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nicht gegen die Bibel spräche, würde ich unbedingt an verschiedene Schöpfungen der Menschen glauben; denn kaum denkbar ist es, daß von einem Stammvater abstammend ein so mißgestalteter Verstand habe zum Vorschein kommen können wie der des Grashof. Und dieser Mensch ist Consistorialrath in einer katholischen Provinz!

Besonders belehrend finde ich die Artikel über den uranfänglichen Zusammenhang der Revolution und Reformation 1). Mit dem Artikel über Huß2) ist mir ein Stein vom Herzen gefallen: denn bei ihm glaubte ich sei ein Vorwurf von der katholischen Sache gar nicht abzuwenden. Wenn doch endlich sich ein fähiger Katholik über die so von den Protestanten mißhandelte Geschichte erbarmen wollte: denn man weiß wahrhaftig bei so vielen Lügen nicht mehr, was man glauben soll und was nicht. Ich lese jezt mit großem Interesse die Kirchengeschichte von Döllinger, die leider erst die sechs ersten Jahrhunderte umfaßt und die auch Dich sehr interessiren würde.

Mit wahrer Trauer denke ich daran, wie in den lezten Jahren meine Büchersammlung vernachlässiget worden. Ich kann jezt nicht daran denken Bücher zu kaufen und versäumte deßhalb die Anschaffung mehrerer Werke, die ich sehr gerne gehabt hätte. Wenn ich aber wieder nach Hause komme, bewahre ich einen anständigen Anzug für Visiten und Besuche bei Dir und sonst trage ich nichts wie Jagdanzüge in der Stadt und außer der Stadt; denn ich will nicht das Geld in Röcke stecken, das ich für Bücher verwenden muß.

Versäume doch nicht „Die europäische Pentarchie“ zu lesen 3). Ich

1) Studien und Skizzen zur Schilderung der politischen Seite der Glaubensspaltung. Sämmtliche Artikel, eine Arbeit des geistreichen Jarcke, stehen im vierten (die Fortseßungen im sechsten und siebenten) Bande der hist.-pol. Blätter und sind auch separat erschienen unter dem Titel: Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformation. Schaffhausen 1846.

2) Johann Huß und sein Geleitsbrief. Hist.-pol. Bl. 4, 402.-425.

3) Nach dieser in russischem Interesse verfaßten Schrift sollen die fünf Großmächte die Ordnung in Europa aufrecht erhalten. Jede Großmacht sollte über eine bestimmte Zahl von „Mittel- und Nebenstaaten“ das Protectorat führen. Zum Schuß und zur Rettung deutschen Geistes und Handelns" war Rusland „als Hort der schwachen, capitulirenden deutschen Mittelstaaten“ ausersehen. Gretsch in Heidelberg soll der Verfasser dieser damals großes Aufsehen erregenden Schrift sein und Goldmann zu Neuwied für seinen schriftstellerischen Antheil an der „Pentarchie“ 3000 Dukaten erhalten haben. Dagegen erschienen Giehne's „Glossen zu der Schrift: Die europäische Pentarchie." 1840. Vgl. Hist.-pol. Bl. 5, 65, 321, 480; 13, 748.

blätterte gestern Abend bei Görres darin herum und fand höchst interessante Bemerkungen über viele Persönlichkeiten, über Görres, Jarde, auch Ferdinand Galen 2c.

An seinen Bruder Wilderich.

19.

München, 3. Februar 1840.

Statt nach Münster muß ich also jezt nach Gräfenberg') meine Briefe richten, um Dich und die liebe Paula aufzusuchen. Gott gebe nur, daß ich Euch mit diesen Zeilen dort schon nach Umständen wohl eingetroffen vorfinde. Schon fünfzehn Tage seid Ihr ja heute auf der Reise und wenn ich auch einige Ruhetage in Brauna 2) hinzurechne, müßt Ihr doch schon fast Euer Ziel erreicht haben.

Ich bin jezt meiner Rückkehr auf zwei Monate näher gerückt. Von gesellschaftlichen Rücksichten werde ich leider hie und da gequält, ohne daß ich eigentlich außer meinen Jagdbekanntschaften auch nur eine einzige Annehmlichkeit daran hätte. Außerdem verursachten sie mir doch viele Unkosten, die mir sonst ganz gleichgültig, für eine solche Sache aber unangenehm sind. Eure Abwesenheit mindert übrigens wesentlich den Drang, den ich nach Hause hatte, und wenn ich gewiß noch tausend Veranlassungen habe, die mich der Heimath entgegen treiben, so verschweige ich mir oder fann mir vielmehr manches Unangenehme nicht verschweigen. An der Spize steht meine Bestimmungslosigkeit und bei Deiner Abwesenheit der Mangel eines mir so wie Du Vertrauten, mit dem ich das sehr Viele besprechen und überlegen könnte, was ich thun und lassen sollte. Ob ich auch bei Deiner Abwesenheit noch zu Entschlüssen komme, oder ob Du mich noch in unglückseliger Ungewißheit finden wirst, steht dahin. Jedenfalls wirst Du mir auch in dieser Beziehung unendlich abgehen. — Dazu kommt noch ein fataler Drang zu sehen, der in mir durch meine lezten Reisen sehr vermehrt worden ist. Wenn ich daher nicht bis auf den lezten Heller abgebrannt bin, sobald der Zeitpunkt da ist, um meine Segel der Heimath entgegen zu lichten, so würde ich wohl noch einige Monate abwesend bleiben, um mit Bisping3), dessen Du Dich vielleicht

1) Bei Freiwaldau in Desterreichisch-Schlesien mit einer von Priesnig errichteten vielbesuchten Kaltwasser-Heilanstalt.

2) Wohnsiz des Grafen Cajus zu Stolberg, Majoratsherr zu Brauna im Königreich Sachsen.

3) August Bisping, dermalen Professor an der Akademie zu Münster.

von Bonn her noch erinnern wirst, die kurze Reise nach Rom zu machen. Diese Gesellschaft und das Ziel sprachen mich leider sehr, wenn auch noch in sehr verschiedenem Maße an, und ich könnte in den jeßigen Umständen nicht widerstehen, wenn ich nicht in meinen Geldmitteln den sichersten Beweis hätte, daß ich nach Gottes Willen zurückkehren soll. Auch liegen mir jezt die Blüthen auf den Tiroler Alpen, die aufbrechen, wenn ich ihnen den Rücken zudrehe, sehr im Kopf. Lebte doch dieser Prisniß mit seinen Erfindungen in dem schönen Süden von Tirol. Einige Monate seßte ich dann noch meiner Abwesenheit jedenfalls zu. In diesem Jahr wird sich der Frühling in den Gebirgen wohl besonders früh eineinstellen, da selbst hoch hinauf nur unbedeutend Schnee liegen soll. Von hier aus sieht man freilich nichts, wie eine unabsehbare Schneemasse den ganzen südlichen Horizont begrenzen. Hoffentlich habet auch Ihr eine schöne Natur um Euch, in der Ihr zuweilen Genuß und Freude findet. Ich schäme mich ordentlich, wie sehr mich das einsame Tirol anzieht, und fast glaube ich, daß ich noch von hier aus auf einige Tage hinein laufen werde, um gesund und frisch von diesen heimlichen glücklichen Bergthälern Abschied zu nehmen.

Werdet Ihr noch die „Politischen Blätter" erhalten? Im ersten Heft dieses Jahres steht die lezte Antwort an Kaniz1), die ihrem Ver

1) In den Cölner Wirren hatten die Hist.-pol. Blätter geschrieben: „Seltsam! Das einzige von Seiten der Protestirenden zu Gunsten der weltlichen Regierung ergangene Wort, welches seinen Standpunkt über der rohen Gemeinheit und auf nicht revolutionärem Gebiete nimmt, rührt von einem Juden her“ (1, 490). Damit ist die Berliner Flugschrift von Joel Jacoby: „Die Frevel der Revolution" gemeint. Zum Beweise, daß dieser Ausspruch nicht ganz richtig sei, sandte ein anonymer Schriftsteller seine zu Gunsten der Regierung, aber in conservativem Sinne und würdigem Tone verfaßte Schrift: „Die Allocution des Papstes Gregor XVI." der Redaction ein. Auf die Antwortschreiben der leßtern (3, 449, 593, 721) veröffentlichte derselbe Schriftsteller zwei weitere Broschüren: „Kleiner Beitrag zur Berichtigung eines großen Mißverständnisses,“ und „Lezte Antwort an die Herrn Verfasser der historisch-politischen Blätter," bis endlich die Redaction die interessante Polemik mit dem in dem obigen Briefe angezogenen Artikel (5, 17 ff.) zum Abschluß brachte. Ueber den Verfasser der anonymen Flugschriften sagen die Hist.-pol. Blätter: „Wir glauben weder zu irren, noch die Rechte der Anonymität zu verleßen, wenn wir unsern Lesern verrathen: daß wir uns nicht blos einem der hellsten Köpfe, den vielleicht das gesammte nördliche Deutschland besißt, sondern einem Manne gegenüber befinden, der wie wenige ausgezeichnet ist durch Welterfahrung und Scharfblick, durch Umfang der Kenntnisse und Reinheit des Characters. Seine hohe Stellung im Leben hat ihm frühzeitig einen weiten Gesichtskreis eröffnet und ihn über manche Vorurtheile weggehoben, in denen viele seiner Confessionsgenossen befangen sind zc. (2, 506 f.) Alle diese Momente sprechen dafür, daß der damalige preußische Gesandte in

fasser Ehre macht, zugleich aber mit wahrem Schmerz erfüllt, wenn man dadurch neuerdings darauf hingewiesen wird, wie unendlich schwer eine Vereinigung verschiedener Ansichten über religiöse Gegenstände ist. Mit großem Interesse habe ich auch eine Broschüre von Joël Jacoby „Kampf und Sieg“ gelesen 1), die meine ganze bisherige Stimmung gegen die Juden über den Haufen geworfen und sie in das innigste Mitgefühl verwandelt hat. Du kennst sie gewiß schon und hast selbst vielleicht den Verfasser in Brauna gesehen, oder wo hält er sich jezt auf? Sehr gespannt bin ich, ob sich die Zeitungsnachricht über unsern Erzbischof bestätigt, daß er an den König geschrieben und Untersuchung, Abführung nach Minden oder Rückkehr in seine Diöcese beantragt habe.

Vor einiger Zeit soll Seydell wieder in Conflikt mit den Behörden gewesen sein. Ein Pfarrer und ein Kaplan in Coblenz hatten gegen den Rosenkranz gepredigt und dadurch im Publikum einen solchen Unwillen erregt, daß eine große Menge auf Abseßung und Entfernung dieser Geistlichen bestand. Seydell soll bald darauf in der Katechese das Gebet des Rosenkranzes seinen Zuhörern sehr angepriesen und deßhalb zur Untersuchung gezogen und den Befehl erhalten haben, seine Katechese schriftlich der Behörde einzureichen. Vielleicht ist die Sache falsch oder wenigstens entstellt; wenn aber nicht, so sind solche Einmischungen jezt kaum mehr auffallend und eigentlich ganz gleichgültig, da solche Handlungen das Vertrauen doch nicht mehr drücken können, als es schon ohnehin gesunken ist. Ich finde, man könnte Lust bekommen, Geistlich zu werden, nur um in diese kirchlichen Zerwürfnisse lebendiger mit einzugreifen, – gewiß weder ein kirchliches noch sonst schönes Motiv, aber man wird so ganz und gar vom Geist der Opposition ergriffen, daß man sich gegen solche menschliche Motive in einer so heiligen Angelegenheit ordentlich wehren muß. Fehlten mir nicht die Vorkenntnisse und leider auch die Nachkenntnisse zu einer derartigen würdigen Opposition, so wäre mir eben diese Versuchung sehr gefährlich. Tausend, tausend Grüße rufe ich Euch zu und bitte Euch zuweilen um ein freundliches Andenken an Euren treuen Bruder Wilhelm.

Hannover, der schlesische Freiherr Carl von Caniß und Dallwiß (nicht Kaniß, wie sich die gleichnamige gräfliche Familie in Ostpreußen schreibt), nachher Gesandter in Wien und später bis 1848 Minister des Aeußern in Berlin, der Verfasser der erwähnten, in der Hahn'schen Hofbuchhandlung zu Hannover erschienenen Broschüren sei. Die Bibliothek des v. Arnswaldt'schen Hauses in Hannover, in welchem Caniz als intimer Freund fast täglich verkehrte, stellt dies außer Zweifel. Hier ist nämlich jede der fraglichen Schriften mit einem Zettel aus früherer Zeit versehen, welcher, außer dem Titel des Buches, mit Bleistift noch den Namen Canig enthält, womit offenbar der Verfasser angedeutet ist. Vgl. S. 15.

1) Regensburg 1840.

An seine Schwester Sophie.

20.

München, 8. Februar 1840.

Dein leßter Brief hat mir die Nachricht von der Abreise des armen. Wilderich mit seiner kranken Frau überbracht. Zu meinem großen Troste habe ich schon durch Mütterchen erfahren, daß die Reise bis in die Nähe von Leipzig doch ziemlich gut abgelaufen ist, und hoffe zu Gott, daß uns bald von dem glücklichen Eintreffen der Geschwister an ihrem Bestimmungsorte Kunde werden wird. Möge sich Gott gegen unsere arme kranke Paula ebenso gnädig erweisen, wie er es gegen Phillips gethan, der doch jezt wieder in voller Genesung begriffen ist, so daß wir zuverlässig auf die Erhaltung dieses Streiters der Kirche zählen können. Sobald seine Gesundheit es erlaubt, wird er eine Reise nach England zu den Besitzungen des Lords Clifford antreten, der sich hier längere Zeit aufgehalten und Phillips wiederholt eingeladen hat. Phillips freut sich um so mehr auf diese Reise, weil sein Vater ein Engländer und seine Mutter eine Schottin waren, wodurch er noch viele Verwandte und von einem längeren Aufenthalt her auch Bekannte in England hat. Hoffentlich wird er dort Gelegenheit finden, den schlechten Einfluß von Bunsen wieder gut zu machen, den man jezt schon in der Schweiz in dem Geiste mehrerer dort erscheinenden Zeitschriften erkennen soll. So ein Mann ist doch eine wahre Pest für die Gegend, in der er sich aufhält. Ich freue mich nur, daß die Abwesenheit von Phillips nicht in die Zeit meines Hierseins gefallen ist. Seine und seiner Frau Bekanntschaft wird mir immer zu den liebsten Erinnerungen gehören.

Schreibe mir doch, liebe Sophie, was Ihr von dem Briefe des Erzbischofs nach Berlin wißt, wenn es eine Mittheilung vertragen kann. Ich bin sehr gespannt, ob sich diese Zeitungsnachricht bestätigt. Er soll ja wieder ganz hergestellt und geistig so gesund sein wie je. Dann ist mir die Sache sehr wahrscheinlich.

Von Görres' Tochter habe ich gestern gehört, daß Döllinger vermischte Aufsäße von Möhler1) herausgegeben hat, die höchst interessant sein sollen. Auf ihre Empfehlung hin kann ich sie Dir schon anrühmen, obwohl es bei einem solchen Namen keiner Empfehlung bedarf. Ich freue mich sehr sie zu lesen, da ich eine wahre Passion zu Möhler's Schriften. habe. Wenn ich wieder bei Dir sein werde, lasse ich Dir keine Ruhe,

1) Gesammelte Schriften und Auffäße. Regensburg 1839.

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