doch nach göttlichem Gebote uns verordnet ist.

In solcher Lage, in einem derartigen, alle Kräfte anspannenden und aufreibenden Kampfe gegen die so große Uebermacht nicht überzeugt sein wollender Widersacher war es Ihre Schrift, die uns eine nachhaltige Stärkung gewährte.

Die Wahrnehmung, daß Männer, welche vom Geiste des Christenthums geleitet werden und deren Weltanschauung deßhalb eine in Wahrheit höhere, weil sie eine auf göttliche Autorität gegründete ist; die Wahrnehmung, daß solche Männer, vom Geiste christlicher Liebe getrieben, mit fiegesgewisser Klarheit und Schärfe zu den Grundsäßen sich bekennen, deren Vertheidigung seit lange unser Bestreben ausmacht; diese Wahrneh= mung muß unseren Muth auf's Neue kräftig beleben.

Wenn Sie, Hochwürdigster Herr Bischof, es aussprechen: „daß die Ursachen der dermaligen Lage der socialen Arbeiterfrage, so wie die Bös

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