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die Cölner Angelegenheiten geordnet werden. Es laufen sogar schon unzählige Gerüchte über Entfernung einiger Herrn des Domkapitels und über Aufforderung zur gänzlichen Unterwerfung unter den Erzbischof um. Was daran wahr sei, ist zwar noch ganz unbestimmt; daß aber Verhandlungen im Gange sind, ist wohl unzweifelhaft. Der Erzbischof soll direct noch keine Mittheilungen erhalten haben. Es ist auch die Regulirung der Cölner Angelegenheiten wegen der Hermesianer und wegen der Universität in Bonn schon an sich so entseßlich schwer und durch die Eigenthümlichkeiten des Erzbischofs noch so viel schwerer, daß man beim besten Willen allerhöchsten Orts keine schnellen Resultate erwarten kann. Wenn man nur in recht offene Unterhandlungen mit Rom treten wollte! Nur von dorther kann eine genügende Erledigung erfolgen. Gott gebe nur, daß die in dieser Beziehung umlaufenden Zeitungsnachrichten sich bestätigen. Ich bezweifle nicht, daß die Zusammenkunft in Dresden auch diese Angelegenheit besonders befördert haben wird. Wenn nur die Kirche wieder Luft bekömmt, um ihr Werk im Kleinen wieder zu beginnen und ihre Arbeit auf Umgestaltung des einzelnen Menschen mit allen Hilfsquellen zu betreiben! Die sanguinischen Hoffnungen, daß nach und nach es der Kirche vielleicht gelingen werde, den Staat in seinen höheren Grundsäßen christlich zu machen, der jeßt durchaus heidnisch ist, und daß auch das Leben in der höheren Welt sich diesem Streben anschließen werde, widerspricht zu sehr meiner Ueberzeugung.

Richte Dich nur darauf ein, mein alter Wilderich, im October zur Huldigung mit allen unseren Herren zusammen zu treffen. Sie werden wahrscheinlich sammt und sonders hingehen, und man sagt sogar, daß außer den Gewählten auch noch die anderen besonders zur Huldigung eingeladen werden. In der nächsten Woche soll die Wahl vor sich gehen. Ferdinand Merveldt ist vorläufig zum Ceremonienmeister der hiesigen Provinz bei der Huldigung per Cabinetsordre ernannt.

An seinen Bruder Wilderich.

30.

Harkotten, 23. September 1840.

In Dinklage, wo ich im Ganzen fünf Wochen gewesen, waren die lezten acht Tage Ferdinand Galen mit seiner Frau und zur allgemeinsten Freude auch der Dechant Kellermann1) anwesend. Kellermann war so

1) Siehe Kirchenler. von Weßer und Welte 12, 639-642; Janssen's F. L. Stolberg 1800-1819 G. 81-83.

munter und gesprächig, wie ich ihn noch nie gesehen. Leßteres war uns besonders erfreulich, da wohl keiner von uns den Muth gehabt haben würde, ihn zum Sprechen aufzufordern. Er nahm, so viel er eben konnte, an unserer Tagesordnung Theil und ließ sich sogar bewegen, an einem Sonntage in der Dorfkirche zu predigen, was eine doppelt große Wohlthat in Dinklage war, wo man von den übrigen Geistlichen eigentlich kein Wort auf der Kanzel verstehen kann. Die anfängliche Ansicht und Hoffnung, daß nach der Rückkehr des Erzbischofs von Posen nun auch unser Erzbischof bald wieder restituirt werde, fängt doch jezt allmälig an, der Befürchtung Plaz zu machen, daß diese Wiedereinsetzung wohl nie wieder erfolgen oder jedenfalls noch lange dauern werde. Viele theilen wenigstens mit mir diese Ansicht. Leider bleibt seine Entfernung immer eine grobe Rechtsverletzung, bei der ich kein Nachgeben oder Vereinbaren von katho lischer Seite für möglich halte. Er selbst scheint jedenfalls seine baldige Rückkehr anzunehmen, da er sich sogar Wagen und Pferde und seinen vollständigen Haushalt wieder beigelegt hat. Es wird Dich interessiren, daß er sich jezt auch zu einem Schreiben an den König entschlossen hat. Es wird in diesen Tagen abgehen. Das arme Rheinland ist durch seine Geistlichkeit in eine jammervolle Lage gebracht worden. Unsere Geistlichkeit würde sich doch ganz anders benommen haben. Kellermann konnte neulich nicht genug wiederholen, wie gut und tüchtig doch hier überall der Geist sei und wie sichtbar namentlich unter der jüngeren Geistlichkeit der Eifer zunehme.

An seinen Bruder Wilderich.

31.

Dinklage, 20. Oktober 1840.

Meine guten Vorsäge werden immer zu Wasser und so auch dieser, Dir wenigstens alle drei Wochen zu schreiben, obwohl mich, außer der gewöhnlichen brüderlichen Pflicht und außer dem mir so lieben und werthen Verkehr mit Dir, noch die Dankbarkeit für die häufigen Nachrichten, die Du mir bei meiner Abwesenheit von Haus zukommen ließest, zu einer recht häufigen Correspondenz verpflichtet. So ist denn auch diesesmal wieder ein Monat dazwischen, daß ich Dir zulezt schrieb, und mit ihm ist wieder die Zeit dahin, die uns so oft in unserem geliebten Harkotten vereinigte und die mich immer, wenn sie vorüber, mehr wie jede andere des Jahres an die Eitelkeit aller irdischen Vergnügen erinnert. — Wärest Du, mein lieber Bruder, unter uns gewesen, so hätte ich seit dem Tode unseres geliebten Vaters keinen ungetrübteren Aufenthalt in Har

fotten gehabt wie diesen Herbst. Clementinchen1) war zwischen uns die Tame, der wir alle zu Füßen lagen und von der wir auch alle sehr gnädig behandelt wurden.

Richard habe ich leider nicht so viel und so lange gesehen, wie ich es gewünscht hätte. Ich finde, daß er auffallend stiller und zurückhaltender geworden ist. Da er früher etwas an Vorlautigkeit laborirte, so steht ihm diese Art sehr gut an. Ich bin sehr neugierig wenn man sich so gemein ausdrücken darf - wie sich der Junge noch entwickeln wird. Chne Kopfhänger zu sein, haben wohl wenig junge Menschen in der ganzen Welt in ähnlicher Umgebung so viel Ernst und Solidität in ihrer Jugend bewahrt. Dadurch ist er schon aus der Art der gewöhn= lichen Menschen sehr vortheilhaft herausgetreten. Nach dem, was ich gesehen, muß er sich recht fleißig und gut beschäftigen. In seinem positiven Wissen macht er einem überall zu schaffen, denn er weiß eine ganze Menge von Einzelheiten der Geschichte und aus dem Leben und hat von uns allen allein ein sehr gutes Gedächtniß. Wenn Du nur hier wärest, so würde ich mit Dir für ihn etwas anderes überlegen. Nach meiner Ansicht muß er aus seinem jezigen Leben doch endlich heraus, und da ist jeder Monat der größte Zeitverlust. Ich habe schon gedacht, ob er nicht vielleicht vorläufig bei einem Landrath sehr zweckmäßig zu beschäftigen wäre, um sich zuerst zum Landrath und später vielleicht zum großen Examen vorzubereiten. Er scheint dazu die größte Lust zu haben. Da er erst einundzwanzig Jahre alt ist und leicht von dem Abiturientenexamen entbunden werden würde, so sehe ich gar nicht ein, warum er nicht baldmöglichst umsatteln sollte. Was hältst Du von solchen Plänen?

Durchaus schön und edel und rechtlich finde ich das Benehmen unseres Königs in der Angelegenheit der schlesischen Kirchen, wovon Du uns zuerst nähere Nachrichten gegeben. Da ist doch wieder Gerechtigkeit und Edelsinn. Elend und wie ein gemeiner Verräther à la Maroto 2) steht der Fürstbischof auch hier wieder da 3). Ich begreife dabei nicht, daß noch

1) Das Töchterchen seines Bruders Clemens.

2) Der bekannte General von Don Carlos, welcher 1839 seinen Kriegsherrn verrieth und die Hälfte des Heeres in diesen Verrath verwickelte. Vgl. Hist.-pol. VI. 4, 646.

3) Nach einer Verfügung der Regierung sollten 180 katholische Kirchen in Schlesien eingezogen und den Protestanten übergeben werden. Im Auftrag des Fürstbischofs Sedlnitky reiste bereits ein katholischer Pfarrer mit einem Regierungsrathe im Lande herum, um die Uebergabe an die Protestanten zu vollziehen. Da traf am 27. August eine Cabinetsordre in Breslau ein, welche die weitere Einziehung der katholischen Kirchen untersagte. Katholik Bd. 78, S. XX-XXII.

immer versäumt ist, die Trierer Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Dort liegen doch die Cölner Verwickelungen nicht vor. Wenn nur etwas geschieht, bevor sich die drohenden Wolken an dem politischen Horizont entladen 1). Wenn die Verwickelungen sich friedlich löien, dann glaube auch ich an einen ewigen Frieden und eine förmliche göttliche Vorberbestimmung, daß kein Krieg mehr sein soll. Wenn es aber Krieg gibt, dann ist uns außer der Treue auch noch Enthusiasmus dem der Franzosen gegenüber nöthig. Wenn nur unser König dieien erweden wollte, wie er es kann — dann, glaube ich, haben wir nicht viel zu befürchten. Ich beneide has französische Volk um sein Selbstvertrauen und seinen Muth. Den kann man ihnen doch nicht absprechen, wenn auch in ihren Aeußerungen viel Renommage liegen mag. Aber die Renommage in Abzug gebracht, haben sie gewiß der ganzen Welt gegenüber noch ebenso viel Muth wie die ganze Welt zusammen gegen Frankreich.

Daß unser Erzbischof dem König geschrieben, weißt Tu wohl. Bekömmst Du vielleicht den Fränkischen Courier" von der Herzogin zu lesen? Er brachte sehr gute Artikel über die Möglichkeit seiner Rückkehr nach Cöln und die Beseitigung der entgegenstehenden Hinderniñse.

Könnte ich mich doch wieder in Eure Mitte verießen, Ihr geliebte Geschwister! Ich habe es mir schon oft hin und her überlegt, iehe aber nicht ein, wie ich es möglich machen könnte. Ich darf unmöglich ein ferneres halbes Jahr der Unschlüsfigkeit, was ich beginnen soll, zuiezen. Nur diese Rücksicht hält mich davon ab, zu Euch zu gehen. Daß ich die endliche Entscheidung über meine Zukunft dem Rath und der Meinung eines andern anheim geben wollte, habe ich Dir schon gesagt. Durch die desfallsige Rücksprache bin ich veranlaßt worden, mich noch schriftlich dem Bischof von Eichstätt über diesen Gegenstand mitzutheilen. Du siehst hieraus, daß meine Zukunft in guten Händen ist, und ich warte getroit und ganz ruhig ab, was so gotterleuchtete Männer weiter über mich beschließen. Der Gedanke, daß ich in dieser Art selbst der Bürde des Entschlusses fast ganz überhoben bin, und daß dieser Weg keine Eselsbrüđe, sondern ein von allen frommen Männern angerathener Weg ist, den man mit der sicheren Ueberzeugung betreten kann, den zu Rath gezogenen Männern werde die höhere Erleuchtung nicht fehlen, gewährt mir eine solche Beruhigung, daß ich nie im Leben ruhiger als in dieser für mich so wichtigen Zeit gewesen bin. Davon halte auch Du Dich, mein geliebter alter

1) Frankreich drohte mit einem Kriege, in Folge deñen der deutsche Bund allarmirt wurde. Vgl. Menzel's Gesch. der letzten vierzig Jahre 2, 67. D. Ketteler, Briefe.

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Bruder, nur recht überzeugt. Wenn mir noch ein längeres Warten gerathen wird, dann komme ich noch vielleicht diesen Winter zu Euch. Jedenfalls theile ich Dir jede Art von Entschluß sofort mit. Uebrigens ist es jest nicht leicht, sich hier ohne bestimmten Entschluß über einen zu ergreifenden Stand aufzuhalten, da man von allen Seiten aufgefordert wird, die gute Zeit zu benußen und in Dienste zu treten. Nur gegen Mathis habe ich bei einer solchen Gelegenheit mich etwas offener ausgesprochen. Ich habe besonders Ursache mit Anna Ferdinand 1) zufrieden zu sein, da ich keine theilnehmendere Zuhörerin finden kann, als sie ist, wenn ich Abends nach dem Schlafengehen der Kinder aus dem Nibelungenlied vorlese. Ich schwärme unendlich für dies alte Heldengedicht und bitte Dich und Paula inständig, doch recht bald auch die Bekanntschaft von Siegfried, dem Siegelindenkind, und seiner wunderschönen Maid Kriemhilde zu machen. Sehr lesenswerth ist auch die Hurter'sche Vertheidigungsschrift 2), worin unvergleichlich schöne Stellen vorkommen, so wehe es auch thut, ihn unserm Glauben so fern stehen zu sehen, wenigstens in Bezug auf einen öffentlichen Uebertritt. Merkwürdig ist die Gründlichkeit dieser Vertheidigung, in ihrer Art ebenso gründlich und belegt wie sein großes Geschichtswerk. Ich danke meinem Schöpfer, daß ich nicht zufällig zu seinen Feinden gehört habe, denn mit denen kann kein Hund mehr ein Stück Brod nehmen. Weniger spricht mich seine Reise nach Wien an, die ich jezt lese. Auch sie enthält aber viele schöne Stellen und hat noch außerdem für mich das Interesse, daß er großentheils einen Weg beschreibt, den ich selbst gemacht habe. Vielleicht hätte ich mit ihm zusammentreffen können, da er nur einen Monat früher wie ich in Tirol war, was ich jetzt erst in seiner Reisebeschreibung gesehen habe. Wenn man ihn so auf seiner Reise in Klöstern, Stiftern und Kirchen begleitet, dann kann es einem nicht einfallen, daß er Protestant ist.

Soweit war ich gestern gekommen und jeßt eile ich Dir noch einen herzlichen Gutenmorgen zu sagen, da der Lohner Bote bald kommen wird. Seit fünf Tagen ist hier wieder alles vom Lärmen und Toben der Vakanz zur Ruhe des Studirens zurückgekehrt und seitdem ist noch angenehmer hier sein; denn in diesem kleinen Hause kann das Toben doch oft unangenehm werden, zumal bei Mütterchens Regiment, wo es nur heißt, den Kindern so viel Freude gemacht wie möglich, ob dabei auch einige erwachsene Trommelfelle bersten oder nicht.

Denke Dir, daß wir heute noch gar keine Nachrichten von den Hul

1) Gemahlin von Graf Ferdinand von Galen.

2) „Der Antistes Hurter von Schaffhausen und sogenannte Amtsbrüder."

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